GSpG 1989 §50 Abs4
GSpG 1989 §50 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGST:2019:LVwG.20.3.360.2018
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Mag. Dr. Kundegraber über die Beschwerde der A B GmbH in C, Straße, vertreten durch Dr. E F und Mag. G H, beide Rechtsanwälte in D, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt,
z u R e c h t e r k a n n t:
A. Die von einem Organ der Bezirkshauptmannschaft Liezen durchgeführte Amtshandlung am 18. Jänner 2018 im Lokal „J“ in I, K (zwangsweises Öffnen der Eingangstüre mit einem Brecheisen um 15.48 Uhr) wird für
rechtswidrig
erklärt. Im Übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen.
B. Der Bund hat der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens in der Höhe von € 1.659,60 binnen 14 Tage ab Erhalt des Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Antrag auf Zuerkennung der Eingabegebühr in der Höhe von € 30,00 wird abgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
Art. 130 Abs 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
§§ 9, 28 Abs 6, 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)
§ 1 VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV)
§ 50 Abs 4 Glücksspielgesetz (GSpG)
C. Gegen das Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. In der Beschwerde vom 05. Februar 2018 wird im Wesentlichen vorgebracht, dass am 18. Jänner 2018 im Lokal „J“ in I eine Hausdurchsuchung durchgeführt und hiebei die Eingangstüre gewaltsam aufgebrochen worden sei. Eine Hausdurchsuchung würde im GSpG keine Deckung finden und habe die Behörde daher gegen das Hausrechtsgesetz und gegen Art. 8 EMRK verstoßen. Auch hätte die belangte Behörde die Türe von einem Fachbetrieb beschädigungsfrei öffnen lassen müssen, da keine Gefahr im Verzug bestanden hätte. Zudem wurde eine Kostennote gestellt.
2. Die Bezirkshauptmannschaft Liezen legte als belangte Behörde am 08. März 2018 eine Stellungnahme vor, in der sie ausführt, dass bei der Kontrolle im Lokal am 18. Jänner 2018 zwei Spielapparate vorgefunden worden seien, wobei es sich bei den Apparaten um Glücksspielgeräte im Sinne des GSpG gehandelt habe. Es sei daher ein Beschlagnahmebescheid noch vor Ort gemäß § 52 Abs 1 GSpG ergangen (Bescheid vom 18.01.2018, GZ: 2.1-3739/2017). Gegen den Bescheid sei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark erhoben worden. Im Übrigen gehe die belangte Behörde davon aus, dass die Voraussetzungen einer Maßnahmenbeschwerde nicht vorliegen würden, da ein im Verwaltungsweg bekämpfbarer Bescheid vorliege.
Sollte jedoch von einer Maßnahmenbeschwerde auszugehen sein, so wird darauf hingewiesen, dass den einschreitenden Organen es unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit gestattet sei, jene Maßnahmen zu setzen, die den reibungslosen Ablauf einer glücksspielrechtlichen Kontrolle gewährleisten. Sinn und Zweck einer glücksspielrechtlichen Kontrolle sei den Sachverhalt festzustellen, der eine Beurteilung ermögliche, ob die Bestimmungen des GSpG eingehalten würden. Zudem in § 50 Abs 4 GSpG festgelegten Duldungs- und Mitwirkungspflichten würde auch die faktische Verfügbarkeit über die Glücksspielautomaten zählen und dürften keine Handlungen gesetzt werden, die die Verfügbarkeit einschränken würden (z.B. Abschaltung der Geräte).
Die im Lokal anwesenden Personen seien mehrfach darauf hingewiesen worden, dass eine Kontrolle nach dem GSpG stattfinden würde und sei die Eingangstüre umgehend zu öffnen gewesen. Es sei dezidiert darauf hingewiesen worden, dass im Fall der Nichtöffnung der Türe diese gewaltsam geöffnet werde. Das Zuwarten bis zum Eintreffen eines Schlüsseldienstes wäre nicht zielführend gewesen und sei hiebei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt worden, da durch die Öffnung der Türe keine Schäden entstanden seien.
Eine Hausdurchsuchung habe nicht stattgefunden, da keine Behältnisse oder ähnliches zwangsweise geöffnet worden sei. Die dokumentierten Unterlagen, Schlüssel, etc. seien zum Kontrollzeitpunkt frei zugänglich bzw. offen und damit frei einsehbar aufbewahrt worden.
Es wurde der Antrag gestellt, die Maßnahmenbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen und der belangten Behörde die Kosten zuzusprechen. Beigegeben wurde ein Schreiben der Finanzpolizei an die belangte Behörde, einschließlich eines Zeitprotokolls über den Ablauf der Amtshandlung und Fotos von der Eingangstüre des Lokals sowie der Erfassung des räumlichen Außenbereiches des Lokales beim Bildschirm im Lokalinneren.
3. Die Beschwerdeführerin gab einen zur mündlichen Verhandlung am 13. April 2018 vorbereiteten Schriftsatz ab, in der sie im Wesentlichen ausführte, dass in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin keine Spielautomaten aufgestellt gewesen seien. Die von der belangten Behörde beschlagnahmten Geräte hätten sich in einem ebenso straßenseitig begehbaren Raum befunden und sei der Raum von der Beschwerdeführerin weder gemietet noch vermietet worden. Zudem habe die belangte Behörde bzw. ihr zurechenbare Organe zumindest im Lager und im Barbereich nach Gegenständen gesucht. Es wurde auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14864/1997 verwiesen, wo dieser die „Hausdurchsuchung“ näher definierte.
Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 22. November 2017, Ra 2016/17/0302, RN 36 und RN 37 festgehalten, dass § 50 Abs 4 GSpG bloß eine kurze Zeitspanne das Betreten des Lokales rechtfertige, nämlich zur Umschau, ob sich dort Geräte befinden bzw. zur Befragung von Anwesenden. Sollte jedoch keine Hausdurchsuchung durchgeführt worden sein, so sei jedenfalls der Schutzbereich des Grundrechtes auf Privatsphäre (Art. 8 EMRK) verletzt worden.
Die Türe sei beim Aufbrechen beschädigt und sei dies auch dokumentiert worden (siehe beigegebene Lichtbilder). Da zum Zeitpunkt der Öffnung sowohl die Angestellte L M als auch der Kellner N O nicht im Raum gewesen seien, hätte niemand die Türe öffnen können, die anwesenden Gäste hätten dies sogar dem Finanzpolizisten mitgeteilt. Auf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes Linz vom 05. April 2017, RM 5100003/2016, wurde hingewiesen. Gegen diesen Spruchpunkt des zitierten Erkenntnisses sei keine außerordentliche Revision erhoben worden.
II. Sachverhalt:
1. Am 18. Jänner 2018 fand eine glücksspielrechtliche Kontrolle im Lokal „J“ in I, K, um 15.45 Uhr, statt. Als leitendes Organ war Mag. Dr. P von der Bezirkshauptmannschaft Liezen an Ort und Stelle und wurde von mehreren Polizeibeamten sowie einem Organ der Finanzpolizei und einem gerichtlichen beeideten Sachverständigen für Glücksspielwesen, Q R, begleitet.
Bei der Eingangstür befand sich ein Zettel mit der Aufschrift „Geschäftszeiten 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr“. Um 15.45 Uhr klopfte Finanzpolizist S T an die Eingangstür und wurde die Kontrolle verbal durch S T angekündigt. Bei der Tür war eine Videokamera angebracht. Daraufhin konnten die Beamten aus dem Innenbereich des Lokals eine männliche Stimme (Gast U) deutlich hören, die rief „Ja, ja es kommt gleich wer“. Es wurde eine Minute zugewartet und um 15.46 Uhr die zwangsweise Öffnung der Türe durch die Finanzpolizei angedroht. Nach Vollstreichen einer weiteren Minute wurde um 15.47 Uhr nochmals die Androhung der zwangsweisen Öffnung ausgesprochen und um 15.48 Uhr die Eingangstüre mit einem Brecheisen durch den Finanzpolizisten S T geöffnet. Ein Schlüsseldienst wurde nicht in Erwägung gezogen, da dies möglicherweise eine Stunde gedauert hätte und eine Kontrolle laut Mag. Dr. P nach einer Stunde sinnlos gewesen wäre, da eine Betriebswärme nicht mehr nachweisbar gewesen wäre.
Während 15.45 Uhr und 15.48 Uhr – der Aufforderung zum Öffnen der Eingangstür – befand sich L M (Filialbetreuerin der A B GmbH) in einer Toilette im hinteren Bereich des Lokals. N O, der Kellner im Lokal, war im Keller, um einen Bieranschluss zu reparieren. Die Aufforderungen zur Öffnung der Türe wurde im Hauptraum des Lokales von den dort befindlichen Gästen wahrgenommen und hat daraufhin der Gast U sinngemäß gerufen, dass man sich etwas gedulden möge. Hinter der Theke befand sich ein Bildschirm, wo man die Kameraaufnahmen von der Eingangstüre sieht, jedoch durfte kein Gast hinter die Theke, noch war es einem Gast erlaubt die Eingangstüre zu öffnen. Beim Öffnen der Türe mittels Brecheisen wurde die Türe beschädigt, in dem bei der Türe ein Kratzer entstand und eine Delle beim Türrahmen (siehe Lichtbild).
Das Lokal besteht aus einem Hauptraum und einem Nebenraum sowie über einen Innenhof erreichbare Toiletteanlagen und Lagerraum. Im Innenhof befindet sich noch ein Verschlag, der mit einer elektronischen Türschnalle gesichert war. Im Hauptraum befanden sich keine Glücksspielgeräte und in einem Nebenraum war das von einer anderen Kontrolle angebracht Siegel nicht beschädigt und wurde der Raum auch nicht betreten.
Beim Verschlag im Innenhof wurde festgestellt, dass die Siegel beschädigt waren und war die Türe verschlossen. Zwischenzeitig war der Strom ausgefallen. Die Aufforderung, den Verschlag zu öffnen, beantworteten L M und N O dahingehend, dass sie angaben, keinen Schlüssel zu haben, da dieser Raum sie nichts „anginge“. In weiterer Folge wurde der Verschlag mit Brecheisen geöffnet und konnten dort zwei Glücksspielgeräte vorgefunden werden, wobei die Wärmemessung ergab, dass die Geräte kürzlich in Betrieb gewesen waren. Die zwei Glücksspielapparate wurden beschlagnahmt.
Während der Kontrolle wurden keine Behältnisse durchsucht. Trotz Nachschau im Sicherungskasten konnte der Strom nicht mehr eingeschalten werden. Bei der Kontrolle wurde ausschließlich auf Gegenstände geschaut, die frei herumliegen und es konnte hiebei nichts gefunden werden. Hiebei wurde der Thekenbereich nach freiliegenden Gegenständen, wie Arbeitsaufzeichnungen, Chipkarten und Schlüssel abgesucht. Nachdem der Finanzpolizist S T dem Kellner N O mitteilte, dass er eine Kontrolle nach der Bundesabgabenordnung mache, wurde N O aufgefordert, den Inhalt der Kellnerbrieftasche zu zeigen, was dieser auch tat.
Nachdem sodann die beiden Glücksspielgeräte mit FA-Kontrollnummern versehen waren und die Versiegelung der Türe zum Verschlag im Innenhof erfolgte, wurde die Amtshandlung um 17.25 Uhr beendet.
2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die Beschwerde und der vorgelegten Stellungnahme der belangten Behörde als auch dem Inhalt der Zeugenaussagen in der Verhandlung am 13. April 2018, nämlich Mag. Dr. P, Finanzpolizist S T, Finanzpolizist V W, RI X Y, L M, U und N O. Zur Wahrheitsfindung wurde auch der in der Verhandlung abgespielte Videoclip herangezogen.
Wenn die belangte Behörde behauptet, dass durch die Öffnung der Türe keine Schäden entstanden sind, so steht dem die bildliche Dokumentation entgegen, auf der bei der Türe der Kratzer und beim Türstock die Delle ersichtlich sind. Bei der Einvernahme gab auch Finanzpolizist S T bei Vorhalt des Lichtbildes an, dass „der Kratzer mit roter Farbe von ‚ihm stamme‘“.
Dass L M während der Aufforderung zum Öffnen der Eingangstüre sich in der Toilette im hinteren Bereich des Lokals aufhielt, wird von ihr selbst glaubhaft angegeben, als auch von U bestätigt. Mag. Dr. P gab an, dass L M zuerst im hinteren Teil des Raumes angetroffen wurde. Dass sich während des Anklopfens der Kellner N O im Keller aufhielt, wird glaubhaft von ihm vorgebracht als auch von U, der die Örtlichkeiten des Lokals als ehemaliger Kellner kannte, bestätigt. Der wahrgenommene Ruf von U „Ja, ja es kommt gleich wer“ nach außen ist logisch nachvollziehbar, unter der Annahme, dass sich keine zur Öffnung befugte Person im Gastraum aufhielt.
Dass keine Behältnisse während der Kontrolle geöffnet wurden, wird von Mag. Dr. P, dem Finanzpolizisten S T und RI Leitner in glaubhafter Weise geschildert. L M und N O gaben an, dass keine Lade geöffnet worden sei. Soweit U angab, dass ein Finanzpolizist Läden hinter der Theke geöffnet hätte, ist dieser Aussage nicht näher zu treten, umso mehr der Kellner N O, der während der ganzen Amtshandlung hinter der Theke war, dies nicht wahrgenommen hat. U wollte offensichtlich damit seinen ehemaligen Arbeitgeber begünstigen. Sehr wohl hat der Finanzpolizist S T bei einer Lade, deren Türe beschädigt war, einen Zettel herausgenommen. Bei der Aufforderung zur Öffnung der Brieftasche des Kellner N O hat der Finanzpolizist S T laut Angabe von N O ausdrücklich gesagt, dass er eine Kontrolle nach der Bundesabgabenordnung mache. Dass der Finanzpolizist S T in den Sicherungskasten schaute, um eventuell wieder den Strom einzuschalten als auch im geöffneten Schlüsselkasten nach einem Schlüsselbund suchte, wobei er einen Schlüsselbund mit der Aufschrift „Raum hinten“ fand, wird ohnedies nicht in Abrede gestellt. Die Aussagen der beteiligten Organe als auch von L M und N O decken sich auch mit den Aufnahmen am Videoclip.
III. Rechtliche Beurteilung:
§ 50 Abs 2, Abs 3 und Abs 4 GSpG lautet:
STRAF- UND VERFAHRENSBESTIMMUNGEN
Behörden und Verfahren
…
(2) Diese Behörden können sich der Mitwirkung der Organe der öffentlichen Aufsicht bedienen und zur Klärung von Sachverhaltsfragen in Zusammenhang mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Amtssachverständigen des § 1 Abs. 3 hinzuziehen. Zu den Organen der öffentlichen Aufsicht zählen jedenfalls die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden.
(3) Zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind die Organe der öffentlichen Aufsicht auch aus eigenem Antrieb berechtigt. Die Organe der Abgabenbehörden können zur Sicherung der Ausübung ihrer Überwachungsbefugnisse die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinzuziehen.
(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung ist dem Betroffenen anzudrohen. Die Organe haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig.
…
1. Aufbrechen der Eingangstür:
Der festgestellte Sachverhalt hat ergeben, dass eine Öffnung der Eingangstüre innerhalb eines Zeitraumes (von 15.45 Uhr bis 15.47 Uhr) nicht möglich war, da sich zum einen der Kellner N O im Keller und die Filialleiterin L M auf der Toilette befanden. Auf das von den Kontrollorganen getätigte Klopfen und Betätigen der Türklingel hat einer der Gäste geantwortet, dass jemand gleich kommen werde. Zwei Minuten später wurde die Türe durch Aufhebeln mittels Brecheisen geöffnet, um das Lokal betreten zu können.
Die unbestrittene Öffnung der Türe mittels Brecheisen durch einen Finanzpolizisten stellt sicherlich die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt dar. Da das Betreten des Lokales zwecks glücksspielrechtlicher Kontrolle notwendig war und der Verdacht bestand, dass illegales Glücksspiel in den Räumlichkeiten durchgeführt wird, war eine Öffnung der Türe – wenn auch unter Einsatz von Gewalt – gerechtfertigt.
Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die gewählte Vorgangsweise „außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht“ (§ 50 Abs 4 vierter Satz GSpG), zumal die Zuziehung eines Schlossers innerhalb einer noch tolerierbaren Frist möglich gewesen wäre bzw. ein weiteres Zuwarten aufgrund des Rufes vom Inneren, dass gleich wer kommen werde, erfolgte. Dies auch in Anbetracht, dass es normalerweise zu keiner freiwilligen Öffnung der Eingangstüre bei derartigen Lokalitäten kommt, da es zumindest denkmöglich ist, dass im konkreten Fall die Eingangstüre geöffnet worden wäre.
Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist in § 50 Abs 4 vierter Satz GSpG ausdrücklich normiert und spricht auch der Verfassungsgerichtshof von dem „allgemein in der Rechtsordnung verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit jeden staatlichen Handelns“ (VfSlg. 15.046/1997). Steht die – wenn auch grundsätzlich zu Recht – eingesetzte physische Gewalt außer Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck, so ist die betreffende Amtshandlung in diesem Punkt rechtswidrig (Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde, Verlag Österreich, 2. Auflage, S. 90 ff). Es steht jedenfalls für das Gericht fest, dass der Einsatz von Brecheisen bei der Öffnung der Türe, die auch zu einem Schaden bei der Türe und am Türstock führte, unverhältnismäßig war. Neben dem Zuruf vom Inneren des Lokals noch zuzuwarten, ist auch noch ein anderer Umstand für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ausschlaggebend gewesen. Das leitende Behördenorgan Mag. Dr. P gab an, deshalb keinen Schlüsseldienst beigezogen zu haben, da dies „möglicherweise bis zu einer Stunde“ in Anspruch genommen hätte und „eine Kontrolle nach einer Stunde sinnlos wäre, weil die Geräte heruntergefahren werden, damit die Betriebswärme nicht mehr nachweisbar ist“. Diese Annahme ist nicht nachvollziehbar, insbesondere gab der bei der Amtshandlung anwesende Q R als Zeuge bei einer Verhandlung an, dass die Betriebsbereitschaft der Geräte normalerweise auch noch zwei Stunden nach Herunterfahren der Geräte nachzuweisen ist. Nach seinen Erfahrungen wird die Betriebstemperatur in Räumen von Klimaanlagen innerhalb von diesem Zeitraum erst auf Raumtemperatur herabgesetzt, sodass man mindestens zwei Stunden eine Betriebswärme nachweisen kann. Unter Zugrundelegung dieser nachvollziehbaren sachverständlichen Äußerung von Q R wäre also auch noch die Beiziehung eines Schlüsseldienstes innerhalb von einer Stunde möglich gewesen und hätte ein Schlosser die Türe sachgemäß öffnen können. Der Grund für die Nichtbeiziehung eines Schlüsseldienstes ist somit für das Gericht nicht plausibel und stellt das Aufbrechen einer Türe ohne zu prüfen, ob eine gewaltfreie oder schonende Öffnung möglich wäre, eine behördliche Zwangsgewalt dar (VwGH 06.07.1999, 96/01/0061).
Dass eine längere Zeitspanne, den im Lokal tätigen Personen die Möglichkeit gibt, Beweisgegenstände verschwinden zu lassen, kommt ebenfalls nicht zum Tragen, da es offensichtlich auch in einer kurzen Zeitspanne möglich ist, z.B. den Strom abzuschalten und zum anderen es für die Behörde als Aufgabe im organisatorischen Bereich liegt, für einen entsprechend schnellen Zugriff zu einem Schlüsseldienst zu sorgen, umso mehr damit normalerweise gerechnet werden muss, dass Eingangstüren von derartigen Lokalen nicht freiwillig geöffnet werden.
Die Türöffnung mittels Brecheisen durch den Finanzpolizisten stellt sicherlich nicht das noch gelindeste zum Ziel führende Mittel zur Öffnung der Türe im konkreten Fall dar und war durch das rechtswidrige exzessive Vorgehen die Amtshandlung rechtswidrig.
2. Obwohl die Amtshandlung bereits mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, wenn ein Teil der Amtshandlung rechtswidrig ist, sieht sich das Gericht veranlasst zur behaupteten Hausdurchsuchung Stellung zu nehmen. Für das Gericht hat keine Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten stattgefunden, umso mehr keine Behältnisse geöffnet wurden und systematisch durchsucht wurden. Dass die einschreitenden Organe mit der Taschenlampe – es war kein Strom im Lokal – den Thekenbereich bzw. auch den Küchenbereich ausleuchteten, um eventuell dort liegende Chipkarten, Schlüssel bzw. Arbeitsaufzeichnungen zu finden, lässt noch nicht den Schluss auf eine Hausdurchsuchung zu. Die Öffnung des Schaltkastens, um den Strom wieder in Betrieb zu nehmen, stellt keinesfalls eine systematische Suche nach bestimmten Gegenständen dar, vielmehr lag es in der Absicht des einschreitenden Finanzpolizisten wiederum den Strom im Lokal zu aktivieren und nicht durch die Öffnung des Schaltkastens nach Gegenständen zu suchen. Auch das Entnehmen eines Schlüssels aus einem geöffneten Schlüsselkasten stellt noch keine Hausdurchsuchung dar, umso mehr es sich um einen Schlüssel für eine Türe, für einen Verschlag im Hinterhof des Lokales handelte, welcher nicht von der Beschwerdeführerin gemietet war.
Das Aufbrechen der Türe war als unverhältnismäßige Gewaltausübung einzustufen und zieht die Rechtswidrigkeit der genannten Amtshandlung nach sich, sodass der Beschwerde Folge zu geben war.
3. Als Kosten wurden im Sinne des § 35 VwGVG iVm § 1 VwG-AufwErsV der Beschwerdeführerin ein Betrag von € 1.659,60 zugesprochen. Der Betrag setzt sich zusammen aus dem Schriftsatzaufwand in der Höhe von € 737,60 und dem Verhandlungsaufwand in der Höhe von € 922,00. Der Antrag auf Zuerkennung der Eingabegebühr in der Höhe von € 30,00 wurde abgewiesen, da es sich bei den in § 35 VwGVG um Pauschalbeträge handelt und die Zuerkennung der Eingabegebühr nicht vorgesehen ist.
IV. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Aufbrechen der Eingangstüre mittels Brecheisen stellt eine exzessive Gewaltanwendung von Seite der Behörde dar und ist nicht das gelindeste Mittel angewandt worden, um die Türe zu öffnen, obwohl auch die Beiziehung eines Schlüsseldienstes möglich gewesen wäre. Die Beiziehung des Schlüsseldienstes hätte auch bei Inanspruchnahme eines Zeitraumes von einer Stunde den Zweck der Amtshandlung nicht vereitelt.
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