VwGH 86/04/0027

VwGH86/04/002718.3.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Egger, über die Beschwerde der S Gesellschaft m.b.H. in B, vertreten durch Mag. DDr. Paul Hopmeier, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. Dezember 1985, Zl. V/1‑B‑85137, betreffend Gewerbeanmeldung, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §339 Abs3 Z3
GewO 1973 §5 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986040027.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. Dezember 1985 und aus der vorliegenden Beschwerde ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem Gewerbeschein der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 21. Oktober 1985 wurde gemäß § 340 Abs. 4 GewO 1973 bescheinigt, daß die Beschwerdeführerin das Stukkateurgewerbe gemäß § 94 Z. 76 GewO 1973 im Standort B, J-Gasse 7, mit 6. September 1985 angemeldet habe.

Über die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. Dezember 1985 dahin entschieden, daß der als Bescheid geltende Gewerbeschein behoben, ferner gemäß § 340 Abs. 7 GewO 1973 das Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes festgestellt und die Ausübung des Gewerbes untersagt werde.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung beantragt, als Tag der Gewerbeanmeldung den 16. August 1985 festzustellen. Sie habe dazu ausgeführt, daß ihr Anbringen am 14. August 1985 zur Post gegeben und am 16. August 1985 bei der Behörde eingelangt sei. Als Tag der Gewerbeanmeldung den 6. September 1985 anzunehmen, sei daher denkunmöglich. Die belangte Behörde stelle dazu fest, daß dem Anbringen vom 14. August 1985 keinerlei Unterlagen angeschlossen gewesen seien. Erst am 5. September 1985 seien die erforderlichen Unterlagen mit Ausnahme des Handelsregisterauszuges der Gewerbebehörde vorgelegt worden. Am 14. Oktober 1985 sei bei der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg der Handelsregisterauszug eingelangt, in welchem als Tag der Eintragung der 6. September 1985 vermerkt sei. Bei der Erledigung der Gewerbeanmeldung gemäß § 340 Abs. 7 GewO 1973 handle es sich (abgesehen von den Fällen des § 340 Abs. 6 leg.cit.) um einen auf die Sachlage im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung bezogenen Feststellungsbescheid. Im vorliegenden Fall sei auf Grund des umschriebenen Sachverhaltes, der auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden sei, festzustellen, daß am Tag der Anmeldung wesentliche Elemente einer Gewerbeanmeldung gefehlt hätten, sodaß keine Gewerbeanmeldung im Sinne des Gesetzes vorgelegen sei und daher auch kein Gewerberecht habe entstehen können.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides, „andernfalls“ dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Ausstellung eines Gewerbescheines für das Gewerbe der Stukkateure gemäß § 94 Z. 76 GewO 1973 mit dem Standort B, J‑Gasse 7, mit dem gemäß § 340 Abs. 4 GewO 1973 das Datum der Anmeldung des Gewerbes mit 16. August 1985 bescheinigt wird, verletzt.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde gelange zu einem verfehlten Ergebnis, da sie von der Annahme ausgehe, daß der Rechtsträger der Gewerbeberechtigung, die Gegenstand der Anmeldung sei, zum Zeitpunkt der Anmeldung rechtlich nicht existent gewesen sei. Diese Ansicht sei in mehrfacher Hinsicht verfehlt, widerspreche auch der Rechtslage vor 1973, die in dieser Frage durch die Einführung der Gewerbeordnung 1973 nicht abgeändert worden sei. Gemäß „§ 3 Abs. 3 GewO 1907“ habe gegolten, daß die Gewerbebehörde in Ansehung der zur Protokollierung der Firma verpflichteten Gesellschaften mit der Ausfertigung des Gewerbescheines bzw. Verleihung der Konzession auch ohne den Nachweis der erfolgten Protokollierung vorgehen habe können, wenn in sonst stichhältiger Weise die erfolgte Gründung der Gesellschaft dargetan wurde. Diese Bestimmung habe für die sogenannten quasi-juristischen Personen der Offenen Handels- und Kommanditgesellschaft gegolten. Es komme also lediglich auf die Gründung der Gesellschaft an, die im gegenständlichen Fall mit Notariatsakt vom 14. August 1985 erfolgt sei. Diese gewerberechtliche Rechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin verkenne die belangte Behörde, insbesondere wenn sie ausführe, daß nicht handelsgerichtlich eingetragene Gesellschaften eine Gewerbeanmeldung nicht rechtswirksam vornehmen können, da § 340 Abs. 6 GewO diesen Fall nicht vorsehe. Diese Auffassung verkenne die hier gegenständliche Problematik zur Gänze, da gerade § 340 Abs. 6 GewO die hier unerwünschte Rechtsfolge gezeitigt hätte, daß die Gewerbeanmeldung erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, der nach der tatsächlichen Anmeldung, nämlich im Zeitpunkt der Rechtskraft der Nachsicht oder der Gleichstellung liegt. Abs. 6 leg.cit. betreffe aber ganz andere Fälle als den hier gegenständlichen, nämlich die Gewerbeerteilung an Ausländer und die Nachsicht einer mangelnden Befähigung. Es gehe in dieser Bestimmung überhaupt nicht um die Frage der gewerberechtlichen Rechtsfähigkeit von Personenverbänden. Es sei daher verfehlt, in dieser Bestimmung die Lösung des gegenständlichen Falles zu suchen. Die belangte Behörde hätte die Frage der rechtlichen Existenz der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Anmeldung nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung beurteilen müssen, wonach vor der Eintragung in das Handelsregister die Gesellschaft als solche nicht bestehe. Das heißt aber nicht, daß überhaupt kein Rechtssubjekt vorhanden wäre. Nach der Entscheidung 45, 338 (1966) des Bundesgerichtshofes der Bundesrepublik Deutschland in Zivilsachen, könne beispielsweise für die gegründete, aber noch nicht handelsgerichtlich registrierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung bereits ein Bank- oder Postscheckkonto eröffnet werden und auf Grund der gleichen Entscheidung könnten sogar grundbücherliche Rechte vor der Registrierung zugunsten der Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingetragen werden. Zwischen dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages und der Eintragung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in das Handelsregister bestehe eine Rechtsgemeinschaft, deren Rechtsnatur im folgenden zu untersuchen sei. § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung besage nicht, daß bis zur Eintragung eine Gesellschaft überhaupt nicht vorhanden sei, sondern nur, daß die Gesellschaft mit beschränkter Haftung „als solche“ noch nicht bestehe. Die Rechtsnatur der Vorgesellschaft als Vorstufe und Durchgangsstation auf dem Weg zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei nach österreichischem Recht geklärt. Im überwiegenden Schrifttum (Kastner, Die Vorgesellschaft, ÖJZ 1953, 1., derselbe in Gschnitzer, Gedenkschrift 220) und nach Meinung des Obersten Gerichtshofes sei die Vorgesellschaft in der Regel eine Offene Handelsgesellschaft. In Übereinstimmung mit der alten Rechtslage bestimme § 9 Abs. 1 GewO 1973, daß (u.a.) offene Handelsgesellschaften Gewerbe ausüben können. Im gegenständlichen Fall sei daher die Anmeldung von einem jedenfalls „gewerberechtlich fähigen“ Rechtssubjekt abgegeben worden. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 1903, Slg. Nr. 1954/A, habe die Gewerbeordnung unter juristischen Personen alle gesetzlich anerkannten Assoziationsformen als geeignete Träger gewerblicher Befugnisse anerkennen wollen, bei welchen nach den positiven Vorschriften der Gesetzgebung eine von den Personen der einzelnen Mitglieder der Assoziation verschiedene und davon unabhängige Rechtsperson als Rechtssubjekt in vermögensrechtlicher Hinsicht anerkannt ist. Durch den Abschluß des Notariatsaktes sei hinreichend klargestellt worden, daß eine von den Gesellschaftern unabhängige Rechtsperson assoziiert werden sollte. Es sei stets unbestritten gewesen, daß Offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft keine juristischen Personen im zivilrechtlichen Sinn seien; ebenso unbestritten sei es aber auch, daß diese Gesellschaften ähnlich einem rechtsfähigen Personenverband zu behandeln seien. Diese Gleichbehandlung mit juristischen Personen werde auch vom Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung selbst vorausgesetzt, wenn es im § 10 Abs. 2 leg.cit. heißt, daß Forderungen der Geschäftsführer gegen Banken als Forderungen der Gesellschaft gelten. In diesem Stadium werde also die Rechtsfähigkeit der noch nicht handelsgerichtlich registrierten Gesellschaft mit beschränkter Haftung ex lege fingiert. Wenn auch der Übergang von Rechten und Pflichten der Vorgesellschaft auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Literatur umstritten sei, so sei die Frage, ob überhaupt ein solcher Übergang stattfinde, unumstritten und nur die Art und Weise dieses Überganges fraglich. Nach neuerer Ansicht setze die eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Vorgesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge fort. Das bedeute, daß die Rechte und Verpflichtungen, die die Geschäftsführer im Rahmen ihrer Vertretungsmacht für die Vorgesellschaft begründet haben, mit der Eintragung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung unmittelbar auf diese übergehen. Die belangte Behörde stelle zutreffend fest, daß abgesehen von der Regelung des § 340 Abs. 6 alle Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung vorliegen müssen. Dies habe im gegenständlichen Fall zugetroffen, da sowohl Urkunden (Notariatsakt) vorgelegen gewesen seien, mit denen die Nämlichkeit der Beschwerdeführerin nachgewiesen, als auch der Befähigungsnachweis des gewerberechtlichen Geschäftsführers erbracht worden sei (Dipl. Ing. S., der namhaft gemachte gewerberechtliche Geschäftsführer, habe zu diesem Zeitpunkt eine 35‑jährige Berufspraxis und habe das Meisterprüfungszeugnis für das Stukkateurgewerbe nach den damals in Kraft stehenden Vorschriften im November 1953 erworben.) Auch die Voraussetzung gemäß § 339 Abs. 3 Z. 3 GewO 1973 sei vorgelegen, da der Nachweis des Bestandes einer juristischen Person durch Vorlage des Notariatsaktes erbracht worden sei. Nicht erbracht worden sei lediglich der Nachweis der handelsrechtlichen Registrierung der Gesellschaft. Da aber ‑ wie oben ausgeführt ‑ gewerberechtlich auch vorher bereits ein Rechtssubjekt vorgelegen sei, könne diese handelsrechtliche Differenzierung die Ansicht der belangten Behörde nicht stützen. Natürlich sei die Behauptung der belangten Behörde richtig, daß der Rechtsträger der Gewerbeberechtigung, die Gegenstand der Anmeldung ist, rechtlich existent sein müsse. § 339 Abs. 3 GewO 1973 verlange aber gerade nicht, daß auch der Nachweis des Stadiums einer Gesellschaft (Errichtung, Registrierung, Liquidation etc.) nachgewiesen werde. § 339 Abs. 3 Z. 3 GewO 1973 bestimme lediglich, daß im Falle der Erstattung der Gewerbeanmeldung durch eine juristische Person der Nachweis ihres Bestandes, bei Personengesellschaften des Handelsrechtes die Glaubhaftmachung des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages, der Anmeldung anzuschließen sind. Die belangte Behörde mißverstehe insbesondere den Nachsatz in Z. 3 leg.cit. Dieser Nachsatz bedeute nichts anderes als die Konkretisierung einer Möglichkeit der „Glaubhaftmachung des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages“. Da bei Personengesellschaften nicht notwendigerweise ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag vorliegen müsse, genüge in einem solchen Fall ein Auszug aus dem Handelsregister, der nicht älter als sechs Monate sein dürfe. Die belangte Behörde gehe offensichtlich von der Annahme aus, daß die handelsrechtliche Registrierung verlangt werde; dies sei aber nicht der Fall, da Z. 3 leg.cit. lediglich vom „Bestand“ einer juristischen Person (im Sinne des Gewerberechtes) spreche. Die handelsrechtliche Registrierung werde nicht verlangt. Lediglich zur Glaubhaftmachung des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages könne ein Handelsregisterauszug vorgelegt werden. Wenn die belangte Behörde (auf Seite 4) im Berufungsbescheid ausführe, daß „alle Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung vorliegen müssen“, so spreche sie aus, was auch tatsächlich vorgelegen sei. Die von ihr geforderte handelsgerichtliche Eintragung werde aber in der zitierten Bestimmung expressis verbis nirgends gefordert. Die sohin in dem angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Auffassung der belangten Behörde, derzufolge das Begehren der Beschwerdeführerin auf Erteilung des Gewerbescheines per 16. August 1985 schon deswegen nicht als wirksame Gewerbeanmeldung habe angesehen werden können, weil die Voraussetzungen nach § 339 Abs. 3 GewO 1973 nicht eingehalten worden seien, finde im Gesetz keine Stütze. § 339 Abs. 3 GewO 1973 habe den Zweck, der Gewerbebehörde anläßlich der Gewerbeanmeldung die Prüfung der Frage zu erleichtern, ob gegen den Anmeldewerber ein gesetzliches Hindernis obwalte. Aus demselben Grundgedanken heraus bestimme § 340 Abs. 7 GewO 1973, daß, sofern die Voraussetzungen der Gewerbeanmeldung nicht vorliegen, dies mit Bescheid festzustellen und die Ausübung des Gewerbes zu untersagen sei (§ 340 Abs. 7 GewO 1973 verweise auf Abs. 1 leg.cit., der wiederum auf § 339 Abs. 1 verweise, welche Bestimmung im Zusammenhang mit § 339 Abs. 3 zu lesen sei). Die Behörde sei somit kraft dieser zwingenden gewerberechtlichen Sonderbestimmung der Verpflichtung enthoben, im Sinne der Regel des § 13 Abs. 3 AVG 1950 bei den Formvorschriften nicht entsprechenden Gewerbeanmeldungen die Behebung der Formgebrechen von Amts wegen zu veranlassesn. Die erwähnte Gesetzesstelle enthalte aber keine Bestimmung darüber, wann eine Gewerbeanmeldung vorliege; eine solche Bestimmung sei etwa § 340 Abs. 6 GewO 1973, der aber im gegenständlichen Fall irrelevant sei. Die belangte Behörde habe lediglich gemäß § 340 Abs. 1 GewO zu prüfen gehabt, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort und im Zeitpunkt der Anmeldung vorliegen. Dies hätte die belangte Behörde bejahen müssen, da Existenz, Nämlichkeit, Standort und Befähigung durch Notariatsakt und Meisterprüfungszeugnis erbracht worden seien. Die belangte Behörde verkenne daher die Bestimmung des § 339 GewO 1973 (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Mai 1951, Slg. N. F. Nr. 2086/A; dieses Erkenntnis sei auch auf die seit 1973 geänderte Rechtslage anwendbar, da der Normzweck „ident“ sei. Der Passus, daß „zwei oder mehrere Gewerbe nicht in eine Anmeldung zusammengefaßt werden dürfen“, sei sogar wörtlich „ident“). Die belangte Behörde hätte sohin den als Bescheid geltenden Gewerbeschein der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 21. Oktober 1985 dahin gehend abändern müssen, daß als Tag der Gewerbeanmeldung der 16. August 1985 benannt werde. Das Berufungsverfahren leide aber auch an einer Mangelhaftigkeit, da die Berufungsbehörde auch auf neue Tatsachen Bedacht nehmen müsse. Dies ergebe sich aus den auch für das Berufungsverfahren geltenden Grundsätzen der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheit. Dies habe auch bereits die erste Instanz verkannt. Die Vorbringung neuer Tatsachen in der Berufung und in den von etwaigen Berufungsgegnern hiezu erstatteten Äußerungen sei im § 65 AVG 1950 ausdrücklich vorgesehen. Inzwischen neu entstandene Tatsachen, durch die sich eine Änderung des Sachverhaltes ergibt, müßten von der Berufungsbehörde im Hinblick auf die Grundsätze der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheit ebenfalls berücksichtigt werden. Es sei auch nicht zu verkennen, daß es sich beim gegenständlichen Bescheid nicht um einen reinen Feststellungsbescheid handle, wie die belangte Behörde vermeine; gemäß § 340 Abs. 7 GewO 1973 werde nicht nur eine Feststellung, sondern auch eine Untersagung mit dem gegenständlichen Bescheid bewirkt. Dies liege auch im Berufungsbescheid der belangten Behörde vor. Auf Grund der Gewerbeuntersagung habe die belangte Behörde in ein subjektives öffentliches Recht der Beschwerdeführerin eingegriffen und sohin einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt gesetzt. Es handle sich daher um einen Parallelfall zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Dezember 1970, Slg. N. F. Nr. 7939/A, in welcher Sache es sich um einen rechtsvernichtenden Verwaltungsakt gehandelt habe. Auch im gegenständlichen Fall sei durch die Untersagung des Gewerbes ein Recht vernichtet worden, da es ‑ e contrario ‑ bestanden haben müsse, da ansonsten die Untersagung denkunmöglich sei. Die belangte Behörde habe sohin auch einen insbesondere im § 66 Abs. 4 AVG niedergelegten Verfahrensgrundsatz verletzt, weshalb der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet sei.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Gemäß § 5 Abs. 1 GewO 1973 sind Anmeldungsgewerbe Gewerbe, die bei Erfüllung der allgemeinen und der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen auf Grund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes ausgeübt werden dürfen (§ 6).

Wer ein Anmeldungsgewerbe (§ 5 Z. 1) ausüben will, hat nach § 339 Abs. 1 leg. cit. die Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten. Der Anmeldung ist nach § 339 Abs. 3 leg. cit. u.a. anzuschließen (Z. 3), falls eine juristische Person die Anmeldung erstattet, der Nachweis ihres Bestandes, bei Personengesellschaften des Handelsrechtes die Glaubhaftmachung des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages (§ 10); ein als solcher Nachweis vorgelegter Auszug aus dem Handels- oder Genossenschaftsregister darf nicht älter als sechs Monate sein.

Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung besteht die Gesellschaft vor ihrer Eintragung in das Handelsregister als solche nicht.

Aus dieser gesellschaftsrechtlichen Bestimmung folgt, daß eine Gesellschaft m.b.H. als solche erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister befähigt wird, ihren Bestand im Sinne des § 339 Abs. 3 Z. 3 GewO 1973 nachzuweisen. Sie ist als solche auch erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister im Sinne des § 5 Z. 1 leg.cit. fähig, ein Anmeldungsgewerbe auf Grund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes auszuüben. Eine Fiktion des Bestehens einer Gesellschaft m.b.H. vor dem Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister ist den gewerberechtlichen Vorschriften über die Anmeldung von Gewerben fremd.

Eine Bestimmung, wie sie § 10 GewO 1973 für Personengesellschaften des Handelsrechtes enthält, besteht für juristische Personen, insbesondere für Gesellschaften mit beschränkter Haftung ‑ da diese ja nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung als solche vor der Eintragung in das Handelsregister nicht bestehen ‑, nicht. Eine gleiche Rechtslage bestand, wie im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen bemerkt sei, auch schon im zeitlichen Anwendungsbereich der Gewerbeordnung von 1859 (in der Fassung von 1907; vgl. hiezu Laszky‑Nathansky, „Kommentar zur Gewerbeordnung“, S. 251).

Die am 14. August 1985 zur Post gegebene und am 16. August 1985 bei der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg eingelangte Gewerbeanmeldung hatte nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und nach dem Vorbringen in der vorliegenden Beschwerde die Ausübung des Stukkateurgewerbes durch die „S Gesellschaft m.b.H.“, d.i. die Beschwerdeführerin, hinsichtlich derer mit Notariatsakt vom 14. August 1985 der Gesellschaftsvertrag abgeschlossen wurde, zum Gegenstand.

Auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch Zustellung am 27. Dezember 1985 war die Tatsache, daß diese Gewerbeanmeldung bereits im August 1985, also vor der am 6. September 1985 angenommenen Eintragung der beschwerdeführenden Gesellschaft m.b.H. in das Handelsregister und somit zu einer Zeit, zu der die Gesellschaft m.b.H. als solche noch nicht bestanden hatte, erstattet worden war, ein Element des maßgebenden Sachverhaltes. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Feststellung traf, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes nicht vorliegen, und daran anknüpfend weiters die gesetzlich vorgesehene Verfügung traf, daß die Ausübung des Gewerbes untersagt wird.

Aus den dargelegten Gründen läßt der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 18. März 1986

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