VwGH 82/13/0262

VwGH82/13/026211.5.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Sperlich, über die Beschwerde des JD in T, vertreten durch Dr. Ernst Fasan, Dr. Wolfgang Weinwurm und Dr. Walter Bauer, Rechtsanwälte in Neunkirchen, Triester Straße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. November 1982, Zl. GA 7 - 1982/7/82, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §232;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1982130262.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Sicherstellungsauftrag vom 23. Dezember 1980 ordnete das Finanzamt Neunkirchen gemäß § 232 BAO die Sicherstellung von schätzungsweise ermittelten Abgabenansprüchen von insgesamt S 10,000.000,-- für Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1975 bis 1980 in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschwerdeführers an. Diesen Sicherstellungsauftrag begründete das Finanzamt damit, daß eine Erschwerung der Einbringlichkeit zu befürchten sei, weil eine Vermögensverlagerung anzunehmen sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er ausführte, daß Gründe für eine schätzungsweise Ermittlung der Abgabenbeträge nicht vorlägen, daß die vom Finanzamt angenommenen Beträge jeder Grundlage entbehrten und daß ferner keine Gründe vorlägen, die eine Vermögensverlagerung erschließen ließen.

Daß Finanzamt wies nach Durchführung weiterer Erhebungen über den Bestand und die Herkunft der beim Beschwerdeführer vorgefundenen Sparbücher in Millionenhöhe die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab. Diese Entscheidung begründete das Finanzamt damit, daß gegen den Beschwerdeführer ein gerichtliches Strafverfahren wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung eingeleitet worden sei. Im Hinblick auf die umfangreichen Unterlagen habe das mit der Ermittlung des der Anzeige zu Grunde liegenden Sachverhaltes beauftragte Finanzamt eine endgültige Klärung der Verdachtsmomente noch nicht erzielen können. Bei einem Verdacht eines Finanzvergehens liege jedoch eine Gefährdung der Einbringung von Abgaben vor, sodaß die Maßnahmen gemäß § 232 BAO vorläufig nicht aufgehoben werden könnten.

In seinem Vorlageantrag wies der Beschwerdeführer dann darauf hin, daß er im Rahmen des Vorhalteverfahrens die ihm gemachten Vorwürfe bereits entkräftet habe. Der bloß abstrakte Verdacht eines Finanzvergehens rechtfertige die Aufrechterhaltung des Sicherstellungsauftrages nicht, eine konkrete Begründung habe das Finanzamt aber auch in seiner Berufungsvorentscheidung vermissen lassen.

Im weiteren Berufungsverfahren hat die belangte Behörde mehrere Stellungnahmen des Finanzamtes über den Stand des gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Finanzstrafverfahrens, insbesondere über die Ergebnisse der im Rahmen der finanzstrafrechtlichen Erhebungen angeordneten Betriebsprüfung gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG, eingeholt; dem Beschwerdeführer wurden diese Stellungnahmen nicht zur Kenntnis gebracht.

Die belangte Behörde entschied vorerst nicht innerhalb von sechs Monaten über die Berufung des Beschwerdeführers, weshalb dieser zur Zl. 82/13/0150 des Verwaltungsgerichtshofes Säumnisbeschwerde erhob. Die Frist zur Gegenschrift, bzw. zur Nachholung des erlassenen Bescheides gemäß § 36 Abs. 2 VwGG 1965 endete in diesem Verfahren am 23. November 1982. An diesem Tag wurde der angefochtene Bescheid in der Kanzlei des darin als Empfänger angeführten Rechtsanwaltes Dr. Ernst Fasan von dessen Kanzleikollegen Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Weinwurm übernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers insoweit statt, als der sicherzustellende Betrag von bisher zusammen S 10,000.000,-- auf zusammen S 2,815.120,-- eingeschränkt wurde, wobei die belangte Behörde davon ausging, daß auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung nachstehende Abgabennachforderungen zu erwarten seien:

 

Umsatzsteuer 1976

S

117.906,--

Umsatzsteuer 1977

S

63.120,--

Umsatzsteuer 1978

S

10.612,--

Umsatzsteuer 1979

S

79.024,--

Einkommensteuer 1978

S

1,889.970,--

Gewerbesteuer 1978

S

653.978,--

   

 

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß die im § 232 BAO normierte Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung unter anderem dann vorliege, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles begründet geschlossen werden könne, daß nur bei einem raschen Zugriff der Behörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheine. Eine Gefährdung der Einbringung liege jedoch immer dann vor, wenn der Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben sei. Für das gegenständliche Rechtsmittel sei allein ausschlaggebend, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages Verdachtsmomente, welche auf die Begehung einer Abgabenhinterziehung schließen ließen, vorgelegen seien, wobei der zu prüfende Zeitpunkt allein jener der Erlassung des mit Berufung bekämpften erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages sei. Im Hinblick auf die im Beschwerdefall vorgelegenen Verdachtsmomente (bei einer Hausdurchsuchung beim Beschwerdeführer vorgefundene Sparbücher in Millionenhöhe, sowie Münzen, deren Herkunft aus den zur Verfügung gestandenen Unterlagen nicht erklärbar gewesen und vom Beschwerdeführer auch im Vorhaltsverfahren nicht restlos aufgeklärt worden sei), welche auch im Zusammenhang mit dem bisherigen steuerlichen Verhalten des Beschwerdeführers gesehen werden müßten, habe das Finanzamt mit gutem Grund das Vorliegen einer Gefährdung der Einbringung unterstellen können. Die Erlassung des Sicherstellungsauftrages durch das Finanzamt sei daher im Zeitpunkt seiner Erlassung dem Grunde nach zu Recht erfolgt. Der Streit über die genaue Höhe der sichergestellten Angaben gehöre nicht in das vorliegende Rechtsmittelverfahren, diese Frage sei vielmehr im Abgabenverfahren zu klären. Bei der für eine Sicherstellung erforderlichen Schätzung des zu sichernden Abgabenbetrages sei aber mit entsprechender Sorgfalt und denkfolgerichtig vorzugehen. In Anwendung dieses Grundsatzes habe die belangte Behörde die zu erwartenden Mehrergebnisse auf Grund der derzeit noch anhängigen Betriebsprüfung ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt und nur jene Nachforderungsbeträge zur Sicherung herangezogen, welche nach dem derzeitigen Stand des Betriebsprüfungsverfahrens aller Voraussicht nach zur Vorschreibung gelangen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht vorerst unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, daß der angefochtene Bescheid seinem Vertreter Dr. Ernst Fasan am 24. November 1982, somit erst nach Ablauf der der belangten Behörde zu seiner Erlassung gemäß § 36 Abs. 2 VwGG 1965 im Verfahren zur Zl. 82/13/0150 offen gestandenen Frist zugekommen und damit verspätet erlassen worden sei. Ein weiteres Eingehen auf dieses Vorbringen erübrigt sich jedoch schon deshalb, weil aktenkundig ist, daß der angefochtene Bescheid bereits am 23. November 1982 und damit fristgerecht durch Zustellung an Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Weinwurm erlassen wurde, der gemäß der im Verwaltungsakt befindlichen Vollmacht vom 15. März 1978 nicht nur vom Beschwerdeführer mit seiner Vertretung beauftragt, sondern auch von Dr. Ernst Fasan mit gleichen Rechten und Pflichten substituiert worden ist.

Ebenfalls als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer ferner geltend, daß ihm nicht ausreichend Gelegenheit gegeben worden sei, sich zu durchgeführten Beweisen zu äußern, wodurch das Parteiengehör verletzt worden sei. Da er bereits in mehreren Schriftsätzen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entkräftet habe, sei unklar, in welcher Beziehung (heute noch) eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Abgabeneinbringung bestehen solle.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer insofern im Recht, als ihm tatsächlich nach dem Akteninhalt keine Gelegenheit geboten wurde, vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zu jenen Ergebnissen der im Rahmen der finanzstrafrechtlichen Betriebsprüfung durchgeführten Erhebungen, welche die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides verwertet hat, Stellung zunehmen.

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. § 232 Abs. 2 BAO normiert, daß der Sicherstellungsauftrag unter anderem die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld sowie die Gründe zu enthalten habe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt.

Die belangte Behörde hat die Gründe für die (ziffernmäßig eingeschränkte) Aufrechterhaltung des gegen den Beschwerdeführer vom Finanzamt erlassenen Sicherstellungsauftrages ausschließlich in dem durch Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegen den Beschwerdeführer dokumentierten Verdacht einer Abgabenhinterziehung erblickt. Abgabenhinterziehung und Mängel der Buchführung sind jedoch nicht so geartete Umstände, daß sie allein stets und ohne weitere Bedachtnahme auf die sonstigen Verhältnisse des Einzelfalles die Voraussetzungen für einen Sicherstellungsauftrag erfüllen. In jedem Falle bedarf es hiezu nach dem Wortlaut des Gesetzes auch einer Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen, da die Frage einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben unabhängig vom Verdacht einer Abgabenhinterziehung von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Steuerpflichtigen nicht zu trennen ist (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. März 1982, Zl. 81/13/0182, und vom 15. Februar 1983, Zlen. 82/14/0246, 0268, 0269).

Nach § 280 BAO ist auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird. Auch im vorliegenden Abgabenberufungsverfahren - welches sich allerdings, wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, auf die Überprüfung der Frage zu beschränken hatte, ob die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages dafür erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren oder nicht (vgl. Slg. 8721/A) - bestand daher kein Neuerungsverbot; es konnte daher das Berufungsbegehren auch nach Ablauf der Berufungsfrist durch nachträgliches Tatsachenvorbringen oder durch neue rechtliche Ausführungen bis zum Ergehen der Berufungsentscheidung wirksam ergänzt, geändert oder auch erweitert werden; andererseits mußten von Amts wegen neu festgestellte oder neu hervorgekommene Tatsachen in der Entscheidung verwertet und von der Abgabenbehörde erster Instanz abweichende Tatsachenbeurteilungen berücksichtigt werden. Zufolge § 279 in Verbindung mit § 115 BAO kommt daher in solchen Fällen dem Gebot des Parteiengehörs besondere Bedeutung zu (vgl. dazu Stoll, Handbuch der Bundesabgabenordnung, S. 670 f).

Die belangte Behörde hat daher dadurch, daß sie dem Beschwerdeführer das Parteiengehör zu ihren im Berufungsverfahren ermittelten Beweisergebnissen verwehrte, Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Infolge der unterbliebenen Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages ist aber auch der für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieses Sicherstellungsauftrages maßgebende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig. Der angefochtene Bescheid war daher, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte, gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221/1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, daß das Gesetz eine gesonderte Vergütung der Umsatzsteuer neben dem Schriftsatzaufwand nicht vorsieht und daß die Beschwerde insgesamt nur mit S 350,-- (3 x S 100,-- Eingabengebühr und 2 x S 25,-- für die Beilage) zu stempeln war.

Wien, am 11. Mai 1983

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte