LVwG Tirol LVwG-2014/31/3012-1

LVwG TirolLVwG-2014/31/3012-14.11.2014

MSG Tir 2010 §5
MSG Tir 2010 §6
MSG Tir 2010 §5
MSG Tir 2010 §6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2014:LVwG.2014.31.3012.1

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Christian Hengl über die Beschwerde des A, wohnhaft in Adresse1, Ort1 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ort2 vom 25.9.2014, Zahl **‑**‑*****/*/***,

zu Recht erkannt:

1. Gemäß §§ 27 und 28 Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird dem Antrag vom 15.9.2014 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. des Wohnbedarfes Folge gegeben.

Für die Monate August und September 2014 wird als Hilfe zur Sicherung des Wohnbedarfes gemäß § 6 TMSG eine Leistung in der Höhe von jeweils Euro 816,13 gewährt.

Darüber hinaus wird für das Monat August 2014 als Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 5 TMSG eine Leistung in der Höhe von Euro 43,76 sowie für September 2014 eine solche in der Höhe von Euro 39,16 gewährt.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision, im Fall der Nichtzulassung der Revision nur außerordentliche Revision, an den Verwaltungsgerichtshof, Judenplatz 11, 1010 Wien, erhoben werden. Gegen Entscheidungen gemäß § 25a Abs 4 VwGG ist lediglich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, zulässig. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht einzubringen.

Die Beschwerde bzw die Revision ist durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Verfahrensgang:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ort2 vom 25.9.2014, Zahl **‑**‑*****/*/***, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Mindestsicherung vom 15.9.2014 teilweise stattgegeben und für den Zeitraum vom 1.8.2014 bis 31.8.2014 eine einmalige Unterstützung für Miete in der Höhe von Euro 413,14 und für den Zeitraum vom 1.9.2014 bis 30.9.2014 eine einmalige Unterstützung für Miete in der Höhe von Euro 761,42 zuerkannt sowie in einem eigenen Spruchpunkt vom 1.8.2014 bis 31.8.2014 Krankenhilfe in Form der Übernahme der erforderlichen Kosten gewährt.

Der Begründung des bekämpften Bescheides lässt sich entnehmen, dass dem Antrag nur teilweise stattgegeben werden konnte, zumal der Beschwerdeführer nicht nachweisen habe können, dass es sich bei den Lohneinbehalten um eine laufende Unterhaltsexekution handelt und somit vom tatsächlich zustehenden Einkommen (also ohne Abzug der Lohneinbehalte) bei der Berechnung ausgegangen werden habe müssen.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Hilfesuchende durch seine ausgewiesenen Vertreter vor wie folgt:

„Ich, A, geb. am **.**.****, vertreten durch Frau Mag.a B (im Vertretungsfall durch Herrn DSA C), Mitarbeiterinnen des Vereins zur Förderung des DOWAS erhebe gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 25.09.2014, GZ: **-**-*****/*/*** binnen offener Frist das Rechtsmittel der

Beschwerde

und begründe dies wie folgt:

Ich wohne seit 01.07.2014 mit meiner Lebensgefährtin Frau D, geb. am **.**.**** und unseren beiden Kindern E, geb. am **.**.**** und F, geb. am **.**.**** in Ort1, Adresse1. Die Kosten für unsere Wohnung betragen inklusive Betriebskosten € 816,13.

Zeitgleich, mit 30.06.2014, begann ich ein neues Arbeitsverhältnis über die Personalleasingfirma XY (Adresse2 in Ort2) bei Z GmbH mit einem Brutto Stundenlohn von € 9,51. Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld meiner Lebensgefährtin in der Höhe von tgl. € 33.- endete mit 07.07.2014. Seither verfügt meine Lebensgefährtin über kein eigenes Einkommen mehr und ist somit mittellos. Aufgrund ihrer Betreuungspflichten (unser jüngeres Kind ist im Juli 2013 geboren) ist sie derzeit nicht in der Lage einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (vgl. dazu § 16 Abs 3 lit b TMSG).

Mein Einkommen im Juli betrug € 1.490,65. Davon wurde ein Pfändungsabzug von € 446,75 einbehalten und an den betreibenden Gläubiger abgeführt. Unserer Familie stand somit im August 2014 nur mein tatsächlich ausbezahltes Einkommen in der Höhe von € 1.043,90 und das Kinderbetreuungsgeld meiner Lebensgefährtin in der Höhe von € 231.- zur Verfügung.

Mein Einkommen im August betrug € 1.373,37. Davon wurde ein Pfändungsabzug von € 93,87 einbehalten und an den betreibenden Gläubiger abgeführt. Somit stand unserer Familie im September nur mein tatsächlich ausbezahltes Einkommen in der Höhe von € 1.279,50 zur Verfügung. Seit August 2014 bin ich in Kontakt mit der Schuldnerberatung des Landes Tirol, Fr. Mag.a G. Ziel ist ein gerichtliches Entschuldungsverfahren.

Aufgrund unserer finanziellen Notlage beantragte ich stellvertretend für unsere Familie mit Unterstützung des Vereins zur Förderung des DOWAS am 20.08.2014 bzw. aufgrund einiger noch ausstehender Unterlagen am 16.9.2014 einen Antrag auf Mindestsicherung für August und September 2014.

Die Bezirkshauptmannschaft Ort2 erkannte uns im gegenständlichen Bescheid folgenden mindestsicherungsrechtlichen Bedarf an:

€ 413,14 für August 2014 (einmalige Unterstützung für Miete) und

€ 761,42 für September 2014 (einmalige Unterstützung für Miete).

Die Behörde hat demnach nicht das defakto zur Verfügung stehende Einkommen berücksichtigt und die exekutierten Beträge nicht als das Einkommen mindernd anerkannt. Wir möchten darauf hinweisen, dass uns das gepfändete Geld nicht für Lebensunterhalt und Miete zur Verfügung steht und unsere Familie dadurch in große finanzielle Bedrängnis geraten ist.

Das Ziel der Mindestsicherung ist laut §1 Abs 1 TMSG die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Sie ist Personen zu gewähren, die sich in Notlage befinden. Laut §2 Abs 1 lit a TMSG befindet sich in Notlage, wer seinen Lebensunterhalt, seinen Wohnbedarf (...) nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken kann oder lit b außergewöhnliche Schwierigkeiten in seinem persönlichen, familiären oder sozialen Verhältnissen nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß selbst oder mit Hilfe Dritter bewältigen kann.

Grundsätzlich sind Schulden aus der Vergangenheit bei der Berechnung von Mindestsicherung außer Acht zu lassen, es sei denn, sie wirken sich die Notlage begründend und das Einkommen mindernd bis in die Gegenwart aus. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Jahr 2002 in der Entscheidung vom 26.11.2002 GZ:****/**/**** folgenden Rechtssatz erlassen:

„Auch in diesem Zusammenhang kann als Einkommen des Hilfe Suchenden nur jener Betrag angesehen werden, der ihm tatsächlich zur Verfügung steht und nicht Beträge, die auf Grund einer Lohnpfändung einbehalten und an den betreibenden Gläubiger abgeführt werden. “

Die Behörde hat also von meinem tatsächlich verbleibenden Einkommen auszugehen. Die Berechnung der Behörde, in der sie den Pfändungsabzug nicht als einkommensmindernd anerkennt, entspricht nicht der klaren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Daher stelle ich den

Antrag

das Tiroler Verwaltungsgericht möge als zuständiges Berufungsgericht der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Folge leisten und den betreffenden Bescheid dahingehend abändern, dass lediglich unser tatsächlich zur Verfügung stehendes Einkommen für die Berechnung unseres Anspruches auf Mindestsicherung für die Monate August und September 2014 herangezogen wird.

Daraus ergeben sich folgende Beträge (zusätzlich zu den beschiedenen Leistungen):

Hilfe zur Sicherung des Wohnbedarfes: € 402,99 für August 2014

Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes: € 43,76 für August 2014

Hilfe zur Sicherung des Wohnbedarfes : € 54,71 für September 2014

Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes: € 39,16 für September 2014

Sollte meiner Beschwerde stattgegeben werden, ersuche ich zum betreffenden Zeitpunkt um Überweisung der Unterstützung zur Sicherung des Wohnbedarfes und der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf mein Konto, lautend auf A:

Bank *****

IBAN: **** **** **** **** ****

A

Anlagen in Kopie: Vollmacht, Bescheid, Lohnzettel Juli und August 2014“

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den zu Grunde liegenden Akt der Bezirkshauptmannschaft Ort2.

2. Rechtliche Erwägungen:

Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, dass Lohneinbehalte lediglich dann von den Eigenmitteln in Abzug zu bringen sind, wenn es sich um laufende Unterhaltsexekutionen handelt.

Der belangten Behörde ist grundsätzlich darin beizupflichten, dass es sich bei in der Vergangenheit eingegangen Schulden nicht um einen aus Mitteln der Mindestsicherung abzudeckenden Bedarf handelt (vgl VwGH 31.3.2003, 2002/10/0095).

Dies gilt allerdings nicht, wenn sich Schulden aus der Vergangenheit noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Hilfegewährung im Sinne einer aktuellen oder unmittelbar drohenden Notlage auswirken. Für die Höhe des Einkommens ist vielmehr jener Betrag maßgebend, der dem Hilfesuchenden tatsächlich zukommt (vgl VwGH 26.11.2002, 2001/11/0168).

Im Gegenstandsfall ist aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Bezugsabrechnungen der XY GmbH aus den Monaten Juli und August 2014 zu ersehen, dass beim Gehalt für den Monat Juli 2014, ausgezahlt am 15.8.2014, ein Pfändungsabzug gemäß § 291a EO in der Höhe von Euro 446,75 und beim Monatslohn August 2014 mit Auszahlungsdatum 15.9.2014 ein Pfändungsabzug von Euro 93,87 seitens des Arbeitgebers durchgeführt wurde und sich der jeweilige Auszahlungsbetrag dementsprechend verringerte.

Aus der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.11.2002, Zahl ****/**/****, ergibt sich jedoch unmissverständlich, dass bei der Hilfegewährung auf die aktuelle Notlage abzustellen ist, weshalb in der Vergangenheit begründete Schulden insoweit zu berücksichtigen sind, als sie sich zur Zeit der Entscheidung über die Hilfegewährung noch im Sinne einer aktuellen oder unmittelbar drohenden Notlage auswirken. In dem genannten Erkenntnis wurde ein praktischer Anwendungsfall einer solchen Notlage insbesondere darin erblickt, dass – wie im Gegenstandsfall – auf das Einkommen des Hilfesuchenden Exekution geführt wird.

Im Beschwerdefall ist somit für die Berechnung der Eigenmittel der dem Hilfesuchenden tatsächlich monatlich zugekommene Lohn und nicht der Nettoaufwand des Arbeitgebers von Belang.

Unter Zugrundelegung dieser Überlegungen war daher für die Monat August und September 2014 ein Pfändungsabzug in der Höhe von Euro 446,75 und Euro 93,87 bei der Ermittlung der Eigenmittel außer Betracht zu lassen und führte dies zur vollen Übernahme der geltend gemachten Wohnkosten.

Der die Wohnkosten übersteigende Überling des errechneten Mindestsicherungsbedarfes in der Höhe von Euro 43,76 für August 2014 und Euro 39,16 für September 2014 war als Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes zuzusprechen.

3. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Christian Hengl

(Richter)

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