VwGH 81/16/0179

VwGH81/16/017922.10.1981

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Närr, Mag. Meinl und Dr. Kramer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Ratz, über die Beschwerde der RA und des Dipl.- Ing. FM, beide in W, beide vertreten durch Dr. Raimund Mittag, Rechtsanwalt in Wien XII, Theresienbadgasse 1, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 26. Juni 1981, Zl. GA 11-1297/7/81 und GA 11- 1298/8/81, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1981:1981160179.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde läßt sich in Verbindung mit dem angefochtenen Bescheid folgender Sachverhalt entnehmen:

Jeder der Beschwerdeführer erwarb im Februar 1971 mit Kaufvertrag von der Baugesellschaft m.b.H. K 1/3 Anteil der Liegenschaft EZ. 5636, KG. X, mit dem das Wohnungseigentum an je einem dort zu errichtenden Reihenhaus verbunden sein sollte. Der Kaufpreis für den Grundanteil betrug je S 233.418,--, an Baukosten wurden für jedes Objekt S 919.582,-- vereinbart. Die Reihenhäuser wurden noch im selben Jahr fertiggestellt und bezogen. Die Erwerbsvorgänge, für welche die Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 4 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 140, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (GrEStG), begehrt worden war, blieben zunächst antragsgemäß unbesteuert. In der Folge wurde jedoch je mit Bescheid vom 24. September 1979 Grunderwerbsteuer in der Höhe von je S 92.240,--

gegenüber jedem der Beschwerdeführer mit der Begründung festgesetzt, es handle sich bei den Reihenhäusern im Hinblick auf das Ausmaß der Wohnnutzfläche um keine Arbeiterwohnstätten mehr. Die Beschwerdeführer beriefen dagegen und machten geltend, die Wohnnutzfläche betrage weniger als 130 m2, die Häuser seien von ihnen geschaffen oder doch von einer begünstigten Vereinigung erworben worden.

Mit den beiden Berufungsentscheidungen vom 26. Juni 1981 wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufungen ab. Nach Darstellung des Sachverhaltes und einem Hinweis auf die Gesetzeslage wurde dabei begründend ausgeführt, die Begünstigung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG komme nur in Betracht, wenn der Erwerber des Grundstückes selbst den steuerbegünstigten Zweck erfülle, also die Arbeiterwohnstätte errichte. Nur derjenige aber schaffe eine Arbeiterwohnstätte, der ihr Bauherr sei. Dies treffe auf den nicht zu, der das Risiko der Bauführung nicht zu tragen habe. Bei einem Erwerb von mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteilen müsse außerdem der Errichtungsauftrag von der Eigentümergemeinschaft erteilt werden, was einen gemeinsamen, darauf abzielenden Beschluß erfordere. Der Kaufvertrag habe jedoch in den Beschwerdefällen vorgesehen, daß die Verkäuferin die Bauten bis 30. September 1971 schlüsselfertig an die Beschwerdeführer übergebe, und hiefür den bereits angegebenen Baukostenfixpreis bestimmt, ferner festgesetzt, daß die Erhöhung der Baukosten die Beschwerdeführer nur in dem Umfang treffe, in dem der Indexstand vom April 1971 um 5 % überschritten werde. Es sei ferner vereinbart worden, daß bei Nichtübergabe zum bezeichneten Termin alle nach diesem Zeitpunkt eingetretenen Erhöhungen allein zu Lasten der Verkäuferin gehen, und die Beschwerdeführer zum Rücktritt berechtigt sein sollten, falls die Verkäuferin an dem Verzug ein Verschulden treffe. Aus diesen Gründen, und da, wie der Bauakt zeige, der Baubehörde gegenüber nur die Verkäuferin als Bauherr aufgetreten sei, könnten die Beschwerdeführer nicht als Bauherren der Wohnstätten angesehen werden. Die Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG sei im Beschwerdefall ebenfalls nicht anzuwenden, da eine Eigentumswohnung oder auch ein Einfamilienhaus im Wohnungseigentum keine Eigenheime im Sinne des Gesetzes seien. Ebensowenig komme § 4 Abs. 1 Z. 3 GrEStG zur Anwendung, weil im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse die Schaffung von Wohnungseigentum nicht zu den statutenmäßigen Aufgaben der Verkäuferin gehört habe, diese also keine nach dieser Gesetzesstelle begünstigte Vereinigung gewesen sei. Abschließend wird von der Rechtsmittelbehörde näher ausgeführt, warum in den Beschwerdefällen keine Bemessungsverjährung eingetreten sei.

Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft. Die Beschwerdeführer erachten sich in dem Recht auf Befreiung von der Grunderwerbsteuer verletzt. Sie meinen, nur die unerklärlich lange Verzögerung der Abgabenfestsetzung habe dazu geführt, daß inzwischen geänderte Rechtsanschauungen des Verwaltungsgerichtshofes für die Entscheidungen Bedeutung gewonnen hätten. Die - im Sachverhalt erwähnte - unterschiedliche Begründung in den Abgabenbescheiden zeige außerdem die Unsicherheit der Behörde bei der Steuervorschreibung und mache die Bescheide "aufhebungsreif". Die Beschwerdeführer führen weiter aus, das Finanzamt habe im Bemessungsverfahren mehrmals darauf hingewiesen, daß für die Gebühren- (gemeint offenbar: Abgaben‑)Bemessung allein die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse maßgebend seien. Damals sei aber das Amt der Auffassung gewesen, die Erwerbsvorgänge wären steuerfrei. Die Organe der "Baufirma" und ihr Notar hätten vor elf Jahren mit dem Amtsleiter selbst verhandelt. Nur in Anbetracht der zugesagten Steuerfreiheit hätten die Beschwerdeführer die finanziellen Lasten für den Erwerb der Reihenhäuser auf sich genommen. Erst in späteren Jahren seien jene Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes getroffen worden, die die Anschauungen der Behörde in diesen Fällen grundlegend geändert hätten. Wäre nicht seinerzeit Steuerfreiheit ausdrücklich zugesagt worden, hätte das verkaufende Bauunternehmen auch schon damals, wie später geschehen, die Schaffung von Wohnungseigentum als Betriebsgegenstand in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen. Die Behörde habe es unterlassen, die an den damaligen Besprechungen beteiligten Personen einzuvernehmen. Auch sei der Vorschlag der Beschwerdeführer unbeachtet geblieben, durch einen Zivilgeometer die von der Baufirma bestätigte, unter 130 m2 liegende Wohnnutzfläche prüfen zu lassen.

Die Beschwerdeführer sind mit ihrem Vorbringen nicht im Recht.

Was zunächst die Verfahrensrüge betrifft, so bedurfte es der die Wohnstättengröße betreffenden Erhebungen nicht, wenn sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung auf diese nicht beziehen mußte. Das war unter der Voraussetzung der Fall, daß auch ohne Beantwortung der Frage, ob eine Arbeiterwohnstätte vorlag, eine Ausnahme von der Steuer in den Beschwerdefällen, aus anderen Gründen, nicht in Betracht kam. In dieser Hinsicht verneinte die belangte Behörde das Zutreffen der Befreiungsmerkmale gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG deswegen, weil die Beschwerdeführer die Wohnstätte nicht selbst "geschaffen" hätten, und erachtete den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Z. 3 GrEStG deshalb für nicht gegeben, weil die Verkäuferin keine vom Gesetz begünstigte Person, nämlich keine Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum gewesen sei. Daß die Beschwerdeführer die Wohnstätten nicht selbst geschaffen hatten, wird in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt, ja vorausgesetzt. Auch darüber, daß die Schaffung von Wohnungseigentum in dem, wie die Beschwerdeführer selbst hervorheben, rechtserheblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht zur statutenmäßigen Aufgabe der Verkäuferin gehörte, besteht zwischen den Parteien kein Streit. Die Beschwerdeführer meinen jedoch, die maßgebende Rechtsanschauung der Abgabenbehörden sei durch eine im Ergebnis die Befreiungsmöglichkeiten einengende Änderung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hervorgerufen worden, und jene hätten richtigerweise stets von der zur Zeit des Vertragsabschlusses maßgebenden Rechtsansicht auszugehen gehabt. Eine Änderung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Hinsicht, daß in Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes eine Vereinigung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 GrEStG auch dann als begünstigt angesehen worden wäre, wenn die Schaffung von Wohnungseigentum überhaupt nicht zu ihren statutenmäßigen Aufgaben gehörte, hat jedoch nie stattgefunden; die im Ergebnis die Befreiungsmöglichkeiten nicht einengende, sondern vielmehr erweiternde Änderung der Rechtsprechung betraf in dieser Hinsicht vielmehr lediglich das Gewicht der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum im Rahmen der sonstigen Aufgaben; während nämlich der Verwaltungsgerichtshof vor seinem Erkenntnis vom 17. Februar 1977, Slg. Nr. 5085/F, den Standpunkt vertreten hat, die Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum müsse die anderen Aufgaben einer Vereinigung "überwiegen", hält er diese Voraussetzung seither im Zusammenhang nicht mehr für erforderlich. In bezug auf den Begriff der "Schaffung" ist ebenfalls lediglich eine einzige Änderung der Judikatur eingetreten; sie erfolgte jedoch bereits mit dem Erkenntnis vom 24. Mai 1971, Slg. Nr. 4234/F, also nicht in späteren Jahren, sondern knapp nach den in Rede stehenden Vertragsabschlüssen. Der Vorwurf, die von den Abgabenbehörden vertretene Rechtsansicht sei durch den langen Zeitraum zwischen Erwerbsvorgang und Abgabenfestsetzung verursacht worden, ist daher nicht verständlich. Auch erwächst aus dem vorläufigen Unterbleiben einer Steuerfestsetzung kein Rechtsanspruch auf Ausnahme von der Steuer, vielmehr bleibt die Abgabenbehörde berechtigt, einen Abgabenanspruch innerhalb der Verjährungsfrist geltend zu machen. Davon abgesehen ist der Einwand, für die Beurteilung, ob der Tatbestand einer Abgabenbefreiung im Einzelfall erfüllt werde, seien allein die im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld von den Abgabenbehörden vertretenen Rechtsanschauungen maßgebend, unzutreffend. Die Behörde hat vielmehr jenen Rechtsstandpunkt einzunehmen, der im Zeitpunkt der Entscheidung dem Gesetz entspricht, und kann eine einmal für unrichtig erkannte Meinung, sofern nicht in einem fortgesetzten Verfahren Bindung eingetreten ist, gerechtfertigterweise nicht mehr vertreten. Auch darin, daß eine Behörde von einer von ihr bis dahin vertretenen Rechtsansicht abgeht, liegt keine Rechtswidrigkeit - das Gegenteil ist für den Sonderfall des § 307 Abs. 2 BAO eigens angeordnet worden. Schließlich bedeutet es, anders als die Beschwerdeführer möglicherweise vermeinen, keinen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Behörde im Abgabenbescheid von einer behauptetermaßen erteilten Auskunft abweichende Ansichten vertritt, weil der bezeichnete Grundsatz der Anwendung bindender Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen kann (siehe die bei Weinzierl, Der Grundsatz von Treu und Glauben im Abgabenverfahren, Finanzjournal 1977/10, S. 149 ff angeführte Judikatur, ferner Ruppe, Auskünfte und Zusagen durch Finanzbehörden, ÖStZ 1979/5, S. 50 ff). Da gemäß § 289 Abs. 2 BAO die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen, ist in einer gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid geänderten Begründung der Berufungsentscheidung aus dem Grunde der Änderung allein keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.

Da die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsanschauungen zur Frage der "Schaffung" von Arbeiterwohnstätten, des Eigenheimes und der begünstigten Vereinigungen nicht gesetzwidrig sind (vgl. hiezu auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1978, Zl. 1207/77 - wobei an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung BGBl. Nr. 45/1965 erinnert sei -, sowie vom 15. Oktober 1976, Slg. Nr. 5030/F) und unter dieser Voraussetzung das Fehlen der Tatbestandsmerkmale der angeführten Befreiungsbestimmungen auch von den Beschwerdeführern nicht in Abrede gestellt wird, erweist sich die Behauptung eines Eingriffes in deren Rechte als unbegründet, was schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ. Diese war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 1981

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