VwGH 2010/11/0156

VwGH2010/11/015623.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 9. Juni 2010, Zl. UVS-2009/27/1909-3, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes (mitbeteiligte Partei: MW, vertreten durch Mag. Hubertus P. Weben, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 5/2),

Normen

StGB §34 Z17 impl;
VStG §19;
StGB §34 Z17 impl;
VStG §19;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 1., 2., 4., 6., 9., 10., 11., 12., 13. und 14. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen (Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 3., 5., 7. und 8. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 18. Juni 2009 wurde der Mitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach § 9 VStG nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der Begehung von vierzehn Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz (AZG), das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) und das Arbeitsruhegesetz (ARG) schuldig erkannt und über sie Geldstrafen sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

Nachdem die mitbeteiligte Partei in der Berufungsverhandlung die Berufung auf die Strafhöhe eingeschränkt hatte, gab der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol (UVS) der Berufung mit Bescheid vom 9. Juni 2010 Folge und fasste die Strafaussprüche neu.

Die einzelnen Tatvorwürfe und das Strafausmaß entsprechen jeweils den im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/11/0155, genannten, bis auf die Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 1., 11., 13. und 14. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, in denen die von der Erstbehörde gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 2 Z. 1 AZG (zu Spruchpunkten 1. und 11.) bzw. §§ 3 und 4 iVm § 27 Abs. 1 ARG (zu Spruchpunkten 13. und 14.) verhängten Geldstrafen von jeweils EUR 100,-- auf EUR 60,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 18 Stunden) herabgesetzt wurden. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurde gemäß § 64 Abs. 2 VStG diesbezüglich mit jeweils EUR 6,-- neu festgesetzt.

Begründend führte der UVS nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, die Strafen wären angemessen herabzusetzen gewesen, wobei mildernd die bisherige Unbescholtenheit der mitbeteiligten Partei sowie die Tatsache gewertet worden sei, dass seit "den Vorfällen im Jahre 2008 weitere Übertretungen der gleichen Art" nicht erfolgt seien. Hinsichtlich der Spruchpunkte 2. und 12. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses habe ausnahmsweise mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden können. Hinsichtlich der Spruchpunkte 3., 5., 7. und 8. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sei die verhängte Geldstrafe angemessen zu reduzieren gewesen. Im Übrigen (gemeint:

Spruchpunkte 4., 6., 9. und 10. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) seien die verhängten Geldstrafen auf die gesetzliche Mindeststrafe herabzusetzen gewesen. Zudem habe hinsichtlich der Spruchpunkte 1., 11., 13. und 14. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gemäß § 20 VStG die verhängte Mindeststrafe ausnahmsweise unterschritten werden können, da die Milderungsgründe insofern beträchtlich überwogen hätten, als auch das insofern als reumütiges Geständnis zu wertende Einschränken der Berufung auf die Strafhöhe mit zu bedenken gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

I.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, insoweit sie die Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 1., 2., 4., 6., 9., 10., 11., 12., 13. und 14. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses betrifft, erwogen:

1. Hinsichtlich der im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsvorschriften wird auf das erwähnte hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/11/0155, verwiesen.

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Hinsichtlich der Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 2., 4., 6., 9., 10. und 12. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gleicht der Beschwerdefall demjenigen, der dem erwähnten hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/11/0155, zugrunde liegt. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

2.2.1. Hinsichtlich der Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 1., 11., 13. und 14. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses begründet die belangte Behörde die Unterschreitung der Mindeststrafe mit dem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe und mit dem als reumütiges Geständnis zu wertenden Einschränken der Berufung auf die Strafhöhe.

2.2.2. Ein Unterschreiten der Mindeststrafe bis zur Hälfte kommt gemäß § 20 VStG nur bei beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe oder wenn der Beschuldigte ein Jugendlicher ist, in Betracht.

Was den vermeintlich vorliegenden Milderungsgrund des Wohlverhaltens nach der Tatbegehung anlangt, genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die nähere Begründung des bereits mehrfach erwähnten hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2010/11/0155, zu verweisen, aus der sich ergibt, dass die belangte Behörde das Vorliegen dieses Milderungsgrundes zu Unrecht angenommen hat.

Was das vermeintlich "reumütige Geständnis" der mitbeteiligten Partei anlangt, so ist auszuführen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erhebung der Berufung nur gegen den Strafausspruch nicht als ein einem Geständnis gleichkommender Milderungsgrund zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 1994, Zl. 93/04/0086).

Von einem als Milderungsgrund zu wertenden reumütigen Geständnis kann nur dann gesprochen werden, wenn der Beschuldigte das Vorhandensein sämtlicher Tatbestandsmerkmale zugegeben hat, also sowohl in Ansehung der objektiven wie der subjektiven Tatseite uneingeschränkt geständig ist (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2009, Zl. 2009/09/0031). Für ein reumütiges Geständnis in diesem Sinn besteht aber vorliegend kein Anhaltspunkt, ergibt sich doch aus den vorgelegten Verwaltungsstrafakten, dass die mitbeteiligte Partei erst im Zuge der Berufungsverhandlung die Berufung auf eine gegen die Strafhöhe eingeschränkt hat, ohne dass das Vorhandensein sämtlicher Tatbestandsmerkmale im obigen Sinn zugegeben worden wäre.

Das bloße Zugeben des Tatsächlichen ist hingegen nicht schon als ein solcher mildernder Umstand zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2011, Zl. 2011/09/0023).

Es genügt in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass in der Gegenschrift der belangten Behörde nachgetragene Überlegungen nicht geeignet sind, eine fehlende Bescheidbegründung zu ersetzen.

2.3. Die wiederholte Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde belastet ihre Strafbemessung im Ergebnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

2.4. Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 1., 2., 4., 6., 9., 10., 11., 12., 13. und 14. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

II.

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines Unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 750,-- verhängt wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde die mitbeteiligte Partei zu den Spruchpunkten 3., 5., 7., und 8. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Begehung von Verwaltungsübertretungen gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 12 Abs. 1 Z. 1 KA-AZG schuldig erkannt und über sie Geldstrafen (zu Spruchpunkt 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses von EUR 270,--, zu Spruchpunkt 5. von EUR 250,-- , zu Spruchpunkt 7. von EUR 300,-- und zu Spruchpunkt 8. von EUR 350,--) verhängt.

Das Beschwerdevorbringen zeigt diesbezüglich nicht auf, dass die Entscheidung über die Beschwerde von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des § 33a VwGG abhängt. Der Beschwerdefall wirft im Übrigen auch sonst keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Somit konnte in dem im Spruch genannten Umfang von der Ermächtigung gemäß § 33a VwGG Gebrauch gemacht werden und die Behandlung der Beschwerde abgelehnt werden.

Wien, am 23. Mai 2012

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