BauO Tir 2022 §35 Abs7
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2022.39.2950.12
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Mair über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch RA BB, Adresse 2, **** Y, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 11.10.2022, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2022 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen, dies mit der Maßgabe, dass die Leistungsfrist mit spätestens 31.10.2023 festgesetzt wird.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang, Beschwerdevorbringen:
Mit Bescheid vom 18.11.1998, Zl ***, erteilte der Bürgermeister der Gemeinde X der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers die baubehördliche Bewilligung für den Neubau eines Wochenendhauses auf der Gp **1, KG X. Die Einreichplanung wurde mit dem Genehmigungsvermerk versehen.
Über Aufforderung durch die Baubehörde vom 30.08.2000 bestätigte die Firma CC AG mit Schreiben vom 03.10.2000 die Einmessung der Bodenplatte bzw des Fundaments, der Verlauf der äußeren Wandfluchten sei mittels eingemessenen Schnurgerüsts hergestellt, die Höhe und Situierung der Bodenplatte bzw die Höhe der Traufe am Bauplatz würden mit den Plänen und der Baubewilligung übereinstimmen.
Mit Schreiben vom 29.01.2002 teilte die Baubehörde der Rechtsvorgängerin auf deren Ansuchen vom 25.12.2001 um Fristverlängerung für die Baufertigstellung bis zum 31.12.2002
mit, dass mit bekanntem Baubeginn im Sommer 2000 das Bauvorhaben somit bis Sommer 2004 fertiggestellt werden müsse und es somit derzeit keiner Verlängerung der Frist für die Baufertigstellung bedürfe. Hingewiesen wurde darauf, dass einer Fristverlängerung für die Baufertigstellung infolge zwischenzeitlicher wesentlicher Änderungen der bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften nicht zugestimmt werden könne.
In Anwesenheit von Behördenvertretern, des hochbautechnischen Sachverständigen sowie des nunmehrigen Beschwerdeführers wurde am 15.06.2022 eine Besichtigung der baulichen Anlage vor Ort durchgeführt und eine Fotodokumentation angefertigt. Die zu diesem Lokalaugenschein angefertigte gutachterliche Stellungnahme des hochbautechnischen Sachverständigen vom gleichen Tag wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21.06.2022 zur Stellungnahme übermittelt.
Mit 26.07.2022 teilte der Beschwerdeführer mit, dass das bewilligte Wochenendhaus in dem beim Lokalaugenschein vorgefundenen Zustand von seiner Mutter errichtet worden wäre, er selbst in die Bausache nicht eingebunden, ungeachtet dessen jedoch bemüht gewesen wäre, den Neubau so fertigzustellen, dass er bewohnbar sei. Seine glaublich mit dem Jahr 2020 begonnenen Bemühungen um Durchführung noch zu verrichtender Arbeiten wären jedoch an einer Aquirierung von vor Ort ansässigen Unternehmen gescheitert, weshalb er sich zum Verkauf der Liegenschaft entschlossen habe, wobei dem Käufer die Verpflichtung zur Besorgung der Fertigstellung des Bauvorhabens spätestens innerhalb von 24 Monaten überlastet werden sollte. Im Falle des Nichtverkaufs würde der Beschwerdeführer selbst für eine Fertigstellung Sorge tragen. Jedenfalls würden die fehlenden Absturzsicherungen im Innen- und Außenbereich zur Hintanhaltung von Gefahren vorgezogen werden. Um Fristerstreckung für die Bauvollendung bis längstens 31.07.2024 werde ersucht. Der Beschwerdeführer ersuchte darum, von einem Vorgehen gemäß § 35 TBO 2022 Abstand zu nehmen und das Fristerstreckungsansuchen wohlwollend zu behandeln.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 11.10.2022 „stellte der Bürgermeister der Gemeinde X gemäß § 35 Abs 7 lit a TBO 2022 fest, dass für den errichteten Rohbau auf Gp **1, bewilligt mit Baubescheid vom 18.11.1998, AZl ***, die Baubewilligung erloschen ist. Die bereits errichteten Teile des Bauvorhabens auf der Gp **1 sind vollständig zu beseitigen und der Bauplatz ist wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Für die vorgeschriebenen Abbrucharbeiten und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes wird dem Besitzer eine Frist von 8 Monaten eingeräumt. Die Frist endet am 30.06.2023“.
In gegen diesen Bescheid erhobener Beschwerde wird der Baubeginn zum 03.10.2000 sowie der am 16.06.2022 (richtig: 15.06.2022) festgestellte Bauzustand des Gebäudes nicht bestritten, jedoch ergänzt, dass am 15.06.2022 keine Baustelleneinrichtung (Baugitter, Baugerüst, Baumaschinen) vorgefunden worden seien und das Vorhaben nach außen hin vollständig abgeschlossen gewesen sei. Der am 15.06.2022 festgestellte Bauzustand des Gebäudes wäre bereits vor dem 03.10.2004 nachweislich vorhanden gewesen, lägen dazu die beigeschlossenen Schlussrechnungen der bauausführenden Firmen für die Gewerke Baumeister- und Zimmermeisterarbeiten (Rohbau, Dachstuhl, Dacheindeckung) vom 20.09.2000, für Fenster und Außentüren vom 07.08.2001 vor. Die Fenster und Außentüren seien in dem am 15.06.2022 vorgefundenen Zustand bereits im Jahr 2001 eingebaut worden. Ein entsprechender Nachweis könne jederzeit erbracht werden. Auch der Anschlussverpflichtung der Gemeinde (Bescheid vom 29.09.2000 zu ***) sei umgehend entsprochen worden. Die vorgeschriebene Kanalanschlussgebühr sei ebenfalls (wenn auch ratenweise) zur Gänze bezahlt worden. Dass im Gebäudeinneren Installations- und Komplettierungsarbeiten sowie im Außenbereich der Fassadenputz noch fehlen würden, ändere jedoch nichts daran, dass die mit Bescheid vom 18.11.1998 erteilte Baubewilligung dennoch fristgerecht konsumiert worden sei. Ab wann mit einem Bauvorhaben begonnen werde oder eine Vollendung eines Vorhabens vorliege, definiere die TBO 2022 nicht. Aus § 38 Abs 2 bis 4 TBO gehe jedoch hervor, dass mit der Errichtung der Bodenplatte bzw. des Fundamentes, des aufgehenden Mauerwerkes, der Außenwände und dem Aufsetzen der Dachkonstruktion mit dem Bau eines Gebäudes jedenfalls begonnen worden sei, auch wenn im Hinblick auf die Dokumentation und die Vorlage an die Behörde in Bezug auf diese Bautätigkeiten nicht entsprochen worden sei. Die Herstellung des am 15.06.2022 festgestellten Bauzustandes sei von der Baubehörde jedoch nicht beanstandet worden. Aus § 38 Abs 6 TBO ergäbe sich, dass der Bauherr nach der Vollendung des Bauvorhabens die gesamte Baustelleneinrichtung sowie allfällige sonstige Geräte, Materialreste, Aufschüttungen und dergleichen zu entfernen und die Baustelle so aufzuräumen habe, dass den Erfordernissen der Sicherheit entsprochen und das Orts- und Straßenbild nicht beeinträchtigt werde. Soweit § 44 Abs 1 TBO anordne, dass der Eigentümer der baulichen Anlage die Vollendung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens nach § 28 Abs. 1 lit. a, b oder f unverzüglich der Behörde schriftlich anzuzeigen habe und die Anzeige über die Bauvollendung auch hinsichtlich in sich abgeschlossener Teile eines Gebäudes oder selbstständiger Teile einer sonstigen baulichen Anlage erfolgen könne, handle es sich dabei um eine Formalvorschrift, deren Verletzung sich mitunter auf die Benützung des Gebäudes auswirkt bzw auswirken könne. Insoweit könne ein Vorhaben daher auch vollendet sein, wenn der Formalvorschrift nicht entsprochen worden wäre (werde). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Vorhaben im Allgemeinen schon dann als beendet zu beurteilen, wenn das Gebäude nach außen abgeschlossen sei und alle bauplanmäßigen konstruktiven Merkmale verwirklicht worden seien; ein "schlüsselfertiger" Zustand sei nicht zu fordern. Daher müssten auch nicht sämtliche Bauarbeiten ausgeführt worden sein. So schade beispielsweise das Fehlen des Fassadenputzes, des Innenverputzes und des Estrichs nicht der Vollendung. Indem die belangte Behörde die maßgebliche und anzuwendende Rechtslage zu § 35 TBO 2022 verkannt und daher zu Unrecht die Beseitigung des Gebäudes auf dem Grundstück **1 aufgetragen habe, habe sie den Bescheid vom 11.10.2022 mit Rechtswidrigkeit belastet.
Über Nachforderung durch das Landesverwaltungsgericht Tirol legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11.01.2023 eine eidesstattliche Erklärung des Geschäftsführers der werkausführenden Firma DD vom 09.01.2023 vor, mit welcher bestätigt wurde, dass vom dortigen Unternehmen im Jahre 2001 bei gegenständlichem Objekt die Fenster samt Balkontüren sowie die Hauseingangstüre im Auftrag der Familie des AA eingebaut worden seien. Die bezughabenden Arbeiten wären im Jahre 2001 begonnen und in diesem Jahr auch abgeschlossen worden. Der Beschwerdeführer gab an, dass in den Unterlagen seiner verstorbenen Rechtsvorgängerin keine Rechnungen betreffend Fenster- und Türeneinbau vorgefunden hätten werden können, ebensowenig wie aufgrund des verstrichenen Zeitraums urkundliche Nachweise betreffend den gegenständlichen Auftrag beim ausführenden Unternehmen.
Der verwaltungsgerichtlich beigezogene hochbautechnische Sachverständige erstellte sein schriftliches Gutachten vom 20.02.2023.
II. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einschau in den behördlichen Bauakt.
Aufgrund der Aktenlage sowie des vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol geführten Ermittlungsverfahrens ist davon auszugehen, dass der Baubeginnszeitpunkt jedenfalls innerhalb gesetzlich eingeräumter zweijähriger Frist erfolgte. Ging die belangte Behörde zunächst – beschwerdeführerseits auch zugestanden – von einem Baubeginn im Sommer 2000 (mit Schreiben vom 03.10.2000 bestätigte die ausführende Baufirma die Einmessung der Bodenplatte bzw des Fundaments) aus, korrigierte sie den Zeitpunkt im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter Bezugnahme auf den gleichzeitig vorgelegten Erschließungskostenvorschreibungsbescheid vom 11.10.1999, Zl ***, berichtigt vorgeschrieben mit Bescheid vom 18.11.1999, Zl ***, in welchen das Bauvorhaben jeweils ausdrücklich als schon begonnen bezeichnet wurde, auf Sommer 1999. Diesen neuen Fakten trat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung der Sache nach nicht entgegen. Es ist damit von einer Fertigstellungsfrist mit Sommer 2003, längstens jedoch mit Sommer 2004 auszugehen. Entscheidend stellt sich somit die Frage, ob das Bauvorhaben zu diesem Zeitpunkt vollendet war.
Die Frage, ob ein Baubewilligungsbescheid ex lege erloschen ist, ist in einem entsprechenden Ermittlungsverfahren zu klären. Ein solches wurde bereits vor der Behörde und ergänzend vom Landesverwaltungsgericht Tirol unter jeweiliger Beiziehung eines hochbautechnischen Sachverständigen durchgeführt.
Zum zeitlichen Einbau der Fenster- und Außentüren im Jahre 2001 liegt die eidesstattliche Erklärung des Geschäftsführers der Firma DD GmbH & Co KG, FF, vom 09.01.2023 vor. Ein in der mündlichen Verhandlung von der belangten Behörde zum Akt gegebenes Lichtbild aus dem Jahre 2000 weist noch keine solchen Einbauten, ein am 17.04.2004 aufgenommenes Lichtbild hingegen den bereits eingebauten Zustand aus. Seine Datumsabgabe des Einbaus der Fenster und Außentüren mit exakt dem 07.08.2001 in der Beschwerde vermochte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht zu erklären wie auch den dazu in der Beschwerde angebotenen Nachweis nicht zu erbringen.
Selbst jedoch bei Annahme eines tatsächlichen Fenster- und Außentüreneinbaues sowie Annahme auch der Herstellung des vom behördlichen Sachverständigen im Zuge des Lokalaugenscheins vom 15.06.2022 bzw des vom verwaltungsgerichtlichen Sachverständigen im Zuge dessen Lokalaugenscheins vom 16.02.2023 vorgefundenen Zustandes (der verwaltungsgerichtliche Sachverständige bestätigt den vom behördlichen Sachverständigen begutachteten Baubestand als unverändert bestehend) bereits schon im Sommer 2003 (und damit auch schon im Sommer 2004), wovon zugunsten des Beschwerdeführers ausgegangen wird (auf eine nach diesem Zeitpunkt erfolgte Änderung im Ausführungszustand käme es jedenfalls nicht an, vielmehr hätte sogar jegliche Bauführung nach einem Erlöschen einer Baubewilligung ihrerseits als konsenslos gesetzt zu gelten) und dem auch keine offenkundigen gegenteiligen Umstände entgegenstehen, ist jedoch im Ergebnis davon auszugehen, dass das Bauvorhaben zu diesen maßgeblichen Zeitpunkten noch nicht vollendet war.
Aus bautechnischer Sicht liegen dazu die Entsprechendes beurteilenden hochbautechnischen Gutachten des behördlichen und des verwaltungsgerichtlichen Sachverständigen vor.
Am 12.04.2023 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol abgeführt. Das schriftliche hochbautechnische Gutachten vom 20.02.2023, welches den Parteien bereits vorab mit der Ladung zur Kenntnis geschickt wurde, wurde in der mündlichen Verhandlung vom Sachverständigen dargelegt, mit den Parteien des Verfahrens erörtert, der Sachverständige beantwortete dazu Fragen des Beschwerdeführers. Der Sachverständige führte zur Gutachtenserstellung am 16.02.2023 einen Lokalaugenschein vor Ort durch.
Der Beschwerdeführer trat den sachverständigen hochbautechnischen Beurteilungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen.
III. Rechtslage:
Es gilt folgende maßgebliche Bestimmung der Tiroler Bauordnung 2022, LGBl Nr 44/2022 idF LGBl Nr 62/2022:
„§ 35
Erlöschen der Baubewilligung
(1) Die Baubewilligung erlischt,
a) wenn der Inhaber der Baubewilligung darauf schriftlich verzichtet, wobei die Verzichtserklärung im Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Behörde unwiderruflich und wirksam wird, oder
b) wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft oder der in der Baubewilligung festgelegten längeren Frist (Abs. 2) mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen wird oder wenn das Bauvorhaben nicht innerhalb von vier Jahren nach Baubeginn vollendet wird.
[…]
(7) Ist die Baubewilligung erloschen und wurden Teile des Bauvorhabens bereits errichtet, so hat der Bauherr
a) im Fall, dass die Baubewilligung die Errichtung einer baulichen Anlage zum Gegenstand hatte, die bereits errichteten Teile des Bauvorhabens zu beseitigen und den Bauplatz erforderlichenfalls wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen oder
b) im Fall, dass die Baubewilligung die Änderung einer bewilligungspflichtigen oder anzeigepflichtigen baulichen Anlage zum Gegenstand hatte, den der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustand herzustellen.
Kommt der Bauherr dieser Verpflichtung nicht nach, so hat ihm die Behörde mit Bescheid die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen aufzutragen. Ist im Fall der lit. b die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, so hat die Behörde dem Bauherrn stattdessen die Beseitigung der baulichen Anlage und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen.
[….]“
IV. Erwägungen:
Die Baubewilligung wurde mit Bescheid vom 18.11.1998 erteilt. Zum damaligen Zeitpunkt galt die Tiroler Bauordnung 1998, LGBl Nr 15/1998. § 27 Abs 1 lit a und b leg cit regelten das Erlöschen einer Baubewilligung inhaltsgleich zur heutigen Rechtslage des § 35 Abs 1 lit a und b TBO 2022, dh die Baubewilligung erlosch, wenn nicht innerhalb von 2 Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft oder (gegenständlich jedoch nicht schlagend) der in der Baubewilligung festgelegten längeren Frist mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen oder das Bauvorhaben nicht innerhalb von 4 Jahren nach Baubeginn vollendet wurde. Gemäß Abs 5 des § 27 TBO 1998 hatte der Inhaber der Baubewilligung nach deren Erlöschen allfällig bereits errichtete Teile des Bauvorhabens unverzüglich zu beseitigen und den Bauplatz wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Kam er dieser Verpflichtung nicht nach, so hatte ihm die Behörde mit Bescheid die Durchführung dieser Maßnahmen aufzutragen. Ein Beseitigungsauftrag zum damaligen Zeitpunkt erfolgte jedoch nicht.
Der Inhalt des Abs 5 des § 27 TBO 1998 wurde durch die Novelle LGBl Nr 48/2011 (nunmehr unter Abs 7), in Kraft getreten mit 01.07.2011, neu geregelt (mangels zu diesem Zeitpunkt anhängigem baupolizeilichem Verfahren nach § 27 Abs 5 TBO 1998 kam die Übergangsregelung des Art II Abs 12 nicht zur Anwendung, wäre jedoch auch auf ein solches anhängiges Verfahren die neue Rechtslage anzuwenden gewesen) und mit LGBl Nr 57/2011 als § 28 Abs 7 TBO 2011 wiederverlautbart. § 28 Abs 7 TBO 2011 wurde als § 35 Abs 7 TBO 2018 sowie sodann als § 35 Abs 7 TBO 2022 wiederverlautbart.
§ 35 Abs 7 TBO 2022 ist auf das gegenständliche Verfahren anzuwenden.
In der TB0 1998 selbst (wie auch nicht in den WV TBO 2001, 2011, 2018, 2022) ist nicht näher umschrieben, wann ein bewilligtes Bauvorhaben als vollendet zu gelten hat. Nach einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird ein Bau im Allgemeinen schon dann als vollendet beurteilt werden können, wenn das Gebäude nach außen abgeschlossen und alle bauplanmäßig konstruktiven Merkmale verwirklicht worden sind. Von einer Vollendung kann allerdings nicht erst dann gesprochen werden, wenn das Bauvorhaben „schlüsselfertig“ hergestellt ist, weil eine solche Auffassung zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen würde, dass eine Baubewilligung auch dann erlöschen könnte, wenn im Zeitpunkt des Ablaufes der Frist noch geringfügige Restarbeiten nicht durchgeführt sind.
Zur Fertigstellung des Gebäudes fehlen folgende bauliche Maßnahmen (im Detail siehe die Feststellungen in den Befunden beider Gutachten vom 15.06.2022 und 20.02.2023), detailliert führt der verwaltungsgerichtliche Sachverständige aus:
Im Außenbereich des Gebäudes fehlen noch sämtliche Fassadenverkleidungen sowie der Außenputz mit den entsprechenden Anschlüssen an den Tür- und Fensterelementen, wodurch hier Kältebrücken gegeben sind. Anschlüsse für den Vollwärmeschutz fehlen. Bei den Balkontüren bzw Außentüren wurden lediglich provisorische Unterbauten (zB mittels Styropor) hergestellt, welche nicht geeignet sind, die entsprechenden fachgerechten Anschlüsse der Fußbodenkonstruktionen (sowohl außen als auch innen) zu ermöglichen bzw den Eintritt von Feuchtigkeit zu verhindern. Nach Beurteilung des hochbautechnischen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung stellen die notwendigen Abschlüsse konstruktive Bauteile dar, dies insbesondere in den Fußbodenbereichen, um einen entsprechenden Aufbau der notwendigen Fußbodenkonstruktionen zu ermöglichen. Die laut Bauansuchen, Bescheid bzw genehmigten Planunterlagen vorgesehenen wärmetechnischen Maßnahmen (auf Ziegelmauerwerk aufgebrachter Vollwärmeschutz zur Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen entsprechenden Wärmekoeffizienten) an sämtlichen Außenwänden des Gebäudes wurden noch nicht umgesetzt. Nach fachlicher sachverständiger Beurteilung sind die wärmeschutztechnischen Maßnahmen deshalb notwendig, um eine Vermeidung von Kältebrücken sicherstellen zu können und auch den Abschluss des Gebäudes nach außen herzustellen. Im Erschließungsbereich des an der Nordseite vorgesehenen Hauptzuganges zum Gebäude wurden die notwendigen Absturzsicherungen an der Ost- und Westseite noch nicht ausgeführt. Im Dachbereich wurden die vorgesehenen Verblechungen im Anschluss zu den Kaminen noch nicht hergestellt, die notwendigen Dachrinnen inklusive Fallrohren wurden noch nicht fachgerecht installiert und ist dadurch nach sachverständiger Beurteilung eine entsprechende Ableitung der anfallenden Oberflächenwässer nicht hergestellt.
Im Inneren befindet sich das Gebäude über sämtliche Stockwerke noch im Rohbauzustand. So fehlen sämtliche Innenputzarbeiten, der Fußbodenaufbau mit den notwendigen Estrichlegearbeiten wurde noch nicht durchgeführt, es fehlen sämtliche Heizungs- und Sanitärinstallationen sowie Elektroinstallationen, in Bezug auf die Elektroinstallationsarbeiten wurden nur in Teilbereichen Leerverrohrungen vorgenommen und Unterputzdosen versetzt. Im Innenbereich wurden noch keine Türelemente versetzt. Sämtliche Absturzsicherungen im Bereich des Treppenhauses (Treppenaufgänge zur Erschließung des Kellergeschoßes mit dem Erdgeschoß sowie dieses mit dem Oberschoß) fehlen. Bezogen auf den Fertigstellungszustand der Baumeisterarbeiten sind zum Teil noch Wandelemente (Ziegelmauerwerke) innerhalb des Gebäudes zur Sicherstellung entsprechender Raumaufteilungen laut Bescheid zu errichten. Der hochbautechnische Sachverständige präzisierte in der mündlichen Verhandlung, dass der auf Grundlage der mit Bescheid vom 18.11.1998 genehmigten Planunterlagen angedachte bauliche Abschluss des nordseitig gelegenen Treppenhauses auf allen Ebenen derzeit noch nicht realisiert ist.
Auch tragende Konstruktionselemente sind nicht erstellt. Als statisch konstruktive Elemente beurteilte der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung etwa die tragenden Elemente der geplanten Balkone, als durch diese sichergestellt werden müsse, dass eine Gefährdung für Personen, welche diese Balkone nutzen, gewährleistet seien. Sämtliche Balkone wurden noch nicht errichtet, auf Erdgeschoßniveau ist an der Südseite ein Balkon mit einer Länge von 7 m projektiert, im Obergeschoß erstreckt sich der geplante Balkon über die gesamte Südseite des Gebäudes sowie über Ecken weitergeführt an der Ost- und Westseite über jeweils eine Länge von 4 m.
Der verwaltungsgerichtliche Sachverständige stellte anlässlich seines Lokalaugenscheins fest, dass neben dem unvollendeten Bauausführungszustand als solchem auch Abweichungen in der Bauausführung vom Konsens erfolgten. Ungeachtet seiner Bewertungen zum (unvollendeten) Fertigstellungszustand erfolgten gewisse Änderungen hinsichtlich der Anordnung diverser Fenster- und Türelemente, eine Neustrukturierung einzelner Räume im Inneren, Änderungen im nordseitigen Bereich zum Gebäude, der Versatz der Außenwand im Bereich des Dachgeschoßes wurden nicht durchgeführt. Auf die gutachterlichen Ausführungen wird im Näheren verwiesen. Die Tatsache der teilweisen abgeänderten Bauführungen ändert jedoch nichts am maßgeblichen Umstand, dass auch unter Berücksichtigung dieser Abänderungen das Bauvorhaben nicht vollendet wurde bzw der vorgefundene Bauzustand – wie aufgezeigt - nicht den Anforderungen an einen bauvollendeten Ausführungszustand entspricht.
Die Befundung und Begutachtung des Ausführungszustandes des Gebäudes durch die Sachverständigen bestätigt sich in dem im Akt einliegenden, anlässlich des Lokalaugenscheins am 15.06.2022 angefertigten umfangreichen Fotodokumentationsmaterial (17 Lichtbilder). Diesen dokumentierten Ausführungszustand fand der verwaltungsgerichtliche Sachverständige bei seiner Besichtigung am 16.02.2023 unverändert vor.
Nicht (allein) relevant für die Beurteilung eines Bauvorhabens als vollendet bzw unvollendet ist die in der Verhandlung vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob die noch fehlenden Bauführungen als tragende, insbesondere unter dem Blickwinkel der Statik essentiell notwendige Bauteile zu bewerten sind. Als wesentliches Kriterium für eine Bauvollendung ist (neben einem Abschluss nach außen) vielmehr die Verwirklichung aller bauplanmäßig konstruktiven Merkmale aufgestellt.
Auch eine vom Beschwerdeführer in der Verhandlung nachgefragte fachmännische Ausführung der vorhandenen Bauführungen vermag für sich an der Unvollendetheit des Gesamtbauwerks nichts zu ändern.
Der hochbautechnische Sachverständige zieht in der mündlichen Verhandlung sein zusammenfassendes fachliches Resümee, dass wesentliche bauplanmäßige konstruktive Merkmale noch nicht umgesetzt worden sind und das Gebäude auch nach außen hin nicht gänzlich abgeschlossen wurde. Das Gebäude sei, so wie es vorgefunden wurde, unter diesen maßgeblichen Aspekten nicht vollendet.
Im Inneren des Gebäudes zeigt sich das Bild eines Rohbaus. Dieser macht eine sichere Nutzung durch Menschen unmöglich. Auch nach außen hin zeigen sich dargelegte zahlreiche schwerwiegende Mängel, die das Gebäude auch diesbezüglich zum maßgeblichen Vollendungszeitpunkt als nicht vollendet erscheinen lassen und wodurch zudem auch eine Benützung des Gebäudes ohne Gefährdung für das Leben und die Gesundheit von Menschen unmöglich war und auch heute noch ist.
Die Einschätzungen des behördlichen und des verwaltungsgerichtlichen Sachverständigen, das Gebäude sei in bautechnischer Hinsicht aufgrund des Umstandes, dass es nicht ohne Gefährdung für Menschen benutzt werden kann, nicht vollendet, deckt sich mit der rechtlichen Beurteilung durch das erkennende Gericht, wonach in gesamtschauender Betrachtung des Ausführungszustandes das Gebäude aufgrund der oben aufgezeigten zahlreichen und gravierenden Mängel und (auch) der damit verbundenen Unmöglichkeit, das Gebäude sicher zu benützen, zum maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2003 bzw längstens 2004 nicht vollendet war (und auch heute noch nicht ist). Wenn auch nicht verkannt wird, dass einzelne unvollendete Arbeiten, wie etwa Estrichlegearbeiten, Verputzarbeiten, Installationen, für sich betrachtet die Annahme, dass das Gebäude nicht als vollendet anzusehen sei, nicht rechtfertigen würde, so spricht jedoch der dargelegte Gesamtausführungszustand des Gebäudes gegen eine solche Annahme der Vollendung.
Die Baubewilligung vom 18.11.1998 ist damit ex lege erloschen. Der gegenständliche Entfernungsauftrag und der Rückversetzungsauftrag ergingen sohin zu Recht.
Der vorgehaltene Umstand der zum Besichtigungszeitpunkt bereits erfolgten Entfernung der Baustelleneinrichtung vermag hingegen für eine Beurteilung des Bauvorhabens als vollendet nicht zu greifen. Vielmehr ist eine solche Entfernungs- bzw Aufräumpflicht der Baustelle ihrerseits erst gesetzlich angeordnete Folge eines tatsächlich vollendeten Bauvorhabens.
Festzuhalten ist grundsätzlich, dass die Erstattung einer Bauvollendungszeige als solche für die Rechtsfolgen des Erlöschens der Baubewilligung infolge Überschreitens der Bauvollendungsfrist nicht von Bedeutung ist. Eine Bauvollendungsanzeige liegt dem Akt aber auch nicht ein.
Die Leistungsfrist wurde vom verwaltungsgerichtlichen Sachverständigen in der Dauer von 6 Monaten bestimmt und aus den im Gutachten näher benannten (auch ins Verhältnis zur behördlich eingeräumt achtmonatigen Leistungsfrist gesetzten) Gründen, auf welche an dieser Stelle verwiesen wird, als angemessen zur Durchführung der aufgetragenen Entfernungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen beurteilt. In der mündlichen Verhandlung wurde die Leistungsfrist in Berücksichtigung der seit dem Datum der Gutachtenserstellung zwischenzeitlich vergangenen Zeit damit mit spätestens 31.10.2023 definiert, der Sachverständige erachtete diese Frist über Rückfrage des Beschwerdeführers auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass für die Zufahrtsstraße zum Gebäude eine Gewichtsbeschränkung bis zu 3,5 t verordnet ist, als angemessen und machbar, eine Umladung ab der sodann angrenzenden Verkehrsfläche bzw Parkplatzfläche wäre möglich. Auf der angrenzenden Mautstraße gibt es keine Gewichtsbeschränkung mehr. Diesen Ausführungen in der Verhandlung wurde seitens des Beschwerdeführers sodann inhaltlich nicht entgegengetreten. Das Landesverwaltungsgericht folgt den fachlichen Einschätzungen des Sachverständigen als schlüssig und nachvollziehbar, auch die jahreszeitlichen Gegebenheiten ermöglichen die Durchführung innerhalb der gesetzten Frist.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Mair
(Richterin)
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