LVwG Tirol LVwG-2022/25/0971-4

LVwG TirolLVwG-2022/25/0971-428.6.2022

BArbSchV 1994 §61 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.25.0971.4

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren am XX.XX.XXXX, wohnhaft **** Z, Y, Adresse 1, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, **** X, vom 28.03.2022 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W vom 21.03.2022, ZL ***, betreffend Übertretungen nach dem ASchG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht:

 

1. Hinsichtlich Spruchpunkt 1. wird die Beschwerde nach Maßgabe folgender Spruchberichtigung als unbegründet abgewiesen:

Im ersten Satz des Tatvorwurfes wird nach den Worten „als Gewerbeinhaber“ eingefügt „und Arbeitgeber“.

 

2. Hinsichtlich der Spruchpunkte 2., 3. und 4. wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

 

3. Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 166,00 zu leisten.

 

4. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang:

 

Im bekämpften Straferkenntnis werden Herrn AA folgende Übertretungen angelastet und Strafen über ihn verhängt:

 

„1. Datum/Zeit: 02.08.2021, 08:50 Uhr

Ort: **** V, Adresse 3

 

Sie haben es als Gewerbeinhaber des ggstl. Gewerbebetriebes mit der Gewerbeberechtigung Maler und Anstreicher gemäß § 94 Z 47 GewO 1994 erteilt durch die Bezirkshauptmannschaft W am 01.02.2011, ZI. *** am Standort **** U, Adresse 4, zu verantworten, dass der Arbeitsinspektor bei einer Überprüfung am 03.08.2021 festgestellt hat, dass am 02.08.2021 gegen 08:50 Uhr ein Arbeitnehmner der Firma "CC, Inh. AA e.U.", **** U, Adresse 4, auf der Baustelle "DD, **** T, Adresse 3", auf einem Gerüst arbeitete, obwohl für dieses Gerüst kein Überprüfungbefund auf der Baustelle vorlag und in weiterer Folge sogar ca. 4m abgestürzt ist und sich dabei unbestimmten Grades verletzte

 

2. Datum/Zeit: 02.08.2021, 08:50 Uhr

Ort: **** V, Adresse 3

 

Sie haben es als Gewerbeinhaber des ggstl. Gewerbebetriebes mit der Gewerbeberechtigung Maler und Anstreicher gemäß § 94 Z 47 GewO 1994 erteilt durch die Bezirkshauptmannschaft W am 01.02.2011, ZI. *** am Standort **** U, Adresse 4, zu verantworten, dass der Arbeitsinspektor bei einer Überprüfung am 03.08.2021 festgestellt hat, dass am 02.08.2021 gegen 08:50 Uhr ein Arbeitnehmner der Firma "CC, Inh. AA e.U.", **** U, Adresse 4, auf der Baustelle "DD, **** T, Adresse 3", auf einem Gerüst arbeitete, obwohl bei einer Absturzhöhe von mehr als 2m eine stirnseitige Absturzsicherung fehlte und in weiterer Folge sogar ca. 4m abgestürzt ist und sich dabei unbestimmten Grades verletzte

 

3. Datum/Zeit: 02.08.2021, 08:50 Uhr

Ort: **** V, Adresse 3

 

Sie haben es als Gewerbeinhaber des ggstl. Gewerbebetriebes mit der Gewerbeberechtigung Maler und Anstreicher gemäß § 94 Z 47 GewO 1994 erteilt durch die Bezirkshauptmannschaft W am 01.02.2011, ZI. *** am Standort **** U, Adresse 4, zu verantworten, dass der Arbeitsinspektor bei einer Überprüfung am 03.08.2021 festgestellt hat, dass am 02.08.2021 gegen 08:50 Uhr ein Arbeitnehmner der Firma "CC, Inh. AA e.U.", **** U, Adresse 4, auf der Baustelle "DD, **** T, Adresse 3", auf einem Gerüst arbeitete, obwohl diese Mängel aufwies, wie z.B. fehlende Absturzsicherungen, fehlende stirnseitige Wehren, fehlende Fußwehren und nicht fachgemäße Verbindung von Gerüstteilen mit Bindedraht und in weiterer Folge sogar ca. 4m abgestürzt ist und sich dabei unbestimmten Grades verletzte

 

4. Datum/Zeit: 02.08.2021, 08:50 Uhr

Ort: **** V, Adresse 3

 

Sie haben es als Gewerbeinhaber des ggstl. Gewerbebetriebes mit der Gewerbeberechtigung Maler und Anstreicher gemäß § 94 Z 47 GewO 1994 erteilt durch die Bezirkshauptmannschaft W am 01.02.2011, ZI. *** am Standort **** U, Adresse 4, zu verantworten, dass der Arbeitsinspektor bei einer Überprüfung am 03.08.2021 festgestellt hat, dass am 02.08.2021 gegen 08:50 Uhr ein Arbeitnehmner der Firma "CC, Inh. AA e.U.", **** U, Adresse 4, auf der Baustelle "DD, **** T, Adresse 3", auf einem Gerüst arbeitete, obwohl das Gerüst weder nach fachmännischen Grundsätzen in dem für die Ausführung der Arbeiten und dem Schutz der Arbeitnehmern notwendigen Umfang errichtet (Verbindung von Gerüstteilen mittels Bindedraht) noch nicht den entsprechend den auftretenden Beanspruchungen unter Zugrundelegung ausreichender Sicherheit anerkannten Regeln bemessen und in weiterer folge sogar ca. 4m abgestürzt ist und sich dabei unbestimmten Grades verletzte

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

 

1. § 159 Abs. 2 BauV iVm § 61 Abs. 1 und 5 BauV

2. § 7 Abs. 2 Z 4 BauV

3. § 62 Abs. 4 BauV

4. § 55 Abs. 1 BauV

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

 

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

 

Gemäß

 

1. € 830,00

4 Tage(n) 16 Stunde(n)

0 Minute(n)

 

§ 130 Abs. 5 ASchG iVm § 118 ASchG

2. € 830,00

0 Tage(n) 12 Stunde(n)

0 Minute(n)

 

§ 130 Abs. 5 ASchG iVm § 118 ASchG

3. € 830,00

0 Tage(n) 12 Stunde(n)

0 Minute(n)

 

§ 130 Abs. 5 ASchG iVm § 118 ASchG

4. € 830,00

0 Tage(n) 12 Stunde(n)

0 Minute(n)

 

§ 130 Abs. 5 ASchG iVm § 118 ASchG

    

 

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 332,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

 

€ 3.652,00“

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher Herr AA durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführt, dass das gegenständliche Gerüst bauseits und nicht von ihm gestellt worden sei. Er habe Frau DD noch vor Beginn der Bauarbeiten ein Angebot hinsichtlich eines sach- und fachgerechten Gerüstes unterbreitet, welches von dieser aus Kostengründen nicht angenommen worden sei. Er habe sich jedenfalls im Mai 2020 noch vor Beginn der Arbeiten seiner Firma persönlich versichert, dass das bauseits gestellte Gerüst keine offensichtlichen Mängel aufweist und gefahrlos benützt werden kann. Sollte dieses Gerüst zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens tatsächlich die dargestellten Mängel aufgewiesen haben, sei davon auszugehen, dass es nach seiner persönlichen Besichtigung umgebaut wurde. Sämtliche Mitarbeiter seien einschlägig Geschulte und angewiesen, bauseits gestellte Gerüste auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Auch der Verunfallte sei einschlägig geschult und entsprechend angewiesen gewesen. Wenn er sich diesen Anweisungen widersetzt habe, falle dies nicht in die Verantwortung des Beschwerdeführers. Im Betrieb fänden wiederkehrend Schulungen zu diesem Themengebiet statt und bestünde ein ausreichendes Kontrollsystem. Der Verunfallte habe ein grob fahrlässiges Verhalten gesetzt, in dem er sich auf die Absicherung des obersten Gerüstteils setzte. Es werde die Einvernahme der Zeugen EE und FF beantragt zum Beweis dafür, dass sämtliche Arbeitnehmer angewiesen sind, bauseits gestellte Gerüste vor Benützung auf die Arbeitnehmerschutzbestimmungen hin zu überprüfen und dass wiederkehrende Schulungen zu diesem Thema stattfänden und ein ausreichendes Kontrollsystem vorhanden sei. Es werde die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung beantragt, in eventu Erteilung einer Ermahnung, in eventu Unterschreitung der Mindeststrafe bis zur Hälfte gemäß § 20 VStG.

 

Darüber hinausgehend führte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Folgendes an:

 

„Ich bin Inhaber des reglementierten Gewerbes Maler und Anstreicher gemäß § 94 Ziffer 47 GewO und betreibe damit den Betrieb „CC, Malerei AA eU“ in **** U, Adresse 4. Ich war am 02.08.2021 Arbeitgeber von GG und setzte diesen zu Arbeiten auf der Baustelle in T, Adresse 3, ein. Es ist korrekt, dass er gegen 08:50 Uhr auf einem von der Bauherrin aufgestellten Gerüst arbeitete und aus ca 4 Meter Höhe abstürzte. Ich habe dem Arbeitnehmer GG den Auftrag zum Besteigen des Gerüsts gegeben, meine Mitarbeiter hatten den Auftrag, die Fassade zu verputzen. Bevor erstmals Arbeitnehmer von mir zum Verputzen der Fassade entsandt wurden, habe ich das Gerüst überprüft, ob es nach fachmännischen Grundsätzen errichtet und den auftretenden Beanspruchungen entsprechend bemessen wurde. Das müsste irgendwann im Mai 2021 gewesen sein, weil wir in diesem Monat mit den Arbeiten begonnen haben. Wir haben zuerst mit Arbeiten angefangen, für die man nicht das Gerüst brauchte, das waren die Sockelplatten und im Zuge dessen habe ich mir das Gerüst mitangeschaut mit dem Ergebnis, dass nicht alles gepasst hat. Diverse Stangen haben gefehlt, es gab keine Absturzsicherung zu den Seiten hin und ein paar Sicherungen der Stangen waren zwar in der Wand drinnen, aber in Kopfhöhe, war für die Arbeitnehmer ein Hindernis darstellt. Ich habe meine Mitarbeiter vor Ort daraufhin angewiesen, dass sie die Kundschaft darauf aufmerksam machen. Die Kundschaft hat zu meinen Mitarbeitern gesagt, dass sie die fehlenden Teile einfach ergänzen sollen. Die Mitarbeiter meiner Firma haben dann mit unserem Material die fehlenden Gerüstteile ergänzt. Das erfolgte mit Gegenständen, die vor Ort waren, das Fehlende wurde von unserer Firma aus dem Lager geholt. Ich habe mir danach das Gerüst nochmals angesehen und dann hatte es gepasst. Das war am 18.05.2021, das ergibt sich aus dem Sammelbericht Nr. 1, den ich dem Gericht vorgelegt habe. Das habe ich deshalb so genau festgehalten, weil es eine Extraleistung von uns war, die auch abgerechnet werden musste. Die Abnahme des Gerüsts hat auch die Kundschaft unterschrieben. Das auf der Baustelle vorhandene Gerüst gehört Frau DD und wurde von ihr selbst aufgestellt. Das sagte sie mir schon damals, als ich ihr das Angebot unterbreitete, dass sie unser Gerüst nicht nehmen möchte und zwar aus Kostengründen. Ich fragte sie dann, ob das schon ein systemkonformes Gerüst ist und sie sagte mir, dass es von einem deutschen Hersteller sei und alle zugelassen wäre. Ob das Gerüst von Frau DD nach Fertigstellung einer Überprüfung durch eine fachkundige Person des Gerüstaufstellers unterzogen wurde, kann ich nicht angeben, ich weiß nur, dass Frau DD mehrere Gebäude besitzt und diese renoviert hat und selbst tatkräftig immer auf den Baustellen anwesend war und so viel wie möglich selbst erledigte. Das Gerüst wurde in wiederholten Abständen von mir selbst oder von Mitarbeitern von mir auf seine korrekte Beschaffenheit überprüft. Nachdem die Gerüstadaptierungsarbeiten gemacht wurden, habe ich mir das Gerüst am 20.05.2021 nochmals angesehen, dort habe ich meine Mitarbeiter angewiesen, dass sie noch ein paar Sachen adaptieren sollen, was erfolgte. Dann hat es eine längere Unterbrechung gegeben, da wir auf Materialien (Styropor) warten mussten. Ab dem 20. oder 21.07.2021 wurden die Arbeiten am Gerüst fortgesetzt, ich habe mir das Gerüst davor nochmals angesehen; Frau DD hatte das Gerüst zwischenzeitlich wieder umgebaut bzw abgebaut und neu aufgebaut. Ich gab dann meinen Mitarbeitern wieder den Auftrag die Adaptierungen am Gerüst durchzuführen, die notwendig sind, damit es korrekt ist. Das war am 21.07.2021. Meine Fachkunde zum Gerüste aufstellen rührt daher, dass ich so wie meine Mitarbeiter eine Lehre zum Maler und Anstreicher absolviert habe. Im Rahmen der Lehre zum Maler und Anstreicher lernt man auch das Gerüst aufstellen, den sicheren Umgang mit Leitern usw. Ich mache diese Arbeiten jetzt seit 20 Jahren und habe mir damit entsprechende Erfahrung angeeignet. Damit wir nicht nur für das Gewerbe des Malers und Beschichtungstechnikers für uns selbst rüsten, sondern auch für Fremdfirmen, habe ich den Statikerkurs besucht, musste dabei eine Prüfung absolvieren, was Voraussetzung für die Anmeldung des Baugewerbetreibenden, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, weiters eingeschränkt auf das Aufstellen von Gerüsten, war. Wenn ich gefragt werde, ob es eine Bedienungsanleitung für das Gerüst gab, so kann ich das jetzt nicht mehr genau sagen.

 

Die Daten, die ich dem Verhandlungsleiter vorhin angegeben habe, habe ich aus den beiden Regieberichten, die ich vorhin dem Gericht vorlegte, herausgelesen. Da meine Handschrift in den Regieberichten schwer lesbar ist, lese ich diese dem Gericht vor. Die erbrachten Leistungen im Sammelbericht 1 lauten wie folgt:

„Sämtliche Zeiten: Leistungen inklusive aliquoten An- sowie Abfahrtszeiten, Auswasch- und Packzeiten, Mülltrennung und Entsorgung. Rund 15 Regiestunden Facharbeiter sind im Auftrag enthalten! Die nicht tragfähigen Oberputze etc, herunterwaschen und abschaben. Die Fehlstellenausbrüche in Mauerwerk etc, Vorschmeißen mit Schlitzputz und Kleber ausgleichen. Wegflexen und Entfernen von Betonsäulen laut Absprache mit Bauherrschaft, diverse Gerüstadaptierungsarbeiten inkl. Lieferung und Montage. Herstellen von sämtlichen Türen und Fensterlaibungen von schrägen Laibungen angepasst auf 30°-Winkel inkl Runden Fenster, Halbrundungen etc. Fensterstandard 1,0 Stunden, Türe 2,0 Stunden, Rundungen 2,0 Stunden, gesamt 22 Stunden“. Farblich hervorgehoben im Regiebericht steht Folgendes: „Gerüstadaptierungsarbeiten an Nordseite, Auslegen mittels Schaltafeln auf Holzunterkonstruktion mittels Schrauben befestigt. Ausschmeißen und Vorlegen von diversen Wandputzbrüchen“. Bezüglich des Gerüsts ist das Datum 18.05. vermerkt.

 

Auf dem Regiebericht Nr. 2 verweise ich darauf, dass der erste Satz zu den erbrachten Leistungen identisch zu Sammelbericht 1 ist, der 2. Satz lautet: „20.05.: Arbeitsschutzgerüst in Firma laden, liefern, abladen und Gerüst montieren. Lager auf drei Seiten überall adaptieren. Anpassen und Herstellen von provisorischem Arbeitsgerüst/Holzpodest auf Vordach bei Holzhütte. Diverse Verputzarbeiten in Mietwohnung ohne Verrechnung sowie gratis Materialbeistellung. 21.07.: Laut Auftrag von Frau DD diverse Gerüstadaptierungen sowie Neuaufstellungsarbeiten. Material, Lager, CC aufladen. Liefern, Aufbauen von drei Fassadenseiten sowie Giebelseite etc.“

 

Ich habe mich nicht davon überzeugt, ob für dieses Gerüst ein Prüfbefund auf der Baustelle zur Einsichtnahme auflag. Ich habe das vor Ort selbst abgenommen und es ist ein Systemgerüst, auch ein stabiles bei vernünftiger Montage. Wenn ich gefragt werde, ob ich nach dem Mai 2020 das Gerüst hinsichtlich Prüfbefund, Absturzsicherungen und fachgemäßer Verbindung der Gerüstteile überprüft habe, so bejahe ich dies und verweise auf meine vorigen Aussagen.

 

Wenn ich gefragt werde, ob ich grundsätzlich Vorsorge gegen das Abstürzen von Arbeitnehmern von Gerüsten getroffen habe, so bejahe ich dies und begründe es damit, dass meine Mitarbeiter in erster Linie alle einschlägige Vorkenntnisse haben, für alle Mitarbeiter gibt es Helme, wir haben Fallsicherungsgurte. Meine Arbeitnehmer sind mindestens zweimal in der Woche mit mir selbst auf den Baustellen und wissen deshalb auch genau die Abläufe. Zum Verputzen setzt sich allerdings kein Mitarbeiter einen Helm auf, weil die Arbeitnehmer dies aus Komfortgründen nicht mögen und es auch nicht nötig ist. Zum Gerüst aufstellen setzen die Arbeitnehmer die Helme auf. Das Gleiche gilt für die Gurte, auch GG ist seit 15 Jahren auf Baustellen und hat jedes Jahr, wenn er wieder bei uns neu angefangen hat, eine neue wiederkehrende Einweisung erhalten von mir oder von Mitarbeitern von mir. Wenn ich gefragt werde, warum er sich trotzdem auf die Absicherung des obersten Gerüstteils gesetzt hat, dann kann ich mir das nur damit erklären, dass es bequem für ihn war. Er hat sich während der Verputzarbeiten auf diese Absturzsicherungsstange gesetzt; ich war nicht selbst auf der Baustelle anwesend, das haben mir seine Kollegen so mitgeteilt. Nachdem der Unfall passiert ist, haben mich die Mitarbeiter gleich angerufen und ich bin sofort zur Baustelle hingefahren und war sogar noch vor der Rettung dort. Ich sah dabei Herrn GG am Boden liegen, er hat übel ausgesehen. Herr GG hatte sich die Hand gebrochen und lag am Boden und sah insgesamt ziemlich schlecht aus. Nachdem Herr GG von der Rettung abtransportiert wurde, habe ich mit den beiden anderen Mitarbeitern gesprochen und sie sagten mir, dass es sie nicht wunderte, dass er heruntergefallen ist; schon in der Früh hatte er etwas komisch ausgesehen, das wurde mir aber eben erst danach erzählt und sie fragten GG dann, was mit ihm los sei und er gab dabei zu verstehen, dass er vom Wochenende her noch einen Restalkohol in sich hatte. Er bezeichnete dies als schweres Wochenende. Trotz seines Körpergewichts von ca 120 kg hatte er sich auf die oberste Stange gesetzt während des Putz Auftragens. Während des Putz Verreibens ergeben sich Schwingungsbewegungen, die beim Sitzen auf die Stange übertragen werden, was dann vermutlich die Befestigung der Stange gelöst hatte. Die Wehren sind nicht zum sich Draufsetzen ausgelegt. Wenn man zum Beispiel stolpert und sich dann an der Wehr abstützt, handelt es sich dabei um eine horizontale Kraft, auf die die Wehr ausgelegt ist, wenn man sich allerdings daraufsetzt, ist es eine vertikale Kraft, für die die Wehr nicht vorgesehen ist. Herr GG hatte bei uns noch nie so einen Blödsinn gemacht und deshalb war das für mich überhaupt nicht vorhersehbar. Mir ist bei meinen Mitarbeitern auch nie aufgefallen, dass sich jemand auf die Wehr während des Verputzens gesetzt hätte. Jeder Arbeitnehmer weiß, dass er sich nicht auf die Wehr setzen darf. Das weiß auch jeder Lehrling und wird natürlich ständig geschult.

 

Es handelt sich dabei um ein deutsches Systemgerüst, ich habe den Hersteller auch gegoogelt, es handelt sich dabei um einen namhaften Hersteller, den Namen weiß ich jetzt nicht mehr. Jedes der von uns aufgestellten Gerüste wird nach den Vorschriften der AUVA geprüft. Das Formblatt gemäß § 61 Abs 1 Bauarbeiterschutzverordnung habe ich stets dabei. Ich betone aber nochmals, dass dieses Gerüst eben nicht von uns, sondern von Frau DD war. Es handelt sich auch um das erste und einzige Gerüst innerhalb von 15 Jahren, welches nicht von uns stammte. Es war natürlich auch das Letzte. Ich nehme sämtliche Gerüste ab und baue sie teilweise auf, dabei wird insbesondere auch auf das Gelände geachtete, dass dieses fest und verdichtet ist und ich halte mich hier an die ÖNORM. Man muss sich davor den Bauplatz ansehen, es geht beim Gelände los, bevor man das Gerüst aufstellt und hört dann bei irgendwelchen elektrischen Leitung auf, die sich in der Nähe befinden. Für gegenständliches Gerüst gab es mit Sicherheit eine Bedienungs-, Aufstellungs- und Anwendungsanleitung. Das Gerüst wurde – wie bereits erwähnt – von der Kundschaft bauseits gestellt. Wir haben das nur kontrolliert, bevor wir mit unseren Arbeiten angefangen haben. Die Gerüste funktionieren im Wesentlichen alle gleich, die Systeme sind zum Teil sogar kompatibel und kann man sie kombinieren. Wenn ich gefragt werde, ob ich mir die Aufbau- und Bedienungsanleitung des auf der Baustelle von Frau DD vorhandenen Gerüsts angesehen habe, so führe ich dazu an, dass, weil es sich um dasselbe System handelt, wie jene Gerüste, die in meiner Firma verwendet werden, es nicht mehr notwendig war. Da gibt es maximal 20 verschiedene Gerüstteile, die im System korrekt zusammengebaut und eingestellt werden müssen. In der Bedienungsanleitung der in meiner Firma verwendeten Gerüste findet sich das, was ich im konkreten Fall auf der Baustelle bei dem Gerüst auch geprüft habe; eben einmal, ob der Untergrund geeignet ist, welche Arbeiten von dem Gerüst aus ausgeführt werden sollen (das hat etwas mit der Gewichtsbelastung zu tun), dann kann man noch überprüfen, zu welcher Jahreszeit die Gerüste stehen, das hat etwas mit der Sturm- oder Schneebelastung zu tun. Dementsprechend muss dann das Gerüst noch mehr am Gebäude befestigt werden. Dann werden zum Beispiel Leitern geprüft, mit denen man das Gerüst ersteigt, die ausreichend dimensioniert sein müssen, dass sie in erforderlicher Anzahl in den vorgeschriebenen Abständen vorhanden sind, dann braucht es Fußwehren, Geländer, Dachfanggerüste, Splinte, Netze, etc. Die Prüfung kann durch die ÖNORM erfolgen oder mittels den vorgegebenen Formblätter, bei denen es sich um eine Art Checkliste handelt. Diese Formblätter wurden uns in Kooperation mit der AUVA mitgegeben. Ich lege dem Verhandlungsleiter ein entsprechendes Blatt vor, welches dieser zum Akt nimmt. Wenn ich gefragt werde, wie man den Abnahmebefund erstellen kann, wenn man die Herstellerangaben nicht kennt, führe ich an, dass die ÖNORM oberhalb der Herstellerangaben ist und wenn ich mich danach richte, sind die Herstellerangaben sowieso erfüllt. Wenn die Abnahme durch die ÖNORM nicht möglich ist oder auch durch die AUVA-Abnahmeblätter, dann kann das Gerüst nicht freigegeben werden. Die Gerüstteile müssen kompatibel sein und das CE-Zeichen aufweisen. Wir haben Arbeitsschutzgerüste von JJ, ich habe auch Teile der Firma KK; die Gerüste von JJ und KK sind nicht kompatibel, deswegen haben wir in der Firma zwei unterschiedliche Systeme. Ich gehe davon aus, dass der Grund für den Absturz nicht ein falsch aufgebautes Gerüst war, sondern dass jemand daran herummanipuliert hat. Wenn die Wehr nur mit Bindedraht festgemacht war, war das Gerüst natürlich nicht systemkonform.

 

Wenn mich mein Rechtsvertreter unter Bezugnahme auf den Kurzbrief der Polizeiinspektion T vom 03.09.2021 und das dortige Bild Nr 2 fragt, ob diese dort offenkundig nicht fachmännisch erbrachten Gerüstarbeiten von meiner Firma stammen, dann gehe ich davon aus, dass das selbstverständlich nicht von Mitarbeitern meiner Firma so ausgeführt wurde. Ich schätze, dass das Gerüst in der Zwischenzeit wieder ab- bzw umgebaut wurde und sich dann dieser Zustand so ergeben hat. Bei meiner letzten Überprüfung am 21.07.2021 wäre mir dieser Zustand gewiss aufgefallen.

 

Ich habe in meiner Firma zwei Vorarbeiter, die neben mir die Gerüste nach deren Aufbau abnehmen dürfen. Dies allerdings unter dem Kriterium, dass sie mir Fotos machen und eine gesamte Dokumentation erstellen; das schicken sie mir, ich schaue mir das an und wenn die Punkte erfüllt sind, gebe ich ihnen fernmündlich bescheid, dass die Abnahme so in Ordnung ist. Am Tag des Unfalls war keiner dieser Vorarbeiter auf der Baustelle. Ob das am Vortag auch so war, kann ich jetzt nicht sagen. Wieso so ein Mangel nicht von den auf der Baustelle anwesenden Mitarbeitern meiner Firma mir gemeldet wurde, kann ich auch nicht nachvollziehen und finde das echt schwach. Ich wusste natürlich nichts davon, dass nach meiner Kontrolle am 21.07.2021 an dem Gerüst wieder herummanipuliert wurde.“

 

Der Zeuge EE gab in der mündlichen Verhandlung Folgendes an:

 

„Ich habe am 02.08.2021 gegen 08.50 Uhr gemeinsam mit GG Maler- bzw Verputzarbeiten in T am Haus Adresse 3 ausgeführt. Wenn ich gefragt werde, ob mir AA den Auftrag zur Benützung des vorhandenen Gerüstes erteilt hat, führe ich an, dass dies nicht direkt so war, sondern dass er uns den Auftrag gegeben hat, die Arbeiten dort auszuführen. Ich habe den Unfall meines Kollegen GG beobachtet, er hatte sich während der Verputzarbeiten auf die Wehr gesetzt und es dauerte vielleicht 5 bis 6 Sekunden, als diese herausbrach und er mit dieser zu Boden fiel. Natürlich wissen GG und ich, dass man sich nicht auf die Wehr setzen darf, es ist halt so gewesen, dass Herr GG ziemlich korpulent ist und er auf dem Gerüst nicht mehr viel Platz hatte und mit seinem Gesäß ohnehin schon an der Absturzsicherung fast angekommen ist, sodass er sich dann dort daraufgesetzt hat. Wenn ich gefragt werde, ob ich nicht Herrn GG zugerufen hätte, dass er das sein lassen soll, dann gebe ich an, dass das alles so schnell gegangen ist, dass ich gar nicht mehr dazugekommen bin. Wenn ich gefragt werde, ob mein Arbeitgeber Vorsorgemaßnahmen zur Verhinderung von so etwas getroffen hat, so führe ich an, dass unsere Gerüste, die wir in unserer Firma verwenden, ein hohes Sicherheitsniveau haben und so etwas dort nicht passiert. Das Gerüst beim Haus V Nr *** war keines von unserer Firma. Ich war an dem Tag, als der Unfall passierte, erstmals auf dieser Baustelle zum Arbeiten eingeteilt gewesen.

 

Ich weiß nichts davon, dass Herr GG etwas davon erzählt hat, wie er das Wochenende davor verbracht hatte. Ich weiß nichts davon, ob Herr GG durch Alkohol beeinträchtigt war, er machte jedenfalls keinen beeinträchtigten Eindruck.

 

Ich wurde im Aufbau von Gerüsten unterwiesen, darunter auch von meinem Chef Herrn AA. Wenn ich gefragt werde, ob mir am Tag des Unfalls an dem Gerüst etwas aufgefallen ist, so gebe ich an, dass es nicht so gut ausgesehen hat. Normalerweise sind die Geländerstangen mit Haken eingeschlagen, aber in dem Fall war dort kein Haken, sondern ein Draht. Nach dem Unfall hat man gesehen, dass das so ausgeführt war.“

 

 

II. Sachverhalt:

 

AA ist seit 11.09.2014 Inhaber des reglementierten Gewerbes „Maler und Anstreicher gemäß § 94 Ziffer 47 GewO 1994“ und betreibt er in **** U, Adresse 4, als Einzelunternehmer die Firma „CC, Malerei AA eU“. Seit 15.07.2021 ist AA mit der erwähnten Firma auch Inhaber des reglementierten Gewerbes „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, weiters eingeschränkt auf das Aufstellen von Gerüsten“. AA hat so wie seine Mitarbeiter die Lehre zum Maler und Anstreicher absolviert, in deren Rahmen auch das Gerüsteaufstellen gelehrt wird. Im Hinblick auf das reglementierte Gewerbe als Baugewerbetreibender lag deren Anmeldung die Feststellung der individuellen Befähigung gemäß § 19 GewO 1994 zu Grunde.

AA hatte von der Hauseigentümerin DD den Auftrag übernommen, die Fassade des Hauses in **** T, Adresse 3, zu isolieren und zu verputzen. In seinem Angebot vom 20.11.2020 war auch die Position Aufstellung des Gerüsts enthalten, welches von der Bauherrin aus Kostengründen abgelehnt wurde, da sie selbst ein Gerüst besaß und dieses aufgestellt hatte. Im Mai 2021 hat sich AA dieses Gerüst seitens der Bauherrin angesehen und dabei festgestellt, dass es in verschiedenerlei Hinsicht nicht den einschlägigen Vorschriften entsprach. So haben diverse Stangen gefehlt, gab es keine Absturzsicherung zu den Seiten hin und waren ein paar Sicherungen der Stangen in Kopfhöhe. Er hat daraufhin seine Mitarbeiter vor Ort angewiesen, dies der Bauherrin mitzuteilen, die dann seinen Arbeitnehmern gesagt hatte, dass sie die fehlenden Teile ergänzen sollten, was durch die Mitarbeiter stattfand. Dafür wurden vor Ort vorhandene Gerüstteile verwendet, der Rest wurde aus dem Lager der Firma des Beschwerdeführers geholt. Nachdem die Gerüstadaptierungsarbeiten von seinen Mitarbeitern erledigt wurden, hatte der Beschwerdeführer sich das Gerüst am 20.05.2021 nochmals angesehen und seine Mitarbeiter angewiesen, noch ein paar Sachen zu adaptieren. Am 21.07.2021 hat er sich das Gerüst nochmals angesehen und war es an diesem Tag korrekt. Bei dem von Frau DD gestellten Gerüst handelte es sich um ein deutsches Systemgerüst.

Am 02.08.2021 gab er seinen Arbeitnehmern GG, EE und FF den Auftrag, beim Haus Adresse 3 die Fassade zu verputzen. GG hatte vor Arbeitsbeginn seinem Arbeitskollegen FF zu verstehen gegeben, dass er am vorangegangenen Wochenende übermäßig Alkohol konsumiert hatte und sich deshalb körperlich noch in gewisser Weise beeinträchtigt fühlte. Dem Beschwerdeführer war dieser Umstand nicht bekannt. Am 02.08.2021 handelte es sich um einen Montag. GG ist korpulent und wiegt ca 120 kg. Gegen 08:50 Uhr arbeitete er am Gerüst in ca vier Meter Höhe und führte Verputzarbeiten aus. Dabei setzte er sich auf die Stange der Absturzsicherung, die an dieser Stelle nicht durch die Steckverbindung mit dem Gerüst ordnungsgemäß verbunden war, sondern lediglich mittels Bindedraht. Dieser hielt der Belastung des darauf sitzenden Arbeitnehmers nicht stand, weshalb nach wenigen Sekunden diese Absturzsicherung herausbrach und der Arbeitnehmer GG mit dieser aus ca vier Meter Höhe zu Boden fiel. Er zog sich dabei einen Bruch der Hand zu. GG arbeitet seit 15 Jahren auf Baustellen und erhält jedes Jahr neue wiederkehrende Einweisungen, wo ihm auch mitgeteilt wurde, dass die Wehren nicht zum sich Daraufsetzen ausgelegt sind und dies verboten ist. Dies wussten sämtliche Arbeitnehmer in der Firma des Beschwerdeführers, der bis zu diesem Unfalltag noch nie festgestellt hatte, dass sich der Arbeitnehmer GG oder ein anderer seiner Arbeitnehmer auf die Wehr gesetzt hätte. Der Umstand, dass an dieser Stelle die Wehr nur mit Bindedraht mit den anderen Gerüstteilen verbunden war, rührte daher, dass vor dem Unfalltag am Gerüst herummanipuliert wurde. Ob dies seitens der Bauherrin DD oder jemandes anderen erfolgte, konnte nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer befindet sich bzw befand sich mindestens zwei Mal in der Woche bei seinen Arbeitnehmern auf den jeweiligen Baustellen.

Er hat sich nicht davon überzeugt, ob für dieses Gerüst ein Prüfbefund auf der Baustelle zur Einsichtnahme auflag.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft W und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol und dabei wiederum insbesondere aus den Erkenntnissen in der mündlichen Verhandlung am 13.06.2022.

Dabei hatte der Beschwerdeführer umfangreich ausgesagt und seine Ausführungen, wann er auf gegenständlicher Baustelle das Gerüst kontrolliert hatte, durch die Vorlage von Regieberichten glaubhaft gemacht. Auch sonst hinterließ der Beschwerdeführer dem Gericht einen glaubwürdigen Eindruck und entstand zu keiner Zeit der Eindruck, dass er den Sachverhalt tatsachenwidrig schildern würde. Beim Zeugen EE bestand auch kein Grund, den Wahrheitsgehalt seiner Angaben anzuzweifeln.

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich daher im Großteil auf die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht.

 

 

IV. Rechtslage:

 

Im gegenständlichen Verfahren sind folgende Rechtsvorschriften maßgeblich:

 

ArbeitnehmerInnenschutzgesetz:

 

„§ 130

Strafbestimmungen

(…)

(5) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8 324 €, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16 659 € zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber/in

1. den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt, oder

2. die nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden bescheidmäßigen Vorschreibungen nicht einhält.

(…)“

Bauarbeiterschutzverordnung:

 

„§ 7

Absturzgefahr

(…)

(2) Absturzgefahr liegt vor:

(…)

4. an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

(…)

 

§ 55

Gerüste

Allgemeines

 

(1) Gerüste müssen in dem für die Ausführung der Arbeiten und dem Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Umfang nach fachmännischen Grundsätzen errichtet werden. Gerüste müssen entsprechend den auftretenden Beanspruchungen unter Zugrundelegung ausreichender Sicherheit gemäß den anerkannten Regeln der Technik bemessen sein.

(…)

 

§ 61

Prüfung von Gerüsten

 

(1) Gerüste sind nach ihrer Fertigstellung einer Überprüfung durch eine fachkundige Person des Gerüstaufstellers zu unterziehen.

(2) Gerüste sind vor ihrer erstmaligen Benützung von einer fachkundigen Person des Gerüstbenützers auf offensichtliche Mängel zu prüfen. Solche Prüfungen sind nach jeder längeren Arbeitsunterbrechung, nach Sturm, starkem Regen, Frost oder sonstigen Schlechtwetterperioden, bei Systemgerüsten mindestens einmal monatlich, bei sonstigen Gerüsten mindestens einmal wöchentlich, auf offensichtliche Mängel durchzuführen.

(3) Bei Hängegerüsten ist zusätzlich täglich vor Beginn der Arbeiten durch eine fachkundige Person die Aufhängekonstruktion zu überprüfen.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. II Nr. 313/2002)

(5) Über die Überprüfungen nach Abs. 1 bis 3 sind Vormerke zu führen, wenn Absturzgefahr nach § 7 Abs. 2 Z 2 oder 4 besteht.

 

§ 62

Benützung von Gerüsten

 

(…)

(4) Ein Gerüst, das den Anforderungen an Gerüste nicht voll entspricht, darf nicht benützt werden.“

 

 

V. Erwägungen:

AA bestätigte selbst, dass er sich nicht davon überzeugt hatte, ob für dieses Gerüst ein Prüfbefund auf der Baustelle zur Einsichtnahme auflag. Damit ist der vom Arbeitsinspektorat diesbezüglich angezeigte Sachverhalt bestätigt und war der Schuldspruch hinsichtlich Spruchpunkt 1. zu bestätigen. Bezüglich der Strafhöhe konnte keine Unangemessenheit festgestellt werden, da der Arbeitsunfall eine schwere Verletzung des Arbeitnehmers zur Folge hatte und damit die Beeinträchtigungsintensität erheblich war.

 

Bezüglich der Spruchpunkte 2., 3. und 4. stellt sich die Situation so dar, dass die dort angelasteten Sachverhalte jeweils ihre Ursache darin hatten, dass der Zustand des Gerüstes nicht den fachmännischen Grundsätzen entsprach und Mängel aufwies, da die stirnseitige Absturzsicherung nicht nach fachmännischen Grundsätzen mit den anderen Gerüstteilen verbunden war, sondern nur mittels Bindedraht, womit sie den auftretenden Beanspruchungen nicht Stand halten konnte.

 

Gemäß § 61 Abs 2 Bauarbeiterschutzverordnung sind Gerüste vor ihrer erstmaligen Benützung von einer fachkundigen Person des Gerüstbenützers auf offensichtliche Mängel zu prüfen, wobei solche Prüfungen unter anderem bei Systemgerüsten mindestens einmal monatlich durchzuführen sind.

Bei AA erfolgte im Rahmen der Anmeldung des Gewerbes „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, weiters eingeschränkt auf das Aufstellen von Gerüsten“ die Feststellung der individuellen Befähigung gemäß § 19 GewO 1994, weshalb davon auszugehen ist, dass er eine fachkundige Person hinsichtlich des Aufstellens von Gerüsten im Sinn der Bauarbeiterschutzverordnung war.

 

Im Hinblick auf die von ihm am 21.07.2021 durchgeführte Überprüfung des Gerüstes auf offensichtliche Mängel hat er als Gerüstbenützer in Bezug auf den Unfalltag, 02.08.2021, den einmonatigen Prüfintervall, der für Systemgerüste gilt, eingehalten.

 

AA hat zuvor weder beim verunglückten Arbeitnehmer GG, noch bei seinen anderen Mitarbeitern jemals Verfehlungen in der Weise festgestellt, dass sie sich bei der Arbeit auf die Absturzsicherung gesetzt hätten. Diesbezügliche Belehrungen sind ergangen. Damit war dieses Verhalten des verunglückten Arbeitnehmers für ihn nicht erwartbar bzw vorhersehbar.

 

Nach herrschender Rechtsprechung muss ein Kontrollsystem geeignet sein, unter vorhersehbaren Umständen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften im jeweiligen Betrieb zu verhindern. Wenn Herr AA selbst zwei Mal in der Woche auf die jeweilige Baustelle gekommen ist, hat er nach Ansicht des Verwaltungsgerichts die ihm zumutbaren Maßnahmen gesetzt, die erforderlich sind, um die Einhaltung der einschlägigen Schutzbestimmungen sicherzustellen. Unter diesen Gegebenheiten können ihm die vor dem Unfalltag erfolgten Manipulationen am Gerüst nicht als schuldhaftes Verhalten angelastet werden, weshalb er bezüglich der Tatbilder in den Spruchpunkten 2., 3. und 4. nicht zur Verantwortung zu ziehen ist und diesbezüglich seiner Beschwerde Folge zu geben war.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

 

 

 

 

 

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