Normen
AVG §13 Abs3;
B-VG Art132;
IntKonfVerhG 1868 Art6;
ÜbertrittsV von einer Kirche zur anderen 1869 §1;
ÜbertrittsV von einer Kirche zur anderen 1869 §3;
VwGG §27;
AVG §13 Abs3;
B-VG Art132;
IntKonfVerhG 1868 Art6;
ÜbertrittsV von einer Kirche zur anderen 1869 §1;
ÜbertrittsV von einer Kirche zur anderen 1869 §3;
VwGG §27;
Spruch:
Gemäß § 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 wird der zitierte Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 2. Dezember 1986 behoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach dem Inhalt der Beschwerde in Verbindung mit den dieser angeschlossenen Beilagen hatte der Beschwerdeführer am 31. Juli 1986 und "sicherheitshalber" am 19. November 1986 dem Magistrat der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den 4. und 5. Bezirk) eine Anzeige über seinen Austritt aus der römischkatholischen Kirche übermittelt, worauf ihm diese Behörde unter Berufung auf § 13 Abs. 3 AVG 1950 auftrug, die "fehlenden Belege", nämlich den Taufschein und den (polizeilichen) Meldezettel nachzubringen. Da der Beschwerdeführer diesem Auftrag nicht Folge leistete, wies der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 2. Dezember 1986 die beiden oben angeführten Anzeigen im Sinne des Art. 6 des Gesetzes vom 25. Mai 1868, RGBl. Nr. 49, wodurch die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden (im folgenden kurz: IntkG), gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13. Dezember 1986 Berufung. Mit der an den Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gerichteten Eingabe vom 1. Juli 1987 stellte der Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf diesen Bundesminister und begehrte in der Sache, den erstinstanzlichen Bescheid zur Gänze aufzuheben und die Austrittserklärungen als dem Gesetz entsprechend anzuerkennen.
In der vorliegenden, am 18. Jänner 1988 zur Post gegebenen, Beschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Pflicht des belangten Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport zur Entscheidung über den Antrag vom 1. Juli 1987 geltend.
Mit Verfügung vom 12. Februar 1988 hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 VwGG das Vorverfahren eingeleitet. Der belangte Bundesminister ließ die ihm gesetzte Frist von drei Monaten fruchtlos verstreichen. Nach Urgenz durch den Verwaltungsgerichtshof teilte der belangte Bundesminister schließlich mit Schriftsatz vom 21. Juni 1988 mit, daß die geforderten Aktenunterlagen derzeit nicht auffindbar seien und stellte eine allfällige Rekonstruktion in Aussicht. Eine weitere Mitteilung durch die belangte Behörde wurde in der Folge nicht erstattet, auch unterblieb die Vorlage von (rekonstruierten) Aktenunterlagen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 8. Oktober 1968, Slg. Nr. 7414/A) ist das Recht zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde nicht von einem Verschulden der säumigen Behörde abhängig gemacht, sondern nur durch die objektive Tatsache des Verstreichens der sechsmonatigen Frist des § 27 VwGG bedingt.
Aus dem oben dargestellten Sachverhalt ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Unzulässigkeit der vorliegenden Säumnisbeschwerde; sie ist daher einer meritorischen Erledigung zuzuführen.
In der Berufung gegen den Bescheid vom 2. Dezember 1986 hatte der Beschwerdeführer (sinngemäß) vorgebracht, das Fehlen der von der Behörde geforderten Unterlagen (Taufschein und polizeilicher Meldezettel) stelle kein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 dar. Damit ist der Beschwerdeführer im Recht:
Nach der zuletzt genannten Bestimmung berechtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen wie auch das Fehlen einer Unterschrift an sich die Behörde noch nicht zur Zurückweisung; sie hat deren Behebung von Amts wegen zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen (oder die schriftliche Bestätigung telegraphischer, fernschriftlicher, mündlicher oder telefonischer Anbringen) mit der Wirkung auftragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist nicht mehr berücksichtigt wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht. Voraussetzung eines auf diese Bestimmung gestützten Verbesserungsauftrages und eines in der Folge wegen Nichtentsprechung des Auftrages erlassenen Bescheides, mit dem ein Anbringen zurückgewiesen wird, ist somit das Vorliegen eines "Formgebrechens" des schriftlichen Anbringens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1983, Zl. 82/11/0284). Unter einem solchen "Formgebrechen" sind grundsätzlich solche Mängel zu verstehen, die aus der Nichterfüllung von Formvorschriften resultieren (vgl. Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Band, S. 249).
Die Frage, ob ein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 vorliegt, kann nur unter Bedachtnahme auf die in Betracht kommende Verwaltungsvorschrift beantwortet werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1972, Zl. 1274/70). Diese Verwaltungsvorschrift stellt zunächst das IntkG dar, wobei zusätzlich auf die unter Berufung auf Art. 18 IntkG erlassene Verordnung der Minister des Kultus und des Inneren vom 18. Jänner 1869, RGBl. Nr. 13, betreffend den Vollzug der den Übertritt von einer Kirche oder Religionsgesellschaft zur anderen regelnden Bestimmungen des IntkG (im folgenden kurz: AustrittsVO) zu verweisen ist.
Gemäß Art. 6 IntkG muß, damit der Austritt aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft seine gesetzliche Wirkung habe, der Austretende denselben der politischen Behörde melden, welche dem Vorsteher oder Seelsorger der verlassenen Kirche oder Religionsgenossenschaft die Anzeige übermittelt.
Nach § 1 AustrittsVO ist die zur Entgegennahme der Erklärung des Austrittes aus einer Kirche oder Religionsgesellschaft berufene "politische Behörde" jene des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Meldenden. Gemäß § 3 dieser Verordnung muß die Meldung bei der Behörde mündlich zu Protokoll gegeben oder in einem an diese gerichteten, mit der Unterschrift des Austretenden versehenen Schriftstück niedergelegt sein und jene Angaben enthalten, die nötig sind, um zu beurteilen, wem sie zu übermitteln sei. Ist diesen Erfordernissen nicht entsprochen, so muß der Austretende zur Ergänzung des Fehlenden vorgeladen werden.
Betrachtet man diese Vorschriften im Lichte des oben zu § 13 Abs. 3 AVG 1950 Gesagten, so ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß eine "Formvorschrift" existiert, wonach der Austrittserklärung der Taufschein oder der polizeiliche Meldezettel anzuschließen wären. Eine Rechtsgrundlage für den auf § 13 Abs. 3 AVG 1950 gestützten Auftrag bestand sohin nicht. Vielmehr oblag es der Behörde erster Instanz, sollte sie der Ansicht gewesen sein, daß der maßgebende Sachverhalt einer weiteren Klärung, allenfalls in Hinsicht auf die Frage ihrer Zuständigkeit oder einer bescheidmäßigen Ablehnung der Austrittserklärung (vgl. dazu Klecatsky - Weiler, österreichisches Staatskirchenrecht, Wien 1958, S. 84, und Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts, 5. Aufl., 2. Band, S. 17) bedürfe, diesen entsprechend den Bestimmungen der §§ 39 ff AVG 1950 von Amts wegen festzustellen, wobei allerdings auf die dem Austretenden obliegende Mitwirkungspflicht verwiesen sei.
Da aus diesen Gründen der auf § 13 Abs. 3 AVG 1950 gestützte Auftrag einer Rechtsgrundlage entbehrte, war auch die vom Magistrat der Stadt Wien ausgesprochene bescheidmäßige Zurückweisung der Austrittserklärung rechtswidrig. Der Bescheid vom 2. Dezember 1986 war daher gemäß § 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 21. September 1988
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