VwGH 84/13/0110

VwGH84/13/011011.12.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Iro, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Traumüller, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. Februar 1984, Zl. 6/1-1199/83, betreffend Umsatzsteuer 1980 und Feststellung von Einkünften 1980 der mitbeteiligten Praxisgemeinschaft Dr. J und Dr. AW in W zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §22 Abs1 Z3;
UStG 1972 §2 Abs1;
EStG 1972 §22 Abs1 Z3;
UStG 1972 §2 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist eine Praxisgemeinschaft zweier Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde; die Teilnehmer an der Praxisgemeinschaft sind Mutter und Sohn. Nachdem dem Finanzamt mitgeteilt worden war, daß der Zusammenschluß mit Wirkung vom 1. Juli 1980 stattgefunden habe, bezeichnete sich die Praxisgemeinschaft in dem folgenden Fragebogen anläßlich der Betriebsgründung als eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht. Der Gewinnverteilungsschlüssel laute 1980 60 % für die Mutter und 40 % für den Sohn; ab 1981 werde der Gewinn 50 : 50 geteilt. Beim Ausscheiden eines Gesellschafters wachse dessen Anteil dem anderen Gesellschafter zu.

Das Finanzami - dessen frühere, erklärungsgemäß erlassenen Bescheide betreffend die Umsatzsteuer und die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung durch die Finanzlandesdirektion in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufgehoben worden waren - erließ einen Bescheid, mit dem festgestellt wurde, daß Umsatzsteuer für 1980 nicht festgesetzt werde, und einen Bescheid, mit dem die 1980 erzielten Einkünfte mit Null festgestellt wurden.

Die Mitbeteiligte erhob dagegen Berufung.

Die Finanzlandesdirektion gab mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung der Berufung Folge; der Bescheid des Finanzamtes, daß für 1980 Umsatzsteuer nicht festgesetzt werde, wurde aufgehoben, und die 1980 erzielten Einkünfte wurden festgestellt und auf die beiden Ärzte im Verhältnis 60 % zu 40 % aufgeteilt. Das Erfordernis, daß das Gesellschaftsverhältnis nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen müsse, sei erfüllt. Dem Finanzamt sei durch die Beantwortung des Fragebogens anläßlich der Betriebsgründung der Gesellschaftswille kundgetan worden; der Abgabenbehörde sei daher von Anbeginn die Existenz einer Praxisgemeinschaft in Form einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft und der Gewinnverteilungsschlüssel bekannt gewesen. Die Praxisgemeinschaft sei als solche gegenüber Behörden - Einzahlung der Lohnsteuer auf ein Konto der Gemeinschaft -, gegenüber dem Sozialversicherungsträger - Anmeldung der Ordinationsangestellten im Namen der Praxisgemeinschaft -, gegenüber Patienten - Verrechnung jener Honorare, die von der Praxisgemeinschaft abgerechnet werden durften, durch diese - und gegenüber Lieferanten - Bestellungen großteils unter dem gemeinschaftlichen Namen - aufgetreten. Das weitere Erfordernis, daß das Vertragsverhältnis einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben müsse, sei gleichfalls erfüllt. Der Abgabenbehörde seien der Bestand der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, die Gesellschafter, der Gewinnverteilungsschlüssel und die Auflösungsbestimmungen bekanntgegeben worden. Das dritte Erfordernis endlich, daß der Vertrag auch zwischen Familienfremden unter gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wäre, sei ebenfalls erfüllt. Der Gesellschaftsvertrag enthalte "keine vom Üblichen abweichenden Normen". Ob und inwieweit das Bestehen einer Praxisgemeinschaft im Sinne des § 7 a Ärztegesetz gewollt oder erlaubt sei, sei für die abgabenrechtlichen Folgen unerheblich. Die abgabenrechtlichen Folgen knüpfen sich ausschließlich an die tatsächlichen Verhältnisse. Werde eine ärztliche Tätigkeit in Form einer Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht betrieben, wie dies hier der Fall sei, so sei diese steuerlich wie eine solche zu behandeln.

Der Präsident der Finanzlandesdirektion behauptet in der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde, die belangte Behörde hätte der Mitbeteiligten weder umsatzsteuerrechtlich die Unternehmereigenschaft noch ertragsteuerrechtlich den Charakter einer Mitunternehmerschaft zuerkennen dürfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Zivilrechtlich sind Zusammenschlüsse von Angehörigen freier Berufe, wie z. B. von Ärzten, ein Anwendungsfall der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts4, 48).

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1972 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfaßt die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinne zu erzielen fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Tritt eine Ärztegemeinschaft als solche nach außen hin in Erscheinung, so ist sie Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts. Das einzelne Mitglied ist nicht Unternehmer, wenn sich seine Tätigkeit auf die Arbeit für die Gemeinschaft beschränkt. Der Umsatzbesteuerung unterliegt daher in einem solchen Fall nur die Gemeinschaft. Tritt jedoch ein Gemeinschaftsmitglied auch nach außen hin selbständig mit eigenen Leistungen auf, dann ist es ebenfalls Unternehmer und unterliegt mit dieser von der Gemeinschaft unabhängigen Tätigkeit der Umsatzsteuer (Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 2 UStG, Anm. 52 und 53).

Ob die mitbeteiligte Praxisgemeinschaft als solche nach außen hin, insbesondere gegenüber Patienten und Lieferanten in Erscheinung getreten ist, ist nicht ausreichend festgestellt.

§ 7 a Ärztegesetz verbietet, daß eine Zusammenarbeit von freiberuflich tätigen Ärzten nach außen hin als Gesellschaft in Erscheinung tritt. Die Mitbeteiligte selbst erklärte in ihrem Schreiben an das Finanzamt vom 9. November 1982, daß "die Lieferanten nicht genau zwischen den Partnern" unterscheiden, weil "die Praxisgemeinschaft nach außen fast nicht in Erscheinung tritt". Die der Berufung vom 24. Jänner 1983 angeschlossenen Unterlagen nennen zwar die Namen der beiden die Praxisgemeinschaft bildenden Ärzte, jedoch nur als Empfänger in - aus welchem Jahr immer stammenden - Zahlscheinen.

Die Voraussetzungen, die nach Umsatzsteuerrecht für die Anerkennung einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht als Steuersubjekt gefordert werden, müssen mit den einkommensteuerrechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Gesellschaft nicht übereinstimmen. Ob Personen- oder Unternehmerzusammenschlüsse im Sinne des Umsatzsteuerrechts als Unternehmer anzusehen sind, hängt vor allem davon ab, ob sie im Wirtschaftsleben nach außen hin (Dritten gegenüber) selbständig auftreten. Nur wenn dies zutrifft, ist eine Praxisgemeinschaft Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn (Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 2 UStG, Anm. 54).

Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit u. a. die Einkünfte aus der Berufstätigkeit der Ärzte. Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. sind weiters Einkünfte aus selbständiger Arbeit Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, sowie die Vergütungen, die die Gesellschafter von der Gesellschaft für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen haben, sofern die Tätigkeit der Gesellschaft ausschließlich als selbständige Arbeit anzusehen ist und jeder einzelne Gesellschafter im Rahmen der Gesellschaft selbständig im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 1 und 2 leg. cit. tätig wird, es sei denn, daß berufsrechtliche Vorschriften Gesellschaften mit berufsfremden Personen zulassen.

Auch eine Innengesellschaft kann ertragsteuerlich als Mitunternehmerschaft anzusehen sein, wenn die einzelnen Teilhaber nachweislich am Betriebserfolg und am Betriebsvermögen einschließlich der stillen Reserven und des Firmenwertes beteiligt sind. In einem solchen Fall kommt dem Umstand, daß das Gesellschaftsverhältnis den Geschäftspartnern gegenüber nicht in Erscheinung getreten ist, keine entscheidende Bedeutung zu (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1982, Zlen. 13/3161/78, 82/13/0104, 0105, ÖStZB. 1983, 63; vgl. auch Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2 , S 23, Tz. 24; Herrmann-Heuer-Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 15 EStG, Anm. 27 c (2), E 109).

Ob die Praxisgemeinschaft als Mitunternehmerschaft anzusehen ist, ist gleichfalls nicht ausreichend festgestellt. Bekannt ist die Beteiligung am Betriebserfolg; nicht ausreichend bekannt aber ist die Beteiligung am Betriebsvermögen einschließlich der stillen Reserven und des Firmenwertes. Die Kenntnis, daß im Falle der Auflösung der Praxisgemeinschaft nicht eine Realteilung zu erfolgen habe, sondern der Vermögensanteil des ausscheidenden Gesellschafters dem verbleibenden Gesellschafter zuwachse, der die Buchwerte fortzuführen habe, ist dürftig.

Der angefochtene Bescheid ist deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 11. Dezember 1985

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte