Normen
EStG 1972 §2 Abs3;
EStG 1972 §23 Z1;
EStG 1972 §29 Z3;
UStG 1972 §2 Abs1;
UStG 1972 §3 Abs9;
EStG 1972 §2 Abs3;
EStG 1972 §23 Z1;
EStG 1972 §29 Z3;
UStG 1972 §2 Abs1;
UStG 1972 §3 Abs9;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist als Prostituierte tätig. Das Finanzamt schätzte auf Grund von Angaben, welche die Beschwerdeführerin selbst in einem Zivilprozeß über ihre Einnahmen in der Zeit von Mai bis Dezember 1978 gemacht hatte, ihre Einnahmen aus dieser Tätigkeit im Streitjahr 1980 mit S 300.000,-- und ihre Einkünfte - unter Berücksichtigung von Werbungskosten in der ebenfalls geschätzten Höhe von 10 % der Einnahmen - mit S 270.000,-- ein (§ 184 BAO). In seinem ausgehend von diesem Schätzungsergebnis erlassenen Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1980 qualifizierte das Finanzamt diese Einkünfte ohne nähere Ausführungen als "sonstige Einkünfte".
Die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides beschränkte sich sowohl hinsichtlich der Einkommensteuer als auch hinsichtlich der Umsatzsteuer auf den Hinweis, daß wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt worden seien. Darüber hinaus setzte das Finanzamt wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen einen Verspätungszuschlag von jeweils 10 % der vorgeschriebenen Umsatz- bzw. Einkommensteuer fest.
Einem von der Beschwerdeführerin eingebrachten Antrag gemäß § 245 Abs. 2 BAO, die fehlende Begründung nachzutragen, da unerfindlich sei, für welche Lieferungen und Leistungen bzw. für welches Einkommen die Beschwerdeführerin Steuern zahlen solle, gab das Finanzamt mit der Begründung nicht statt, daß seine Steuerbescheide alle im § 93 BAO umschriebenen Erfordernisse enthielten.
In ihrer hierauf erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, das Finanzamt habe es unterlassen, zu begründen, welche Besteuerungsgrundlagen ermittelt worden seien. Hätte das Finanzamt dargelegt, auf Grund welcher Umstände und welcher behaupteten Tätigkeit die Beschwerdeführerin im Streitjahr Einkünfte erzielt habe, dann hätte es zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß überhaupt keine steuerpflichtigen Einkünfte vorlägen. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Prostituierte falle nach der Verkehrsauffassung unter keine der im Einkommensteuergesetz aufgezählten Einkunftsarten und sei daher auch nicht steuerpflichtig. Es sei insbesondere auch eine Einordnung von Einkünften aus dieser Tätigkeit unter § 29 Z. 3 EStG 1972 unrichtig, weil der Gesetzgeber bei der Aufzählung der sonstigen Einkünfte davon ausgegangen sei, daß auch bei dieser Einkunftsart der wirtschaftliche Vorteil im Vordergrund liege. Bei der Tätigkeit der Beschwerdeführerin könne aber nicht von einer Leistung im Sinne des Sprachgebrauches im Wirtschaftsleben gesprochen werden, weil durch ihre Tätigkeit keinem anderen ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft werde. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei daher nicht einkommensteuerpflichtig und unterliege mangels Durchführung einer "Lieferung oder Leistung" auch nicht der Umsatzsteuer.
Dieser Berufung hat die belangte Behörde, ohne ein weiteres Verfahren durchzuführen, mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nur insoweit Folge gegeben, als die Vorschreibung der Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer und zur Umsatzsteuer ersatzlos aufgehoben wurden. Hingegen wurde die Berufung gegen den Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde einleitend darauf hin, daß das Finanzamt bei seiner Schätzung von den von der Beschwerdeführerin im Zuge eines zivilgerichtlichen Verfahrens gemachten Angaben über ihren Monatsverdienst ausgegangen sei. Die Erfassung dieser der Höhe nach nicht bestrittenen Umsätze und Einkünfte der Beschwerdeführerin aus ihrer Tätigkeit als Prostituierte sowohl zur Umsatzsteuer als auch zur Einkommensteuer durch das Finanzamt werde bestätigt. Mit der Frage, ob und unter welche Einkunftsart des § 2 Abs. 3 EStG 1972 die Einkünfte einer Prostituierten einzureihen seien, habe sich zwar der Verwaltungsgerichtshof bisher nicht befaßt, wohl aber die Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland. Dort habe der Große Senat des Bundesfinanzhofes in seinem grundlegenden Urteil vom 23. Juni 1964, BStBl. III 500, ausgesprochen, daß Einkünfte aus der sogenannten "gewerbsmäßigen Unzucht" zwar nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aber doch als Einkünfte aus sonstigen Leistungen im Sinne des (dem § 29 Z. 3 EStG 1972 entsprechenden) § 22 Z. 3 EStG steuerpflichtig seien. Die belangte Behörde gab in der Begründung des angefochtenen Bescheides die hiezu vom Bundesfinanzhof gemachten Ausführungen wörtlich wieder und führte dazu aus, daß sie sich dieser Rechtsansicht anschließe.
Gegen diese abweisende Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, "nicht zur Einkommensteuer und zur Umsatzsteuer veranlagt zu werden". Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren die Höhe ihrer Einnahmen nicht bekämpft hätte. Die Finanzbehörden hätten es unterlassen, ein Ermittlungsverfahren über die Höhe dieser Einnahmen durchzuführen und der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu geben, zu den festgestellten Besteuerungsgrundlagen Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde habe in keiner Weise begründet, auf Grund welcher Umstände und welcher behaupteten Tätigkeit in concreto die Beschwerdeführerin im Jahre 1980 Einkünfte erzielt haben sollte. Bei entsprechender Begründung wäre die belangte Behörde jedoch zu dem Ergebnis gekommen, daß keine steuerpflichtigen Einkünfte vorlägen. Hiezu wiederholt die Beschwerde die bereits im Berufungsverfahren gemachten Rechtsausführungen, wonach die Tätigkeit einer Prostituierten keinem anderen einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffe und daher nicht als Leistung im Sinne des § 29 EStG 1972 bzw. des Umsatzsteuerrechtes anzusehen sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf Grund des Beschwerdevorbringens ist die grundsätzliche Frage zu prüfen, ob die belangte Behörde das Gesetz dadurch verletzt hat, daß sie die Einkünfte der Beschwerdeführerin aus der Prostitution der Besteuerung unterworfen hat. Bei der Prüfung, ob diese Einkünfte überhaupt dem Einkommensteuergesetz unterliegen, war zu klären, ob diese Einkünfte unter eine der sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG 1972 eingeordnet werden können. Die belangte Behörde hat dazu zutreffend darauf verwiesen, daß diese Frage den Verwaltungsgerichtshof bisher nicht befaßt hat, daß solche Einkünfte aber nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes bei einer vergleichbaren Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland als "sonstige Einkünfte" besteuert werden.
Nach § 29 Z. 3 EStG 1972 sind sonstige Einkünfte: Einkünfte aus Leistungen, wie insbesondere Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Z. 1 bis 6 leg. cit.) noch zu den Einkünften im Sinne der Z. 1, 2 oder 4 des § 29 EStG 1972 gehören. Eine Subsumtion von Einkünften unter diese Gesetzesstelle kommt demnach nur subsidiär in Betracht und ist etwa dann ausgeschlossen, wenn die Unterordnung der strittigen Einkünfte unter jene aus Gewerbebetrieb (§ 23 EStG 1972) zu erfolgen hat.
In dem von der belangten Behörde angeführten Urteil des Großen Senates des Bundesfinanzhofes vom 23. Juni 1964 (BStBl. 1964 III S. 500) wurde dazu begründend ausgeführt, daß es sich bei der "gewerbsmäßigen Unzucht" um eine nachhaltige Tätigkeit mit der Absicht der Gewinnerzielung und Wiederholung handle. Gleichwohl würden durch diese Tätigkeit keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, weil eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht vorliege. Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr setze voraus, daß sich jemand nach außen hin erkennbar am allgemeinen wirtschaftlichen Leben beteilige, indem er an dem allgemeinen Güter- und Leistungsaustausch teilnehme. Es müßte eigene Leistungen gegen Entgelt an den Markt gebracht werden. Wirtschaft bedeute planmäßige Bedarfsdeckung, an der ein gewerbliches Unternehmen teilnehme, indem es Sachgüter oder sonstige Leistungen - auch solche immaterieller Art - gegen Vergütungen eintausche. Der Große Senat vermöge in Übereinstimmung mit dem Schrifttum und der ständigen Rechtsprechung nicht anzuerkennen, daß es sich bei der "gewerbsmäßigen Unzucht" um ein solches, sich am Wirtschaftsleben beteiligendes Unternehmen handle. Die gewerbsmäßige Unzucht stelle das "Zerrbild eines Gewerbes" dar.
Einkünfte aus dieser Tätigkeit seien aber als "sonstige Einkünfte" im Sinne des (dem österreichischen § 29 Z. 3 EStG 1972 entsprechenden) § 22 Z. 3 dEStG einkommensteuerpflichtig, weil die entgeltliche Hingabe der Straßendirne eine Leistung im Sinne dieser Gesetzesstelle darstelle. Dieser Leistungsbegriff sei weit zu fassen und umfasse jedes Tun, Unterlassen und Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein könne. Ein solches entgeltliches "Leisten" sei gegeben, weil sich die Straßendirne einem unbestimmten Kreis von Partnern anbiete und aus den Einnahmen ganz oder zum wesentlichen Teil ihren Lebensunterhalt bestreite. Wenn der Geschlechtsverkehr lediglich wegen des zu erwartenden Entgelts angeboten und ausgeübt werde, liege kein steuerlich unerhebliches Verhalten im Rahmen des persönlichen Lebensbereiches, sondern eine Leistung im Sinne des § 22 Z. 3 dEStG vor.
Diese Auffassung hat der deutsche Bundesfinanzhof seither regelmäßig vertreten (vgl. BStBl. 1967 III S 659; BStBl. 1970 II S 185; BStBl. 1970 II S 620). Sie hat auch in Lehre, und zwar sowohl in der Bundesrepublik (vgl. Hermann-Heuer18 Anm. 14 zu § 15 dEStG; Littmann13 Anm. 116 zu § 22 dEStG; Blümich-Falk11 S 33 zu § 22 dEStG) als auch in Österreich (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar III B Tz 6.1. zu § 29 EStG 1972) Zustimmung gefunden.
Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings abweichend davon zu dem Ergebnis gelangt, daß eine Unterordnung der strittigen Einkünfte unter die sonstigen Einkünfte deshalb nicht dem Gesetz entspricht, weil ihr auf Grund der Subsidiaritätsklausel im § 29 Z. 3 EStG 1972 die Einordnung der strittigen Einkünfte unter jene aus Gewerbebetrieb vorzugehen hat.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind nach § 23 Z. 1 EStG 1972 Einkünfte aus einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft noch als selbständige Arbeit anzusehen ist. Von all diesen Begriffsmerkmalen ist bei der Betätigung einer Prostituierten im allgemeinen, aber auch im konkreten Beschwerdefall nur strittig, ob diese Betätigung sich als "Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" darstellt.
Diese Frage hat der Große Senat des Bundesfinanzhofes und ihm folgend die oben angeführte Rechtsprechung und Lehre auf Grund von Schlußfolgerungen verneint, denen sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen vermag. Liegt nämlich - was in anderem Zusammenhang ausdrücklich bejaht wird - in der Betätigung der Prostituierten eine steuerlich relevante "Leistung", dann nimmt die Prostituierte dadurch, daß sie ihre Leistung gegen Entgelt an den Markt bringt, am allgemeinen Güter- und Leistungsaustausch teil. Sie beteiligt sich im Sinne der vom Bundesfinanzhof gebrauchten, oben wiedergegebenen Definition der Wirtschaft an der planmäßigen Deckung eines auf dem Markt vorhandenen Bedarfes, indem sie ihre - immateriellen - Leistungen gegen Vergütungen eintauscht. Die Betätigung der Prostituierten steuerlich anders zu beurteilen als jene zahlreicher anderer Berufe, welche in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trotz ihrer Ferne von einem "unverzerrten" Gewerbebegriff als gewerblich eingestuft wurden (vgl. dazu die Berufsübersicht bei Hofstätter-Reichl aaO Anm. 19 zu § 23 EStG 1982) stellt eine unzulässige Differenzierung auf Grund von Überlegungen dar, die ihre Begründung außerhalb des Gesetzes finden.
Die Beschwerdeführerin tritt der Bejahung der Steuerpflicht ihrer Tätigkeit mit der Begründung entgegen, daß nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als "Leistung" im Sinne des § 29 Z. 3 EStG 1972 nur ein Verhalten bezeichnet werden könne, welches darauf gerichtet sei, einem anderen einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen (vgl. dazu die bei Hofstätter-Reichel aaO angeführte Judikatur). Durch die Tätigkeit einer Prostituierten werde aber keinem anderen ein wirtschaftlicher Vorteil erbracht. Auf dieses Vorbringen war ungeachtet des Umstandes einzugehen, daß der Verwaltungsgerichtshof die Einkünfte der Beschwerdeführerin nicht unter § 29 Z. 3, sondern unter § 23 EStG 1972 einzuordnen als dem Gesetz entsprechend erachtet. Auch für die Frage der Beteiligung der Prostituierten am "allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" ist nämlich von Bedeutung, ob ihre Betätigung trotz ihrer Zugehörigkeit zum intimsten Lebensbereich als "wirtschaftlich" qualifiziert werden kann. Bei ihrer Argumentation übersieht die Beschwerdeführerin, daß die Erbringung eines wirtschaftlichen Vorteils keineswegs nur dann gegeben ist, wenn die Leistung des einen Partners zu einer Vermögensvermehrung auf der Seite des anderen Partners führt, sondern grundsätzlich bereits dann, wenn eine bestehende Nachfrage gegen ein Entgelt befriedigt wird, welches der Nachfragende dem Anbieter für seine Leistung zu zahlen bereit ist. Daß in diesem Sinne dem der Prostituierten gewährten Entgelt eine wirtschaftliche bewertbare und steuerlich relevante Leistung gegenübersteht, ergibt sich schon daraus, daß andernfalls nicht ein unbestimmter Kreis von Partnern bereit wäre, die körperliche Hingabe der Prostituierten zu honorieren. Darüberhinaus ist der deutschen Rechtsprechung auch darin zu folgen, daß es für die einkommensteuerliche Einordnung einer Leistung nicht unberücksichtigt bleiben kann, daß sie von dem Leistenden, um dessen einkommensteuerliche Erfassung es allein geht, nur um des Entgelts willen und damit aus wirtschaftlichen Gründen erbracht wird (vgl. auch dazu Bundessteuerblatt 1970 II S 185).
Die belangte Behörde hat daher dadurch, daß sie die Einkünfte der Beschwerdeführerin aus der Prostitution der Einkommensbesteuerung unterzogen hat, den angefochtenen Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet. Daß die Beschwerdeführerin etwa dadurch, daß diese Einkünfte als "sonstige Einkünfte" gemäß § 29 EStG 1972 behandelt und nicht einer anderen Einkunftsart zugeordnet wurden, in ihren Rechten verletzt worden wäre, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Da daraus nach dem Beschwerdevorbringen steuerlich keine für die Beschwerdeführerin günstigere Behandlung ihrer Einkünfte resultieren würde, war die abweichende Beurteilung dieser Rechtsfrage durch den Verwaltungsgerichtshof nicht geeignet, eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nach sich zu ziehen.
Es ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin ihre berufliche Tätigkeit als Prostituierte selbständig und nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen ausübt. Sie ist daher Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1972 und hat von den für ihre Leistungen (vgl. § 3 Abs. 9 UStG 1972) erzielten Einnahmen auch Umsatzsteuer zu entrichten. Der angefochtene Bescheid ist daher auch hinsichtlich der der Beschwerdeführerin vorgeschriebenen Umsatzsteuer nicht mit der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.
Der Erörterung des in der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmangels ist voranzustellen, daß die Beschwerdeführerin zwar grundsätzlich ihre Steuerpflicht bestritten hat, nicht aber die im Falle der Bejahung dieser Steuerpflicht gegebene Berechtigung der Finanzbehörde, die Besteuerungsgrundlagen auf Grund des Fehlens von Aufzeichnungen und Abgabenerklärungen im Schätzungswege zu ermitteln.
Im Falle der Zulässigkeit einer Schätzung steht die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde frei. Die Schätzungsgrundlagen müssen jedoch in einem einwandfreien Verfahren ermittelt werden, in welchem auch der Abgabenpflichtige zu hören ist. Es liegt dann an ihm, begründete Überlegungen, Schlußfolgerungen und zielführende Anhaltspunkte vorzubringen, die eine tauglichere Schätzungsmethode und damit ein richtigeres Ergebnis gewährleisten (vgl. Stoll, Handbuch der Bundesabgabenordnung, S 423).
Im Beschwerdefall ist den Verwaltungsakten zu entnehmen, daß das Finanzamt bei seiner Schätzung ausschließlich von Angaben der Beschwerdeführerin ausgegangen ist, welche diese anläßlich eines Zivilprozesses über ihre Einkünfte des Jahres 1978 gemacht hat. Diese Schätzungsmethode ist schon deshalb als völlig unzulänglich anzusehen, weil dabei von im Jahre 1978 angeblich erzielbar gewesenen Einkünfte ohne jede Begründung auf die Höhe der von der Beschwerdeführerin im Streitjahr 1980 tatsächlich erzielten Einkünften geschlossen wurde. Die Schätzungsgrundlagen wurden der Beschwerdeführerin überdies vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vorgehalten und trotz eines ausdrücklich darauf gerichteten Begehrens auch in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nicht dargelegt. Obwohl in der Folge die Beschwerdeführerin in ihrer an die belangte Behörde gerichteten Berufung diesen Mangel neuerlich aufgezeigt hat, sah sich auch die belangte Behörde nicht veranlaßt, der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Ermittlungen hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen zu geben.
Die belangte Behörde tritt der Verfahrensrüge in ihrer Gegenschrift mit der Begründung entgegen, die Beschwerdeführerin verstoße damit gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 zu beachtende Neuerungsverbot. Dabei übersieht sie jedoch, daß das Neuerungsverbot nicht verhindern kann, auf Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu erkennen, wenn der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit hatte, zu der von der Behörde vorgenommenen Sachverhaltsfeststellung Stellung zu nehmen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit2, S. 475, angeführte Judikatur).
Da nicht zu bezweifeln ist, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der von ihr demnach außer Acht gelassenen Verfahrensvorschriften hinsichtlich der Höhe der der Beschwerdeführerin vorgeschriebenen Steuern zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben.
Bei diesem Verfahrensergebnis konnte von der von der Beschwerdeführerin beantragten Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 und auf Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 16. Februar 1983
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