VwGH 81/03/0077

VwGH81/03/007730.9.1981

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Weiss, Dr. Leukauf und Dr. Kramer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Forster, über die Beschwerde des Peter K in S, vertreten durch Dr. Joachim Hörlsberger, Rechtsanwalt in Salzburg, Imbergstraße 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. März 1981, Zl. 11-75 Ka 5- 81, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs2;
AVG §63 Abs4;
AVG §10 Abs2;
AVG §63 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Beamter des Gendarmeriepostenkommandos Maria Enzersdorf erstattete am 5. Juli 1980 auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung die Anzeige, der Beschwerdeführer habe am 12. Juni 1980 um 9,00 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw im Ortsgebiet von Maria Enzersdorf auf der Landesstraße 2316 vom Altort kommend in Richtung Südstadt gelenkt und dabei, wie bei einer Verkehrskontrolle festgestellt worden sei, nicht das Original des Zulassungsscheines für diesen Lkw mitgeführt, sondern nur eine Fotokopie vorweisen können. Der Beschwerdeführer habe sich damit gerechtfertigt, er habe deswegen nur eine Fotokopie bei sich gehabt, da sein Chef das Original für Amtswege benötigt habe.

Am 28. Juli 1980 wurde das Verfahren gemäß § 29 a VStG 1950 von der Bezirkshauptmannschaft Mödling an die Bezirkshauptmannschaft Judenburg abgetreten.

Mit Bescheid vom 12. August 1980 (die Zustellung erfolgte zu eigenen Handen) wurde der Beschwerdeführer unter Anführung des in der Anzeige genannten Sachverhaltes und Zitierung der dadurch verwirkten Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 5 lit. b KFG zur mündlichen Verhandlung am 20. August 1980 geladen.

Bei der mündlichen Verhandlung vom 20. August 1980 ließ sich der Beschwerdeführer durch Günter S, dessen vom Beschwerdeführer unterfertigte Vollmacht vom 18. August 1980 wie folgt lautete, vertreten:

"Vollmacht

Ich K Peter geb. 25. 02. xxxx bevollmächtige den Herrn S Günter geb. 30. 03. xxxx, wohnhaft in H als Vertreter bei der mündlichen Vernehmung wegen Ladungsbescheid teilzunehmen."

Mit mündlich verkündetem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 20. August 1980 wurde der Beschwerdeführer der ihm im Ladungsbescheid zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 5 lit. b KFG schuldig erkannt und über ihn gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 1.000,--

(Ersatzarreststrafe von fünf Tagen) verhängt. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ist zu entnehmen, daß dem Vertreter des Beschwerdeführers nach Verkündung des Straferkenntnisses Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde, worauf er erklärte, auf eine schriftliche Ausfertigung und auf die Erhebung einer Berufung zu verzichten; weiters übernahm er einen Erlagschein zwecks Einzahlung der Geldstrafe und der mit S 100,-- bestimmten Verfahrenskosten. Die Niederschrift wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers eigenhändig unterfertigt.

Am 28. August 1980 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Judenburg ein mit 26. August 1980 datiertes Schreiben ein, in dem der Beschwerdeführer, soweit das für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist, zunächst darauf verwies, daß er Günter S. als seinen Vertreter zur mündlichen Verhandlung entsendet habe. Dieser habe ihm mitgeteilt, daß er (der Beschwerdeführer) verurteilt worden sei, und ihm den Erlagschein übergeben. Sein Vertreter habe ihm weiters erzählt, daß er binnen 14 Tagen Einspruch machen könne, was er damit tun möchte. Er habe auch keine schriftliche Verurteilung erhalten und wisse nur, was ihm sein Vertreter erzählt habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. März 1981 wurde die Berufung im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß gemäß § 63 Abs. 4 AVG eine Berufung nicht mehr zulässig sei, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet habe. Das erstinstanzliche Straferkenntnis sei dem ordnungsgemäß ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers am 20. August 1980 verkündet und ihm Rechtsmittelbelehrung erteilt worden. Danach habe dieser sowohl auf schriftliche Ausfertigung als auch auf die Einbringung einer Berufung verzichtet und diese Erklärung auch unterfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer gibt zwar an, daß er Günter S. mit der genannten Vollmacht vom 18. August 1980 mit seiner Vertretung bei der mündlichen Verhandlung vom 20. August 1980 betraut hat, vermeint jedoch, daß die Vollmacht die Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes nicht gedeckt hätte. Diesem Einwand kann jedoch nicht gefolgt werden.

Gemäß § 10 Abs. 2 AVG (§ 24 VStG) richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Wie der Beschwerdeführer selbst angibt, hat er mit der genannten Vollmacht Günter S. mit seiner Vertretung bei der mündlichen Verhandlung betraut. Die Vollmacht ist zwar eine spezielle (für die mündliche Verhandlung), jedoch eine unumschränkte im Sinne des § 1007 ABGB, da sie keinerlei Einschränkung enthält, wie der bereits oben wiedergegebene Wortlaut zeigt. Da die Abgabe einer Rechtsmittelerklärung, also auch eines Rechtsmittelverzichtes, regelmäßig Gegenstand einer mündlichen Verhandlung ist, war somit der genannte Vertreter auch hiezu berechtigt. Der belangten Behörde kann daher kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie davon ausging, daß die Vollmacht auch die Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes deckte.

Unberechtigt ist auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, ein Berufungsverzicht dürfe nicht dadurch erklärt werden, daß ein vorgedrucktes Formular, welches auch noch einen anderen Inhalt als den Berufungsverzicht enthalte, unterfertigt werde. Ein Berufungsverzicht bedarf keiner besonderen Form (vgl. z. B. Erkenntnis vom 28. September 1976, Slg. Nr. 9133/A, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 1963, Slg. Nr. 4462), er hat nur ausdrücklich nach Verkündung des Bescheides zu erfolgen (vgl. § 63 Abs. 4 AVG), wie dies gegenständlich der Fall war.

Wie sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ergibt, wurde das Straferkenntnis dem Vertreter des Beschwerdeführers mündlich verkündet und sodann Rechtsmittelbelehrung erteilt, worauf er auf die schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses und die Einbringung einer Berufung verzichtet hat. Diese Niederschrift wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers nach Verlesung unterfertigt und keine Einwendungen erhoben. Sie liefert daher, zumal sie auch sonst den Bestimmungen des § 14 AVG entspricht, vollen Beweis über Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung (vgl. § 15 AVG). Daraus ergibt sich unmißverständlich, daß der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet hat. Die Richtigkeit des Protokolls wird auch vom Beschwerdeführer nicht bekämpft. Er vermeint nur, weil ihm sein Vertreter (angeblich) in der Folge mitgeteilt habe, er könne gegen die Verurteilung Berufung erheben, sei sich dieser offenbar nicht bewußt gewesen, einen Rechtsmittelverzicht abgegeben zu haben. Diesem Vorbringen kann jedoch zufolge des eindeutigen Inhaltes der vom Vertreter des Beschwerdeführers bei der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen keine Relevanz beigemessen werden. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß seinem Vertreter bei der Verhandlung die Geschäftsfähigkeit gefehlt hätte oder er etwa verhandlungsunfähig gewesen wäre. Der Vertreter hat daher rechtswirksam auf die Berufung verzichtet, wobei auf die dem Verzicht zugrunde gelegenen Absichten und Beweggründe nicht einzugehen ist. Nur die Erklärung des Willens, nicht der Wille ist maßgeblich. Die Prozeßhandlung wirkt, weil sie gesetzt, nicht weil sie gewollt ist. (Vgl. z. B. die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 2. Mai 1963, 7 Ob 136/63 = ÖJZ 1963, S. 523, Nr. 386, zu den diesbezüglich gleichgelagerten Bestimmungen über den Berufungsverzicht nach § 472 ZPO.)

Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie bei der gegebenen Sach- und Rechtslage mit einer Zurückweisung der Berufung vorging.

Da es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen ist, die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darzutun, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 30. September 1981

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