Normen
BDG 1979 §112 Abs1 impl;
LDG 1984 §80 Abs1;
VwRallg;
BDG 1979 §112 Abs1 impl;
LDG 1984 §80 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 suspendierte die Disziplinarbehörde erster Instanz die Beschwerdeführerin, eine Landeslehrerin, vom Dienst. Dies wurde folgendermaßen begründet:
"VOLn P steht im Verdacht:
- 1. der Schülerin IK mit einem Heft ins Gesicht geschlagen,
- 2. sie an den Haaren gezogen und
- 3. ihr mit der Faust auf eine Hand geschlagen zu haben, welche die Schülerin zuvor flach auf den Tisch legen musste,
- 4. der Schülerin DS Strafaufgaben erteilt und
- 5. sie beschimpft zu haben,
- 6. der Schülerin DB einen gebastelten Papierstiefel ins Gesicht geklebt und
7. ihr Strafaufgaben erteilt zu haben.
Es besteht der begründete Verdacht, dass dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 in Verbindung mit §§ 17 und 47 Abs. 3 SchUG vorliegen.
Die Disziplinarkommission ist zur Ansicht gekommen, dass auf Grund dieser in der Disziplinaranzeige des Landesschulrates für Steiermark vom 26. November 2001, LSR-GZ.: 3674.220142/5-2001, angeführten Dienstpflichtverletzungen sowohl das Ansehen der Schule als auch wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet sind. Durch die Belassung von VOLn P im Dienst wäre die Weiterführung eines ordnungsgemäßen Unterrichts nicht möglich gewesen, zumal an der Schule kriminalpolizeiliche Erhebungen gegen die Lehrerin wegen des Verdachtes gerichtlich strafbarer Handlungen gepflogen werden. So wurden bzw. werden insbesondere Schüler einvernommen, gegen welche sich die strafbaren Handlungen gerichtet haben sollen."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. März 2002 gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge. Sie begründete den Bescheid - nach Ausführungen zu verfahrensrechtlichen Fragen - im Wesentlichen wie folgt:
"Hinsichtlich der Ausführungen der Berufungswerberin auf Seite 3, dass 'die Vorwürfe gegeneinander abzuwägen und dann eine Entscheidung zu treffen, die sich nicht lapidar auf eine Gesetzesstelle bezieht ..., sondern im Detail die Überlegungen der Disziplinarkommission darstellt', ist festzuhalten, dass im Hinblick auf die Sicherungsfunktion der Suspendierung an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden können. Das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wird, muss nur in groben Umrissen beschrieben werden und es sind ferner die Verdachtsmomente darzulegen. Allein der Verdacht des Vorliegens einer gewichtigen Dienstpflichtverletzung reicht aus, die Suspendierung zu tragen.
Wird eine Suspendierung nach ihrer Begründung auf mehrere Dienstpflichtverletzungen im Verdachtsbereich gestützt, so genügt schon, dass auf Grund einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung im Verdachtsbereich das Ansehen der Schule oder wesentliche Interessen des Dienstes bei Belassung gefährdet werden, um sie im Instanzenzug zu bestätigen. Es muss auch nicht geprüft werden, ob auch alle anderen von der Behörde erster Instanz herangezogenen Dienstpflichtverletzungen für sich allein oder im Zusammenhalt die Suspendierung rechtfertigen würden. Als besonders gravierend wertet die Disziplinaroberkommission den Umstand, dass die der Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen gerade jenes Vertrauen untergraben, das von der Allgemeinheit bei der Wahrnehmung von Unterrichts- und Erziehungsaufgaben grundsätzlich erwartet wird. In den vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen kommt ein derart schwerwiegender Vertrauensbruch zum Ausdruck, dass der Schule bis zur Klärung und zum Abschluss des Verfahrens eine Weiterbeschäftigung der Berufungswerberin nicht zugemutet werden kann.
VOLn P führt in ihrer Berufung auch nicht den Wegfall von Umständen, die für die Suspendierung maßgebend gewesen sind, an. Sie führt vielmehr Mobbing als Ursache des gegen sie laufenden Disziplinarverfahrens an und verweist auf die Belobigungen, die sie erhalten hat. Die Disziplinaroberkommission gelangte zur Ansicht, dass diese Ausführungen insofern am Gegenstand des Verfahrens vorbeigehen, als sie nicht darzulegen vermögen, dass die Verfügung der Suspendierung ungerechtfertigt ist."
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 24. September 2002, B 814/02-3, ihre Behandlung ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg wird darauf hingewiesen, dass das im Gegenstand gegen die Beschwerdeführerin geführte Disziplinarverfahren nach der Aktenlage mit Bescheid der Disziplinarkommission erster Instanz vom 28. März 2003 gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 LDG 1984 eingestellt wurde. Mit Rechtskraft dieses Bescheides endet gemäß § 80 Abs. 5 erster Satz LDG 1984 auch die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Suspendierung. Dies hat im vorliegenden Fall jedoch deswegen nicht die Einstellung des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Folge, weil die Beschwerdeführerin weiterhin ein rechtliches Interesse an der Aufhebung der mit dem angefochtenen Bescheid bewirkten Bezugskürzung, die nach der Aktenlage erst mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 5. Februar 2002 aufgehoben wurde, besitzt.
Gemäß § 74 Z. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984 (LDG 1984) idF BGBl. I Nr. 46/1998, ist, sofern in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, auf das Disziplinarverfahren das AVG - mit im Einzelnen angeführten, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - anzuwenden.
§ 80 LDG 1984 idF BGBl. Nr. 297/1995 lautet:
"(1) Wird über einen Landeslehrer die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung eines Landeslehrers im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen der Schule oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die landesgesetzlich zuständige Behörde die vorläufige Suspendierung zu verfügen.
(2) Gegen die vorläufige Suspendierung ist kein Rechtsmittel zulässig.
(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bereits anhängig, so hat die zur Durchführung dieses Verfahrens berufene Behörde bei Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.
(4) Jede durch Beschluss der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde verfügte Suspendierung hat die Kürzung des Monatsbezuges des Landeslehrers - unter Ausschluss der Kinderzulage - auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufene Behörde kann auf Antrag des Landeslehrers oder von Amts wegen die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Landeslehrers und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, unbedingt erforderlich ist.
(5) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, die für die Suspendierung des Landeslehrers maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Behörde, bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben.
(6) Die Berufung gegen eine Suspendierung beziehungsweise gegen eine Entscheidung über die Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung; über die Berufung hat die landesgesetzlich hiefür zuständige Behörde ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
(7) Wird die Bezugskürzung auf Antrag des Landeslehrers vermindert oder aufgehoben, so wird diese Verfügung mit dem Tage der Antragstellung wirksam."
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließen die Begründungserfordernisse des § 60 AVG auch die Verpflichtung der Behörde mit ein, in der Bescheidbegründung in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen die Behörde bei der getroffenen Entscheidung ausgegangen ist (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1054, E 75 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist und "keine endgültige Lösung" (der Frage, ob eine Dienstpflichtverletzung vorliegt oder nicht) darstellt. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Gegen den Beschuldigten besteht ein Verdacht in diesem Sinne dann, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst auf Grund des im Allgemeinen einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren oder zu verhindern. Kommt nach der Lage des Einzelfalles die Möglichkeit der Verfügung einer Suspendierung in Betracht, gebieten die Rechtsgüter, zu deren Sicherung die Suspendierung vorgesehen ist, eine rasche Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen für ihre Verhängung gegeben sind oder nicht (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2002, Zl. 2000/09/0053). Daher gehen die Beschwerdeausführungen, die sich im Wesentlichen auf die Forderung nach einem Ermittlungsverfahren zur Klärung der der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Dienstpflichtverletzungen zusammenfassen lassen, ins Leere.
Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt:
Zwar können im Hinblick auf die gerade ausgeführte Funktion der Suspendierung an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Ähnlich wie beim Einleitungsbeschluss (an den ebenfalls Rechtsfolgen geknüpft sind) muss das dem Beamten im Suspendierungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt (vgl. mwN das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2002, Zl. 2000/09/0053). Dies führt aber nicht so weit, dass die Behörde auch davon entbunden wäre, die (jeweiligen) Zeitpunkte oder Zeiträume der Begehung der im Verdachtsbereich angelasteten Dienstpflichtverletzungen (jedenfalls, solange sie abgeschlossene Tathandlungen betreffen), insbesondere im Hinblick auf allfällige Verjährung, in der Begründung des angefochtenen Bescheides anzuführen.
Im angefochtenen Bescheid finden sich keine Tatzeitangaben; solche sind auch weder im Bescheid der Behörde erster Instanz vom 20. Dezember 2001 noch in der in der Begründung des letztgenannten Bescheides erwähnten Disziplinaranzeige des Landesschulrates für Steiermark vom 26. November 2001 enthalten. Ohne Tatzeitangaben steht aber nicht fest, zu welchen Tatzeiten der Beschwerdeführerin die inhaltlich umschriebenen (abgeschlossenen) Tathandlungen zum Vorwurf gemacht werden. Zur Beurteilung, ob die zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen wegen deren Art das Ansehen der Schule oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährden (§ 80 Abs. 1 LDG 1984), gehört natürlich die Kenntnis der Zeit ihrer Begehung, weil etwa bei offenkundig bereits verjährten Dienstpflichtverletzungen (anders als im Falle, dass diese Frage unklar und erst im folgenden Disziplinarverfahren zu klären wäre) eine Suspendierung nicht mehr erfolgen dürfte. Der angefochtene Bescheid entzieht sich somit diesbezüglich einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, weshalb er an einem wesentlichen Begründungsmangel leidet.
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht.
Wien, am 26. Juni 2003
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