VwGH 83/15/0050

VwGH83/15/005023.6.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, in der Beschwerdesache der Firma FS GesmbH & Co KG in S, vertreten durch Dr. Viktor Cerha, Dr. Karl Hempel, Dr. Dieter Cerha und Dr. Benedikt Spiegelfeld, Rechtsanwälte in Wien I, Parkring 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 4. März 1983, Zl. 300.477/1‑I/83, betreffend Gerichtsgebührennachlaß, den

Beschluß

gefaßt:

Normen

StruktVG 1969 §11 Abs2
StruktVG 1969 §8 Abs6 Z1
VwGG §21 Abs1
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1983150050.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Laut angefochtenem Bescheid schrieb der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes St. Pölten mit Zahlungsauftrag vom 3. November 1982 der Firma FS als zahlungspflichtiger Partei Gerichtsgebühren im Betrag von S 75.063,-- vor. Mit Eingabe vom 1. Februar 1983 beantragte die Firma FS unter Berufung auf § 9 Abs. 2 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 den Nachlaß der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren. Die belangte Behörde gab diesem Antrag mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Der angefochtene Bescheid erledigt seinem Spruch zufolge den „Antrag der zahlungspflichtigen Partei Firma FS“ auf Gerichtsgebührennachlaß.

II. Auf Seite 1 der gegen diesen. Bescheid erhobenen Beschwerde ist als Beschwerdeführer „Firma FS nunmehr FS GesmbH & Co KG“ angegeben. In der Sachverhaltsdarstellung (Punkt I) der Beschwerde ist unter anderem ausgeführt, das Unternehmen der protokollierten Firma FS sei mit allen Rechten und Verbindlichkeiten in die protokollierte Firma FS KG-Wohndecor eingebracht worden, die den Firmenwortlaut in FS GesmbH & Co KG geändert habe.

Diese sei daher nunmehr zur Beschwerde legitimiert. Beigelegt sei die entsprechende Benachrichtigung des Kreisgerichtes St. Pölten vom 26. Jänner 1983. Der Beschwerdeantrag (Punkt V der Beschwerde) lautet:

„Aus den dargelegten Gründen stellt die Beschwerdeführerin den

Antrag,

den angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

FS

GesmbH & Co KG“

Die in Punkt I der Beschwerde erwähnte Benachrichtigung des Kreisgerichtes St. Pölten vom 26. Jänner 1983 besagt, daß die Firma der FS KG‑Wohndecor auf FS GesmbH & Co KG geändert worden sei. Ein Beisatz auf dieser Benachrichtigung bringt zum Ausdruck, die Bekanntgabe der Einbringung des Unternehmens der Firma FS durch Zusammenschluß im Sinne des § 11 Strukturverbesserungsgesetz i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 563/80 (StrVG) werde zur Kenntnis genommen.

III. In einer Verfügung vom 25. April 1983 vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, auf Grund der Beschwerdeausführungen und der vorgelegten Vollmacht, in der die FS GesmbH & Co KG als Vollmachtgeber aufscheint, sei die Beschwerde der Firma FS GesmbH & Co KG zuzurechnen. Weder die Ausführungen in Punkt I der Beschwerde noch die vorgelegte Benachrichtigung des Kreisgerichtes St. Pölten vom 26. Jänner 1983 ließen jedoch erkennen, auf Grund welcher Rechtslage sich eine Rechtsnachfolge der FS GesmbH & Co KG in der Gerichtsgebührensache der Firma FS und damit eine Beschwerdelegitimation der genannten GesmbH & Co KG ergebe.

IV. Zu dieser Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes teilte die „Firma FS nunmehr FS GesmbH & Co KG“ mit, eine Rechtsnachfolge der FS GesmbH & Co KG und damit deren Beschwerdelegitimation ergebe sich aus dem Sacheinlagevertrag vom 30. Dezember 1982, der in Ablichtung beiliege. Laut Punkt II dieses Vertrages sei der Betrieb der protokollierten Firma FS samt allen Rechten und Verbindlichkeiten als Gesamtsache in die FS KG‑Wohndecor eingebracht worden. Die protokollierte Firma FS sei mit dieser Einbringung aufgelöst worden. Laut Punkt IV. sei das Unternehmen der protokollierten Firma FS mit allen Nutzungen und Lasten auf die FS KG‑Wohndecor übergegangen, die die Vermögensrechte mit denselben Rechten zu besitzen berechtigt sei, wie sie bisher von der protokollierten Firma FS besessen worden wären. Der Firmenwortlaut der Firma FS KG‑Wohndecor sei ‑ wie sich schon aus der Benachrichtigung des Kreisgerichtes St. Pölten vom 26. Jänner 1983 ergebe ‑ in der Folge in FS GesmbH & Co KG geändert worden. Die Beschwerdeergänzung schließt wie folgt:

„Aus obigen Gründen stellt die Beschwerdeführerin ... neuerlich den

Antrag,

den angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

FS

GesmbH & Co KG“

V. Dem in der Beschwerdeergänzung (Punkt IV) erwähnten Sacheinlagevertrag vom 30. Dezember 1982 ist zu entnehmen, daß es sich bei der protokollierten Firma FS um eine Kommanditgesellschaft handelt, an der eine GesmbH (Komplementär) und zwei natürliche Personen (Kommanditisten) beteiligt waren. Ein gleichartiges Beteiligungsverhältnis bestand an der Firma FS KG‑Wohndecor. Der Vertrag sieht die Einbringung des Betriebes der protokollierten Firma FS samt allen Rechten und Verbindlichkeiten als Gesamtsache auf Grundlage der Einbringungsbilanz zum 31. März 1982 mit dem Stichtag dieser Bilanz in die FS KG‑Wohndecor vor. Nach demselben Vertragspunkt (II) ist die protokollierte Firma FS mit dieser Einbringung aufgelöst, auf die Liquidation werde einvernehmlich verzichtet. Das Unternehmen der protokollierten Firma FS geht laut Punkt IV. des Vertrages mit allen Nutzungen und Lasten mit Stichtag der Einbringungsbilanz auf die FS KG‑Wohndecor über, die die Vermögensrechte mit denselben Rechten zu besitzen berechtigt sei, wie sie bisher von der protokollierten Firma FS besessen worden seien. Dem Punkt VI. des Vertrages zufolge finden auf diese Einbringung die Vorschriften des § 11 StrVG Anwendung. Gemäß Punkt IX. des Vertrages wird die protokollierte Firma FS durch diese Einbringung aufgelöst. Ihr Löschung werde mit Handelsregistergesuch vom heutigen Tage beantragt.

VI. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeergänzung bestätigt die der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1983 zugrundeliegende Annahme, daß die Beschwerde der Firma FS GesmbH & Co KG zuzurechnen ist. Diese Gesellschaft ist zur Beschwerdeführung aber nicht berechtigt. Unbeschadet ihrer Auflösung mit Gesellschafterbeschluß laut Sacheinlagevertrag vom 30. Dezember 1982 war nämlich die Firma FS, gegen die sich der Zahlungsauftrag vom 3. November 1982 richtete, die den Gerichtsgebührennachlaß beantragte und über deren Antrag der angefochtene Bescheid abspricht, weiterhin Träger bestimmter Rechte und Pflichten. Der Verwaltungsgerichtshof teilt nämlich die Auffassung des Obersten Gerichtshofes, daß die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft und die Löschung ihrer Firma im Handelsregister solange ihre Partei- und Prozeßfähigkeit nicht beeinträchtigt, als ihre Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten noch nicht abgewickelt sind (Beschluß des OGH vom 16. Februar 1978, 6 Ob 774, 775/77, GesRZ 1978, Seite 82, vgl. auch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1979, Zl. 748/78). Daß auch eine Personenhandelsgesellschaft jedenfalls öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse nicht unbeschränkt durch Zusammenschluß mit einer anderen Handelsgesellschaft dieser übertragen kann, macht das Strukturverbesserungsgesetz deutlich. Gerade bei einem Zusammenschluß nach § 11 StrVG, wie er im Beschwerdefall nach den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen stattgefunden hat, kommt es nur in bestimmten, vom Gesetz erschöpfend aufgezählten Fällen zu einer Rechtsnachfolge. Dies ergibt sich aus § 11 Abs. 2 StrVG, demzufolge § 8 Abs. 6 des Gesetzes entsprechend anzuwenden ist. Nach der letztgenannten Vorschrift tritt aber die aufnehmende Gesellschaft nur hinsichtlich

1. der mit den Buchwerten übernommenen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens,

2. lohnsteuerrechtlicher Verhältnisse, soweit bei den übernommenen Arbeitnehmern auch arbeitsrechtlich die entsprechenden Folgerungen gezogen werden und

3. der Fehlbeträge gemäß § 6 Abs. 3 des Gewerbesteuergesetzes

in die Rechtsstellung des. Einbringenden ein.

Auch bei dem nach der Lage des Beschwerdefalles allein in nähere Betrachtung zu ziehenden Fall der Übernahme von Wirtschaftsgütern zu Buchwerten (Fall 1) hat der Gesetzgeber offensichtlich nicht schlechthin an eine (Einzel-)Rechtsnachfolge gedacht, sondern nur insoweit, als mit der Übernahme zu Buchwerten abgabenrechtliche Konsequenzen verbunden sind. Dies zeigt die Eingliederung des Abs. 6 in die übrigen Bestimmungen des § 8 StrVG, der abgabenrechtliche Regelungen (bei Einbringung eines Betriebes oder Teilbetriebes in eine Kapitalgesellschaft) zum Inhalt hat. Darauf weist weiters der Begriff des Buchwertes als jenes Wertes hin, mit dem der Einbringende Wirtschaftsgüter in Übereinstimmung mit den steuerlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung bewertet hat (siehe § 8 Abs. 2 StrVG). Auch die Gesetzesmaterialien deuten darauf hin, den Regelungsgehalt des § 8 Abs. 6 Z. 1 StrVG darin zu sehen, daß die aufnehmende Gesellschaft abgabenrechtlich insoweit in die Rechtsstellung des Einbringenden eintritt, als dies dem Wesen der Buchwertfortführung entspricht (z.B. Pflicht zur rechtzeitigen Verwendung der übernommenen, vom Einbringenden steuerbegünstigt gebildeten Rücklagen, zur Beibehaltung der bisherigen Absetzung für Abnutzung bei den zu Buchwerten übernommenen Wirtschaftsgütern und dergleichen; bezüglich der Gesetzesmaterialien siehe die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Strukturverbesserungsgesetzes, 1029 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XI. GP, zu § 8 Abs. 4 im Zusammenhalt mi § 1 Abs. 5.

Selbst wenn man aber bei. den. zu Buchwerten übernommenen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens eine uneingeschränkte (Einzel-)Rechtsnachfolge der aufnehmenden Gesellschaft unterstellen wollte, wäre für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil die nachzulassende Gerichtsgebührenschuld (negatives Wirtschaftsgut) zum Einbringungsstichtag (31. März 1982, siehe oben V.) noch gar nicht bestand und daher auch nicht zu Buchwerten übernommen werden konnte. Die die Gerichtsgebühr auslösende zwangsweise Pfandrechtsbegründung ob einer der Firma FS gehörigen Liegenschaft erfolgte laut angefochtenem Bescheid und laut Beschwerde erst auf Grund eines abgabenbehördlichen Rückstandsausweises vom 18. Oktober 1982 mit Beschluß vom 3. November 1982. Der diese Gerichtsgebühr betreffende Zahlungsauftrag vom selben Tag erging an die Firma FS, deren Auflösung erst am 30. Dezember 1982 beschlossen wurde (siehe oben V.). Bei dieser Sachlage beantragte zu Recht die Firma FS am 1. Februar 1983 den Nachlaß der Gerichtsgebühr, die belangte Behörde sprach mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht gegenüber der Firma FS über den Gerichtsgebührennachlaß ab und nur diese Firma war im Sinne der zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen zur Beschwerdeführung berechtigt. Der Beschwerde der Firma FS GesmbH &. Co KG steht hingegen der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen, sodaß die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 ohne. weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen war.

Wien, am 23. Juni 1983

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