Normen
KOVG 1957 §76 Abs2 idF 1984/212
KOVG 1957 §76 idF 1984/212
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985090062.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt und Verfahrensverlauf:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. November 1952 wurde dem seinerzeitigen Antrag des Beschwerdeführers vom 15. Mai 1952 auf Rentenumwandlung durch Auszahlung einer Abfertigung gemäß § 57 KOVG stattgegeben und dem Beschwerdeführer zwei Drittel der mit Bescheid vom 8. April 1950 zuerkannten Beschädigtenrente (entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v.H.) abgefertigt. Vor dieser antragsgemäßen Erledigung wurde der Beschwerdeführer im Sinne der geltenden Bestimmungen des § 57 KOVG eingehend belehrt, und es wurde ihm nachweislich zur Kenntnis gebracht, daß der abgefertigte Rententeil ein für allemal erlischt und nicht wieder auflebt, auch wenn der Zeitraum verstrichen ist, der der Berechnung der Abfertigungssumme zugrunde gelegt wurde. Die diesbezügliche Einverständniserklärung über die Rechtsfolgen wurde vom Beschwerdeführer eigenhändig unterzeichnet.
Mit schriftlichem Antrag vom 3. Oktober 1984 ersuchte der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter des Kriegsopfer- und Behindertenverbandes um Bewilligung eines Härteausgleiches gemäß § 76 Abs. 1 KOVG 1957 im Ausmaß des abgefertigten Rententeiles. Als Begründung wurde im wesentlichen angegeben, daß der Abfertigungszeitraum schon viele Jahre verstrichen sei und dem Beschwerdeführer durch die Abfertigung außerordentlich hohe Beträge verloren gegangen seien.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen aus, der Antrag vom 3. Oktober 1984 auf Gewährung eines Härteausgleiches in Höhe des jeweiligen Unterschiedsbetrages zwischen der zu zwei Drittel abgefertigten Beschädigtengrundrente und der Vollrente werde gemäß § 76 KOVG 1957 abgewiesen. In der Begründung führte die Behörde im wesentlichen folgendes aus:
Im vorliegenden Fall sei kraft der seit der erfolgten Rentenumwandlung unveränderten Rechtslage ein Rechtsanspruch auf Auszahlung des abgefertigten Rententeiles ausgeschlossen. Aufgrund welcher außergewöhnlichen Umstände hier die vom Gesetzgeber auferlegte Einhaltung und Vollziehung der ‑ ausdrücklich bekanntgemachten ‑ Vorschriften eine besondere Härte darstellen sollen, habe nicht dargetan werden können. Der Härteausgleich sei dazu geschaffen worden, um in Einzelfällen sich ergebende Härten beseitigen zu können. Im vorliegenden Fall würde ein Stattgeben aus den im Antrag erwähnten Gründen jedoch nicht die Beseitigung eines einzelnen Härtefalles bedeuten, da dadurch alle Rentenbezieher nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz, die sich seinerzeit haben abfertigen lassen, eine derartige Anspruchsberechtigung hätten. Dies würde lediglich eine Umgehung der bestehenden Gesetzeslage bedeuten und somit dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers widersprechen. Eine generelle Änderung der Rechtsvorschriften sei dem Gesetzgeber vorbehalten. Für die Gewährung eines Härteausgleiches lägen daher die Voraussetzungen nicht vor.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend, die er wie folgt begründet:
Aus § 76 Abs. 1 KOVG 1957 gehe eindeutig hervor, daß sich die besondere Härte aus der Anwendung des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergeben müsse. Der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag ausdrücklich darauf hingewiesen, daß 22 Jahre nach dem Verstreichen des Abfertigungszeitraumes die Einbehaltung eines abgefertigten Rententeiles zwar gesetzlich gemäß § 59 Abs. 1 KOVG 1957 noch gerechtfertigt erscheinen möge, die Anwendung dieser Gesetzesvorschrift jedoch zweifelsfrei eine besondere Härte im Sinne des § 76 Abs. 1 KOVG 1957 begründe. Wenn ein Schwerkriegsbeschädigter, wie der Beschwerdeführer, für eine Rentenabfertigung in Höhe von S 11.200,--, die praktisch nichts anderes gewesen sei als eine Rentenvorauszahlung, bereits seit Ablauf des Vorauszahlungszeitraumes, auf einen Zeitraum von mehr als 22 Jahren bemessen bereits einen Rentenverlust von mehr als S 170.000,‑ ‑ in Kauf zu nehmen gehabt habe, habe er dem Staat gegenüber diese „Rentenbevorschussung“ ohnedies teuer genug bezahlt. Eine weitere Anwendung des § 59 Abs. 1 KOVG 1957 stelle nicht nur eine besondere Härte im Sinne des § 76 Abs. 1 KOVG 1957 dar, sie sei auch moralisch und sozialpolitisch einfach nicht mehr vertretbar. Es treffe daher nicht zu, daß vom Beschwerdeführer nicht habe dargetan werden können, auf Grund welcher außergewöhnlichen Umstände die vom Gesetzgeber auferlegte Einhaltung und Vollziehung der ‑ ausdrücklich bekanntgemachten ‑ Vorschriften eine besondere Härte darstellen sollen. Auch der Hinweis in der Bescheidbegründung auf alle übrigen abgefertigten Rentenbezieher vermöge die Abweisung des beantragten Härteausgleiches nicht zu begründen, denn ein Stattgeben des Antrages hätte in jedem Falle die beim Beschwerdeführer vorliegende besondere Härte, wie sie durch die weitere Anwendung des § 59 Abs. 1 KOVG 1957 und den damit verbundenen Einbehalt des abgefertigten Teiles der Beschädigtengrundrente gegeben sei, beseitigt und nicht allein schon ein allgemeines bzw. amtswegig verfügtes Aufleben der abgefertigten Rententeile aller anderen Kriegsopfer nach sich gezogen, wenngleich ein solches im Erlaßwege zu verfügen sicherlich ein wünschenswerter und auch nur allzu gerechtfertigter Zustand wäre.
Bedenke man, daß gemäß § 57 Abs. 1 KOVG 1957 rechtskräftig zuerkannte Beschädigtenrenten und Witwenrenten nur von Empfängern solcher Renten aus der Kriegsopferversorgung abgefertigt werden können, die das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dann ergebe sich aus der Tatsache, daß diese Rechtsvorschrift wegen genereller Überschreitung dieses Lebensalter durch die Versorgungsberechtigten gar nicht mehr anwendbar sei und infolge Vorliegens qualifizierter Darlehensmöglichkeiten aus dem Kriegsopferfonds auch gar nicht mehr angewendet werden würde, ausreichende Veranlassung, die bei den wenigen Kriegsopfern Österreichs durch Abfertigung erloschene Rententeile zumindest durch Gewährung eines Ausgleiches im Sinne des § 76 Abs. 1 KOVG 1957 wieder aufleben zu lassen, so wie man das bei jenen Versorgungsberechtigten im § 104 KOVG getan habe, bei denen nach früheren Rechtsbestimmungen eine Rentenumwandlung vorgenommen worden sei. Diese Bestimmung des Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 sei zwar mit Bundesgesetz vom 10. April 1984 aus dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 entfernt worden, in der Auswirkung aber sei die ungleiche Behandlung der Versorgungsberechtigten, bei denen eine Rentenumwandlung stattgefunden habe, bestehen geblieben.
Gegen den Spruch des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerde noch vor, daß dieser nicht dem Antragsbegehren vom 3. Oktober 1984, das die Gewährung eines Härteausgleiches in Höhe des zu zwei Drittel abgefertigten Teiles der Beschädigtengrundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v.H. zum Inhalt gehabt habe, entspreche.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 76 Abs. 1 KOVG 1957, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 212/1984, kann, sofern sich aus den Vorschriften dieses Bundesgesetzes besondere Härten ergeben, der Bundesminister für soziale Verwaltung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen auf Antrag oder von Amts wegen einen Ausgleich gewähren.
Was zunächst den Einwand der Beschwerde anlangt, der Spruch des angefochtenen Bescheides entspreche nicht dem gestellten Antrag, so ist dieser Einwand deshalb nicht berechtigt, weil der Beschwerdeführer nach der in der Beschwerde enthaltenen Sachverhaltsdarstellung mit seinem Antrag „das Wiederaufleben des abgefertigten Rententeiles im Wege des Härteausgleiches gemäß § 76 KOVG“ begehrt hat und die belangte Behörde eben dieses Begehren mit dem dem § 76 Abs. 1 KOVG 1957 entsprechenden, oben wiedergegebenen Wortlaut abgewiesen hat.
Auf die Gewährung eines Härteausgleiches nach § 76 Abs. 1 KOVG 1957 besteht kein Rechtsanspruch, die Gewährung des Ausgleiches liegt vielmehr im Ermessen der zuständigen Bundesminister. Dies folgt insbesondere aus § 6 KOVG 1957, ferner aus den §§ 7 und 32 dieses Bundesgesetzes, in denen Rechtsansprüche auf Versorgungsleistungen festgelegt sind. Im einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des zu § 76 KOVG 1957 in der Fassung vor der oben bezeichneten Novelle ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1982, Zl. 1647/78, mit dem Bemerken hingewiesen, daß die Änderung des § 76 KOVG 1957 ohne Bedeutung für die in diesem Erkenntnis beantworteten Fragen der Ermessensentscheidung und der Beschwerdeberechtigung ist. Durch die im § 76 Abs. 1 KOVG 1957 nunmehr ausdrücklich vorgesehene Antragstellung ist lediglich die verfahrensrechtliche Stellung des Versorgungswerbers umschrieben, nicht aber ein subjektiv-öffentlicher Rechtsanspruch auf Härteausgleich eingeräumt. Ein solcher ergibt sich erst auf Grund einer positiven Ermessensentscheidung im Zusammenhang mit der nunmehr im Abs. 2 des § 76 vorgesehenen Bemessung des Härteausgleiches durch das zuständige Landesinvalidenamt.
Für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof folgt daraus, daß Rechtswidrigkeit des Bescheides dann nicht gegeben ist, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 2 B‑VG).
Die im Zusammenhang mit der behaupteten Härte rechtserheblichen Bestimmungen der §§ 57 und 58 KOVG in ihrer für den gegenüber dem Beschwerdeführer ergangenen Bescheid vom 22. November 1952 maßgebenden Fassung (BGBl. Nr. 197/1949) sahen im wesentlichen folgendes vor:
Gemäß § 57 Abs. 1 KOVG 1957 konnte mit Zustimmung des Versorgungsberechtigten oder seines gesetzlichen Vertreters dem Empfänger einer rechtskräftig zuerkannten Beschädigtenrente die Umwandlung der Rente durch Auszahlung einer Abfertigung bewilligt werden. Voraussetzung für die Bewilligung der Umwandlung einer Rente durch Auszahlung einer Abfertigung war ‑ bzw. ist auch noch nach der gegenwärtigen Rechtslage ‑, daß der gegenwärtige Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschädigten voraussichtlich dauernd ist, im Hinblick auf den allgemeinen Gesundheitszustand des Beschädigten ärztliche Bedenken gegen die Abfertigung nicht bestehen und daß die Abfertigungssumme zur Gründung oder Erhaltung einer gesicherten, den Lebensunterhalt voll gewährleistenden oder wenigstens wesentlich erleichternden Existenz Verwendung findet. Gemäß § 58 Abs. 1 KOVG war die Abfertigung mit dem einhundertzwanzigfachen Betrag des abzufertigenden Rententeiles zu bemessen. Abfertigungsfähig waren von Beschädigtenrenten entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 und 60 v.H. zwei Drittel der Rente.
Wird eine Rente durch Auszahlung einer Abfertigung umgewandelt, so erlischt der Anspruch auf den abgefertigten Rententeil; er lebt nicht wieder auf, wenn der Zeitraum verstrichen ist, der der Berechnung der Abfertigungssumme zugrunde gelegt worden ist (§ 59 Abs. 1 KOVG 1957).
Die im Antrag des Beschwerdeführers als besondere Härte geltend gemachte Tatsache, daß seit dem Verstreichen des zehnjährigen Abfertigungszeitraumes bereits 22 Jahre vergangen sind und daher dem Beschwerdeführer schon außerordentlich hohe Beträge verloren gegangen sind, wurde von der belangten Behörde nicht als für einen positiven Ermessensgebrauch ausreichend angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in dieser Vorgangsweise nicht einen Ermessensmißbrauch zu erkennen. Zutreffend ist die belangte Behörde von der Auffassung ausgegangen, daß die vom Gesetz geforderte besondere Härte durch Tatsachen und Umstände des Einzelfalles gegeben sein muß. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte besondere Härte eines den Abfertigungszeitraum weit übersteigenden Zeitraumes und des damit verbundenen „Verlustes“ der zuerkannten Rente ergibt sich in allen Fällen, in denen so, wie im Beschwerdefall, in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten des Kriegsopferversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 197/1949, Renten abgefertigt wurden.
Auch aus den in Erwiderung auf die Begründung im angefochtenen Bescheid vorgebrachten Ausführungen in der Beschwerde, daß durch die Gewährung eines Härteausgleiches an den Beschwerdeführer die in diesem Fall bestehende besondere Härte beseitigt würde und nicht auch die allgemein in solchen Fällen bestehende Härte, läßt sich für den Standpunkt der Beschwerde nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nichts gewinnen. Die aus den Bestimmungen des Kriegsopferversorgungsgesetzes sich ergebende besondere Härte ist nämlich Voraussetzung für die Gewährung eines Ausgleichs. Diese Voraussetzung ist im Sinne der oben angestellten Überlegungen im Einzelfall als eine diesen Einzelfall kennzeichnende besondere Härte dann nicht gegeben, wenn die Versorgungsberechtigung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 für alle unter einen bestimmten Tatbestand dieses Bundesgesetzes fallenden Personen ausgeschlossen ist. Aus diesen Überlegungen läßt sich auch aus dem Hinweis der Beschwerde auf die - wie die Beschwerde selbst ausführt - durch das Bundesgesetz vom 10. April 1984, BGBl. Nr. 212, aufgehobene - Bestimmung des § 104 KOVG 1957 für den Standpunkt der Beschwerde nichts gewinnen.
Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie ist daher, da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die geltend gemachte Rechtswidrigkeit nicht gegeben ist, gemäß § 42 Abs. 1 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Wien, am 10. April 1985
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