LVwG Tirol LVwG-2019/22/1527-7

LVwG TirolLVwG-2019/22/1527-713.11.2019

BauO Tir 2018 §33

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.22.1527.7

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde der Frau AA, v.d. Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 6.5.2019, Zl. ***** wegen Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit *** Wohneinheiten samt Tiefgarage auf dem Grundstück Gp. **1 KG X nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

 

zu Recht:

 

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang:

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Firma CC GmbH die Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit *** Wohneinheiten samt Tiefgarage auf dem Grundstück Gp. **1 KG X erteilt. Eine detaillierte Beschreibung des Vorhabens ist der Rubrik „Befund & Baubeschreibung“ im angefochtenen Bescheid Seite 1 ff zu entnehmen. Dagegen erhob die Nachbarin Frau AA, v.d. Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z rechtzeitig und zulässig Beschwerde und brachte darin zahlreiche Einwendung gegen das Bauvorhaben vor.

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol richtete folgendes Schreiben an den hochbautechnischen Amtssachverständigen:

 

„Sehr geehrter Herr DD,

 

bezugnehmend auf die Vorbesprechung vom 13.8.2019 ergeht, nachdem mittlerweile auch die überholten Planunterlagen seitens der Baubehörde vorgelegt wurden, folgendes Ersuchen:

 

Zunächst wird in rechtlicher Hinsicht angemerkt, dass die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 2.5.2019 den ursprünglichen Baubescheid vom 28.3.2019 aufgehoben hat. Dieser Bescheid blieb unwidersprochen und erwuchs sohin in Rechtskraft. Es folgte ein neuerlicher Baubescheid mit Datum 6.5.2019. Dieser Bescheid ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

 

 Zunächst möge überprüft werden, ob die bewilligten Planunterlagen für eine eingehende hochbautechnische Überprüfung ausreichend sind.

 Sollte diese einleitende Frage positiv beantwortet werden, möge das Bauansuchen im Hinblick auf jenes Vorbringen in der Beschwerde vom 28.5.2019 einer Überprüfung unterzogen werden, das subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen der Beschwerdeführerin betrifft. Leider ist die Beschwerde weder mit Seitenanzahlen noch mit einer Durchnummerierung der Beschwerdepunkte versehen und so sehr unübersichtlich gestaltet. Seitens des Gerichtes wurde daher eine händische Nummerierung der Seiten durchgeführt.

 

Eingegangen werden möge daher, falls hier tatsächlich Rechte der Nachbarin betroffen sind (und nicht etwa die abgewendete Seite des Bauvorhabens betroffen ist), auf folgendes Vorbringen in der Beschwerde:

- Seite 2 zweiter Beschwerdepunkt beginnend mit „Im Verfahren …“

- Seite 3 „Stützmauer bei 2“

- Seite 3 „Baufluchtlinie bei 4“: hier wird vorgebracht, dass die mittlere Wandhöhe nicht eingehalten worden sei.

- Seite 4 „Zugang zu W*** bei 6“: Dachterrasse und Abstandsbereich

- Seite 4 die letzten drei Absätze

- Seite 5 dritter Absatz „Ansicht Nord“ sowie der nächste Absatz

- Seite 6 dritter Absatz „Abstand Südost“

- Seite 6 letzter Absatz

- Seite 7 1. Absatz

 

 Weiters möge angegeben werden, ob nicht mit allfälligen Tekturen auf die Einwände bereits reagiert worden ist.

 

Vielen Dank für Ihre Bemühungen!“

 

 

 

In der Folge erstellte der hochbautechnische Amtssachverständige DD das mit 9.9.2019 datierte Gutachten (im Folgenden „Gutachten DD“). In diesem Gutachten kommt der Sachverständigen nach eingehender Prüfung der Planunterlagen und bezugnehmend auf die hier maßgeblichen Einwendungen der Beschwerdeführerin zusammenfassend zum Ergebnis, dass das Bauvorhaben einerseits dem maßgeblichen Bebauungsplan Nr. ***** sowie den einschlägigen Bestimmungen der TBO 2018, hier insb. auch den Abstandsbestimmungen des § 6, entspricht.

 

Beweis wurde weiters aufgenommenen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt. Im Rahmen dieser mündlichen Verhandlung erörterte der hochbautechnische Amtssachverständige DD sein Gutachten vom 31.10.2019 und beantwortete an ihn gerichtete Fragen.

 

 

II. Rechtsgrundlagen:

 

Die hier maßgebliche Bestimmung der Tiroler Bauordnung 2018 LGBl 28 (WV) – TBO 2018 lautet wie folgt:

„§ 33

Parteien

 

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen. Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

b) der Bestimmungen über den Brandschutz,

c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,

d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,

e) der Abstandsbestimmungen des § 6,

f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.

 

(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.

 

[…]“

 

 

III. Rechtliche Erwägungen:

 

Grundsätzlich ist zunächst auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt ist. Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in denen die Nachbarn solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht haben (vgl VwGH 31.01.2008, 2007/06/0152; 01.04.2008, 2007/06/0304 uva). Der Nachbar ist daher in seinem Vorbringen grundsätzlich auf die Geltendmachung der Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten beschränkt. Der Nachbar kann im baubehördlichen Verfahren nicht die Verletzung von gesetzlichen Bestimmungen aufwerfen, die nur dem öffentlichen Interesse dienen, da es ihm verwehrt ist, inhaltlich über den Themenkreis hinauszugehen, in dem er zur Mitwirkung berechtigt war.

 

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

 

Die beschwerdeführende Nachbarin AA ist als Eigentümerin der unmittelbar an den Bauplatz angrenzenden Gp **2 KG X unstrittig Nachbarin nach § 33 Abs 3 TBO 2018. Sie kann sohin die Nichteinhaltung aller in Abs 3 leg cit genannten bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften, soweit diese auch ihrem Schutz dienen, vorbringen.

 

Beim Beschwerdevorbringen fällt auf, dass dort „gebetsmühlenartig“ all jene Einwendungen wiederholt werden, die bereits von Anfang an gegen das Vorhaben vorgebracht wurden. Dies setzt sich auch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol fort (siehe etwa die Eingabe vom 30.10.2019). Völlig unstrukturiert und nie auf die Argumente der Behörde bzw. der beigezogenen Sachverständigen eingehend, werden, wie sich nunmehr herausgestellt hat, großteils unzulässige Einwendungen erhoben.

 

So erweist sich jedenfalls jenes umfangreiche Vorbringen in der Beschwerde als unzulässig, das die Nichteinhaltung allein jener Vorschriften moniert, die im alleinigen öffentlichem Interesse gelegen sind bzw. die, weil sie etwa allein die Bauausführung betreffen, nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sind. Dazu gehören etwa Fragen der rein zivilrechtlich relevanten Fremdgrundbenützung, der Überschreitung von Dichtebestimmungen des Bebauungsplanes oder aber an und für sich zulässige Einwendungen abstandsrechtlicher Natur, die jedoch von der beschwerdeführenden Nachbarin abgewandte Seiten des Bauprojektes betreffen. In diesem Sinne ist dem Gutachten DD in Übereinstimmung mit der Rechtslage zu entnehmen, dass einige der von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen nicht ihre Rechtsposition, sondern vielmehr die von seinem Grundstück abgewandte Seite betreffen. Diesbezüglich kommt also der Beschwerdeführerin kein Mitspracherecht zu und war daher der Beschwerde schon aus diesem Grunde zu diesen Punkten keine Folge zu geben. Zu jenen Punkten in der Beschwerde, die grundsätzlich subjektive Rechte des Nachbarn betreffen, wurde von DD in fachlicher Hinsicht klargestellt, dass diesbezüglich keine Verstöße gegen die einschlägigen baurechtlichen Bestimmungen vorliegen. Auch darauf ist der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nicht eingegangen, wie sein Schriftsatz vom 30.10.2019 zeigt. Jedenfalls wurden die fachlichen Aussagen von DD nicht ansatzweise auf gleichem fachlichem Niveau entkräftet. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol war der Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin nicht in der Lage, Argumente vorzubringen, die die fachlichen Aussagen des DD auch nur ansatzweise erschüttern konnten. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat sohin nicht die geringsten Bedenken, sich den eingehenden Ausführungen im Gutachten DD vollinhaltlich anzuschließen.

 

Zusammenfassend steht sohin für das erkennende Gericht fest, dass nach Durchführung des oben skizzierten Ermittlungsverfahrens das gegenständliche Projekt sämtlichen maßgeblichen bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen entspricht und sich daher die in der Beschwerde vorgebrachten Rechtsverletzungen schlussendlich als unbegründet erweisen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

 

Dr. Triendl

(Richter)

 

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