VwGH 83/03/0285

VwGH83/03/028521.3.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schwaighofer über die Beschwerde des GD in R, vertreten durch Dr. Richard Kempf, Rechtsanwalt in Bregenz, Brandgasse 2, gegen die Bescheide 1) der Vorarlberger Landesregierung vom 18. August 1983, Zl. Ib-182-159/1983, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, und 2) des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 18. August 1983, Zl. Ib-292-159/1983, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §36 lite;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.200,-- und dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 2.200,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Ein Beamter des Gendarmerieverkehrspostens Feldkirch erstattete am 1. Jänner 1983 die Anzeige, der Beschwerdeführer habe am 27. Dezember 1982 gegen 18.50 Uhr auf der Landesstraße 63 in Sulz (Fahrtrichtung Landesstraße 50) auf der Kreuzung der L 63 mit der L 50 bei der Fahrt in die L 50 das Vorschriftszeichen "Halt vor Kreuzung" nicht beachtet. Der Beschwerdeführer sei zügig in die Kreuzung eingefahren. Überdies sei am Fahrzeug keine Begutachtungsplakette angebracht gewesen. Der Beschwerdeführer habe zu seiner Rechtfertigung angegeben, er sei fast gestanden und habe außerdem genügend Sicht gehabt. Das Anbringen der Plakette sei für ihn eine formelle Sache. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers sei am 29. November 1982 zum Verkehr zugelassen worden. Seither führe der Beschwerdeführer die Begutachtungsplakette unter seinen Fahrzeugpapieren mit sich.

Gegen die von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch wegen der Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs. 4 StVO und wegen der Verwaltungsübertretung nach § 36 lit. e KFG erlassenen Strafverfügungen vom 20. Jänner 1983 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Einspruch. Er habe die Stop-Tafel nicht mißachtet, sondern sei ohnedies bei der Haltelinie stehen geblieben, und erst, als er sich über den Querverkehr überzeugt habe, weitergefahren. Der Anzeiger, der aus Richtung Rankweil gekommen sei, habe seines Erachtens gar nicht sehen können, ob er stehen geblieben sei. Der Beamte habe ihm gegenüber bei der Beanstandung zunächst gar nicht erwähnt, daß er das Stop-Zeichen mißachtet habe. Zwar habe er die Begutachtungsplakette an dem seit ca. 1 Monat zugelassenen Fahrzeug nicht angebracht gehabt, sie jedoch stets mit den Fahrzeugpapieren bei sich geführt. Eine Bestrafung sei daher nicht zulässig.

Der Meldungsleger deponierte am 15. Februar 1983 als Zeuge, er sei mit einem weiteren Beamten dienstlich auf der L 50 Richtung Klaus (aus Richtung Rankweil) zur Kreuzung gefahren. Der Beschwerdeführer sei von der L 63 nach rechts in die L 50 in zügigem Tempo eingebogen, ohne die Stop-Tafel zu beachten. Er sei entgegen seinem Vorbringen nicht stehen geblieben, bevor er in die Kreuzung eingefahren sei. Die Übertretung habe einwandfrei festgestellt werden können, zumal sie unmittelbar auf den Kreuzungsbereich zugefahren seien. Daraufhin seien sie nach Änderung der Fahrtrichtung dem Beschwerdeführer nachgefahren.

Bei seiner Vernehmung vom 8. März 1983 bestritt der Beschwerdeführer die Richtigkeit der Zeugenaussage, indem er abermals vorbrachte, es sei ihm zunächst gar nicht vorgeworfen worden, bei der Stop-Tafel nicht angehalten zu haben. Im Gegensatz zum Meldungsleger habe sich der andere Beamte korrekt verhalten.

Dieser andere Beamte bestätigte am 8. April 1983 als Zeuge die Angaben des Meldungslegers. Sie hätten beabsichtigt, nach links einzubiegen. Als sie zur Kreuzung gekommen seien, sei der Beschwerdeführer auf den Kreuzungsbereich zugefahren und unter Mißachtung der Stop-Tafel in zügigem Tempo nach rechts eingebogen. Deshalb seien sie nach Änderung der Fahrtrichtung dem Beschwerdeführer nachgefahren. Der Meldungsleger habe dem Beschwerdeführer sofort die Mißachtung der Stop-Tafel vorgeworfen. Erst dann sei festgestellt worden, daß keine Begutachtungsplakette am Fahrzeug angebracht gewesen sei.

Obwohl dem Beschwerdeführer dazu Parteiengehör eingeräumt wurde, erstattete er keine Stellungnahme.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 15. Juni 1983 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 27. Dezember 1982 gegen 18.50 Uhr mit seinem Pkw auf der L 63 in Sulz in Richtung L 50 gefahren und habe dabei a) das Vorrangzeichen "Halt" im Kreuzungsbereich dieser Straße nicht beachtet und b) ein Kfz verwendet, obwohl an diesem keine entsprechende Begutachtungsplakette angebracht gewesen sei, und dadurch Verwaltungsübertretungen zu a) nach § 19 Abs. 4 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a StVO und zu b) nach § 36 e KFG begangen. Über ihn wurden Geldstrafen zu a) nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO von S 300,-- und zu b) nach § 134 Abs. 1 KFG von S 100,-- (Ersatzarreststrafen von 1 Tag bzw. 12 Stunden) verhängt. Zur Begründung wurde im wesentlichen nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, daß der Sachverhalt auf Grund der Angaben der beiden Beamten, gegen deren Glaubwürdigkeit keine Bedenken bestünden, erwiesen sei. Sei am Fahrzeug keine Begutachtungsplakette angebracht, so sei dies nach § 36 e KFG strafbar. Es folgen Ausführungen zu Strafbemessung.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer neuerlich vor, es sei ihm zu Unrecht die Mißachtung des. Zeichens "Halt" vorgeworfen worden. Auch halte er eine Bestrafung wegen § 36 e KFG nicht gerechtfertigt.

Mit dem nunmehr (erst-)angefochtenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 18. August 1983 wurde der Berufung in Ansehung der Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde insbesondere nach Wiedergabe der Zeugenaussagen der Beamten und des Vorbringens des Beschwerdeführers im wesentlichen dargelegt, es bestünden keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß die Anzeige auf einer Gehässigkeit der Beamten beruhe. Auf Grund der Aussagen der Beamten sei erwiesen, daß sie genau beobachten konnten, wie der Beschwerdeführer unter Mißachtung der Stop-Tafel von der L 63 in zügigem Tempo nach rechts in die L 50 eingebogen sei, zumal sie sich unmittelbar auf den Kreuzungsbereich zubewegten. Aus welchen Gründen die Beamten angeblich keine Sichtmöglichkeit gehabt hätten, habe der Beschwerdeführer selbst nicht angeführt.

Mit dem nunmehr (zweit-)angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 18. August 1983 wurde auch der Berufung in Ansehung der Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz nicht Folge gegeben. Zur Begründung wurde vor allem ausgeführt, daß das Gesetz vorschreibe, daß die Begutachtungsplakette am Fahrzeug angebracht sein müsse. Das bloße Mitführen ersetze nicht das Anbringen. Die erste Instanz habe bei der Strafbemessung bereits berücksichtigt, daß sich der Pkw in einem betriebs- und verkehrssicheren Zustand befunden habe. Ein Schuldausschließungsgrund sei nicht gegeben. Die ausgesprochene Geldstrafe entspreche dem Ausmaß des Verschuldens.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der nach dem Inhalt des Vorbringens in Ansehung des Bescheides der Vorarlberger Landesregierung nur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in Ansehung des Bescheides des Landeshauptmannes von Vorarlberg aber auch Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.

Die belangten Behörden haben die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in den von ihnen erstatteten Gegenschriften beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Anwendung des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 erwogen:

1.) Zum Bescheid der Vorarlberger Landesregierung:

Diesbezüglich bekämpft der Beschwerdeführer im wesentlichen unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens lediglich die Beweiswürdigung der belangten Behörde.

Der Verfahrensrüge kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Die belangte Behörde hat ihre Feststellungen auf die Zeugenaussagen der beiden Beamten gestützt und schlüssig begründet, warum sie diesen Aussagen und nicht der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers gefolgt ist. Gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde bestehen keine Bedenken. Haben doch die beiden Beamten übereinstimmend angegeben, der Beschwerdeführer habe das Vorschriftszeichen "Halt" nicht beachtet und sei, ohne anzuhalten, in einem Zug von der L 63 nach rechts in die L 50 eingebogen, was sie genau beobachten hätten können, da sie unmittelbar auf den Kreuzungsbereich zugefahren seien. Insbesondere auch der den Meldungsleger begleitende Beamte, der sich selbst nach der Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 8. März 1983 korrekt verhalten hat, wurde am 8. April 1983 als Zeuge ausführlich vernommen, wie das Protokoll beweist, und hat ausdrücklich deponiert, daß dem Beschwerdeführer von Anfang an die Mißachtung des Vorschriftszeichens "Halt" zur Last gelegt worden sei, sodaß der Ansicht des Beschwerdeführers, es hätte diesbezüglich einer eingehenderen Vernehmung der Beamten bedurft, um die mit seiner (leugnenden) Verantwortung bestehenden Widersprüche zu klären, nicht gefolgt werden kann. Hätten die Beamten nicht dieses vorschriftswidrige Verhalten des Beschwerdeführers beobachtet, so hätte für sie keine Veranlassung bestanden, ihre Fahrtrichtung zu ändern und dem Beschwerdeführer nachzufahren, zumal sie ja das Fehlen der Begutachtungsplakette erst bei Besichtigung des Fahrzeuges nach der Anhaltung wahrnehmen konnten. Der Beschwerdeführer hat zwar im Einspruch gegen die Strafverfügung - ohne dies näher zu begründen - auch die Behauptung aufgestellt, daß "seines Erachtens nach" die Beamten die Mißachtung des Zeichens "Halt" nicht hätten sehen können. Den übereinstimmenden Angaben der Beamten, daß ihnen dies möglich gewesen sei, weil sie sich unmittelbar dem Kreuzungsbereich genähert hätten, ist der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren dann nicht mehr entgegengetreten und hat nicht einmal zur Zeugenaussage des den Meldungsleger begleitenden Beamten eine Stellungnahme erstattet. Auch in der Berufung hat er nicht mehr die Behauptung aufgestellt, daß den Beamten die Möglichkeit gefehlt habe, sein Fahrzeug ungehindert zu beobachten. Es kann daher der belangten Behörde kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie die Durchführung eines Lokalaugenscheines nicht für erforderlich erachtete. Des weiteren läßt auch die Beschwerde jedwede erforderlichen konkreten Ausführungen darüber vermissen, warum es den Beamten nicht möglich gewesen sein sollte, die von ihnen angezeigte Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung wahrzunehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, daß der belangten Behörde ein Verfahrensmangel unterlaufen ist.

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen den Bescheid der Landesregierung richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

2.) Zum Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg:

Gemäß § 36 lit. e KFG dürfen Kfz ... auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn bei den in § 57 Abs. 1 lit. a bis g angeführten zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen - darunter fällt auch das des Beschwerdeführers - eine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette am Fahrzeug angebracht ist. Da das Gesetz ausdrücklich vorschreibt, daß die Begutachtungsplakette am Fahrzeug angebracht sein muß, ist der Tatbestand des § 36 lit. e KFG auch dann erfüllt, wenn das verwendete Fahrzeug verkehrs- und betriebssicher ist und der Lenker die Begutachtungsplakette im Fahrzeug (bei den Fahrzeugpapieren) mit sich führt. Daß am Fahrzeug keine Begutachtungsplakette angebracht war, hat der Beschwerdeführer nie bestritten. Der Schuldspruch nach § 36 lit.e KFG entspricht daher der Sach- und Rechtslage.

Letztlich erweist sich die Beschwerde aber auch, soweit damit die Nichtanwendung des § 21 VStG (Absehe von der Strafe) gerügt wird, als nicht durchschlagend. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ohnehin davon ausgegangen, daß sich das Fahrzeug in einem verkehrs- und betriebssicheren Zustand befand und der Beschwerdeführer die Begutachtungsplakette im Fahrzeug (bei den Papieren) mit sich führte, wie dies auch bereits vom Meldungsleger in der Anzeige festgestellt wurde. Da das Fahrzeug des Beschwerdeführers aber nach seinen eigenen Angaben schon einen Monat lang zum Verkehr zugelassen war, er also lange genug die Möglichkeit gehabt hätte, die Begutachtungsplakette am Fahrzeug anzubringen, kann daher gegenständlich nicht mehr von einem geringen Verschulden gesprochen werden. Der belangten Behörde unterlief daher keine Rechtswidrigkeit, wenn sie im Hinblick auf die Strafbemessung des § 134 Abs. 1 KFG, die einen Strafrahmen bis S 30.000,-- vorsieht, über den Beschwerdeführer eine an der untersten Grenze des Strafrahmens liegende Geldstrafe von S 100,-- verhängte.

Da es somit dem Beschwerdeführer auch nicht gelungen ist, in Ansehung des Bescheides des Landeshauptmannes die von ihm behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes dieses Bescheides bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darzutun, war die Beschwerde auch diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Die belangten Behörden haben zwar jeweils eigene Gegenschriften erstattet; da ihnen jedoch für die Vorlage der Verwaltungsstrafakten nur ein gemeinsamer Vorlageaufwand erwuchs, war ihnen der für den Vorlageaufwand vorgesehene Pauschalaufwand nur je zur Hälfte zuzuerkennen und das Mehrbegehren gemäß § 58 VwGG 1965 abzuweisen.

Wien, am 21. März 1984

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