Normen
ABGB §1151 Abs1;
AZG §1 Abs1;
VwRallg;
ABGB §1151 Abs1;
AZG §1 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 9. Juli 1999 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der K. GmbH zu verantworten, dass hinsichtlich des als LKW-Lenker beschäftigten Arbeitnehmers F. zu näher bestimmten Zeitpunkten im April 1999 die zulässige Lenkzeit überschritten, die vorgeschriebenen Lenkpausen nicht eingehalten, die erforderliche zusammenhängende Ruhezeit des Arbeitnehmers bei Teilung der Ruhezeit innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden unterschritten und die Einsatzzeit des Arbeitnehmers überschritten wurde. Der Mitbeteiligte habe dadurch gegen die Art. 6 Abs. 1, 7 Abs. 2 und 8 Abs. 1 zweiter Satz der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 sowie gegen § 16 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz verstoßen. Über ihn wurden gemäß § 28 Abs. 1a Z. 4, 6, 2 und 7 Arbeitszeitgesetz Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
In der dagegen erhobenen Berufung machte der Mitbeteiligte u. a. geltend, der im Strafverfahren als Arbeitnehmer bezeichnete F. sei zur Tatzeit nicht Arbeitnehmer der K. GmbH gewesen. Er habe nämlich am 20. April 1999 bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz ein freies Gewerbe angemeldet, nämlich das Anbieten persönlicher Dienste mit Ausnahme der Tätigkeiten, die an eine Befähigung oder eine besondere behördliche Bewilligung gebunden oder anderen Gewerben vorbehalten sind. F. sei auf eigene Rechnung gefahren und nicht mehr im aufrechten Dienstverhältnis gestanden.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde das erstinstanzliche Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Mitbeteiligte sei Geschäftsführer der K. GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Durchführung von Schwertransporten sei. Die Hauptsaison reiche ungefähr von März bis Oktober/November. Der Mitbeteiligte beschäftige in seinem Betrieb ca. 10 bis 12 "fix angestellte" LKW-Fahrer das ganze Jahr über und zusätzlich während der Hauptsaison ca. 25 weitere Fahrer, welche als Leiharbeitskräfte zugekauft würden oder wie der Beschwerdeführer als selbständige Fahrer Frachten übernähmen. F. habe etwa im März 1999 erstmals beim Mitbeteiligten vorgesprochen, weil er gehört habe, dass der Mitbeteiligte auch mit selbständigen Fahrern zusammenarbeite. F. habe vom Mitbeteiligten den Rat erhalten, sich bei einem Steuerberater hinsichtlich der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Modalitäten zu informieren sowie das oben bezeichnete freie Gewerbe anzumelden. Diesem Rat folgend habe F. am 20. April 1999 eine entsprechende Gewerbeanmeldung "durchgeführt", "welche jedoch laut Gewerbeschein erst am 4.6.1999 rechtswirksam wurde". Der Mitbeteiligte schließe mit seinen selbständigen Fahrern keine schriftlichen Werkverträge ab. Mündlich werde als Basis für die Entlohnung wie bei den "angestellten" Fahrern die Einsatzzeit vereinbart, allerdings mit einem deutlich über dem Kollektivvertrag (ca. S 82/Stunde) liegenden Stundensatz von ca. S 170,-- bis S 190,--. Die Fahrzeuge sowie die Zugmaschinen würden vom Betrieb beigestellt. Die selbständigen Fahrer erhielten die gleichen Vorgaben wie die "angestellten" Fahrer (Ladeort, Ladetermin) mit einem gewissen zeitlichen Spielraum, je nachdem um welche Fracht es sich handle, sowie allfällige Bewilligungen (Einfuhrbewilligungen etc.), die vom Unternehmen des Mitbeteiligten beschafft würden. Für den Fall, dass einer der selbständigen Fahrer aus eigenem Verschulden einen Unfall verursache, einen Termin versäume und dergleichen und dem Unternehmen des Mitbeteiligten dadurch Kosten entstünden, werde mündlich vereinbart, dass sich der Mitbeteiligte beim Fahrer schadlos halten könne. Die selbständigen Fahrer müssten genauso wie die anderen Fahrer die benützten Tachoscheiben im Betrieb abgeben, weil sie als Basis für die Lohnabrechnung benötigt würden. Bei den selbständigen Fahrern kontrolliere der Mitbeteiligte die Arbeitszeiten jedoch nur grob, weil diese Fahrer für die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen selbst verantwortlich seien, worüber sie vom Mitbeteiligten aufgeklärt würden. Ihnen werde auch aufgetragen, bei Verkehrskontrollen unter Vorlage ihres Gewerbescheines von Anfang an klarzustellen, dass sie als Selbständige unterwegs seien. Die meisten selbständigen Fahrer seien auf bestimmte Routen spezialisiert und übernähmen in der Saison auch Aufträge für andere Transportunternehmen. Ein Konkurrenzverbot werde nicht vereinbart. Die Fahrer teilten dem Mitbeteiligten mit, in welchem Zeitraum sie für sein Unternehmen zur Verfügung stünden. Der Fahrer F. sei bereits am 25. April 1999, somit vor dem Tatzeitraum, bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet worden. Ab 1. April 1999 sei er bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft angemeldet.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, bei der Beurteilung, ob ein Arbeitsvertrag vorliege, komme es "nicht auf die Rechtsnatur der Vertragsbeziehung" oder die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes an, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt. Die zwischen dem Mitbeteiligten und F. geschlossene mündliche Vereinbarung sei in rechtlicher Hinsicht als Werkvertrag zu beurteilen, und zwar 1.) weil die Entlohnung deutlich über dem Kollektivvertragslohn der "angestellten" LKW-Fahrer gelegen sei im Hinblick auf die Verpflichtung zur Versteuerung und Selbstversicherung, 2.) weil F. während des Beschäftigungszeitraumes bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft versichert gewesen sei, 3.) weil die Gewerbeanmeldung bereits per 20. April 1999 erfolgt sei, 4.) weil die Fahrt auf eigenes Risiko erfolge (Verpflichtung zur Tragung von Unfallskosten, "Pönalstrafen", Verwaltungsstrafen), 5.) weil keine ausschließliche Beschäftigung für den Mitbeteiligten vorgelegen und 6.) kein Konkurrenzverbot vereinbart worden sei sowie 7.) weil die selbständigen Fahrer durch den Mitbeteiligten ausdrücklich belehrt worden seien über die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen dieser Form der Zusammenarbeit. Die Durchführung der Fahrten ausschließlich mit Betriebsmitteln des Mitbeteiligten und die gleiche Routenplanung wie für die anderen Fahrer sprächen zwar für die Annahme einer unselbständigen Tätigkeit, doch überwögen die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sprechenden Umstände bei weitem. Der Mitbeteiligte sei demnach nicht als Arbeitgeber im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anzusehen. Ihn treffe daher an den "verfahrensgegenständlichen Arbeitszeitüberschreitungen" des Lenkers F. kein Verschulden. Dass F. das von ihm angemeldete Dienstleistungsgewerbe laut Gewerbeschein erst ab 4. Juni 1999 hätte ausüben dürfen, sei für das Verfahren nicht relevant, weil eine allfällige unbefugte Gewerbeausübung durch F. und die Frage, ob der Mitbeteiligte davon Kenntnis gehabt habe, nicht den Gegenstand des Verfahrens bildeten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß § 13 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 erhobene Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift - ebenso wie der Mitbeteiligte in der von ihm eingebrachten Gegenschrift - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Beschäftigung von Arbeitnehmern (Lehrlingen), die das 18. Lebensjahr vollendet haben.
Das Arbeitszeitgesetz enthält keine eigenständige Definition des Begriffes "Arbeitnehmer". Wer Arbeitnehmer ist, richtet sich daher nach den Regeln des Arbeitsvertragsrechtes (siehe dazu Grillberger, Arbeitszeitgesetz, 20; vgl. ferner das zum Arbeitsruhegesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0038). Der zentrale Begriff des Arbeitsvertrages für das gesamte Arbeitsrecht findet sich in den Bestimmungen der §§ 1151 ff ABGB über den Dienstvertrag. Gemäß § 1151 Abs. 1 ABGB entsteht ein Dienstvertrag, wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet. Nach Lehre und Rechtsprechung ist kennzeichnend für den Dienstvertrag die Arbeit in persönlicher Abhängigkeit des Dienstnehmers vom Dienstgeber. Diese wird als weit gehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers charakterisiert, die sich darin äußert, dass er in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten dem Weisungs- und Kontrollrecht des Arbeitgebers unterworfen ist oder - sofern das Verhalten im Arbeitsvertrag bereits vorausbestimmt oder unter Heranziehung anderer Regeln bestimmbar ist - dessen laufender Kontrolle unterliegt (siehe dazu u. a. Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 (1998) 52 f und 64 ff, Krejci in Rummel2 Rz 36 ff zu § 1151 ABGB, und das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1980, Slg. Nr. 10.140/A).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist die zwischen der K. GmbH und F. getroffene Vereinbarung als Dienstvertrag (Arbeitsvertrag) zu beurteilen. Anders als im Falle des sog. Lohnfuhrvertrages - ein solcher liegt vor, wenn ein Unternehmer ein bemanntes Fahrzeug zu beliebiger Ladung und Fahrt nach Weisung des Auftraggebers zur Verfügung zu stellen hat -, in dem es zwischen den Arbeitnehmern (Lenkern) des Unternehmers und dem Auftraggeber zu keinem Arbeitsverhältnis kommt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1991, Slg. Nr. 13.380/A), wurde im Beschwerdefall von F. nur seine Arbeitskraft dem vom Mitbeteiligten vertretenen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Die Art seiner Tätigkeit unterschied sich in keinem wesentlichen Punkt von jener der bei der K. GmbH beschäftigten LKW-Lenker. F. hatte ebenso wie diese mit den ihm von der K. GmbH zur Verfügung gestellten Fahrzeugen und entsprechend den Anordnungen dieser Gesellschaft die ihm aufgetragenen Arbeiten unter Einhaltung der vorgegebenen Routen und Termine auszuführen. Es handelt sich demnach um eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit im oben beschriebenen Sinn. Eine solche wird auch nicht dadurch zu einer selbständigen Tätigkeit in Erfüllung eines Werkvertrages, dass der Dienstgeber - wie dies nach den Feststellungen der belangten Behörde der Fall gewesen ist - den Beschäftigten von der Versicherung abmeldet und ihm nahe legt, er solle das freie Gewerbe "Anbieten persönlicher Dienste" anmelden und das vereinbarte Entgelt selbst versteuern. Die an ein Arbeitsverhältnis geknüpften zwingenden Rechtsfolgen - dazu gehört auch die Verpflichtung zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes - können auf diese Weise nicht umgangen werden, selbst wenn dies in der gemeinsamen Absicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelegen sein sollte.
Den von der belangten Behörde zur Begründung ihrer Auffassung ins Treffen geführten Umständen kommt demgegenüber nur geringer argumentativer Wert zu. Die Entlohnung deutlich über dem Kollektivvertragslohn mit der Verpflichtung zur Versteuerung und Selbstversicherung ist nichts anderes als eine Auswirkung des nach dem zuvor Gesagten untauglichen Umgehungsversuches. Gleiches gilt für die Versicherung bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, die offenbar auf Grund der §§ 2 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 Z. 1 GSVG im Hinblick auf die Gewerbeanmeldung angenommen wurde. Diese Versicherung spricht ebenso wenig wie die Gewerbeanmeldung gegen das Vorliegen eines Arbeitsvertrages, weil es - wie oben ausgeführt wurde - entscheidend auf die Erbringung von Dienstleistungen in persönlicher Abhängigkeit ankommt und nicht darauf, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Rechtsfolgen des Arbeitsvertrages vermeiden wollen. Abgesehen von der mangelnden Relevanz dieser Umstände handelt es sich bei der Sachverhaltsfeststellung, die Gewerbeanmeldung sei "bereits per 20.4.1999" erfolgt, um eine aktenwidrige Feststellung. Die im Akt befindliche Gewerbeanmeldung trägt zwar das Datum 20. April 1999 und sah als Wirksamkeitsbeginn den 1. Mai 1999 vor, sie ist aber nach dem auf ihr befindlichen Eingangsvermerk erst am 4. Juni 1999 bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz eingelangt. Der von dieser Behörde gemäß § 340 Abs. 4 GewO 1994 ausgestellte Gewerbeschein vom 1. Juli 1999 führt daher als Datum der Rechtswirksamkeit der Gewerbeanmeldung den 4. Juni 1999 an.
Wenn - wie oben begründet wurde - ein Arbeitsvertrag vorliegt, sind die zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechtes, darunter auch das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz anzuwenden. Im Rahmen dieses Gesetzes sind Schadenersatzansprüche des Dienstgebers gegen den Dienstnehmer bei verschuldeten Unfällen und sonstigen Schäden möglich. Aus dem unter Punkt 4. "Fahrt auf eigenes Risiko" genannten Kriterium ist daher für den Standpunkt der belangten Behörde nichts zu gewinnen. Dass der Fahrer Verwaltungsstrafen auf Grund von ihm begangener Übertretungen zu tragen hat, entspricht im Falle von als Dienstnehmern beschäftigten Kraftfahrern der Rechtslage, sodass daraus kein Argument für das Vorliegen eines Werkvertrages abgeleitet werden kann.
Dass F. nicht ausschließlich für die K. GmbH tätig geworden ist und kein Konkurrenzverbot vereinbart wurde, spricht gleichfalls nicht gegen das Vorliegen eines Arbeitsvertrages, weil die ausschließliche Tätigkeit für einen Arbeitgeber nicht zu den Wesensmerkmalen des Arbeitsvertrages zählt (siehe auch dazu u. a. Grillberger, a.a.O. 20, sowie das oben zitierte Erkenntnis vom 18. Juni 1990). Auch befristete oder nebenberufliche Tätigkeiten und Teilzeitarbeit unterliegen dem Arbeitsvertragsrecht.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 23. Oktober 2001
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