VwGH 83/15/0084

VwGH83/15/008419.1.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid dieser Finanzlandesdirektion vom 2. Mai 1983, Zl. 6/1-1793/82, betreffend Umsatzsteuer 1981 der mitbeteiligten Parteien FW und FB in W, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §11 Abs1 Z5;
UStG 1972 §11 Abs1 Z6;
UStG 1972 §11 Abs1;
UStG 1972 §11 Abs2;
UStG 1972 §11 Abs6 Z4;
UStG 1972 §11 Abs6 Z5;
UStG 1972 §11;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;
UStG 1972 §11 Abs1 Z5;
UStG 1972 §11 Abs1 Z6;
UStG 1972 §11 Abs1;
UStG 1972 §11 Abs2;
UStG 1972 §11 Abs6 Z4;
UStG 1972 §11 Abs6 Z5;
UStG 1972 §11;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Nachdem das zuständige Finanzamt einer wegen einer anderen als der vor dem Verwaltungsgerichtshof strittigen Frage erhobenen Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1981 vollinhaltlich stattgegeben hatte, beantragten die Mitbeteiligten die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit der Begründung, sie hätten in der Umsatzsteuererklärung für 1981 die Vorsteuer für den Geschäftskauf vom Jänner 1981 nicht berücksichtigt, in der Annahme, daß diese durch einen näher bezeichneten Umbuchungsantrag über S 66.985,-- erledigt, sei. Der Kaufvertrag liege im Finanzamt auf. Gleichzeitig legten die Mitbeteiligten dem Finanzamt eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 1981 vor, in der eine um S 66.985,-- höhere Vorsteuer ausgewiesen ist als in der ursprünglichen Erklärung.

Die belangte Behörde ersuchte hierauf die Mitbeteiligten, die ihnen über den Betriebskauf zugegangene Rechnung zur Einsichtnahme vorzulegen.

Dem entsprachen die Mitbeteiligten in der Weise, daß sie dem Finanzamt als "Kaufbelege über den Betriebskauf" einen Auszug aus einem Kaufvertrag vorlegten und bemerkten, daß dieser Auszug als Rechnung gelte. Der am 22. September 1980 abgeschlossene Kaufvertrag betrifft ein Superädifikatshaus und eine in diesem betriebene Imbißstube. Die auch von der belangten Behörde als wesentlich erachtete Stelle aus diesem Kaufvertrag lautet:

" II. Kaufvereinbarung

Die verkaufende Partei verkauft und übergibt nunmehr an die kaufenden Parteien und diese kaufen und übernehmen je zu einer ideellen Hälfte vom Erstgenannten den im Punkt I. genannten Kaufgegenstand mit allen Rechten und Pflichten, allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör, insbesondere dem Superädifikatshaus 'Zubau' und den in einem gesonderten, von allen Vertragsparteien unterfertigten Anlageverzeichnis angeführten Betriebseinrichtungen, Geräten, Inventar sowie dem ideellen Firmenwert und Kundenstock um den vereinbarten Gesamtkaufpreis von S 700.000,--, wovon S 372.140,-- zuzüglich 18 % Mehrwertsteuer auf das bewegliche Anlagevermögen und der Rest per S 327.860,-- auf das Superädifikat entfällt."

Die belangte Behörde gab der Berufung der Mitbeteiligten mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid Folge. Nach Wiedergabe des Sachverhaltes sowie der Bestimmungen des § 12 Abs. 1 Z. 1 und des § 11 Abs. 1 Z. 5 und 6 des Umsatzsteuergesetzes 1972 (UStG 1972) führte die belangte Behörde aus, der gegenständliche Kaufvertrag enthalte wohl Angaben über die Höhe der steuerfreien und der steuerpflichtigen Anteile des Entgeltes und den anzuwendenden Steuersatz. Der auf das (steuerpflichtige) Entgelt entfallende Steuerbetrag sei aber nicht gesondert ausgewiesen, wodurch die Formvorschriften des § 11 UStG 1972 verletzt seien. Dieser Verstoß gegen die Formvorschriften sei jedoch angesichts des Umstandes, daß der strittige Betrag tatsächlich an den Verkäufer bezahlt und von diesem an das Finanzamt abgeführt worden sei, so geringfügig, daß er die Nichtanerkennung des Vorsteuerabzuges nicht vertretbar erscheinen lasse.

Mit vorliegender Beschwerde macht der Präsident der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, ohne eine Gegenschrift zu erstatten. Eine solche unterbreiteten jedoch die Mitbeteiligten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 kann der Unternehmer, der im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt oder im Inland seinen Sitz oder eine Betriebsstätte hat, die von anderen Unternehmen in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Der in § 12 Abs. 1 Z. 1 zitierte § 11 UStG 1972 regelt die Ausstellung von Rechnungen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Für den Beschwerdefall bedeutsam sind in erster Linie folgende Bestimmungen der letztgenannten Gesetzesstelle:

Führt der Unternehmer steuerpflichtige Lieferungen oder steuerpflichtige sonstige Leistungen aus, so ist er nach § 11 Abs. 1 leg. cit. berechtigt und, soweit er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt, auf Verlangen des anderen verpflichtet, Rechnungen auszustellen, in denen die Steuer gesondert ausgewiesen ist. Diese Rechnungen müssen - soweit in den nachfolgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist - die folgenden Angaben enthalten:

  1. 1. ....
  2. 2. ....
  3. 3.
  4. 4.
  5. 5. das Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 4) und

    6. den auf das Entgelt (Z. 5) entfallenden Steuerbetrag.

    Als Rechnung im Sinne des Abs. 1 gilt gemäß § 11 Abs. 2 UStG 1972 jede Urkunde, mit der ein Unternehmer über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, gleichgültig wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.

    Bei Rechnungen, deren Gesamtbetrag S 1.000,-- nicht übersteigt, genügen zufolge § 11 Abs. 6 leg. cit. unbeschadet der Bestimmung des § 129 BAO folgende Angaben:

  1. 1.
  2. 2. ….
  3. 3.
  4. 4. das Entgelt und der Steuerbetrag für die Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe und

    5. der Steuersatz.

    Eine den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechende Rechnung mit offenem Steuerausweis ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Dezember 1983, Zl. 83/15/0033, näher darlegte, ein für die Allphasen-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug, wie sie in Österreich in Geltung steht, charakteristisches und wesentliches Element. Der Vorsteuerabzug soll, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis Zl. 83/15/0033 ebenfalls im einzelnen ausführte, nach der Absicht des Gesetzgebers nur unter ganz bestimmten, im Gesetz erschöpfend aufgezählten Voraussetzungen zustehen, wobei zu diesen Voraussetzungen eine dem § 11 UStG 1972 entsprechende Rechnungslegung des leistenden Unternehmers zählt.

    Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1972 ist, wie dessen Abs. 2 zeigt, unabhängig von ihrer Bezeichnung jede Urkunde, mit der ein Unternehmer über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet. Einer Rechnung muß sohin die Funktion einer Abrechnung über eine Lieferung oder sonstige Leistung zukommen, es muß also der Leistende dem Leistungsempfänger unter Angabe des wesentlichen Inhaltes der Leistung deren Preis in Rechnung stellen und so die Zahlung anfordern. Ob eine bestimmte Urkunde diese Funktion erfüllt, kann nur nach der Lage des Einzelfalles beurteilt werden. Im Beschwerdefall vermag der Gerichtshof im schriftlichen Kaufvertrag vom 22. September 1980 keine Urkunde zu erblicken, mit der der Unternehmensveräußerer über die Lieferung des beweglichen Anlagevermögens abrechnete. Der Kaufvertrag und insbesondere die von der belangten Behörde für maßgeblich erachtete Kaufvereinbarung des Punktes II. des Vertrages beurkundet vielmehr - von den hier unbeachtlichen Nebenabreden abgesehen - allein die Willenseinigung der Vertragsparteien über Kaufgegenstand (Ware) und Preis, wobei dessen Aufteilung auf bewegliches und unbewegliches Vermögen nichts anderes bedeutet, als daß sich die Vertragsparteien über den auf das bewegliche und den auf das unbewegliche Vermögen entfallenden Preis sowie über die Abgeltung der auf das bewegliche Vermögen entfallenden Umsatzsteuer durch die Käufer einig waren. Daß dem Kaufvertrag auch schon die Funktion einer Abrechnung im dargestellten Sinn über die in ihm vereinbarte Lieferung von Unternehmensgegenständen zugekommen wäre, ist weder der Urkunde selbst noch sonstigen Sachverhaltselementen des Beschwerdefalles zu entnehmen. Die belangte Behörde hat sohin schon damit, daß sie den Kaufvertrag vom 22. September 1980 bzw. die Kaufvereinbarung des Punktes II. überhaupt als Rechnung wertete, die Rechtslage verkannt.

    Die Mitbeteiligten behaupten in ihrer Gegenschrift, über die Lieferung des Inventars sei eine eigene, detaillierte Rechnung mit gesondertem Steuerausweis ausgestellt worden; zum Beweis dafür legten sie dem Verwaltungsgerichtshof eine Ausfertigung der Rechnung vor. Dieses Vorbringen erweist sich jedoch als eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 unbeachtliche Neuerung und kann den angefochtenen Bescheid daher nicht vor seiner Aufhebung bewahren. Die Erstellung einer eigenen Rechnung erhärtet sogar das Ergebnis, daß der Kaufvertrag selbst keine Rechnung darstellt. Allerdings wird sich die belangte Behörde mit der Rechnung im fortzusetzenden Verwaltungsverfahren auseinanderzusetzen haben.

    Auch wenn aber der Kaufvertrag (die Kaufvereinbarung) als Rechnung anzusehen gewesen wäre, hätte die belangte Behörde doch den Mitbeteiligten auf Grund dieser Urkunde nicht den Vorsteuerabzug zuerkennen dürfen, weil es an dem gemäß § 11 Abs. 1 Z. 6 UStG 1972 gebotenen gesonderten Steuerausweis fehlt. Daß beim gegebenen Rechnungsbetrag (S 439.125,20 brutto) die Angabe des Steuersatzes nicht ausreicht, sondern der gesonderte Ausweis des Steuerbetrages für den Vorsteuerabzug unerläßlich war, erhellt auch der Vergleich von § 11 Abs. 1 Z. 5 und 6 UStG 1972 mit Abs. 6 Z. 4 und 5 der Gesetzesstelle.

    Die Rechtsrüge des beschwerdeführenden Präsidenten trifft sohin zu. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Wien, am 19. Jänner 1984

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