VwGH 86/10/0148

VwGH86/10/014820.10.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsident Dr. Petrik und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Waldner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Beran, über die Beschwerde der Erzdiözese Wien, vertreten durch Dr. Christian Kuhn, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. August 1986, Zl. MDR‑G 19/86, betreffend Feststellung der Zugehörigkeit zur altkatholischen Kirche (mitbeteiligte Partei; altkatholische Kirche, Schottenring 17/1/2/12, Wien I), zu Recht erkannt:

Normen

IntKonfVerhG 1868 Art1 Abs3
IntKonfVerhG 1868 Art2 Abs2
IntKonfVerhG 1868 Art4
IntKonfVerhG 1868 Art6 Abs1
IntKonfVerhG 1868 Art6 Abs2
RelKEV 1939 §3
RelKEV 1939 §8

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986100148.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Der vorliegenden Beschwerde in Verbindung mit dem in Ablichtung beigeschlossenen angefochtenen Bescheid läßt sich folgender Sachverhalt entnehmen:

Mit Bescheid vom 16. Mai 1986 stellte der Magistrat der Stadt Wien auf Grund des Antrages der FG, geborene G, in W, gemäß den Art. 1, 2 und 6 des Gesetzes vom 25. Mai 1868, RGBl. Nr. 49, wodurch die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden, fest, daß die Genannte (in der Folge: die Antragstellerin) der altkatholischen Kirche Österreichs angehöre.

Aus Anlaß der dagegen von der Erzdiözese Wien (der nunmehrigen Beschwerdeführerin) erhobenen Berufung bestätigte der Landeshauptmann von Wien (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 25. August 1986 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung führte die belangte Behörde folgendes aus: Die Antragstellerin sei am 20. September 1934 als uneheliches Kind der XG geboren worden. Nach Art. 1 des Gesetzes vom 25. Mai 1868, RGBl. Nr. 49, folgten uneheliche Kinder der Religion der Mutter. Art. 2 leg. cit. bestimme u.a., daß im Falle eines Religionswechsels der unehelichen Mutter die vorhandenen Kinder, welche das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, in betreff des Religionsbekenntnisses so zu behandeln seien, als wären sie erst nach dem Religionswechsel der unehelichen Mutter geboren worden. Es sei aktenkundig, daß die Mutter der Antragstellerin am 23. Mai 1935 gegenüber dem Magistrat der Stadt Wien als der nach Art. 6 leg. cit. zuständigen Verwaltungsbehörde den Austritt aus der römisch-katholischen Kirche erklärt habe. Weiters sei erwiesen, daß die Kindesmutter durch ihre schriftliche Erklärung an das altkatholische Seelsorgeamt Wien-Fünfhaus vom 24. Mai 1935 ihren Beitritt zur altkatholischen Kirche angemeldet und sohin den Religionswechsel in Einklang mit den Bestimmungen des Art. 6 leg. cit. vollzogen habe. Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht sieben Jahre alte Antragstellerin sei dem Religionsbekenntnis ihrer Mutter gefolgt und gehöre seitdem der altkatholischen Kirche an, zumal weder von der Antragstellerin vorgebracht noch von der beschwerdeführenden Erzdiözese behauptet worden sei, daß erstere in der Folge einen für den staatlichen Bereich wirksamen Austritt aus der altkatholischen Kirche erklärt habe. Auf die Gründe, weshalb die Erklärung eines solchen Austrittes unterlassen worden sei, sei nicht einzugehen gewesen, da es nach Art. 6 des Gesetzes vom 25. Mai 1868, RGBl. Nr. 49, allein darauf ankomme, daß der Austritt vor der Verwaltungsbehörde erklärt werde. Der Austritt aus einer Religionsgesellschaft könne nicht dadurch vollzogen werden, daß der Betreffende nach einer anderen Religion erzogen und nach deren Ritus getraut werde. Zutreffend habe daher die Erstinstanz festgestellt, daß die Antragstellerin der altkatholischen Kirche Österreichs angehöre.

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den Bescheid der belangten Behörde in ihrem Recht auf Feststellung verletzt, daß die Antragstellerin der römisch-katholischen Kirche angehöre. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und begehrt aus diesem Grund dessen Aufhebung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da der Regelungszweck des den Beschwerdefall primär kennzeichnenden Art. 6 des Gesetzes vom 25. Mai 1868, RGBl. Nr. 49 (s. unter II. 2.1.) - Klarstellung des „Besitzstandes“ der jeweils betroffenen gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften für den staatlichen Bereich und damit Ausschalten von Streitigkeiten zwischen diesen auf dem Gebiet des Religionswechsels - im Hinblick darauf jedenfalls auch dem Interesse der Religionsgesellschaften dient, daß die staatliche Rechtsordnung an die Zugehörigkeit zu einer solchen Rechtsfolgen knüpft (z.B. Religionsunterricht in der Schule, Kirchenbeitragspflicht), gewährt diese Norm den einzelnen Religionsgesellschaften eigene subjektive Rechte in der Sache (und nicht nur prozessuale Mitwirkungsrechte einer Partei des Verwaltungsverfahrens). In diesem Sinne sind die Religionsgesellschaften in der Lage, einen Rechtsanspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit bzw. Nichtzugehörigkeit einer bestimmten Person zu ihrer Gemeinschaft nach staatlichem Recht - unter der Annahme eines Feststellungsinteresses im konkreten Fall - geltend zu machen. Da die beschwerdeführende Erzdiözese vorliegend eine Verletzung dieses ihr eingeräumten Rechtes behauptet und die Möglichkeit dieser Rechtsverletzung nicht auszuschließen ist, war ihre Beschwerdelegitimation zu bejahen (vgl. dazu etwa den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1977, Slg. Nr. 9407/A, und das hg. Erkenntnis vom 29. November 1982, Slg. Nr. 10.903/A).

2.1. Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes vom 25. Mai 1868, RGBl. Nr. 49, wodurch die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden (in der Folge: IntkG), normiert, daß uneheliche Kinder der Religion der Mutter folgen. Im Art. 2 Abs. 2 leg. cit. wird u.a. bestimmt, daß im Falle eines Religionswechsels der unehelichen Mutter die vorhandenen Kinder, welche das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in betreff des Religionsbekenntnisses so zu behandeln sind, als wären sie erst nach dem Religionswechsel der unehelichen Mutter geboren worden. Zufolge des Art. 6 Abs. 1 IntkG muß, damit der Austritt aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft seine gesetzliche Wirkung habe, der Austretende denselben der politischen Behörde melden, welche dem Vorsteher oder Seelsorger der verlassenen Kirche oder Religionsgenossenschaft die Anzeige übermittelt. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle muß den Eintritt in die neu gewählte Kirche oder Religionsgenossenschaft der Eintretende dem betreffenden Vorsteher oder Seelsorger persönlich erklären.

2.2. Wenngleich die Art. 1 und 2 IntkG im Hinblick auf § 3 der Verordnung vom 1. März 1939, DRGBl. I S. 384, über die Einführung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung im Lande Österreich, in Verbindung mit § 8 dieses Gesetzes mit Wirkung vom 1. März 1939 außer Kraft getreten sind, sind sie noch für die Beurteilung von Rechtsverhältnissen heranzuziehen, die vor dem genannten Datum gestaltet worden sind (vgl. Höslinger, Religionszugehörigkeit und religiöse Kindererziehung nach gegenwärtigem österreichischen Recht, Theologisch‑praktische Quartalschrift, Linz 1947, S. 222, 233; KlecatskyWeiler, Österreichisches Staatskirchenrecht, Wien 1958, S 79 f). Art. 6 IntkG wurde von der Aufhebung nicht erfaßt; er steht sohin nach wie vor in Geltung (vgl. Höslinger, a.a.O. 222, 225 f., 233). Da, wie dem unter 1 dargestellten Sachverhalt zu entnehmen ist, das im Beschwerdefall zu beurteilende Rechtsverhältnis seine Gestaltung vor dem 1. März 1939 erfahren hat, sind vorliegend auch die Art. 1 und 2 IntkG (jeweils im hier relevanten Umfang) anzuwenden.

3.1. Ausgehend von dem im Jahre 1935 erfolgten Übertritt der Mutter der Antragstellerin von der römisch-katholischen Kirche in die altkatholische Kirche und der im Grunde der Art. 1 Abs. 3 und 2 Abs. 2 IntkG daraus resultierenden Nachfolge der Antragstellerin ist zwischen der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde allein die Frage strittig, welcher der beiden vorgenannten Kirchen die Antragstellerin unter den folgenden, nach der Begründung des angefochtenen Bescheides bereits im Verwaltungsverfahren erörterten Gesichtspunkten angehört: Zum einen kein Austritt der Antragstellerin aus der altkatholischen Kirche; zum anderen römisch-katholische Erziehung (einschließlich Religionsunterricht) und römisch-katholische Heirat der Antragstellerin bzw. - wie es die Beschwerde formuliert - „die praktisch lebenslange materielle Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche“.

3.2. Die beschwerdeführende Partei beruft sich zur Stützung ihres Standpunktes, daß die Antragstellerin trotz Außerachtlassung des im Art. 6 IntkG für einen Religionswechsel vorgesehenen Verfahrens infolge ihrer durch römisch‑katholische Taufe, römisch-katholische Firmung und römisch‑katholische Heirat, vor allem aber durch entsprechende Erziehung dokumentierten „materiellen Zugehörigkeit“ der römisch-katholischen Kirche angehöre, auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 19. März 1912, GlUNF Nr. 5823. Diesem Judikat lag ein Fall zugrunde, der dadurch gekennzeichnet war, daß ein uneheliches Kind einer katholischen Mutter im Ausland in einem anderen Bekenntnis (evangelisch A.B.) erzogen wurde und nach diesem Bekenntnis die Ehe schloß. Wollte man - so der Oberste Gerichtshof - die betreffende Person trotzdem zwingen, sich als Katholikin behandeln zu lassen, so wäre hiedurch in die Glaubens- und Gewissensfreiheit eingegriffen und ein staatsgrundgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt. Die Anwendung des Art. 6 IntkG auf einen Fall, in dem der Betreffende, wenn auch mit Unrecht, seit jeher ohne eigene Willensbetätigung, daher auch ohne eigenes Verschulden, als Bekenner einer Religion erzogen worden sei, in der er nach dem Gesetz nicht hätte erzogen werden sollen, würde geradezu gegen den Sinn und Geist des Gesetzes verstoßen. Denn die, wenn auch mit Unrecht, in irgend einem Bekenntnis erzogene Person, welche nicht selbst zur Überzeugung von der Unrichtigkeit dieses Bekenntnisses gelangt sei, habe doch keinen Anlaß eine Neuwahl zu treffen. Außerdem enthalte Art. 6 IntkG nur eine im Interesse der Glaubens- und Gewissensfreiheit getroffene Formvorschrift; sie habe keinen materiell-rechtlichen Inhalt. Dies erkenne auch der Erlaß des Kultusministeriums vom 31. März 1881, Nr. 2045, an, der hervorhebe, daß auf Ausländer die materiell-rechtlichen Bestimmungen des IntkG im Inland nicht anzuwenden seien, daß aber im übrigen die Ausländer in bezug auf die Austrittserklärung an die Bestimmungen des österreichischen Gesetzes gebunden seien, weil diese nur Formalbestimmungen enthielten, denen auch Fremde nach dem Grundsatz locus regit actum unterworfen seien. Dasselbe - so die Folgerung des Obersten Gerichtshofes - müsse umgekehrt von Österreichern, die im Ausland wohnen, gelten. Ein Übertritt eines solchen müßte nur nach den ausländischen Gesetzen erfolgen. Art. 6 leg. cit. könne nicht für das Ausland wirken. Nun sei aber ein Übertritt von jener Art, wie ihn Art. 6 IntkG im Auge habe, überhaupt nicht erfolgt. Es sei vielmehr ein ungesetzlicher Zustand infolge des unverletzlichen Grundsatzes der Glaubensfreiheit von dem zur Wahl des Glaubensbekenntnisses Berufenen konvalidiert worden; der Sinn und Geist der erwähnten Gesetzesstelle umfasse den gegebenen Fall gar nicht.

3.3. Die vorstehende Wiedergabe der wesentlichen Entscheidungsgründe zeigt, daß die Aussage des Obersten Gerichtshofes, es sei Art. 6 IntkG auf den ihm damals vorgelegenen Fall nicht anzuwenden gewesen, sachverhaltsbezogen vornehmlich darauf abstellte, daß es sich bei der Person, deren Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche bzw. zur evangelischen Kirche A.B. in Frage stand, um einen im Ausland wohnhaften Österreicher handelte. Insoweit läßt sich der Sachverhalt mit jenem, der dem nun vorliegenden Beschwerdefall zugrunde liegt, nicht vergleichen. Aus diesem Grund ist auch aus der vom Obersten Gerichtshof für den seinerzeitigen Fall zu Art. 6 IntkG vertretenen Rechtsauffassung, soweit sie auf jenem spezifischen Sachverhaltselement fußt, für die beschwerdeführende Erzdiözese nichts zu gewinnen.

Soweit die oberstgerichtliche Entscheidung darüber hinaus ganz allgemein zu dem Ergebnis kommt, daß Art. 6 leg. cit. nur eine Formvorschrift, ohne materiell‑rechtlichen Inhalt, darstelle, wird diese Rechtsansicht aus der Glaubens- und Gewissensfreiheit der betreffenden Person abgeleitet; ergänzend dazu wird auf den vorzitierten Ministerialerlaß hingewiesen, der die Qualifikation des Art. 6 IntkG als Formvorschrift „anerkenne“. Der Verwaltungsgerichtshof vermag dieser Auffassung nicht zu folgen: Was zunächst die Bezugnahme auf den Erlaß des Kultusministeriums ex 1881 betrifft, so kann er in einem Ministerialerlaß kein Instrument erblicken, durch das der Gehalt einer gesetzlichen Norm in einer für ihn verbindlichen Weise (mit)bestimmt werden könnte. Was das wohl im Vordergrund stehende Argument anlangt, Art. 6 leg. cit. sei eine im Interesse der Glaubens- und Gewissensfreiheit geschaffene Vorschrift, so trifft es zwar zu, daß durch eine gesetzwidrige bescheidmäßige Feststellung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt wird (vgl. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1967, VfSlg. Nr. 5583). Daß aber dieses Grundrecht eine Auslegung des Art. 6 IntkG dahingehend gebiete, es sei diese Norm als bloße Ordnungsvorschrift zu werten, mit der Wirkung, daß der Übertritt in die andere Religionsgesellschaft bei Vorliegen bestimmter - durch die staatliche Rechtsordnung nicht hinreichend erfaßbarer - Voraussetzungen trotz Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens (für den staatlichen Bereich) vollzogen werde, hält der Verwaltungsgerichtshof für nicht begründet: Durch das Aufstellen des in Art. 6 Abs. 1 leg. cit. enthaltenen Erfordernisses der Meldung des Austrittes aus einer Religionsgesellschaft an die politische Behörde, von dessen Erfüllung der Staat die Wirksamkeit desselben für seinen Bereich abhängig macht, wird der einzelne in seinem ihm in Art. 4 IntkG verbürgten Recht, nach seiner eigenen Überzeugung und demnach in Ausübung der Glaubens- und Gewissensfreiheit von einer Religionsgesellschaft zu einer anderen überzutreten, ebensowenig beeinträchtigt wie durch die in Art. 6 Abs. 2 leg. cit. geforderte Erklärung des Eintritts in die neu gewählte Religionsgesellschaft dem betreffenden Vorsteher oder Seelsorger gegenüber.

Gleiches ist schließlich der in der besagten oberstgerichtlichen Entscheidung geäußerten Ansicht entgegenzuhalten, es würde gegen den „Sinn und Geist“ des IntkG verstoßen - aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe ist auch damit erkennbar ein verpönter Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit gemeint -, wenn Art. 6 leg. cit. auf einen Fall Anwendung fände, in dem eine Person seit jeher tatsächlich in einem Bekenntnis erzogen worden sei, in dem sie rechtens nicht hätte erzogen werden sollen.

4. Im Sinne der vorstehenden Überlegungen (unter II.3.3.) sieht der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, auf Grund der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 19. März 1912, GlUNF Nr. 5823, wie auch des Beschwerdevorbringens, dessen Aussage im Kern nicht über die Argumentation der genannten Entscheidung hinausgeht, von seiner sowie von der des Bundesgerichtshofes zu der hier zu lösenden Rechtsfrage ergangenen gegenteiligen Judikatur abzugehen.

4.1. In seinem für die Beurteilung des vorliegenden Fragenkreises grundlegenden - auch in der Beschwerde zitierten - Erkenntnis vom 27. Juni 1901, Slg. Nr. 432/A, hat der Verwaltungsgerichtshof folgende wesentliche Aussagen getroffen:

„.... ist es auch für den Staat wichtig, für die Tatsache des Austrittes eines Religionsgenossen aus seiner bisherigen kirchlichen Gemeinschaft ein objektives, von der Gesinnung des Einzelnen unabhängiges Merkmal zu besitzen, um für den staatlichen Bereich die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit feststellen zu können. - Ist der Austritt nicht in der vom Staat vorgeschriebenen Form erfolgt, so betrachtet ihn der Staat überhaupt als nicht geschehen und zieht innerhalb des Bereiches der staatlichen Rechts- und Verwaltungspflege die Konsequenz, daß der Betreffende noch immer als Angehöriger jener Kirche oder Religionsgenossenschaft betrachtet wird, die er pro foro interno verlassen zu haben behauptet. ...... - Das Gesetz (Bezugnahme auf Art. 6 IntkG) hat also nur die gesetzlichen Wirkungen des Austrittes aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft an gewisse Bedingungen geknüpft, und zwar an solche, deren Verwirklichung in die Hand desjenigen gelegt sind, der den Wechsel des Religionsbekenntnisses vollzieht. - Die Nichtbeobachtung dieser in Art. 6 gegebenen Vorschrift bringt lediglich die Rechtsfolge mit sich, daß der Staat insofern das Religionsbekenntnis jener Person im staatlichen Bereich irgendwie und irgendwann in Frage kommt, den Austritt als nicht gegeben betrachtet.“

4.2. Diese Erwägungen fanden ihre Bestätigung durch das Erkenntnis des Bundesgerichtshofes vom 13. März 1936, A 1259/35 (zitiert nach Scapinelli, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der Frage der Religionsbestimmung von Kindern, österreichisches Verwaltungsblatt 1937, S. 50):

„....; denn gemäß Art. 6 des Gesetzes vom 25. Mai 1868, RGBl. Nr. 49, muß ein Austritt aus einer Kirche oder Religionsgesellschaft, damit er ‚seine gesetzliche Wirkung‘ hat, bei der politischen Behörde angezeigt werden. Es kommt also einer bloß innerlichen Entfremdung von einer Kirche, ohne Austrittserklärung vor der politischen Behörde, eine gesetzliche Wirkung nicht zu.“

5. Auf dem Boden dieser Rechtsprechung - der das rechtswissenschaftliche Schrifttum gefolgt ist (vgl. Gampl, österreichisches Staatskirchenrecht, Wien 1971, S 97; Höslinger, Religionszugehörigkeit und religiöse Kindererziehung, ÖAKR 1952, S. 93 ff; Pree, österreichisches Staatskirchenrecht, Wien 1984, S. 44; wohl auch RiegerSagburgSchima jun., Religion‑Religionswechsel‑religiöse Kindererziehung, S. 14 f, in: Rechtslexikon 1965 ) - unterliegt es keinem Zweifel, daß entgegen der Auffassung der Beschwerde „durch die praktisch lebenslange materielle Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche, den Umstand, daß die Betroffene (d.i. die Antragstellerin) selbst sich zur katholischen Kirche zugehörig fühlt und auch die altkatholische Kirche FG nicht als ihr zugehörig ansieht“ die Formalhandlung der Austrittsmeldung an die politische Behörde im Sinne des Art. 6 Abs. 1 IntkG nicht ersetzt zu werden vermag. (Die von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführte Ansicht von Hussarek, Grundriß des Staatskirchenrechts2, Leipzig 1908, S. 15 unten, bezieht sich ausschließlich auf Art. 6 Abs. 2 IntkG und ist schon deshalb nicht geeignet, ihren Standpunkt zu stützen.) Eine Zugehörigkeit der Antragstellerin zur römisch‑katholischen Kirche mit Wirksamkeit für den staatlichen Bereich ist demnach so lange nicht gegeben, solange die Antragstellerin nicht der politischen Behörde ihren Austritt aus der altkatholischen Kirche gemeldet hat.

6. Nach dem Gesagten hat die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht stattgefunden. Da sich dies schon aus dem Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. Oktober 1986

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