Normen
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §25 Abs1 Z1 lita;
EStG 1988 §4 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der in Österreich ansässige Beschwerdeführer war bis Mitte 2002 bei der P-AG in Liechtenstein als Grenzgänger nichtselbständig tätig. Aus dieser Tätigkeit resultierten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Zum Arbeitsbereich des Beschwerdeführers bei der P-AG gehörte die Erstellung bzw. Bestellung technischer Dokumentationen für die bei der P-AG im Produktionsbereich verwendeten Maschinen. Solche Dokumentationen waren für den Fall eines Umbaus der Maschinen erforderlich und sollten auch beim Auftreten von Störungen dienlich sein.
Der Beschwerdeführer war unter Verletzung seines dienstvertraglichen Konkurrenzverbotes nebenberuflich bei der österreichischen G-GmbH tätig, wodurch er die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte. Nachdem die P-AG davon Kenntnis erlangt, sprach sie die Entlassung des Beschwerdeführers aus und machte ihm gegenüber Schadenersatzforderungen geltend.
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der P-AG stand dem Beschwerdeführer eine Pensionskassenauszahlung von 92.673,85 CHF zu. Er brachte im Verfahren betreffend Einkommensteuer 2002 vor, ein Betrag in dieser Höhe sei einkünftemindernd zu berücksichtigen, weil die Pensionskassenauszahlung aufgrund eines Vergleichs mit der P-AG vom 22. September 2002 nicht an ihn, sondern direkt an die P-AG gegangen sei. Die P-AG habe ihn wegen eines von ihr behaupteten Schadens von 150.000 CHF entlassen, und er habe sich, weil er den Gegenbeweis nicht habe antreten können, auf einen Vergleich vor dem Fürstlichen Landgericht in Liechtenstein eingelassen. Für die Tilgung des geforderten Betrages sei u.a. der Pensionskassenanspruch herangezogen worden.
Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 2002 die in Rede stehende Zahlung nicht und begründete dies damit, dass im Hinblick auf die von der P-AG erstattete Strafanzeige und die Einstellung des Verfahrens nach Bezahlung einer Vergleichssumme von 150.000 CHF von einem außerhalb des beruflichen Tätigkeitsbereiches liegenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers auszugehen sei.
Der Beschwerdeführer brachte Berufung ein. Er wendete im Verfahren ein, im Jahr 1999 habe er eine Einzelfirma gegründet, deren Zweck die Erstellung von Schaltplänen und elektrisch gesteuerten Schaltkästen gewesen sei. Die Ersatzleistung an die P-AG hänge ursächlich mit den von ihm ab dem Jahre 1999 als Einzelunternehmer (unter Zwischenschaltung der G-GmbH) erzielten Umsätzen zusammen. Bei Vorliegen eines betrieblich veranlassten Schadens seien Ersatzleistungen als Betriebsausgaben abzugsfähig.
Nachdem das Finanzamt eine abweisende Berufungsvorentscheidung erlassen hatte, beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2008 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei unter Verletzung seines dienstvertraglichen Konkurrenzverbotes für die G-GmbH tätig gewesen. Im Rahmen seines Dienstverhältnisses mit der P-AG sei er auch für die Dokumentationen zuständig gewesen. Diese Dokumentationen seien von ihm "nicht immer streng nach Vorschrift durchgeführt" worden. Der durch sein vertragswidriges Verhalten verursachte, im Vergleichswege zugestandene, vertragliche (nicht deliktische) Schadenersatz stelle eine Betriebsausgabe dar. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise habe der Vergleich lediglich zu einer Abschöpfung von Teilen der durch das Fehlverhalten erzielten Honorare geführt. Der Beschwerdeführer habe von den an die Firma G-GmbH gezahlten Honoraren 5/6 erhalten. Dass das Verschulden des Beschwerdeführers geringfügig gewesen sei, sei auch daran ersichtlich, dass das Fürstliche Landgericht in Liechtenstein den von der Klägerseite erhobenen Vorwurf des strafrechtlich relevanten Verhaltens offenbar als nicht gegeben erachtet habe, weil ansonsten von Amts wegen ein Strafverfahren einzuleiten gewesen wäre, tatsächlich jedoch nicht einmal staatsanwaltliche Vorerhebungen durchgeführt worden seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Das Liechtensteinische Fürstliche Landgericht habe das "Sicherungsbot" vom 3. September 2002 erlassen, mit dem auf Antrag der P-AG als Sicherungswerberin dem Beschwerdeführer als Sicherungsgegner jede Verfügung über seine Forderungen gegen die Pensionskasse untersagt worden sei. Dabei habe das Gericht folgenden Sachverhalt angenommen:
"Der Sicherungsgegner war vom 1.6.1999 bis zum 9.7.2002 als Arbeitnehmer bei der Sicherungswerberin beschäftigt. Er war vorerst als Steuerungstechniker und ab ca. Oktober 2000 als Leiter der Gruppe 'Verfahrenstechnik' der Abteilung 'Produktion' tätig. (…) Arbeitsort des Sicherungsgegners war das Werk der Sicherungswerberin in (E). (…) Ca. im Oktober 1999 hat der Sicherungsgegner bei der Firma (G-GmbH …) über die Einkaufsabteilung der Sicherungswerberin die Bestellung technischer Dokumentationen für verschiedene, bei dieser im Produktionsbereich in Betrieb stehende Maschinen veranlasst, wobei diese Dokumentationen für den Fall eines Umbaus der entsprechenden Maschinen oder bei Auftreten von Störungen benötigt worden wären. Der Sicherungsgegner hat zudem bereits zum damaligen Zeitpunkt ohne Wissen der Sicherungswerberin auf Stundenbasis nebenberuflich für die Firma (G-GmbH) gearbeitet. In der Folge hat die Firma (G-GmbH) der Sicherungswerberin Rechnung für die angeblich bereits gelieferten Maschinendokumentationen gestellt. Der Sicherungsgegner hatte in der zuständigen Abteilung bei der Sicherungswerberin den Eingang derselben bestätigt, weshalb von der Buchhaltung der Sicherungswerberin Zahlung an die Firma (G-GmbH) veranlasst wurde. Ca. im Mai 2002 wurden einige der von der Sicherungswerberin bei der Firma (G-GmbH) bestellten und von dieser angeblich gelieferten Maschinendokumentationen benötigt. Hierbei hat sich herausgestellt, dass die vom Sicherungsgegner bestellten, von der Firma (G-GmbH) angeblich auch gelieferten und von der Sicherungswerberin effektiv bezahlten Dokumentationen gar nicht existieren, jedenfalls bei der Sicherungswerberin nicht vorhanden sind. Im Zuge der von der Sicherungswerberin hierauf angestellten weiteren Nachforschungen hat sich herausgestellt, dass der Sicherungsgegner in fraudulöser Absicht - durch Vorspiegelung fingierter Lieferung der vorstehend erwähnten Maschinendokumentationen durch die Firma (G-GmbH) - im Laufe seiner Tätigkeit für die Sicherungswerberin in einem Betrag von mindestens CHF 100.000,00 Maschinendokumentationen bei der Firma (G-GmbH) geordert und deren Bezahlung durch die Sicherungswerberin veranlasst hat, obwohl diese Dokumentationen vermutlich effektiv gar nie erstellt oder jedenfalls der Sicherungswerberin nie geliefert worden sind. Inwieweit die Verantwortlichen oder andere Angestellte der Firma (G-GmbH) mit dem Sicherungsgegner gemeinsame Sache gemacht haben, oder ob der Sicherungsgegner auch die Firma (G-GmbH) unter missbräuchlicher Ausnützung seiner stundenweisen Tätigkeit für seine betrügerischen Machenschaften instrumentalisiert hat, lässt sich derzeit nicht sagen."
Diesen Sachverhalt habe das Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung zusammengefasst wiedergegeben. Der Beschwerdeführer habe den vom Fürstlichen Landgericht als glaubhaft gemacht erachteten Sachverhalt nicht widerlegt.
Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich in der im "Sicherungsbot" des Gerichts geschilderten Art und Weise Zahlungen von seiner Arbeitgeberin für angeblich gelieferte, tatsächlich jedoch nicht existierende bzw. ihr jedenfalls nicht zugekommene Dokumentationen bewirkt habe. Dass der Beschwerdeführer nur gegen das Konkurrenzverbot verstoßen habe bzw. die von der G-GmbH erbrachten Leistungen bloß nicht mehr lückenlos habe nachweisen können, könne demgegenüber nur als Zweckbehauptung gewertet werden.
Sohin habe der Beschwerdeführer durch Ausnutzung seiner Stellung in der Firma der ehemaligen Arbeitgeberin unter Zwischenschaltung der G-GmbH Zahlungen für nicht existente Dokumentationen bewirkt und solcherart die P-AG geschädigt. Dies könne nur seiner nichtselbständigen Tätigkeit zugerechnet werden. Daher könne von einer durch den Elektrotechnikbetrieb veranlassten Schadenersatzleistung von vornherein nicht die Rede sein. Zudem sei keineswegs gesagt, dass die auf diese Weise vereinnahmten Beträge als Betriebseinnahmen des Einzelunternehmens erfasst worden seien. Eine Berücksichtigung als Betriebsausgaben komme daher nicht in Betracht.
Ebenso wenig könne die strittige Schadenersatzleistung zu Werbungskosten führen. Schadenersatzleistungen seien nur dann Werbungskosten, wenn das Fehlverhalten der beruflichen Sphäre zugerechnet werden könne, was dann der Fall sei, wenn ein Schaden im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit aus Versehen oder einem sonstigen ungewollten Verhalten verursacht worden sei. Der (steuerlich unbeachtlichen) privaten Sphäre sei ein Fehlverhalten hingegen zuzurechnen, wenn sich der Steuerpflichtige aus privaten Gründen bewusst pflichtwidrig verhalte oder seine Kompetenzen überschreite. Bei der im gegenständlichen Fall bewirkten Schädigung der Arbeitgeberin könne von einem versehentlich oder ungewollt verursachten Schaden keine Rede sein.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Wird das eine Schadenersatzverpflichtung begründende pflichtwidrige Verhalten aus privaten Gründen gesetzt, sind die Schadenersatzzahlungen nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten absetzbar (vgl. Doralt, EStG11, § 4 Tz 330 "Schadenersatzleistungen" unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1981, 681/78, VwSlg 5607/F). Demgegenüber sind Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen abziehbar, wenn das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzurechnen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. September 2006, 2002/13/0091, und vom 30. Mai 2001, 95/13/0288).
Für die Frage der Abziehbarkeit von Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen ist demnach entscheidend, ob das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzuordnen ist oder es als private Verhaltenskomponente das Band zur betrieblichen/beruflichen Veranlassung durchschneidet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2000, 95/14/0048).
Schadenersatzleistungen als Folge eines aus privaten Gründen (z.B. freundschaftliche Beziehungen) bewusst pflichtwidrigen Verhaltens sind jedenfalls nicht abziehbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1997, 93/14/0030, und Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 4 Abs. 4 EStG 1998 allgemein Rz 36 Stichwort "Schadenersatzleistungen").
Wenn sich ein Dienstnehmer aufgrund seiner Dienstnehmerstellung rechtswidrig, etwa durch Veruntreuung, Vermögensgegenstände seiner Arbeitgeberin zueignet, so sind darin steuerpflichtige Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erblicken. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Februar 1997, 95/14/0112, ausgesprochen hat, sind die nach Aufdeckung der rechtswidrigen Handlung vom Dienstnehmer zu leistenden Schadenersatzzahlungen als Werbungskosten zu berücksichtigen. Dies gilt für den betrieblichen Bereich entsprechend.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Feststellung getroffen, dass der Beschwerdeführer als Dienstnehmer der P-AG Zahlungen der P-AG an die G-GmbH für angeblich gelieferte, tatsächlich jedoch nicht existierende bzw. der P-AG nicht zugekommene Dokumentationen bewirkt hat. Diese Vorgangsweise habe zu der in Rede stehenden Ersatzzahlung geführt.
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer auch für die G-GmbH tätig gewesen ist und daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat. Im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer (in der Eingabe vom 27. Juni 2008) vorgebracht, er habe von den an die G-GmbH "gezahlten Honoraren" fünf Sechstel erhalten. Sollte dieses Vorbringen zutreffen, haben die vom Beschwerdeführer bei der P-AG (unrechtmäßig) bewirkten Zahlungen im Weiteren zu einer Erhöhung der ihm von der G-GmbH geleisteten Zahlungen geführt. Diese erhöhten Zahlungen könnten im Rahmen seiner Einkünfte zu erfassen gewesen sein. In einem solchen Fall bestünde ein Zusammenhang zwischen dem in Rede stehenden unrechtmäßigen Verhalten des Beschwerdeführers und seinen Einkünften. Solcherart hätten die durch dieses Verhalten ausgelösten Ersatzzahlungen zu Erwerbsaufwendungen geführt.
Der angefochtene Bescheid enthält aber keine Feststellungen, ob bzw in welcher Weise der Beschwerdeführer an den der G-GmbH von der P-AG "gezahlten Honoraren" partizipiert hat. Die belangte Behörde ist von der unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen, dass lediglich bei "versehentlich oder ungewollt verursachten Schäden" Ersatzzahlungen zu Erwerbsaufwendungen führen können. Sie hat es deshalb unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, aus welchen Gründen (im Bereich der Einkünfteerzielung oder im Privatbereich) der Beschwerdeführer das in Rede stehende unrechtmäßige Verhalten gesetzt hat. Erst auf der Grundlage solcher Feststellungen kann aber das steuerliche Schicksal der Ersatzzahlung beurteilt werden.
Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 455/2008. Der Pauschalsatz für den Schriftsatzaufwand beträgt 1.106,40 EUR. Ein darüber hinausgehender Aufwandersatz für den Schriftsatz findet nicht statt.
Wien, am 28. April 2011
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