VwGH 2012/13/0084

VwGH2012/13/008421.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 3. Juli 2012, Zl. RV/3012-W/11, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2010 (mitbeteiligte Partei: Dr. M in W, vertreten durch Mag. Claudia Modarressy, Steuerberaterin in 1230 Wien, Paminagasse 102), zu Recht erkannt:

Normen

EStG §68 Abs1;
EStG §68 Abs5;
EStG §68 Abs1;
EStG §68 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, teilzeitbeschäftigter Stationsarzt eines orthopädischen Spitals in Wien, machte in seiner Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2010 geltend, eine ihm auf Grund einer Betriebsvereinbarung monatlich ausbezahlte Infektionszulage sei zu Unrecht nicht als begünstigte Gefahrenzulage im Sinne des § 68 Abs. 5 dritter Teilstrich EStG 1988 behandelt worden. Er brachte dazu vor, die Zulage werde allen Fach-, Ober-, Stations- und Assistenzärzten des Spitals "für den täglichen Kontakt mit infektiösen Substanzen (insbesondere Blut, Gelenkspunktate, Wundabstriche, Harn) bzw Patienten" gewährt. Sie beziehe sich auf die typische Infektionsgefahr bei Ausübung der "ärztlichen Tätigkeit bzw Tätigkeit im Krankenhaus", "die sich aus dem täglichen Umgang mit kranken Personen als auch infektiöse(n) Substanzen (Blut, Punktate, Wundabstriche, Harn)" ergebe. Zu seiner eigenen Tätigkeit gab er an:

"Zu meinem Aufgabenbereich als Stationsarzt gehört neben der Aufnahme, täglichen Betreuung von Patienten auch der Umgang mit infektiösen Substanzen im Rahmen von Blutabnahmen, Infusionen, Infiltrationen, Wundabstrichen, Verbandswechsel, (A)nhängen von Bluttransfusionen, (D)urchführung von Bed Side Tests etc."

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

"Zufolge telefonischer Rücksprache mit der Personalabteilung des Orthopädischen Spitals (Frau X) richtet sich die verrechnete Infektionszulage nach dem Ausmaß des Beschäftigungsverhältnisses und wird pauschal steuerpflichtig abgerechnet, ohne einer speziellen Infektionsgefahr zugeordnet zu sein, sondern nur jener, die dem allgemeinen Berufsbild der Ärzte entspricht. Entsprechend RZ 1136 d. LstRl. muss also der Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen innerhalb der jeweiligen Berufsgruppe gezogen werden und nicht mit den allgemeinen Arbeitsbedingungen 'schlechthin', sodass hier nur von der Vergleichsgruppe Ärzte ausgegangen werden kann. Innerhalb dieser Vergleichsgruppe handelt es sich nicht um eine Zulage, die der Tätigkeit in einem besonders infektionsgefährdende(n) Segment innerhalb dieser Berufsgruppe zugeordnet werden könnte, sondern um eine allgemeine, dienstzeitabhängige Zulage, die zufolge einer Betriebsvereinbarung mit der Bezeichnung 'Infektionszulage' zur Auszahlung gelangt."

In seinem Vorlageantrag wies der Mitbeteiligte darauf hin, dass sich Rz 1136 der Lohnsteuerrichtlinien auf Erschwernis- und nicht auf Gefahrenzulagen beziehe. Letztere dienten gerade dazu, ein "typisches Berufsrisiko" abzugelten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung im Wesentlichen (Kürzung auf elf Zwölftel zur Berücksichtigung von Urlaubszeiten) statt. Sie traf dazu in ihren Erwägungen zunächst folgende Feststellungen:

"Aus dem glaubwürdigen und seitens des FA unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Bw. ist abzuleiten, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit täglich mit möglicherweise infektiösen Substanzen in Kontakt kommt. Aus der Sicht des UFS erscheint daher erwiesen, dass der Bw. durch den Kontakt mit diesen Substanzen bzw. erkrankten Personen einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt war. Aus dem glaubwürdigen Vorbringen ist nicht abzuleiten, dass diese Tätigkeit nur kurzfristig oder vorübergehend ausgeführt worden wäre."

Im Anschluss an die Prüfung anderer, nicht beschwerdegegenständlicher Voraussetzungen für die steuerliche Begünstigung der Zulage kam die belangte Behörde mit folgendem Satz noch einmal auf die materielle Voraussetzung des Vorliegens der im Gesetz umschriebenen Gefährdung zurück:

"Wie oben festgestellt, stellt der Kontakt mit allenfalls infektiöse(n) Substanzen oder Personen nach Ansicht des UFS eine potentielle Gefahrenquelle dar, die über das allgemein übliche Gefährdungsausmaß hinausgeht und mit der Tätigkeit des Bw. zwangsläufig und dauernd verbunden ist."

Hiezu verwies die belangte Behörde auch auf kollektivvertragliche und in der Praxis der Finanzämter "unstrittig" anerkannte Vereinbarungen über Gefahrenzulagen für Angestellte in Labors und Ordinationen, die in Ausübung ihrer Tätigkeit mit infektiösem Material in Berührung kämen. Einen derartigen Kollektivvertrag legte die belangte Behörde auch ihrer Prüfung der Angemessenheit der Höhe der Zulage zugrunde. Davon abgesehen enthält der angefochtene Bescheid vor allem Ausführungen darüber, dass die Voraussetzungen für die steuerliche Begünstigung einer Gefahrenzulage - anders, als vom Finanzamt angenommen - nicht mit denen für die Begünstigung einer Erschwerniszulage identisch seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Finanzamtes, in der nun vor allem geltend gemacht wird, die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob der Mitbeteiligte seine Arbeit "überwiegend" unter gefährdenden Umständen ausgeübt habe.

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und - wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 68 EStG 1988 lautete in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung auszugsweise:

"§ 68. (1) Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge sind insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei.

(...)

(5) Unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sind jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die

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