European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.32.1834.11
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde von AA, BB und CC, alle vertreten durch die Rechtsanwälte DD, EE und FF, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 31.05.2022, Zahl ***, betreffend Angelegenheiten nach der Tiroler Bauordnung 2022 nach der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht:
1. Die Beschwerde von AA gegen den angefochtenen Bescheid vom 31.05.2022 wird, soweit ihr damit die weitere Benützung des Objektes Adresse 2 in **** Y als Freizeitwohnsitz untersagt wird, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, wonach dieser Untersagung innerhalb einer Frist von längstens einem Monat ab der Zustellung dieses Erkenntnisses Folge zu leisten ist.
2. Die Beschwerde von BB gegen den angefochtenen Bescheid vom 31.05.2022 wird, soweit ihm damit die weitere Benützung des Objektes Adresse 2 in **** Y als Freizeitwohnsitz untersagt wird, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, wonach dieser Untersagung innerhalb einer Frist von längstens einem Monat ab der Zustellung dieses Erkenntnisses Folge zu leisten ist.
3. Die Beschwerde von CC gegen den angefochtenen Bescheid vom 31.05.2022 wird, soweit ihr damit die weitere Benützung des Objektes Adresse 2 in **** Y als Freizeitwohnsitz untersagt wird, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, wonach dieser Untersagung innerhalb einer Frist von längstens einem Monat ab der Zustellung dieses Erkenntnisses Folge zu leisten ist.
Weiters wird der
Beschluss gefasst:
4. Die Beschwerde von AA wird, soweit damit BB und CC die weitere Benützung des Objektes Adresse 2 in **** Y als Freizeitwohnsitz untersagt wird, als unzulässig zurückgewiesen.
5. Die Beschwerde von BB wird, soweit damit AA und CC die weitere Benützung des Objektes Adresse 2 in **** Y als Freizeitwohnsitz untersagt wird, als unzulässig zurückgewiesen.
6. Die Beschwerde von CC wird, soweit damit AA und BB die weitere Benützung des Objektes Adresse 2 in **** Y als Freizeitwohnsitz untersagt wird, als unzulässig zurückgewiesen.
7. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Von Seiten einer politischen Partei wurde der belangten Behörde eine Meldung über einen mutmaßlichen illegalen Freizeitwohnsitz ua im Anwesen Adresse 2 in **** Y übermittelt.
Auf Aufforderung der belangten Behörde vom 11.11.2021, gerichtet an BB, wurde durch die rechtsfreundlich vertretenen AA und BB die Stellungnahme vom 05.03.2021 eingebracht, wonach das gegenständliche Anwesen nicht als Freizeitwohnsitz genutzt wird. Dieser Stellungnahme angeschlossen waren ein Grundbuchsauszug betreffend das hier gegenständliche Grundstück **1 KG Y, der Kaufvertrag zwischen der GG GmbH und Frau AA vom Dezember 2009 betreffend die hier gegenständliche Liegenschaft Adresse 2 mit Eingangsstempel der Rechtsanwaltskanzlei von 21.12.2009, der Übergabsvertrag vom 22.08.2017 zwischen AA (Übergeberin) und CC, JJ und KK (Übernehmer) sowie BB als Beitretender, der Auszug aus der Zulassungsbescheinigung Zl ***, der Auszug aus der Zulassungsbescheinigung Zl ***, das Gutachten nach § 57a Abs 4 KFG betreffend Zl ***, das Gutachten nach § 57a Abs 4 KFG betreffend Zl ***, der Kaufvertrag Zl *** über den Ankauf eines neuen LL durch AA, der Einzelgenehmigungsbescheid vom 15.02.2017 für einen MM, die Buchungsmitteilung vom 24.02.2017 über die Zahlung der Normverbrauchsabgabe, die Bankverbindung von AA und BB bei der NN X, der Auszug aus der Stromrechnung vom 19.10.2020, die Rechnung vom 24.07.2020 über Kaminholz, die Rechnungen über die Lieferung von Heizöl vom 18.03.2020 und 12.11.2020 sowie die Auflistung der Aufenthalte der Familie OO in England bzw Österreich für das Jahr 2020.
Weiters findet sich im behördlichen Akt die Bestätigung der belangten Behörde über die Haushaltsgemeinschaft Adresse 2 vom 23.08.2021 betreffend AA, CC und BB (jeweils mit Nebenwohnsitz gemeldet), die Bestätigung der belangten Behörde über die Haushaltsgemeinschaft Adresse 2 vom 16.05.2022 betreffend AA, CC und BB (jeweils mit Nebenwohnsitz gemeldet) und die Auszüge vom 23.05.2022 aus der Zulassungsevidenz betreffend Zl *** und Zl ***.
In der Folge wurde der nunmehr angefochtene Bescheid vom 31.05.2022 erlassen, mit dem AA, BB und CC die weitere Benützung des Objektes Adresse 2 als Freizeitwohnsitz untersagt wurde.
Dagegen haben die rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer zulässig und rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol eingebracht und darin zusammengefasst wie folgt ausgeführt:
Zur Beschwerdeführerin CC:
Die Beschwerdeführerin habe in der gegenständlichen Liegenschaft einen Nebenwohnsitz gemeldet, sei Miteigentümer der Liegenschaft und lebe und arbeite hauptsächlich in London.
Während ihres Studiums habe sie in Y als Hilfs-Skilehrerin gearbeitet, da sie sich seit dem Erwerb der Liegenschaft durch ihre Mutter im Jahr 2009 immer wieder auf der Liegenschaft Adresse 2 in Y aufgehalten habe. Diese Liegenschaft bilde einen Treff- und Mittelpunkt der Familie, zumal die Familienmitglieder verstreut in Österreich, England und im mittleren Osten gelebt hätten.
Wie in der Stellungnahme ihrer Eltern vom 05.03.2021 festgehalten wurde, habe die Beschwerdeführerin während des „Sabbatical“-Jahrs zwischen Schulabschluss und Studium im Wesentlichen in Y Adresse 2 gelebt und in dieser Zeit auch ihre Tätigkeit als Schülerin ausgeübt.
Unstrittig könne festgehalten werden, dass die Beschwerdeführerin den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen nicht in Y habe, dies ungeachtet des Umstandes, dass sie dort über ein eigenes Zimmer verfüge und sich immer wieder, mehrere Wochen im Jahr, dort aufhalte und soll etwa auch ihre Hochzeit im Herbst des heurigen Jahres in Y stattfinden.
Als Miteigentümerin der Liegenschaft sei sie selbstverständlich berechtigt, diese auch zeitweilig zu nutzen, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen sei, dass hier zweifellos nicht ganzjährige Aufenthalt nicht die lediglich Freizeitnutzung der Gesamtliegenschaft begründe.
Es sei in keiner Weise rechtens, der Beschwerdeführerin die weitere Benützung des Objektes Adresse 2 als Freizeitwohnsitz zu untersagen, da die Liegenschaft grundsätzlich ganzjährig und keinesfalls lediglich als Freizeitwohnsitz benutzt werde, wodurch die lediglich zeitweise Benützung des Objektes durch die Miteigentümerin CC in keiner Weise nach § 46 Abs 6 lit g in Verbindung mit § 62 Abs 1 Tiroler Bauordnung 2022 verpönt sei.
In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin und ihre Miteigentümer ihren Eltern, den Ehegatten AA und BB, anlässlich der Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft ein Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt hätten und ihre Eltern von diesem Recht auch entsprechend Gebrauch machen würden, sodass keinesfalls eine ledigliche Freizeitwohnsitznutzung der Liegenschaft vorliege. Somit würden die nur zeitweisen Aufenthalte von Frau CC nicht dazu führen können, dieser die Nutzung der Liegenschaft zu Freizeitzwecken zu untersagen.
Bezüglich der Beschwerdeführerin CC wird die ersatzlose Behebung des Bescheides vom 31.05.2022, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung an die belangte Behörde beantragt.
Hinsichtlich der Beschwerdeführer AA und BB wird in der Beschwerde zusammengefasst wie folgt ausgeführt:
Die Beschwerdeführer hätten die umfangreiche Stellungnahme vom 05.03.2021 abgegeben und Urkunden vorgelegt. Der bekämpfte Bescheid würde sich damit nicht auseinandersetzen, sondern lediglich Teilaspekte beinhalten.
So würde die Darstellung der Aufenthalte in England und Österreich im Jahr 2020 nicht gewürdigt werden.
Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben, da die belangte Behörde über ihre tatsächlichen Ermittlungen keinerlei weitere Angaben und Ausführungen im Bescheid tätige.
Die Lebenssituation sei in der aufgetragenen Äußerung vom 05.03.2021 ausführlich dargestellt worden, doch habe sich die belangte Behörde damit in keiner Weise auseinandergesetzt.
So sei dargetan worden, dass BB zum 31.12.2017 seine Berufstätigkeit im mittleren Osten beendet habe und er seine Zelte im mittleren Osten, in welchem Familie OO sich über viele Jahre schwerpunktmäßig aufgehalten habe, sukzessiv abgebrochen habe.
Frau AA habe ihre berufliche Tätigkeit im mittleren Osten bereits einige Jahre zuvor im Jahr 2010 beendet und gelte für sie, dass sie sich nach Bezugsfertigstellung der Liegenschaft Adresse 2 nach Österreich begeben habe und einen wesentlichen Teil ihrer damaligen Lebensführung dort verbracht habe.
Jedenfalls habe AA all die Jahre ab ihrer Beendigung der Berufstätigkeit in Dubai wesentliche Zeit, jeweils mehr als 180 Tage pro Jahr in Y verbracht, teils alleine, teils mit ihren Kindern oder anderen Freunden und Bekannten, die jeweils mehrere Wochen bei ihr verbracht hätten.
In dieser Zeit sei auch ständig ihr Gatte BB in Maßgabe seines beruflichen Engagements in Y gewesen, zumal bereits mehrfach dargelegt worden sei, dass er ein leidenschaftlicher Skifahrer sei, er selbstverständlich jeweils über Saisonkarten verfüge und in einem Ausmaß dem Skisport fröne, der seinesgleichen suche.
Mit der Beendigung der Berufstätigkeit von BB habe sich die Sache insofern geändert, als die Ehegatten OO gemeinsam einen Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen in Y begründet hätten, und, wie auch bereits bescheinigt, einen wesentlichen Teil des Jahres dort verbrächten.
Die Ehegatten OO seien britische Staatsbürger, die auch in England einen Wohnort besitzen würden und in England steuerpflichtig seien. Die steuerrechtliche Situation in UK sei aber eine solche, dass ein Aufenthalt von 120 Tagen pro Jahr zur Begründung der lokalen Steuerpflicht ausreichen würde.
Es sei daher nicht notwendig, dass die Ehegatten OO sich mehr als die Hälfte der Zeit des Jahres in England aufhalten, was auch tatsächlich nicht der Fall sei. Die Ehegatten OO hätten teils mit ihren Kindern, teils alleine auch eine rege Reisetätigkeit in alle Welt gepflogen.
Die Ehegatten OO hätten ungeachtet ihres Wohnsitzes in England und ihren familiären Beziehungen zu England einen Schwerpunkt ihrer Lebensführung in Österreich, konkret in Y im Objekt Adresse 2.
Das Haus sei mit entsprechendem Aufwand eingerichtet worden, und zwar für eine dauerhafte ganzjährige Nutzung. Der Garten werde von den Beschwerdeführern selbst mit entsprechendem Aufwand gepflegt und stelle ein Hobby insbesondere von AA dar.
Hinsichtlich der familiären Situation führen die Beschwerdeführer AA und BB aus, dass CC in London berufstätig sei, ungeachtet dessen sie aber regelmäßig Freizeit und Urlaubszeit auf der Liegenschaft in Y verbringen würde.
Die 2. Tochter, JJ, sei ausgebildete Ärztin und lebe in Neuseeland. Soweit es ihr möglich sei, würde sie sich immer wieder zusammen mit ihrem Partner in Y aufhalten.
Der Sohn PP absolviere den letzten Abschnitt seiner universitären Ausbildung und stehe noch nicht fest, wo er seine Berufstätigkeit gestalten werde. Ungeachtet dessen habe auch er intensive Beziehungen zur Liegenschaft in Y und besuche diese immer wieder.
Die Ehegatten OO seien passionierte Skifahrer, insbesondere BB, und würden auch andere Wintersportarten pflegen. Während der Sommermonate würden die Ehegatten OO Wanderungen und Bergtouren unternehmen sowie Ausflüge in der näheren und weiteren Umgebung von Y durchführen. Auch soziale Kontakte im Raum Y und X würden durch die Eheleute gepflegt, allerdings nicht im Sinne von Mitgliedschaften in örtlichen Vereinen, zumal Derartiges, wohl aufgrund der „Internationalität“, im Leben der Familie OO keine Rolle gespielt habe.
Die Eheleute OO würden jedenfalls einen erheblichen Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen in Y haben, ungeachtet des Umstandes, dass die Familie OO das „internationale Leben“ seit Beginn der Berufstätigkeit von Vater BB „gewöhnt“ war und etwa auch während der gesamten Berufstätigkeit der Ehegatten OO im mittleren Osten stets ein Wohnsitz in England unterhalten worden sei, ohne dass jemals hinterfragt worden wäre, dass durch diese Wohnsitze in England nicht der Mittelpunkt der Lebensführung tatsächlich im mittleren Osten gewesen wäre.
Auszuschließen sei jedenfalls die von der belangten Behörde unterstellte Nutzung des gegenständlichen Objektes lediglich „als Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken“.
Die in Österreich erworbenen Personenkraftwagen seien als Bescheinigung angeführt worden, dass sehr wohl eine intensive und außerhalb einer lediglichen Freizeitnutzung gelegene Bindung zur Liegenschaft in Y vorliege, jedoch seien diese Bescheinigungen seitens der belangten Behörde als nicht wesentlich abgetan worden. Dies sei unrichtig, da die Fahrzeuge in Österreich erworben worden seien und auch dort gehalten würden (es handle sich um Linkslenker).
Die Beschwerdeführer hätten in Österreich Konten und ergäbe sich aus den vorgelegten Strom-, Heizöl- und Kaminholzrechnungen, dass keinesfalls eine lediglich untergeordnete „zeitweilige“ Nutzung des Objektes Adresse 2 gegeben sei.
Die Aufenthalte der Eheleute OO in Y für das Jahr 2020 seien bereits belegt worden; im Jahre 2021 hätten sie sich nachweisbar 176 Tage des Jahres in Y aufgehalten, für 2022 würde sich eine ähnliche Aufenthaltsdauer ergeben.
Rechtlich führt die Beschwerde aus, dass der Begriff „Freizeitwohnsitz“ etwa in § 13 TROG 2016 definiert sei. Ein Freizeitwohnsitz soll dann vorliegen, wenn kein deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehung dort feststellbar ist, wobei der VwGH sowohl auf die berufliche als auch die familiären Lebensbeziehungen der Betroffenen Rücksicht nehme.
Im gegenständlichen Fall würden keine beruflichen Lebensbeziehungen vorliegen, da die beiden Ehegatten ihre Berufstätigkeit beendet hätten.
Die Familie OO hätte international gelebt, dies mit Schwerpunkt im mittleren Osten, jedoch mit ständigen Kontakt in das Heimatland England und natürlich auch nach Österreich.
Auch andere gesetzliche Bestimmungen würden sich mit der Definition eines „Mittelpunkt der Lebensbeziehungen“ beschäftigen.
So definiere Art 6 Abs 3 B-VG den Begriff Hauptwohnsitz und werde dieser so beschrieben, dass dies eben jener Wohnsitz sein soll, an dem man seinen Mittelpunkt der Lebensbeziehung geschaffen habe oder schaffen möchte.
Treffe dies auf mehrere Wohnsitze in beruflicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht zu, so sei jener Wohnsitz als „Hauptwohnsitz“ zu wählen, zudem man das „überwiegende Naheverhältnis“ habe.
Das Gesetz kenne nur einen Hauptwohnsitz, dies ungeachtet der in der Praxis eintretenden Situationen, dass Personen auch mehrere „Mittelpunkte ihrer Lebensführung“ haben können, denke man an Doppeldomizillösungen im Pflegschaftsrecht.
Die Festlegung, es könne nur einen Hauptwohnsitz geben, sei daher in der Praxis nach den Umständen des Einzelfalles zu kurz gegriffen und gelte dies wohl auch für die Interpretation der Nutzung nur eines Orts als „Mittelpunkt der Lebensbeziehungen“.
Die hier gegebene Meldesituation, nämlich die Nebenwohnsitz-Meldung bei den Ehegatten OO, sei nur ein Aspekt, zumal eben keine melderechtliche Problematik gegenständlich zu lösen sei; die Ausführungen mögen aber unterstützend herangezogen werden.
Feststehe, dass nach der Definition des § 13 Abs 1 TROG Freizeitwohnsitze solche Gebäude, Wohnungen oder Teile von Gebäuden seien, die lediglich zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden.
Gerade diese (positive) Definition liege bei den Beschwerdeführern nicht vor, wenn man sich mit den im Gesetz verwendeten Begriff auseinandersetze. Aus dem Lexikon würden sich folgende Definitionen ergeben:
Urlaub: wird als jene Zeit bezeichnet, die ein arbeitsfähiger Arbeitnehmer oder Beamter berechtigterweise von seinem Arbeitsplatz fernbleibt; auch als „Erholung“ zu verstehen.
Ferien: jene Zeit, in der Einrichtungen (etwa Schule, Universität, Betriebseinheit, …) Vollständig schließt; in der Schweiz werden „Erholungsurlaube“ als „Ferien“ bezeichnet.
Zeitweilig: Adjektiv, „auf eine kürzere Zeit beschränkt“, „zeitlich begrenzt“, „hin und wieder auf eine kürzere Zeit“.
Wochenende: Zeitraum zwischen Ende einer üblichen Arbeitswoche und Beginn der nächsten.
Erholung: allgemein, Rückgewinnung verbrauchter Kräfte und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit.
Betrachte man die vom Gesetzgeber verwendeten Ausdrücke, so werde das Objekt Adresse 2 von den Beschwerdeführern, die im Sinne der Definition keinen Urlaub und keine Ferien mehr haben, natürlich auch zur Erholung verwendet, dies jedoch durchaus ganzjährig, unterbrochen von tatsächlichen Urlaubsreisen oder Aufenthalt in England, nicht jedoch nur „hin und wieder auf kürzere Zeit“.
Nachdem eine Berufstätigkeit von den Beschwerdeführern nicht mehr ausgeübt werde, entfalle die Prüfung, ob am Objekt Adresse 2 auch Berufstätigkeit entfaltet werde; dies sei definitiv nicht der Fall, jedoch nicht deshalb, weil die Berufstätigkeit an einem anderen Ort stattfinden, sondern weil die Ehegatten OO bereits als Pensionisten anzusehen seien.
In der Folge wird in der Beschwerde die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Juni 2014,2012/02/0171 zitiert, wonach von einem anderen Wohnsitz als von einem Freizeitwohnsitz nicht gesprochen werden könne, wenn kein deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehung des Beschwerdeführers dort feststellbar sei. Deshalb könne diese als durchaus „streng“ erachtete Spruchpraxis sehr gut auf die Beschwerdeführer angewendet werden, und zwar im Sinne keiner „lediglichen Freizeitnutzung“.
Zweifellos sei die familiäre Lebensbeziehung zum Objekt Adresse 2 gegeben, da beide Ehegatten OO im Winter dem Skisport frönen würden und während der anderen Jahreszeit wandern und Bergtouren unternehmen wurden, Ausflüge machen oder ihr Leben in Haus und Garten genießen würden.
Sämtliche Kinder, aber auch weitere Verwandte und Freunde der Ehegatten OO –so auch der gefertigte Rechtsanwalt, der BB seit einem Schüleraustausch im Jahre 1994 kenne - würden immer wieder nach Y kommen; das Objekt stelle demgemäß einen sozialen Mittelpunkte Ehegatten OO, ihrer Kinder, der näheren Verwandten und deren Freunde dar.
Eine berufliche Tätigkeit der Ehegatten OO falle, wie bereits ausgeführt, aus.
Im konkreten Fall gelte es insbesondere zu berücksichtigen, dass die Ehegatten OO stets ein „Internationales Leben“ geführt hätten und spräche absolut nichts dagegen, dass neben einem Schwerpunkt der Lebensbeziehung in Tirol, die Ehegatten OO auch in England einen Wohnsitz haben würden und diesen auch immer wieder nutzen würden.
Gegenständlich gelte kein „entweder oder“, nämlich Schwerpunkt der Lebensbeziehung in Österreich versus Schwerpunkt der Lebensbeziehung in England, sondern würden die Eheleute OO beide Wohnsitze nutzen, nämlich jenen in Y und den in England ständig, und würden sie ihre „familiären Lebensbeziehungen“ an beiden Orten pflegen.
Die vom Gesetz zur Benutzungsuntersagung verlangte, lediglich eingeschränkte und untergeordnete Nutzung des Objektes Y (Argument: „Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken“) sei jedenfalls bei den Beschwerdeführern nicht gegeben, sodass neben der ausdrücklich gerügten Mangelhaftigkeit des Verfahrens auch jedenfalls eine unrichtige rechtliche Beurteilung insofern vorliege, als die belangte Behörde „die Auffassung vertritt, dass das Objekt Adresse 2 nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dient“.
In der Folge wird die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Behebung und Zurückverweisung an die belangte Behörde sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurden Unterlagen des Stromnetzbetreibers QQ über den Stromverbrauch der Liegenschaft eingeholt. Zu dem Grunde von der österreichischen Post AG in Erfahrung gebracht, dass betreffend die 3 Beschwerdeführer keine Nachsendeaufträge vorliegen oder vorgelegen haben.
Zudem wurden neue Auszüge aus dem Zentralen Melderegister betreffend die drei Beschwerdeführer eingeholt (19.07.2022), aus denen hervorgeht, dass diese nach wie vor mit Nebenwohnsitz am Adresse 2 in Y angemeldet sind
Es wurde am 09.08.2022 eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol durchgeführt, zu der die Eheleute OO, deren Rechtsvertreter, eine Dolmetscherin für die englische Sprache und eine Vertreterin der belangten Behörde erschienen sind.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung haben AA und BB Stellung genommen und Ausführungen getätigt.
II. Sachverhalt:
AA, BB und CC sind britische Staatsbürger. Mit dem Kaufvertrag vom Dezember 2009 hat Frau AA im Ergebnis die hier gegenständliche Liegenschaft erworben.
Mit dem Übergabsvertrag vom 22.07.2017 hat Frau AA die hier in Rede stehende Liegenschaft an ihre Kinder CC, JJ und KK übergeben. Dabei wurde AA und BB ein lebenslängliches, höchstpersönliches und unentgeltliches Wohngebrauchsrecht eingeräumt.
Die Beschwerdeführer sind allesamt mit „Nebenwohnsitz“ im Anwesen Adresse 2 in Y gemeldet (CC seit 19.12.2012; AA seit 09.11.201; BB seit 24.07.2018).
AA ist im Sommer 2012 in Pension gegangen. Sie war vorher Lehrerin in Dubai. Seither wohnt sie ca 6 Monate im Jahr am Adresse 2 in Y. Im Jahr 2020 befand sich BB 228 Tage, der AA 220 Tage und CC 11 Tage in der gegenständlichen Liegenschaft. Im Jahr 2021 waren es für die Eheleute OO 176 Tage (vgl Beschwerde).
BB ist seit dem 31.12.2016 in Pension. Er war bei RR in Dubai beschäftigt. Seither wohnt auch Herr BB ca 6 Monate im Jahr am Adresse 2 in Y.
Dies gestaltet sich so, wonach sich die Eheleute OO von ca Mitte Dezember bis ca Mitte März sowie in den Monaten Juli und August in Y aufhalten. Die übrige Zeit ihres Aufenthaltes in Y ist gestückelt auf andere Monate wie beispielsweise Juni und Oktober verteilt
Während ihres Aufenthaltes in Y pflegen sie freundschaftliche Kontakte zu mehreren Personen zumindest 1 Mal pro Woche, zT häufiger; es kommen auch Verwandte aus England zu Besuch, insbesondere ihre 3 - nicht minderjährigen - Kinder. Am hier gegenständlichen Wohnsitz in Y werden ua Familienfeste gefeiert wie zum Beispiel Weihnachten und die Hochzeit von CC im Herbst 2022. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste beträgt ca 10 Tage. Die Eheleute OO sind sportaffin; sie gehen Wandern und Skifahren. Beide besitzen eine umfassende Saisonkarte für den Winter. Insbesondere BB ist leidenschaftlicher Skifahrer.
Am Vereinsleben nehmen Sie weder in England noch in Österreich teil. Neben ihren Wohnsitzen Österreich und England haben sich keine weiteren Wohnsitze, wenngleich sie häufig reisen. Keines der Kinder lebt am Wohnsitz in England.
Eine Schwester und eine Cousine vom AA wohnt in England. Ihre Eltern sind verstorben.
BB hat einen Bruder in England.
Die Eheleute OO sind in England steuerpflichtig. Dort verbringen sie zumindest 120 Tage im Jahr. Sie sind im britischen Gesundheitssystem versichert und besitzen österreichische Zusatzversicherungen.
Die Eheleute OO verfügen über einen Aufenthaltstitel „Artikel 50 EUV“ für die Dauer von 5 Jahren.
Die Eheleute OO haben in Österreich über 2 PKWs angemeldet. Ein Audi wurde in Österreich gekauft, einen BMW hat Herr OO aus Dubai (dort befand sich seine frühere Arbeitsstelle) mitgebracht. Die Fahrzeuge sind befristet zugelassen. In England ist ein Fahrzeug der Tochter vorübergehend für Frau AA zugelassen.
Die Eheleute OO haben längere Zeit in Österreich keinen Arzt aufgesucht (Frau AA begab sich nach der mündlichen Verhandlung beim Landesverwaltungsgericht Tirol nach W für eine Augenoperation).
Der Stromverbrauch für die hier in Rede stehende Liegenschaft betrug:
13. August 2011 - 26. September 2012 Verbrauch 8.805 kWh
27. September 2012 – 12. Oktober 2013 Verbrauch 12.513 kWh
13. Oktober 2013 – 25. September 2014 Verbrauch 9.758 kWh
26. September 2014 – 22. September 2015 Verbrauch 14.437 kWh
23. September 2015 – 29. September 2016 Verbrauch 12.286 kWh
30. September 2016 – 27. September 2017 Verbrauch 12.180 kWh
28. September 2017 – 03. Oktober 2018 Verbrauch 12.489 kWh
04. Oktober 2018 – 19. September Verbrauch 10.540 kWh
20. September 2019 – 10. Oktober 2020 Verbrauch 12.632 kWh
11. Oktober 2020 – 30. September 2021 Verbrauch 9.731 kWh
Laut der Rechnung vom 24.07.2020 wurde Holz im Wert von € 389,38 (exkl USt) eingekauft
Weiters liegen für das Jahr 2020 zwei Rechnungen für Öleinkäufe von 3030 Liter und 2539 Liter vor. Der jährliche Heizölbedarf beträgt ca. 5000 Liter.
Nachsendeaufträge der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Liegenschaft Adresse 2 in Y liegen bei der österreichischen Post AG nicht vor.
Auf Ersuchen der Beschwerdeführer wurde für die mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine Dolmetscherin für die englische Sprache beigezogen.
Es liegt weder ein bescheidmäßig festgestellter noch ein baubewilligter Freizeitwohnsitz vor (vgl § 13 Abs 3 TROG 2022). Auch besteht keine Ausnahmebewilligung im Sinn des § 13 Abs 8 TROG 2022.
III. Beweiswürdigung:
Die vorgenannten Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich anhand der aufgetragenen Äußerung vom 05.03.2021 und der Beschwerde vom 27.06.2022, den Beschwerdeführern vorgelegten Unterlagen, den Einvernahmen der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol sowie anhand der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Stellungnahmen der Österreichischen Post AG sowie der QQ.
Das Nichtvorliegen eines bescheidmäßig festgestellten baubewilligten oder aufgrund einer Ausnahmebewilligung bestehenden Freizeitwohnsitzes steht offenkundig aufgrund der Begründung des angefochtenen Bescheides fest und wird von den Beschwerdeführern auch zu keiner Zeit bestritten.
IV. Rechtslage:
Tiroler Raumordnungsgesetz 2022 – TROG 2022, BGBl Nr 43/2022:
„§ 13
Beschränkungen für Freizeitwohnsitze
(1) Freizeitwohnsitze sind Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden. Als Freizeitwohnsitze gelten nicht:
a) Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen; dies jedoch nur dann, wenn
1. Gemeinschaftsräume mit einer Gesamtfläche, bei der auf jedes der Beherbergung von Gästen dienende Bett zumindest eine Fläche von 0,5 m² entfällt, vorhanden sind,
2. gewerbetypische Dienstleistungen, zu denen insbesondere die Raumreinigung in regelmäßig wiederkehrenden Zeitabständen und das regelmäßige Wechseln der Wäsche zählen, erbracht werden und weiters
3. die ständige Erreichbarkeit einer Ansprechperson seitens des Betriebes gewährleistet ist;
nicht als Gemeinschaftsräume im Sinn der Z 1 gelten Wellness-Bereiche, Schiräume und sonstige Abstellräume, Sanitärräume und dergleichen,
b) Kur- und Erholungsheime, die von öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen oder Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erhalten werden,
c) Wohnungen und sonstige Wohnräume, die der Privatzimmervermietung dienen,
d) Gebäude mit höchstens drei Wohnungen mit insgesamt höchstens zwölf Betten, die im Rahmen der Raumvermietung während des Jahres jeweils kurzzeitig an wechselnde Personen vermietet werden (Ferienwohnungen); entsprechende Neubauten, für die die Baubewilligung erst nach dem 1. Februar 1996 rechtskräftig erteilt worden ist, gelten jedoch nur dann nicht als Freizeitwohnsitze, wenn der Vermieter der Ferienwohnungen im betreffenden Gebäude seinen Hauptwohnsitz hat; Ferienwohnungen in Gebäuden, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen, sind zusammenzuzählen.
Sind in einem Gebäude oder in Gebäuden, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen, Ferienwohnungen und Wohnungen oder sonstige Wohnräume, die der Privatzimmervermietung dienen, untergebracht, so darf die Zahl der Wohnungen insgesamt drei und die Zahl der Betten insgesamt zwölf nicht überschreiten.
(2) Im Rahmen der Vorschriften über Freizeitwohnsitze sind Gastgewerbebetrieben zur Beherbergung von Gästen jene Räumlichkeiten nicht zuzurechnen, an denen
a) Wohnungseigentum besteht, sofern diese vom Eigentümer oder von seiner Familie selbst genutzt werden, oder
b) Verfügungsrechte bestehen, die über den üblichen Inhalt gastgewerblicher Beherbergungsverträge hinausgehen.
(3) Als Freizeitwohnsitze dürfen nur mehr Wohnsitze verwendet werden,
a) die in der Zeit vom 1. Jänner 1994 bis einschließlich 31. Dezember 1998 nach den jeweils in Geltung gestandenen raumordnungsrechtlichen Vorschriften oder nachträglich nach § 17 als Freizeitwohnsitze angemeldet worden sind und für die eine Feststellung über die Zulässigkeit der Verwendung des betreffenden Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz vorliegt oder
b) für die eine Baubewilligung im Sinn des § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Gebäuden im Freiland, LGBl. Nr. 11/1994, vorliegt.
Darüber hinaus dürfen neue Freizeitwohnsitze im Wohngebiet, in Mischgebieten, auf Sonderflächen für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen sowie nach Maßgabe des § 44 Abs. 6 auf Sonderflächen für Hofstellen geschaffen werden, wenn dies für einen bestimmten Bereich durch eine entsprechende Festlegung im Flächenwidmungsplan für zulässig erklärt worden ist. Hierbei ist die dort höchstzulässige Anzahl an Freizeitwohnsitzen festzulegen.
(4) Die Schaffung neuer Freizeitwohnsitze nach Abs. 3 zweiter Satz darf nur insoweit für zulässig erklärt werden, als die geordnete räumliche Entwicklung der Gemeinde entsprechend den Aufgaben und Zielen der örtlichen Raumordnung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a) die Siedlungsentwicklung,
b) das Ausmaß des zur Befriedigung des Wohnbedarfes der Bevölkerung erforderlichen sowie des hierfür verfügbaren Baulandes,
c) das Ausmaß der für Freizeitwohnsitze in Anspruch genommenen Grundflächen, insbesondere auch im Verhältnis zu dem zur Befriedigung des Wohnbedarfes der Bevölkerung bebauten Bauland,
d) die Gegebenheiten am Grundstücks- und Wohnungsmarkt sowie die Auswirkungen der Freizeitwohnsitzentwicklung auf diesen Markt,
e) die Art, die Lage und die Anzahl der bestehenden Freizeitwohnsitze,
f) die Auslastung der Verkehrsinfrastruktur sowie der Einrichtungen zur Wasserversorgung, Energieversorgung und Abwasserbeseitigung, die Auswirkungen der Freizeitwohnsitze auf diese Infrastruktur und deren Finanzierung sowie allfällige mit der Schaffung neuer Freizeitwohnsitze entstehende Erschließungserfordernisse.
(5) Die Schaffung neuer Freizeitwohnsitze nach Abs. 3 zweiter Satz darf nicht mehr für zulässig erklärt werden, wenn
a) der Anteil der aus dem Verzeichnis der Freizeitwohnsitze nach § 14 Abs. 1 sich ergebenden Freizeitwohnsitze an der Gesamtzahl der Wohnungen entsprechend dem endgültigen Ergebnis der jeweils letzten Gebäude- und Wohnungszählung 8 v. H. übersteigt oder
b) im örtlichen Raumordnungskonzept zu Gunsten der Vorsorge für den geförderten Wohnbau eine Festlegung nach § 31a Abs. 1 erster Satz besteht oder eine solche Festlegung ausschließlich deshalb unterblieben ist, weil Grundflächen, die als Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau in Betracht kommen, nicht zur Verfügung stehen.
Bei der Berechnung des Freizeitwohnsitzanteils nach lit. a bleiben Freizeitwohnsitze, für die eine Ausnahmebewilligung im Sinn des Abs. 8 erster Satz vorliegt, außer Betracht.
(6) Die Baubewilligung für Neubauten, die ganz oder teilweise als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, sowie für Zu- und Umbauten und die Änderung des Verwendungszweckes von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden, Wohnungen oder sonstigen Gebäudeteilen, durch die Freizeitwohnsitze neu geschaffen werden sollen, darf unbeschadet der sonstigen Bewilligungsvoraussetzungen nur erteilt werden, wenn für das betreffende Grundstück eine Festlegung nach Abs. 3 zweiter und dritter Satz vorliegt und die höchstzulässige Anzahl an Freizeitwohnsitzen nicht überschritten wird. Maßgebend ist die Anzahl der Freizeitwohnsitze aufgrund des Verzeichnisses der Freizeitwohnsitze nach § 14 Abs. 1.
(7) Unbeschadet der Abs. 3 und 4 dürfen auf Sonderflächen für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen sowie auf Sonderflächen für Hofstellen Neubauten, die ganz oder teilweise als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, nicht errichtet werden. Im Übrigen darf im Fall von Freizeitwohnsitzen auf Sonderflächen für Hofstellen weiters das nach § 44 Abs. 7 lit. c zulässige Höchstausmaß der Wohnnutzfläche nicht überschritten werden.
(8) Weiters dürfen Wohnsitze aufgrund einer Ausnahmebewilligung des Bürgermeisters nach diesem Absatz oder aufgrund einer entsprechenden Ausnahmebewilligung nach früheren raumordnungsrechtlichen Vorschriften als Freizeitwohnsitze verwendet werden. Die Ausnahmebewilligung ist nur zu erteilen:
a) auf Antrag des Erben oder Vermächtnisnehmers, wenn die Voraussetzungen nach § 5 lit. a des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl. Nr. 61/1996, in der jeweils geltenden Fassung vorliegen und der betreffende Wohnsitz dem Antragsteller oder anderen Personen nicht anderweitig der Befriedigung eines Wohnbedürfnisses dient,
b) auf Antrag des Eigentümers des betreffenden Wohnsitzes oder des sonst hierüber Verfügungsberechtigten, wenn ihm aufgrund geänderter Lebensumstände, insbesondere aufgrund beruflicher oder familiärer Veränderungen, eine andere Verwendung des Wohnsitzes nicht möglich oder zumutbar ist, der Wohnsitz anderen Personen nicht anderweitig der Befriedigung eines Wohnbedürfnisses dient und der Antragsteller insbesondere im Hinblick auf seine persönlichen oder familiären Verhältnisse oder seine Rechtsbeziehung zum Wohnsitz ein Interesse am Bestehen des Wohnsitzes hat.
(9) Der Inhaber einer Ausnahmebewilligung im Sinn des Abs. 8 erster Satz darf den Freizeitwohnsitz nur für sich, seine Familie und seine Gäste verwenden. Die entgeltliche Überlassung des Freizeitwohnsitzes ist nicht zulässig.
(10) Um die Erteilung der Ausnahmebewilligung im Sinn des Abs. 8 erster Satz ist schriftlich anzusuchen. Der Antrag hat den betreffenden Wohnsitz zu bezeichnen und die zur Beurteilung des Vorliegens der Bewilligungsvoraussetzungen erforderlichen Angaben zu enthalten. Die Richtigkeit dieser Angaben ist vom Antragsteller durch geeignete Unterlagen nachzuweisen oder, soweit ihm dies nicht möglich ist, anderweitig glaubhaft zu machen. Der Bürgermeister hat über den Antrag mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden. Die Ausnahmebewilligung ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr vorliegen.
(11) Zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der sich aus den vorstehenden Bestimmungen ergebenden Beschränkungen für Freizeitwohnsitze sind den damit betrauten Organen der Gemeinde die Zufahrt und zu angemessener Tageszeit der Zutritt zu dem jeweiligen Objekt zu gewähren und die erforderlichen Auskünfte über dessen Verwendung zu erteilen. Ist auf Grund bestimmter Tatsachen eine Nutzung anzunehmen, die den Beschränkungen widerspricht, haben die Versorgungs- oder Entsorgungsunternehmen, die Erbringer von Postdiensten oder von elektronischen Zustelldiensten auf Anfrage der Behörde die zur Beurteilung der Nutzung erforderlichen Auskünfte zu erteilen oder die erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln.“
Tiroler Bauordnung 2022 – TBO 2022, LGBl Nr 44/2022:
„§ 46
Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes
(6) Die Behörde hat dem Eigentümer einer baulichen Anlage oder, wenn diese – außer im Rahmen einer kurzzeitigen Vermietung an wechselnde Personen – durch einen Dritten benützt wird, diesem deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen,
…
g) wenn er einen Wohnsitz entgegen dem § 13 Abs. 3 oder 8 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 als Freizeitwohnsitz oder ungeachtet des Erlöschens seiner Eigenschaft als Freizeitwohnsitz (§ 16 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022) weiter als Freizeitwohnsitz verwendet oder
…“
Im Übrigen wird auf die Internetseite ris.bka.gv.at (Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes) verwiesen.
V. Erwägungen:
Nach § 46 Abs 6 lit g TBO 2022 hat die Baubehörde dem Eigentümer einer baulichen Anlage oder, wenn diese – außer im Rahmen einer kurzzeitigen Vermietung an wechselnde Personen – durch einen Dritten benützt wird, diesem die weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen, wenn er einen Wohnsitz entgegen dem § 13 Abs 3 oder 8 TROG 2022 als Freizeitwohnsitz verwendet.
Die Baubehörde ist daher zur Erlassung eines baupolizeilichen Bescheides gemäß § 46 Abs 6 lit g TBO 2022 grundsätzlich zuständig und kommt aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes den Bestimmungen des § 13 TROG 2022 in einem solchen baupolizeilichem Verfahren Relevanz zu.
§ 13 Abs 1 TROG 2022 definiert Freizeitwohnsitze wie folgt: Freizeitwohnsitze sind Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden.
In der Beschwerde wird versucht, die vorgenannte Definition eines Freizeitwohnsitzes dahingehend zu beschränken, dass dieser lediglich zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet wird. Mit dieser rechtlichen Interpretation wird jedoch der gesetzlichen Bestimmung nicht Rechnung getragen. Vielmehr besteht diese auch dahingehend, dass das Gebäude oder Teile Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden nicht der Befriedigung des ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen.
Auch wenn die höchstgerichtliche Rechtsprechung darauf hinweist, dass die Wohnsitzdefinition nach § 1 Abs 6 Meldegesetz nicht zielführend ist, da das TROG 2022 selbst eine Definition von Freizeitwohnsitz enthält (vgl VwGH 30.08.2022, Ra 2022/06/0193 ua), so kann die Bestimmung nach § 1 Abs 8 Meldegesetz Anhaltspunkte liefern, was den Mittelpunkt der Lebensbeziehung eines Menschen charakterisieren. Nach Abs 8 leg cit sind dafür insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Die Eheleute OO sind beide pensioniert, weshalb kein Anknüpfungspunkt im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit bestehen kann. Eine berufliche Tätigkeit von sonstigen Familienmitgliedern ist auch nicht zu erblicken, sieht man von der Skilehrertätigkeit von CC während ihres Sabbatsjahres ab. BB und AA haben zwar Verwandte in England, jedoch keine minderjährigen Familienangehörigen dort oder sonst wo. Funktionen in Vereinen etc üben Sie weder in England noch in Tirol aus.
Insofern kommen bei dieser Betrachtungsweise den gesellschaftlichen, familiären und sozialen Kontakten, die im Zusammenhang mit ihren Aufenthalten am Adresse 2 in Y stehen, und der damit verbundenen Aufenthaltsdauer besondere Bedeutung zu.
Im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl VwGH 28.06.2021, Ra 2021/06/0056 mwH) kann von einem anderen Wohnsitz als von einem Freizeitwohnsitz dann nicht gesprochen werden, wenn kein deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen der Beschwerdeführer am konkreten Ort feststellbar ist.
Selbstredend ergibt sich während der Aufenthalte in Y, in England oder auf Reisen eine familiäre Beziehung zwischen den Eheleuten.
Gegenständlich bringen die Eheleute OO vor, ca 6 Monate im Jahr in Y zu verbringen. In der Einvernahme bringen Sie vor, dass sie im Wesentlichen von ca Mitte Dezember bis Mitte März sowie die Monate Juli und August hier verbringen. Unbeschadet der weiteren kürzeren Aufenthalte ergibt sich sohin für das Verwaltungsgericht, dass sie sich beginnend mit den Weihnachtsvorbereitungen insbesondere zum Skifahren während der Wintersaison und dann wiederum zum Wandern oder sonstigen Freiluftaktivitäten in den beiden Sommermonaten Juli und August in Tirol aufhalten, während die weniger attraktiven Monate hauptsächlich in England verbracht werden oder die Eheleute auf Reisen sind.
Das Verwaltungsgericht übersieht nicht, dass die Eheleute OO sich in Tirol einen Wohnsitz geschaffen haben, der Anknüpfungspunkt für gesellschaftliche, soziale und familiäre Beziehungen bzw Ereignisse bildet. Sowohl die freundschaftlichen Beziehungen, die Sie in Österreich pflegen als auch die Tatsache, dass sie Besuch - auch zu Weihnachten und sonstigen Anlässen - von Freunden und Verwandten, zum Teil auch aus dem Ausland über mehrere Tage erhalten, werden nicht in Abrede gestellt.
Andererseits verbringen sie ca 6 Monate nicht in Y, davon zumindest 120 Tage pro Jahr in England, sind dort steuerpflichtig und sozialversichert (NHS), in Österreich zusatzversichert. Die Deutschkenntnisse reichten für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung offenkundig nicht aus, haben doch die Beschwerdeführer selbst um die Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache ersucht. Diese Erforderlichkeit hat sich auch im Zuge der mündlichen Verhandlung herausgestellt.
Wenn die Beschwerde vorbringt, dass die Eheleute OO beide Wohnsitze, nämlich jenen in Y und den in England ständig nutzen und ihre familiären Lebensbeziehungen an beiden Orten pflegen, so wird dieses Vorbringen von den beiden Beschwerdeführern im Zuge ihrer Ausführungen bei der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol unterstrichen. AA hat angegeben, dass sie deshalb einen Nebenwohnsitz in Y angemeldet habe, weil dem so sei. Ihr Hauptwohnsitz sei in England. BB führte dazu aus, dass Y deshalb kein Freizeitwohnsitz sei, weil sie dort nicht einfach ihre Ferien verbringen würden, es sei aber auch nicht ausschließlich ihr Wohnsitz. Es liege irgendwo dazwischen, weshalb es kein Freizeitwohnsitz sei.
Aufgrund der getroffenen Feststellungen, insbesondere auch aufgrund dieser Beschwerdeausführungen und Einlassungen der Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung, kann von einem deutlichen Übergewicht hinsichtlich der familiären Lebensbeziehungen der Eheleute OO in Y nicht gesprochen werden, wobei insbesondere die Aufenthaltsdauer von lediglich ca einem halben Jahr nicht dazu führen kann, von einem ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnis sprechen zu können.
Ergänzend zu CC:
CC bringt in der Beschwerde selbst vor, sich immer wieder mehrere Wochen im Jahr am hier gegenständlichen Wohnsitz aufzuhalten, und legt unmissverständlich dar, dort nicht den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu haben. Insofern dient die Liegenschaft Adresse 2 nicht ihrem ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnis.
Die Zusatznutzung durch CC wäre nur dann keine Freizeitwohnsitznutzung, würde der Wohnsitz für zumindest eine Person (zB Mutter AA oder Vater BB) der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen. Nachdem dies nicht der Fall ist, war auch CC die Nutzung der hier gegenständlichen Liegenschaft als Freizeitwohnsitz zu untersagen.
Die von der Behörde ausgesprochenen Untersagungen enthielten keine Leistungsfristen. Eine Thematisierung dieses Umstandes ist in der Beschwerde nicht erfolgt. Nachdem mit den gegenständlichen Untersagungen den Beschwerdeführen aufgetragen wird, den gegenständlichen Wohnsitz nicht mehr als Freizeitwohnsitz zu nutzen, sind gemäß § 59 Abs 1 AVG auch angemessene Leistungsfristen festzusetzen. Die Fristen von jeweils einem Monat sind jedenfalls als angemessen zu beurteilen, zumal es den Beschwerdeführern innerhalb dieses Zeitraumes möglich sein muss, unter Anspannung aller ihrer Kräfte den Untersagungen nachzukommen.
Die Beschlüsse ergingen zu Klarstellung, da jede Person hinsichtlich der Benützungsuntersagung der jeweils beiden anderen Personen nicht Partei des Verfahrens ist und die Beschwerde daher wechselseitig nicht zulässig sein kann
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Ing. Mag. Peinstingl
(Richter)
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