VwGH 2012/17/0465

VwGH2012/17/046521.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Anträge des Dr. W in B, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, auf Wiederaufnahme der mit Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes je vom 27. September 2007, 1. Zl. 2006/06/0136 und 2. Zl. 2006/06/0322, abgeschlossenen Verfahren, den Beschluss gefasst:

Normen

62000CJ0453 Kuehne Heitz VORAB;
62004CJ0234 Kapferer / Schlank Schick VORAB;
62004CJ0392 i-21 Germany VORAB;
VwGG §45 Abs2;
VwRallg;
62000CJ0453 Kuehne Heitz VORAB;
62004CJ0234 Kapferer / Schlank Schick VORAB;
62004CJ0392 i-21 Germany VORAB;
VwGG §45 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

1.1. In dem dem hg. Verfahren Zl. 2006/06/0136 zugrundeliegenden Bescheid ging die dort belangte Behörde - die Datenschutzkommission - davon aus, dass das Rechtsamt der Stadt F., Bundesrepublik Deutschland, im Frühjahr des Jahres 2003 den Lenker eines nicht näher bekannten, auf den Beschwerdeführer zugelassenen PKWs, einer Verwaltungsübertretung verdächtigt habe (Überschreitung der örtlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 10 km/h). Das Rechtsamt habe eine schriftliche Anfrage mit der Bitte um eine "Halterauskunft" (Name und Adresse des Fahrzeughalters) an die Bezirkshauptmannschaft als verantwortliche kraftfahrrechtliche Zulassungsbehörde gesandt. Die Bezirkshauptmannschaft habe die Daten aus einer näher bezeichneten Datenanwendung (Informationsverbundsystem) "Zulassungsevidenz" abfragen und eine standardisierte "Auskunft aus der Zulassungsevidenz" ausfüllen lassen, die folgende Daten des Beschwerdeführers als "zustellungsbevollmächtigter Zulassungsbesitzer" umfasst habe: Familienname, akademischer Grad, Vorname, Anschrift und Geburtsdatum. Diese Auskunft sei per Fax oder Brief an die Stadt F. übermittelt worden. Über diesen Vorgang sei kein Verwaltungsakt angelegt worden und sei kein Schriftverkehr dokumentiert.

Rechtlich beurteilte die Datenschutzkommission mit näherer Begründung diese Vorgangsweise der Bezirkshauptmannschaft als dem Gesetz entsprechend.

Gegen den Bescheid der Datenschutzkommission erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 28. Februar 2006, B 1298/05-5, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie mit weiterem Beschluss vom 8. Mai 2006 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

1.2. In dem dem hg. Verfahren Zl. 2006/06/0322 zugrundeliegenden Bescheid der belangten Behörde (der Datenschutzkommission) ging diese sachverhaltsmäßig davon aus, dass der Beschwerdeführer, ein in B berufstätiger Rechtsanwalt, in den Verdacht geraten sei, am 3. September 2005 auf einer näher bezeichneten Straße in der Schweiz eine Verwaltungsübertretung (Überschreiten der höchstzulässigen Geschwindigkeit als Kraftfahrer) begangen zu haben, nachdem ein auf ihn zugelassenes Kraftfahrzeug von der örtlichen Polizei mit einer um 7 km/h überhöhten Geschwindigkeit gemessen worden sei. Die Kantonspolizei T. habe "eine entsprechende Anfrage" an die Bezirkshauptmannschaft als Zulassungsbehörde gerichtet und habe von dieser Auskunft über Namen und Adresse des Beschwerdeführers erhalten. Diese Daten, die aus der (örtlichen) Zulassungsevidenz stammten, seien dazu benutzt worden, eine Bußgeldverfügung gegen den Beschwerdeführer zu erlassen und sei diese dem Beschwerdeführer am 28. Oktober 2005 zugestellt worden. Die genauen Umstände der Datenübermittlung stünden nicht fest, weil solche Anfragen und darauf ergangene Datenübermittlungen nicht aktenmäßig dokumentiert würden.

Auch hier ging die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht mit näherer Begründung davon aus, dass der Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten rechtmäßig gewesen sei.

Die dagegen vom Beschwerdeführer an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 11. Oktober 2006, B 1378/06-3, abgelehnt und mit weiterem Beschluss vom 12. Dezember 2006 antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

1.3. Der Verwaltungsgerichtshof führte - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinen nunmehrigen Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens - in beiden Beschwerdeverfahren eine mündliche öffentliche Verhandlung am 27. September 2007 durch und wies mit den genannten Erkenntnissen, Zl. 2006/06/0136 und Zl. 2006/06/0322, die Beschwerden jeweils als unbegründet ab.

Der Verwaltungsgerichtshof ging dabei - hinsichtlich der näheren Begründung kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe der erwähnten Erkenntnisse verwiesen werden - jeweils davon aus, dass die Auskunft in datenschutzrechtlich zulässiger Weise und ohne einen diesbezüglich wahrzunehmenden Eingriff in subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers erteilt worden sei.

Zu dem in beiden Verfahren erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers, die Datenschutzkommission entspreche (organisatorisch) nicht den Vorgaben des Art. 28 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281, S 31 vom 23. November 1995), weil nicht den Anforderungen der von der Datenschutzrichtlinie verlangten völligen Unabhängigkeit entsprochen werde, kam der Verwaltungsgerichtshof mit eingehender Begründung, auf die hier gleichfalls zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, zu dem Ergebnis, dass er nicht die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers teilen könne. Unter Bedachtnahme auf die - näher dargestellten - vom EuGH entwickelten Kriterien zum Gerichtscharakter sei die Datenschutzkommission angesichts ihrer Organisationsvorschriften und der ihr im Beschwerdefall zukommenden Kompetenzen nicht weniger als etwa der Vergabekontrollsenat der Stadt Wien als "Gericht" im gemeinschaftsrechtlichen Sinne zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer übersehe bei seinen Ausführungen in der Frage der Unabhängigkeit insbesondere, dass auch die ordentlichen Gerichte als Rechtsprechungseinrichtungen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gewisse Rahmenbedingungen hinnehmen müssten, die von der Justizverwaltung bestimmt würden, insbesondere als Rechtsprechungseinrichtung keine Budgethoheit oder auch keine Personalhoheit hätten. Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 37 Datenschutzgesetz 2000 seien nicht nur die Mitglieder der Datenschutzkommission (nämlich des Kollegiums) in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden, es unterstünden auch die in der Geschäftsstelle der Datenschutzkommission tätigen Bediensteten (also die beim Hilfsapparat tätigen Bediensteten) fachlich nur den Weisungen des Vorsitzenden oder des geschäftsführenden Mitgliedes der Kommission. Auch sei gesetzlich nicht vorgegeben, wer geschäftsführendes Mitglied der Kommission zu sein habe, vielmehr bestimme dies die Kommission selbst durch ihre Geschäftsordnung. Sollte man den Umstand als bedenklich ansehen, dass das von der Kommission bestellte geschäftsführende Mitglied in personeller Einheit auch Aufgaben außerhalb der Geschäftsstelle, nämlich im eigentlichen Bereich des Bundeskanzleramtes wahrgenommen habe, seien solche Umstände jedenfalls im Beschwerdefall nicht mehr gegeben, somit bestehe auch keine "Mischverwendung", aus der sich allfällige Interessenskonflikte ergeben könnten. Die Unabhängigkeit sei daher nicht nur durch die Organisationsvorschriften sondern auch durch die reale Ausgestaltung gegeben.

Es könne dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde bei der Wahrnehmung anderer Aufgaben als bei der Entscheidung über Beschwerden etwa gemäß § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 als "Kontrollstelle" im Sinne des Art. 28 der Datenschutzrichtlinie tätig werde oder nicht; maßgeblich sei für den Beschwerdefall, dass nach Art. 22 der genannten Richtlinie ein "verwaltungsrechtliches Beschwerdeverfahren" "insbesondere bei der in Art. 28 genannten Kontrollstelle" nicht obligatorisch vorgesehen sei, sondern auch gleich bei Gericht ein Rechtsbehelf eingelegt werden könne. Die Datenschutzkommission sei im Beschwerdefall ein solches Gericht im gemeinschaftsrechtlichen Sinne. Damit seien die zwingenden Vorgaben der Richtlinie erfüllt.

1.4. Der Gerichtshof der Europäischen Union (in der Folge: EuGH) sprach mit Urteil vom 16. Oktober 2012 in der Rechtssache C- 614/10 , betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 22. Dezember 2010, aus, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr verstoßen habe, dass sie nicht alle Vorschriften erlassen habe, die erforderlich seien, damit die in Österreich bestehende Rechtslage in Bezug auf die Datenschutzkommission dem Kriterium der Unabhängigkeit genüge, und zwar im Einzelnen dadurch, dass sie eine Regelung eingeführt habe, wonach

1.5. Unter Berufung auf das eben erwähnte Urteil des EuGH vom 16. Oktober 2012 begehrt der Beschwerdeführer (Antragsteller) mit seinen am 30. Oktober 2012 zur Post gegebenen, in einem Schriftsatz zusammengefassten Anträgen die Wiederaufnahme der mit den erwähnten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 2007 abgeschlossenen Beschwerdeverfahren. Nach Wiedergabe seines in den Beschwerdeverfahren erstatteten Vorbringens, einschließlich seiner Anregung der Einholung einer Vorabentscheidung, führt der Beschwerdeführer betreffend die Wiederaufnahme aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH Unionsrecht auch die Rechtskraft von nationalen Entscheidungen durchbreche. Dies sei umso mehr dort der Fall, wo - wie in den vorliegenden Fällen - kein durch die Entscheidung begünstigter privater Rechtsträger existiere, dessen Vertrauen auf die Rechtskraft innerstaatlicher Entscheidungen zu schützen wäre. So entscheide der EuGH in seiner Rechtsprechung von Fall zu Fall, in welchen Fällen Rückwirkung in der Form eintrete, dass durch den Wegfall der anzuwenden Norm des nationalen Rechts Rückwirkung in dem Sinne eintrete, dass auch die Rechtsfolgen der seinerzeitigen Entscheidung zu beseitigen seien. Nach dem bereits erwähnten Gesichtspunkt, ob von der Entscheidung begünstigte private Rechtsträger existierten, stelle der EuGH fallweise darauf ab, ob der jeweils Betroffene seinerseits die Rechtsverletzung selbst geltend gemacht habe oder nicht. Er, der Beschwerdeführer (Antragsteller), habe in beiden Fällen vor dem Verwaltungsgerichtshof umfangreich die offenkundige Unvereinbarkeit der Organisation der Datenschutzkommission mit der Datenschutzrichtlinie geltend gemacht und jeweils eine Vorabentscheidung des EuGH beantragt. Wären diese offenkundig gebotenen Vorabentscheidungen eingeholt worden, wäre es nicht zu den Entscheidungen des "Verfassungsgerichtshofes" gekommen.

Der Beschwerdeführer stelle daher den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens "aus jedem in Betracht kommenden Rechtsgrund, allenfalls angespannt um unionsrechtlich gebotene Analogien und analoge Rechtsanwendungen, in eventu, auf Neudurchführung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wegen Wegfalls der seinerzeitigen Entscheidungsgrundlage in Folge unionsrechtlicher Verdrängung".

2.0. Die Anträge auf Wiederaufnahme erweisen sich als unzulässig.

2.1. Die Wiederaufnahme eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof wird näher in § 45 VwGG wie folgt geregelt:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 45. (1) Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens ist auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn

1. das Erkenntnis oder der Beschluß durch eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht oder

3. nachträglich eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird, die in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte, oder

4. im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, daß sonst das Erkenntnis oder der Beschluß anders gelautet hätte oder

5. das Verfahren vor dem Gerichtshof wegen Klaglosstellung oder wegen einer durch Klaglosstellung veranlaßten Zurückziehung der Beschwerde eingestellt, die behördliche Maßnahme, die die Klaglosstellung bewirkt hatte, jedoch nachträglich behoben wurde.

(2) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen von dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen.

(3) Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zu entscheiden.

(4) Wenn der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entschieden hatte, gilt für die Wiederaufnahme § 69 AVG sinngemäß.

(5) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist in Angelegenheiten der Verfahrenshilfe (§ 61) nicht zulässig."

Zunächst ergibt sich aus den vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichtshofes, dass die beiden, das jeweilige Verfahren beendenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes dem Beschwerdeführer (Antragsteller) jeweils am 25. Oktober 2007 zugestellt wurden. Damit erweisen sich die vorliegenden Anträge auf Wiederaufnahme im Hinblick auf die Dreijahresfrist des § 45 Abs. 2 VwGG als verspätet und waren daher zurückzuweisen.

2.2. Der Beschwerdeführer (Antragsteller) beruft sich betreffend seine Anträge auf Wiederaufnahme (zumindest auch) auf Unionsrecht. Aber auch dieses gebietet - entgegen dem vom Beschwerdeführer vertretenen Standpunkt - keine andere Beurteilung. Der EuGH hat in einer Reihe von Entscheidungen die Bedeutung der Rechtskraft betont. Entsprechend dem Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt das Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht) nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtsweges bestandskräftig geworden ist (vgl. das Urteil des EuGH vom 13. Januar 2004, Rs C-453/00 Kühne & Heitz, Slg. 2004, I- 837, Randnr. 24). Der Gerichtshof hat jedoch anerkannt, dass in bestimmten Fällen eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen kann. Im erwähnten Urteil Kühne & Heitz hat er entschieden, dass die für den Erlass einer Verwaltungsentscheidung zuständige Behörde nach dem in Art. 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet ist, ihre Entscheidung jedenfalls dann zu überprüfen und eventuell zurückzunehmen, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind:

1. die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen,

2. die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichtsbestands rechtskräftig geworden,

3. das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Abs. 3 EG erfüllt war,

4. der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt (vgl. auch das Urteil vom 19. September 2006 in den verbundenen Rechtssachen C-392/04 und C- 422/04 , i-21 Germany und Arcor, Slg. 2006, I-8559, Randnr. 52). Der EuGH hat in einer Reihe von weiteren Entscheidungen die Bedeutung der Rechtskraft betont. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nach Ausschöpfung des Rechtsweges und nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfrist unanfechtbar gewordene Entscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden. Nach dem Urteil vom 16. März 2006 in der Rechtssache C-234/04 , Kapferer, Slg. 2006 I-02585, Randnr. 23 verpflichtet das Unionsrecht ein nationales Gericht nicht, von der Anwendung von Vorschriften des nationalen Verfahrensrechts abzusehen und eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zu überprüfen und aufzuheben, wenn es sich erweist, dass durch diese Entscheidung das Unionsrecht verletzt wurde.

Auch im Schrifttum wird betont, dass der EuGH den hohen Rang des Instituts der Rechtskraft bestätigt und ihr für die konkret zu entscheidende Fallgestaltung den Vorrang gegenüber der Unionsrechtskonformität nationaler Gerichtsentscheidungen zumisst. Er habe überdies außer Zweifel gestellt, dass eine unionsrechtliche Verpflichtung der nationalen Gerichte und Behörden zur Durchbrechung der Rechtskraft gerichtlicher wie auch der Bestandskraft verwaltungsbehördlicher Entscheidungen von einer ausdrücklichen Regelung in der nationalen Rechtsordnung abhängig sei (Ludwigs, Der Schutz der Rechtskraft im Gemeinschaftsrecht, ZfRV 2006/28; vgl. zum Ganzen auch den Beschluss des OGH vom 12. Juni 2012, 4 Ob 83/12 b).

Aus den dargelegten Erwägungen war daher den Anträgen auf Wiederaufnahme der verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht stattzugeben.

Wien, am 21. Dezember 2012

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