VwGH Ro 2014/03/0052

VwGHRo 2014/03/00525.5.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Revisionssache des B F in T, vertreten durch Dr. Stefan Gloss, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner, Mag. Christian Schweinzer, Mag. Georg Karl Burger und Dr. Peter Gloß, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich vom 4. Dezember 2013, Zl Senat-PL-13-0204, betreffend Ehrenkränkung nach dem NÖ Polizeistrafgesetz, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VStG §21;
VStG §45 Abs1 idF 2013/I/033;
VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033;
VwGbk-ÜG 2013 §4 Abs5;
VwRallg;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §21;
VStG §45 Abs1 idF 2013/I/033;
VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033;
VwGbk-ÜG 2013 §4 Abs5;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde das mit Privatanklage des Revisionswerbers vom 27. November 2012 nach dem NÖ Polizeistrafgesetz eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren, in dem seinem Bruder vorgeworfen wurde, dass er den Revisionswerber am 27. November 2012 mit den Worten "Leck mich am Arsch" beschimpft und dadurch eine Ehrenkränkung begangen habe, gemäß § 45 Abs 1 Z 4 VStG ein, "da die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering" seien. Gleichzeitig hob sie die Kosten des Verfahrens gegeneinander auf.

Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der auch die Revision an den Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt wurde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 21. Februar 2014, B 177/2014-5, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Bei der vorliegenden Rechtssache handelt es sich um einen Übergangsfall, auf den die Vorschriften des § 4 Abs 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) sinngemäß anzuwenden sind. Für einen solchen ordnet § 4 Abs 5 zweiter Satz VwGbk-ÜG an, dass eine Revision gegen den Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates unzulässig ist, wenn die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht vorliegen. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision damit, dass es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der seit 1. Juli 2013 geltenden neuen Rechtslage des § 45 Abs 1 VStG, und zwar insbesondere in Bezug auf § 45 Abs 1 Z 4 und den letzten Absatz des § 45 Abs 1 VStG, gebe. Zu prüfen sei die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und inwieweit das Verschulden eines Beschuldigten als gering anzusehen sei. Es erscheine daher nach Auffassung des Revisionswerbers nicht gerechtfertigt zu sagen, der gegenständliche Rechtsstreit sei ein Einzelfall.

Mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I Nr 33/2013, wurde § 45 VStG (unter anderem) um den - im gegenständlichen Fall maßgeblichen - Einstellungstatbestand der Z 4 erweitert, wonach von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde - nach dem Schlusssatz des § 45 Abs 1 VStG - dem Beschuldigten in diesem Fall unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten. In den Gesetzesmaterialien (ErlRV 2009 BlgNR 24. GP, 19) wird dazu erläutert, dass mit dem neu formulierten § 45 Abs 1 VStG insbesondere die bisher in § 21 Abs 1 VStG enthaltenen Bestimmungen an systematisch richtiger Stelle zusammengeführt werden sollen. § 45 Abs 1 Z 4 VStG und der neue Schlusssatz dieses Absatzes entsprächen im Wesentlichen § 21 Abs 1 VStG (alte Fassung).

Zu der zuletzt genannten Bestimmung, die ein Absehen von der Verhängung einer Strafe (bei allfälliger Ermahnung des Beschuldigten) vorsah, "wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind", besteht eine gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, § 21 VStG, E 5 ff, und in Raschauer/Wessely, VStG, § 21 Rz 6 bis 11 und 18, wiedergegebene hg Judikatur), anhand derer auch die Rechtsfragen, die der vorliegende Fall aufwirft, gelöst werden können, sodass es keiner neuen Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung bedarf. Dass von diesen Leitlinien abgewichen worden wäre, wird vom Revisionswerber nicht dargelegt. Im Übrigen berührt der gegenständliche Fall nur Wertungsfragen im Einzelfall, die keine Rechtsfragen iSd Art 133 Abs 4 B-VG darstellen.

Die Revision war daher gemäß § 4 Abs 5 VwGbk-ÜG als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 5. Mai 2014

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