Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988080087.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Punkt B des Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien vom 11. November 1986 wurde der Mitbeteiligte wegen der Übertretung nach § 26 Abs. 1 AZG mit einer Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzarrest 3 Tage) bestraft. In der unter anderem auch gegen diesen Punkt des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom zuständigen Arbeitsinspektorat erhobenen Berufung wurde geltend gemacht, daß nicht eine einzige Strafe, sondern je Arbeitnehmer - es handelte sich um insgesamt 42 Arbeitnehmer, über deren geleistete Arbeitsstunden keine Aufzeichnungen geführt wurden - eine Strafe zu verhängen gewesen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung nicht Folge gegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 30. März 1982, Zl. 81/11/0087, wohl ausgesprochen, daß bei Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften soviele Straftaten vorlägen, als Arbeitnehmer von diesen Verstößen betroffen seien, doch liege hier kein solcher Fall vor, weil der angefochtene Punkt des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht Arbeitszeitüberschreitungen, sondern bloß die unterlassene Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen betreffe. Im übrigen habe das Arbeitsinspektorat keine konkreten Gründe angeführt, warum es die verhängten Strafen für zu niedrig halte. Auch die Berufungsbehörde habe solche Gründe nicht finden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 26 Abs. 1 AZG haben die Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu führen.
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß die Unterlassung der Führung der in der angeführten Gesetzesbestimmung geforderten Aufzeichnungen bei mehreren Arbeitnehmern nicht als ein einziges Delikt gewertet werden dürfe. Zweck dieser Aufzeichnungen sei es, die Kontrolle der Einhaltung der im Interesse des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer geschaffenen Normen des Arbeitszeitgesetzes zu ermöglichen. Im Hinblick darauf könne daher die Formulierung „....... Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden ....“ nur bedeuten, daß diese Aufzeichnungen für jeden Arbeitnehmer einzeln zu führen seien. Dies ergebe sich nicht zuletzt daraus, daß nur aus für jeden Arbeitnehmer getrennt geführten Aufzeichnungen die tatsächlich von ihm geleistete Arbeitszeit, die Einhaltung der Bestimmungen über die Ruhepausen und Ruhezeiten sowie etwaige Verstöße dagegen erkennbar seien. Unter Zugrundelegung der klaren Absicht des Gesetzgebers, in bezug auf jeden Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung der Normen des Arbeitszeitgesetzes zu schaffen, könne daher die Unterlassung der Führung der geforderten Aufzeichnungen nicht als ein Delikt gewertet werden. Ferner dürfe in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht gelassen werden, daß durch Mißachtung des § 26 Abs. 1 AZG die Kontrolle der dem gesundheitlichen Schutz der Arbeitnehmer dienenden Arbeitszeitvorschriften überhaupt unmöglich gemacht werde. Der Verwaltungsgerichtshof verneine in ständiger Rechtsprechung bei Angriffen gegen höchstpersönliche Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit oder Ehre das Vorliegen des Fortsetzungszusammenhangs, obgleich ansonsten Identität des Angriffsobjektes nicht gefordert werde. Er habe weiters zum Ausdruck gebracht, daß es die Pflicht des Arbeitgebers sei, für die Einhaltung der zum gesundheitlichen Schutz der Arbeitnehmer erlassenen Vorschriften Sorge zu tragen.
Wenngleich die Verpflichtung zum Führen der Aufzeichnungen nach § 26 Abs. 1 AZG eine Norm darstelle, die nicht direkt dem gesundheitlichen Schutz zu dienen scheine, stehe sie doch in unmittelbarem Zusammenhang damit, Angriffe auf das höchstpersönliche Rechtsgut der Gesundheit jedes einzelnen Arbeitnehmers festzustellen, sie zu ahnden und ihnen begegnen zu können. Die Mißachtung der Verpflichtung zum Führen der im § 26 Abs. 1 AZG geforderten Aufzeichnungen stelle daher in ihren Auswirkungen nach dem Normgehalt einen rechtswidrigen Angriff auf die Gesundheit eines jeden einzelnen der betroffenen Arbeitnehmer dar, sodaß unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Fortsetzungszusammenhang zu verneinen sei.
Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer insofern im Recht, als der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. neben anderen die Erkenntnisse vom 30. März 1982, Slg. Nr. 10.692/A und vom 21. November 1984, Zlen. 82/11/0091, 0092 = DRdA 4/1986) bei Verletzung von Vorschriften, die dem gesundheitlichen Schutz von Arbeitnehmern, zu deren Gunsten sie erlassen wurden, dienen, unter den sonstigen Voraussetzungen eines fortgesetzten Deliktes den Fortsetzungszusammenhang verneint. Dies trifft jedoch im Beschwerdefall nicht zu, weil es sich bei einem Verstoß gegen § 26 Abs. 1 AZG - im Gegensatz zu Verletzungen etwa des § 9 leg. cit. - nicht um einen rechtswidrigen Angriff gegen die Gesundheit von Arbeitnehmern handelt. Dieses Rechtsgut wird nämlich in keiner Weise dadurch beeinträchtigt, daß die in der genannten Gesetzesbestimmung vorgeschriebenen Aufzeichnungen vom Arbeitgeber nicht geführt werden. Durch einen derartigen Verstoß mag zwar die Kontrolle der Einhaltung der dem gesundheitlichen Schutz der Arbeitnehmer dienenden Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes erschwert werden; es kann jedoch entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine Rede davon sein, daß dadurch die Kontrolle der Arbeitszeitvorschriften überhaupt unmöglich gemacht werde, stehen der Behörde doch zur Feststellung von Übertretungen von Arbeitszeitvorschriften noch eine Vielzahl anderer Beweismittel zur Verfügung. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen § 26 Abs. 1 AZG und dem gesundheitlichen Schutz von Arbeitnehmern, der im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Unterbrechung des Fortsetzungszusammenhanges rechtfertigen würde, liegt daher nicht vor. Daß die Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen inhaltlich die von jedem Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung umfaßt, schließt unter den im Beschwerdefall nicht strittigen Voraussetzungen der Gleichartigkeit der Begehungsform, der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines (noch erkennbaren) zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters das Vorliegen der strafrechtlichen Figur des fortgesetzten Deliktes nicht aus.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 17. März 1988
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)