VwGH 86/07/0135

VwGH86/07/013521.10.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsrat Dr. Müllner, über 1.) den Antrag der MG in I, vertreten durch Dr. Richard Larcher, Rechtsanwalt in Innsbruck, Schmerlingstraße 2/I, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 7. November 1985, Zl. LAS- 291/41-82, und 2.) über die Beschwerde derselben Partei gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 7. November 1985, Zl. LAS-291/41-82, betreffend Regulierung der Teilwälder X, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §46 Abs6;
ZustG §13 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §46 Abs6;
ZustG §13 Abs4;

 

Spruch:

1.) Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird als verspätet zurückgewiesen.

2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Regulierungsplan für die Teilwälder X teilweise (nämlich betreffend die nach diesem Plan mit der Liegenschaft EZ. 150 II KG. X verbunden gewesenen Teilwaldrechte) Folge gegeben, im übrigen aber (und zwar betreffend die nach diesem Plan mit der Liegenschaft. EZ. 1025 II KG. X verbundenen Teilwaldrechte) die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zum abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde begründend auf die bereits eingetretene Rechtskraft des der Erlassung des Regulierungsplanes vorangegangenen Bescheides betreffend das Verzeichnis der Anteilsrechte.

Die belangte Behörde versah diesen Bescheid mit folgender Rechtsmittelbelehrung:

"Gegen dieses Erkenntnis kann binnen 2 Wochen, gerechnet vom Tag der Zustellung an, beim Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz in Innsbruck Berufung eingebracht werden."

Die gemäß dieser Rechtsmittelbelehrung von der Beschwerdeführerin gegen den abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides erhobene Berufung hat der Oberste Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (OAS) mit Bescheid vom 7. Mai 1986 als unzulässig zurückgewiesen, weil § 7 des Agrarbehördengesetzes 1950 eine Berufung an den OAS nur in taxativ aufgezählten Fällen und nur gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates vorsehe. Soweit die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen habe, liege aber ein abänderndes Erkenntnis nicht vor, sodaß die Berufung an den OAS trotz der (unrichtigen) positiven Rechtsmittelbelehrung unzulässig sei.

Dieser Zurückweisungsbescheid des OAS wurde, wie die Beschwerdeführerin selbst vorbringt, "der gemäß § 13 Abs. 4 Zustellgesetz postbevollmächtigten Kanzleileiterin des Vertreters der Beschwerdeführerin am 17. 6. 1986 überreicht".

In ihrem am 15. Juli 1986 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 7. November 1985 führt die Beschwerdeführerin aus, daß mit Rücksicht auf die ihr erteilte unrichtige Rechtsmittelbelehrung die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 VwGG für die Wiedereinsetzung vorlägen. Zur Rechtzeitigkeit dieses Wiedereinsetzungsantrages brachte die Beschwerdeführerin vor, ihr Rechtsanwalt sei wegen eines Herzinfarktes vom 2. bis zum 18. Juni 1986 an der Innsbrucker Universitätsklinik stationär behandelt worden und aus diesem Grunde absolut dispositionsunfähig gewesen. Er habe dann auf eigenen Wunsch die Klinik vorzeitig verlassen, sei aber wegen seines immer noch ernsthaften Krankheitszustandes zur Wahrnehmung anwaltlicher Arbeiten auch weiterhin nicht einsatzfähig gewesen und habe am 2. Juli 1986 neuerlich eingeliefert und wegen einer Thrombose sofort operiert werden müssen. Erst am 8. Juli 1986 habe der Vertreter der Beschwerdeführerin endgültig seinen Krankenhausaufenthalt beenden und die Kanzleitätigkeit wieder aufnehmen können. Erst an diesem Tage habe er daher u.a. von dem zurückweisenden Bescheid des OAS vom 7. Mai 1986 Kenntnis erlangt. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin habe die Wiedereinsetzungsfrist erst mit dem tatsächlichen Zukommen dieses Bescheides an ihren Vertreter zu laufen begonnen. § 46 Abs. 3 VwGG verwende zwar das Wort "Zustellung", doch sei der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Bestimmung von den damals geltenden Zustellvorschriften (§ 23 AVG 1950 in der Fassung vor dem Zustellgesetz) ausgegangen, wonach eine Ersatzzustellung bei Krankenhausaufenthalt des Empfängers unzulässig gewesen sei. Die Zustellung des Bescheides des OAS an die Kanzleileiterin des Vertreters der Beschwerdeführerin sei aber auch nach der Rechtslage gemäß dem Zustellgesetz unzulässig gewesen, weil für eine Zustellung nach § 13 Abs. 4 Zustellgesetz keine anderen Regeln gelten könnten als für eine Ersatzzustellung nach § 16 dieses Gesetzes.

Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. November 1985 eingebracht und damit die versäumte Prozeßhandlung nachgeholt.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG - in der Fassung nach der gemäß Kundmachung vom 9. Mai 1985, BGBl. Nr. 197/1985, mit Ablauf des 31. Jänner 1986 in Kraft getretenen Änderung dieser Gesetzesstelle - ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer Partei, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist gemäß § 46 Abs. 2 VwGG auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat.

Nach § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Im vorliegenden Fall geht die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 7. November 1985 auf die fälschliche Einräumung eines Rechtsmittels in diesem Bescheid zurück (§ 46 Abs. 2 VwGG). Die Wiedereinsetzungsfrist hat daher mit dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides des OAS an die Beschwerdeführerin zu laufen begonnen, mit welchem die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen wurde (§ 46 Abs. 3 VwGG). Dieser Bescheid wurde nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag am 17. Juni 1986 der gemäß § 13 Abs. 4 Zustellgesetz postbevollmächtigten Kanzleileiterin des Vertreters der Beschwerdeführerin überreicht, allerdings habe dieser Vertreter selbst davon erstmalig am 8. Juli 1986 Kenntnis erlangt. Zu prüfen ist daher die Frage, ob am 17. Juni 1986 eine Zustellung des Bescheides bewirkt und demgemäß der Lauf der Wiedereinsetzungsfrist in Gang gesetzt wurde.

Das VwGG enthält keine eigenen Zustellvorschriften. Ob eine Zustellung rechtsgültig zustandegekommen ist, ist vielmehr nach den jeweils in Geltung stehenden einschlägigen Verfahrensvorschriften - im vorliegenden Fall jenen des Zustellgesetzes - zu beurteilen.

Nach § 13 Abs. 1 erster Satz Zustellgesetz ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, so ist die Sendung gemäß dem ersten Satz des § 13 Abs. 4 Zustellgesetz in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden; durch Organe der Post darf an bestimmte Angestellte nicht oder nur an bestimmte Angestellte zugestellt werden, wenn der Parteienvertreter dies schriftlich bei der Post verlangt hat.

Die im § 13 Abs. 4 Zustellgesetz genannten "Angestellten des Parteienvertreters" sind keine Ersatzempfänger; an sie dürfen daher auch solche Sendungen zugestellt werden, bezüglich deren eigenhändige Zustellung angeordnet ist. Eine Zustellung an den Angestellten ist zulässig und wirksam, unabhängig davon, ob sich der Parteienvertreter an der Abgabestelle aufhält (vgl. dazu Anmerkung 21 und 23 zu § 13 Zustellgesetz bei Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Manz 1983).

Die Zustellung des zurückweisenden Bescheides des OAS vom 7. Mai 1986 an die Kanzleileiterin des einschreitenden Rechtsanwaltes, welche in der Beschwerde ausdrücklich als "postbevollmächtigt" bezeichnet wird, war daher ungeachtet des Krankenhausaufenthaltes des Vertreters der Beschwerdeführerin wirksam; damit wurde die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages auf Grund des § 46 Abs. 2 VwGG in Lauf gesetzt. Letzter Tag dieser Frist war somit der 1. Juli 1986. Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag wurde jedoch erst am 15. Juli 1986 zur Post gegeben.

Die Erkrankung des Vertreters der Beschwerdeführerin hat demnach den Beginn der zweiwöchigen Frist nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, auf den 8. Juli 1986 verschoben.

Da somit die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages von der Beschwerdeführerin versäumt wurde, war ihr Antrag als verspätet zurückzuweisen.

Die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Beschwerde war dementsprechend gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 21. Oktober 1986

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