VwGH 2013/10/0108

VwGH2013/10/010828.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des FK in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 26. November 2012, Zl. UVS-SOZ/V/43/13255/2012-12, betreffend Mindestsicherung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4 impl;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
MSG Wr 2010 §4;
VwRallg;
AVG §66 Abs4 impl;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
MSG Wr 2010 §4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und der Beschwerde ergibt sich Folgendes:

Der Magistrat der Stadt Wien (die Behörde erster Instanz) hat mit Bescheid vom 12. Jänner 2011 den Antrag des Beschwerdeführers vom 10. September 2010 auf Zuerkennung einer Mindestsicherungsleistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs "auf die Dauer unveränderter Verhältnisse" abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet , dass der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin und einer minderjährigen Tochter eine Bedarfsgemeinschaft bilde und das Einkommen der Lebensgefährtin zur Deckung der Bedürfnisse dieser Bedarfsgemeinschaft ausreiche.

Die dagegen rechtzeitig eingebrachte Berufung wurde von der Behörde erster Instanz zunächst nicht der belangten Behörde vorgelegt.

Im August 2011 hat der Beschwerdeführer der Behörde bekannt gegeben, dass er die Lebensgemeinschaft mit 1. August 2011 aufgelöst habe und nunmehr allein lebe.

Da die belangte Behörde bis dahin über die Berufung nicht entschieden hatte, erhob der Beschwerdeführer am 6. September 2012 die zur hg. Zl. 2012/10/0160 protokollierte Säumnisbeschwerde. Erst danach hat die Behörde erster Instanz der belangten Behörde die Berufung vorgelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. November 2012 hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolge "auf die Dauer unveränderter Verhältnisse" durch die Wortfolge "bis 31. Juli 2011" ersetzt wird.

Auf Grund der Erlassung dieses Bescheides hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. Februar 2013, Zl. 2012/10/0160-6, das Verfahren über die Säumnisbeschwerde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG wegen Nachholung des versäumten Bescheides eingestellt.

Zur Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz nur über den Zeitraum ab Antragstellung (10. September 2010) bis zu einer Änderung der maßgeblichen Verhältnisse abgesprochen worden sei. Da sich die Verhältnisse während des Berufungsverfahrens mit 1. August 2011 auf Grund der Auflösung der Lebensgemeinschaft durch den Beschwerdeführer geändert hätten, sei "davon auszugehen, dass Bescheidgegenstand lediglich der Zeitraum 10. September 2010 bis 31. Juli 2011 war". Nur dieser Zeitraum sei somit "Sache" des Berufungsverfahrens. Der belangten Behörde sei es daher verwehrt, über den Zeitraum ab 1. August 2011 abzusprechen.

Weiters enthält der angefochtene Bescheid für die Monate bis Juli 2011 eine detaillierte Gegenüberstellung des Einkommens des Beschwerdeführers und dessen Lebensgefährtin mit dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft nach den maßgeblichen Mindeststandards. Demnach ergeben sich für die einzelnen Monate Überhänge des Einkommens in der Höhe von EUR 330,-- bis 414,--.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, bis zum 31. Juli 2011 in Lebensgemeinschaft gelebt zu haben. Ebenso wenig bestreitet er das von der belangten Behörde für diesen Zeitraum festgestellte Einkommen, das den Bedarf nach den anzuwendenden Mindeststandards deutlich übersteigt.

Mit seinem unter der Überschrift "verfassungswidrige Interpretation des Wiener Mindestsicherungsgesetzes" erstatteten Vorbringen, er sei mangels Krankenversicherung nicht in der Lage gewesen, seine bei einem Überfall als Taxilenker erlittenen Verletzungen postoperativ entsprechend behandeln zu lassen, zeigt er schon deshalb keine Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid auf, weil das bloße Fehlen eines Krankenversicherungsschutzes einer Person, die (als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft) über ein ausreichendes Einkommen verfügt, keinen Anspruch auf die vom Beschwerdeführer begehrte Mindestsicherung zur Deckung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs - der gegebenenfalls gemäß § 20 Abs. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz auch die Übernahme der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung umfasst - zu begründen vermag.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, dass sein Vorbringen, während des Berufungsverfahrens die Lebensgemeinschaft aufgelöst zu haben, von der belangten Behörde zu berücksichtigen gewesen wäre. Auf Grund dieses Umstandes hätte ihm die begehrte Mindestsicherungsleistung zuerkannt werden müssen; damit wäre der Verfahrensgegenstand des Berufungsverfahrens nicht überschritten worden. Auf Grund eines weiteren Antrages vom 16. Dezember 2011 habe ihm die Behörde erster Instanz nunmehr Mindestsicherung ab diesem Zeitpunkt zuerkannt. Die unrichtige Ansicht der belangten Behörde über den Gegenstand ihres Verfahrens habe zur Konsequenz, dass er für den Zeitraum von 1. August 2011 bis 15. Dezember 2011 keine Mindestsicherungsleistungen erhalten habe.

Dazu sei zunächst festgehalten, dass die Abweisung eines zeitlich nicht eingeschränkten Mindestsicherungsantrages "auf die Dauer unveränderter Verhältnisse" eine gänzliche Abweisung des Antrages darstellt, die lediglich mit dem Hinweis verbunden ist, dass bei einer zukünftigen wesentlichen Änderung der maßgeblichen Verhältnisse trotz rechtskräftiger Abweisung - auf Grund eines neuen Antrages - neuerlich über die Gewährung der Mindestsicherungsleistung entschieden werden kann. Ein derartiger Bescheid kann aber nicht so interpretiert werden, dass damit ein unbefristeter Antrag nur bis zu einem ungewissen in der Zukunft liegenden Ereignis abgewiesen wird und daher zum Teil noch offen ist. Tritt daher nach rechtskräftiger Abweisung eines Antrages "auf die Dauer unveränderter Verhältnisse" eine wesentliche Änderung der Verhältnisse zu Gunsten des Antragstellers ein, so ist die Behörde keinesfalls verpflichtet, für den Zeitraum ab Änderung der Verhältnisse über den früheren Antrag zu entscheiden, ist dieser doch bereits zur Gänze erledigt. Es kann jedoch neuerlich die Gewährung einer Mindestsicherungsleistung beantragt werden.

Solange hingegen ein Verfahren über einen Mindestsicherungsantrag anhängig ist, können wesentliche Änderungen der Verhältnisse in diesem anhängigen Verfahren geltend gemacht werden und sind von der Behörde zu berücksichtigen. Mangels Neuerungsverbot gilt dies auch für das Berufungsverfahren. Im Fall der Erhebung einer Berufung gegen die Abweisung eines unbefristeten Mindestsicherungsantrages "auf die Dauer unveränderter Verhältnisse" ist daher Verfahrensgegenstand des Berufungsverfahrens - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht nur der Zeitraum bis zu einer während des Berufungsverfahrens eingetretenen wesentlichen Änderung der maßgeblichen Verhältnisse, sondern die Frage, ob und gegebenenfalls in welchen Zeiträumen zumindest bis zur Entscheidung der Berufungsbehörde dem Antragsteller die begehrte Mindestsicherungsleistung gebührt.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage lediglich über den Zeitraum bis 31. Juli 2011 entschieden. Das Unterbleiben einer Entscheidung über den Zeitraum ab 1. August 2011 kann jedoch nicht mit einer Bescheidbeschwerde gegen den - trennbaren - Abspruch über einen anderen Zeitraum geltend gemacht werden. Ein derartiges Versäumnis ist vielmehr mittels Säumnisbeschwerde - vorliegend allenfalls im Wege eines Antrages auf Wiederaufnahme des mit hg. Beschluss vom 28. Februar 2013 abgeschlossenen Säumnisbeschwerdeverfahrens zur Zl. 2012/10/0160 - geltend zu machen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. Mai 2013

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