VwGH 82/07/0026

VwGH82/07/002614.9.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Hnatek und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde 1) des FW in K, und 7 weiteren Beschwerdeführer, sämtliche vertreten durch Dr. Jakob Oberhofer, Rechtsanwalt in Lienz, Hauptplatz 18/1, gegen den zweiten Spruchsatz im Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 5. Februar 1981, Zl. LAS-74/19-79, betreffend eine Übergangsverfügung in einem Flurbereinigungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1) JH, Landwirt, I, und 7 weiteren mitbeteiligten Landwirten), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FlVfGG §11 impl;
FlVfLG Tir 1978 §76 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FlVfGG §11 impl;
FlVfLG Tir 1978 §76 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheidteil wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer des X-hofes, dessen Grundstücke einem Flurbereinigungsverfahren unterzogen wurden. Im ersten Satz des Spruches seines Bescheides vom 5. Februar 1981 gab der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung (in der Folge: belangte Behörde) u.a. den Berufungen der Erst-, Zweit-, Viert-, Fünft-, Siebent- und Achtbeschwerdeführer gegen den von der Agrarbehörde erster Instanz erlassenen Flurbereinigungsplan vom 7. Mai 1979 Folge und behob diesen, weil die Behörde erster Instanz eine Bewertung der in das Verfahren einbezogenen Grundstücke nicht vorgenommen hatte.

Der zweite Satz des Spruches dieses Bescheides der belangten Behörde lautet:

"Bis zur rechtskräftigen Erlassung eines neuen Flurbereinigungsplanes ist das Gebiet nach dem Stande der vorläufigen Übernahme vom 28. 5. 1974, wie im Plan III d Außenstelle Lienz vom 28. 5. 1974, Zl. 797 F/14, dargestellt, zu bewirtschaften."

Diesen Spruchsatz begründete die belangte Behörde damit, daß der Nutzungsstand vor der vorläufigen Übernahme nicht mehr feststellbar sei und die im Flurbereinigungsverfahren angelegten Wege das Flurbereinigungsgebiet durchschnitten, so daß eine Bewirtschaftung der Grundstücke im alten Stand betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen sei. Um einen angemessenen Übergang in die neue Gestaltung des Grundbesitzes zu gewährleisten, seien Übergangsverfügungen im Sinne des § 76 Abs. 1 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978 (TFLG 1978) des Inhaltes zu treffen, daß bis zur Neueinteilung und Erlassung eines neuen Flurbereinigungsplanes oder bis zur Anordnung einer vorläufigen Übernahme von den Parteien des Flurbereinigungsverfahrens jene Flächen genutzt werden, welche ihnen nach dem Flurbereinigungsplan vom 7. Mai 1979 zugewiesen wurden und sie die Wege benutzen, die nach diesem Flurbereinigungsplan vorgesehen sind.

Nur gegen diesen zweiten Satz des Spruches des Bescheides der belangten Behörde vom 5. Februar 1981 richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch diesen Ausspruch der belangten Behörde, wie aus der Gesamtheit der Beschwerdeausführungen hervorleuchtet, in ihrem Recht darauf verletzt, daß eine Übergangsverfügung dieses Inhaltes nicht getroffen werde. Sie behaupten inhaltliche Rechtswidrigkeit dieses Ausspruches sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragen die Aufhebung des zweiten Satzes des Spruches des Bescheides der belangten Behörde vom 5. Februar 1981.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt. Sie und die mitbeteiligten Parteien haben Gegenschriften erstattet, in denen die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen u.a. geltend, es stelle eine schwere Rechtsverletzung dar, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid zwar vollinhaltlich behoben hat, gleichzeitig aber in einem einzigen Bescheid verfügte, daß die Bewirtschaftung der alten und neuen Felder die gleiche zu bleiben habe. Nach Ansicht der Beschwerdeführer handle es sich um Ungleichheit der Sache.

Damit machen die Beschwerdeführer inhaltlich auch Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend.

Die Zuständigkeit der Berufungsbehörde reicht gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 - diese Bestimmung findet gemäß § 1 AgrVG 1950 in Angelegenheiten der Bodenreform für die Agrarbehörden Anwendung - nicht über die Angelegenheit hinaus, die den Inhalt des Spruches im Bescheid der Unterbehörde gebildet hat. Aufgabe der Berufungsbehörde ist es, "in der Sache" zu entscheiden, die Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz war. Nach dem Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten war dies im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der Flurbereinigungsplan der Agrarbehörde erster Instanz. Dieser war mit dem ersten Spruchsatz des Bescheides der belangten Behörde vom 5. Februar 1981 ersatzlos behoben worden. Durch diesen Ausspruch waren die der belangten Behörde vorliegenden Berufungen erledigt und ihre Zuständigkeit als Berufungsbehörde in dieser Sache verbraucht. Eine Übergangsverfügung im Sinne des § 76 Abs. 1 TFLG 1978 war nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens und daher nicht Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950, auf welche sich die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung erstreckte.

Der belangten Behörde fehlte daher zu dem auf § 76 Abs. 1 TFLG 1978 gestützten Ausspruch im zweiten Satz des Spruches des Bescheides vom 5. Februar 1981 die Zuständigkeit. Der Bescheid war daher im Umfang seiner Anfechtung gemäß §§ 41 Abs. 1, 42 Abs. 2, lit. b VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, ohne daß es noch erforderlich war, auf das übrige Beschwerdevorbringen und auf den Widerspruch zwischen der angefochtenen Übergangsverfügung (Bewirtschaftung nach dem Stand der vorläufigen Übernahme) und ihrer Begründung (Gewährleistung der Nutzung jener Flächen und Wege, welche im aufgehobenen Flurbereinigungsplan zugewiesen wurden - laut der Stellungnahme der Außenstelle Lienz der Agrarbehörde erster Instanz vom 27. Oktober 1980 sind zwischen dem Stand der vorläufigen Übernahme und dem Flurbereinigungsplan Änderungen eingetreten) einzugehen.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich noch zu folgendem Hinweis veranlaßt:

Die vorläufige Übernahme der Grundabfindungen ist bereits im Jahre 1974 erfolgt (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 1975, Zl. 835, 836/75). Der Bescheid, mit dem die vorläufige Übernahme angeordnet wurde, ist gegenüber den Beschwerdeführern längst in Rechtskraft erwachsen. Gleichzeitig mit der Anordnung der vorläufigen Übernahme wurde auch eine Übergangsverfügung gemäß § 75 TFLG 1969, LGBl. Nr. 34, erlassen. Mit der Anordnung der vorläufigen Übernahme ist das Eigentum gemäß dieser Anordnung an den darin als Abfindung vorgesehenen Grundstücken bereits längst auf die Übernehmer gemäß § 23 Abs. 3 im Zusammenhang mit § 30 TFLG 1969 (§ 24 Abs. 3 im Zusammenhang mit § 31 TFLG 1978) unter der dort genannten auflösenden Bedingung übergegangen. An diesen Folgen der rechtskräftigen Anordnung der vorläufigen Übernahme hat sich weder durch die Erlassung des Flurbereinigungsplanes durch die Agrarbehörde erster Instanz noch durch dessen Aufhebung durch die belangte Behörde etwas geändert. Die Parteien des Flurbereinigungsverfahrens sind daher, ungeachtet der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Übergangsverfügung - unvorgreiflich eines besonderen Rechtstitels, wie einer gültigen Vereinbarung - nur zur Bewirtschaftung der durch die Anordnung der vorläufigen Übernahme in ihr Eigentum übergegangenen Abfindungen befugt. Ein Ausspruch dieses Inhaltes käme als Übergangsverfügung im Sinne des § 76 Abs. 1 TFLG 1978 nicht in Betracht, weil es sich dabei nicht um eine Verfügung handelte, um einen angemessenen Übergang in die neue Gestaltung des Grundbesitzes zu gewährleisten.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1 und Abs. 2, lit. a, 48 Abs. 1, 49 Abs. 1, 59 VwGG 1965, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Da die Höhe der Stempelgebühren, deren Ersatz beansprucht wird, nicht verzeichnet wurde (Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1968, Slg. Nr. 7428/A) und sich die Höhe der Stempelgebühren, deren Ersatz begehrt wird, nicht von selbst ergab (Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. März 1967, Slg. Nr. 7099/A), hatte ein Zuspruch von Stempelgebührenersatz nicht zu erfolgen.

Wien, am 14. September 1982

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