GSpG 1989 §50 Abs3
GSpG 1989 §50 Abs4
GSpG 1989 §56a Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGST:2018:LVwG.20.3.418.2018
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Mag. Dr. Kundegraber über die Beschwerde der A B Kft., Straße, C, vertreten durch Dr. E F und Mag. G H, beide Rechtsanwälte in D, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt,
z u R e c h t e r k a n n t:
A. Die von einem Organ der Bezirkshauptmannschaft Liezen durchgeführte Amtshandlung am 18. Jänner 2018 im Lokal „K“ in J, L (zwangsweise Öffnen der Türe in einem Nebenraum mit einem Brecheisen, um 18.46 Uhr) wird für
rechtswidrig
erklärt.
Im Übrigen wird die Beschwerde, soweit sie die Beiziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen und die behauptete Hausdurchsuchung umfasst, abgewiesen.
B. Das Verfahren über die Anbringung von Amtssiegeln bei den Türen (Nebenraum und der Türe bei einem Verbau im Gastraum) im Rahmen der glücksspielrechtlichen Kontrolle am 18. Jänner 2018 im Lokal „K“ in J, L, wird eingestellt.
C. Der Bund hat der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens in der Höhe von € 1.659,60 binnen 14 Tage ab Erhalt des Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Der Antrag auf Zuerkennung der Eingabegebühr in der Höhe von € 45,00 wird abgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
Art. 130 Abs 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
§§ 9, 28 Abs 1 und Abs 6, 31 Abs 1, 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)
§ 1 VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV)
§§ 50 Abs 4, 56a Abs 3 Glücksspielgesetz (GSpG)
D. Gegen das Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. In der Beschwerde vom 12. Februar 2018 wird im Wesentlichen vorgebracht, dass am 18. Jänner 2018 im Lokal „K“ in J, eine Hausdurchsuchung stattgefunden habe und hiebei eine Türe aufgebrochen worden sei. Da keine Gefahr im Verzug bestanden habe, hätte die Türe von einem Fachbetrieb beschädigungsfrei geöffnet werden können und stellt daher die Vorgehensweise einen Eingriff in die Eigentumsrechte der Beschwerdeführerin dar. Bei der Kontrolle sei zudem ein nichtamtlicher Sachverständiger beigezogen worden, wobei es hiezu keine gesetzliche Grundlage gebe. Das Anbringen von Amtssiegeln an der Türe zum Gastraum sei im Gesetz nicht vorgesehen, da der Gesetzgeber nur Anbringung „amtlicher Verschlüsse“ an beschlagnahmenden Gegenständen vorsehe, nicht jedoch in § 56a GSpG.
Es wurde daher der Antrag gestellt, gemäß § 28 Abs 6 VwGVG die angefochtenen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären. Zudem wurde eine Kostennote gestellt.
Das Verfahren über den ebenfalls eingebrachten Antrag auf aufschiebende Wirkung gemäß § 22 VwGVG wurde mit Beschluss des Gerichtes vom 22. März 2018, GZ: LVwG 40.3-448/2018-3, eingestellt.
Der Beschwerde wurde ein Gutachten von Univ.-Prof. Dr. I M vom 21. November 2017 „zur Frage der Zulässigkeit der Versiegelung von Betriebsräumen im Rahmen von Betriebsschließungen nach § 56a Glücksspiel-gesetz“ beigegeben.
2. Die Bezirkshauptmannschaft Liezen legte als belangte Behörde am 13. März 2018 eine Stellungnahme vor, in der sie ausführt, dass bei der Kontrolle am 18. Jänner 2018 zwei Spielapparate vorgefunden worden seien, wobei es sich bei den Apparaten um Glücksspielgeräte im Sinne des GSpG gehandelt habe. Es sei daher ein Beschlagnahmebescheid noch vor Ort gemäß § 52 Abs 1 GSpG ergangen (Bescheid vom 18. Jänner 2018, GZ: 2.1-3740/2017). Gegen den Bescheid sei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark erhoben worden. Im Übrigen gehe die belangte Behörde davon aus, dass die Voraussetzungen einer Maßnahmenbeschwerde nicht vorliegen würden, da ein im Verwaltungsweg bekämpfbarer Bescheid vorliege.
Sollte jedoch von einer Maßnahmenbeschwerde auszugehen sein, so wird darauf hingewiesen, dass es den einschreitenden Organen unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit gestattet sei, jene Maßnahmen zu setzen, die den reibungslosen Ablauf einer glücksspielrechtlichen Kontrolle gewährleisten. Sinn und Zweck einer glücksspielrechtlichen Kontrolle sei den Sachverhalt festzustellen, der eine Beurteilung ermögliche, ob die Bestimmungen des GSpG eingehalten würden. Zudem würden die in § 50 Abs 4 GSpG festgelegten Duldungs- und Mitwirkungspflichten auch die faktische Verfügbarkeit über die Glücksspielautomaten beinhalten und dürften daher keine Handlungen gesetzt werden, die die Verfügbarkeit einschränken würden (z.B. Abschaltung der Geräte).
Die im Lokal anwesende Kellnerin sei mehrfach darauf hingewiesen worden, dass eine Kontrolle nach dem GSpG stattfinden würde und daher umgehend der Nebenraum zu öffnen gewesen sei, von dem vermutet wurde, dass sich darin Glücksspielapparate befinden würden. Es sei dezidiert darauf hingewiesen worden, dass im Fall der Nichtöffnung der Türe diese gewaltsam geöffnet werde. Das Zuwarten bis zum Eintreffen des Schlüsseldienstes wäre nicht zielführend gewesen und sei hiebei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt worden, da durch die Öffnung der Türe keine Schäden entstanden seien bzw. auch nicht behauptet wurde bzw. konkretisiert wurde.
Eine Hausdurchsuchung habe nicht stattgefunden, da keine Behältnisse oder ähnliches zwangsweise geöffnet wurden. Sämtliche dokumentierten Unterlagen, Schlüssel, etc. seien zum Kontrollzeitpunkt frei zugänglich bzw. offen und somit frei einsehbar aufbewahrt worden.
Es wurde der Antrag gestellt, die Maßnahmenbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen und der belangten Behörde die Kosten zuzusprechen.
Beigegeben wurde ein Schreiben der Finanzpolizei vom 26. Februar 2018 mit Lichtbilder.
3. Am 19. März 2018 teilte die belangte Behörde über Anfrage des Gerichtes mit, dass es keinen Bescheid über die Betriebsschließung gibt.
4. Über Aufforderung des Gerichtes legte die Finanzpolizei eine Fotodokumentation von Bildern über die Türe des Nebenraumes, „Turnierraumes“ (Bilder 1 bis 8) und Bilder der Tür des im Innenraum des Betriebes befindlichen Zubaus (Verschlag, Bilder 10 bis 16) vor.
5. Am 12. April 2018 brachte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin einen „vorbereitenden Schriftsatz“ ein, der zu anberaumten Verhandlung am 20. April 2018 Ausführungen zu den einzelnen Beschwerdepunkten enthielt. Zur Hausdurchsuchung wurde angegeben, dass im Gastronomiebereich sich keine Spielautomaten befunden hätten und es daher zu klären wäre, warum S T mit der Taschenlampe im Gastronomiebereich die Bar abgesucht hätte.
Sollte ein Organ der belangten Behörde nach der BAO vorgegangen sein, so wäre die Maßnahmenbeschwerde betreffend dieser Handlung nach der BAO an das Bundesfinanzgericht zu überweisen.
Auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14864/1997 wurde verwiesen, wo dieser die „Hausdurchsuchung“ näher definierte. Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 22. November 2017, Ra 2016/17/0302, Rn 36 und Rn 37 festgehalten, dass § 50 Abs 4 GSpG bloß eine kurze Zeitspanne das Betreten des Lokals rechtfertige, nämlich zur Umschau, ob sich dort Geräte befinden bzw. zur Befragung von Anwesenden. Sollte jedoch keine Hausdurchsuchung durchgeführt worden sein, so sei jedenfalls der Schutzbereich des Grundrechtes auf Privatsphäre (Art. 8 EMRK) verletzt worden.
Die Türe sei beim Aufbrechen beschädigt und sei dies auch dokumentiert worden (siehe beigegebene Lichtbilder). Es wurde wiederholt, dass ein Schlosser die Türe ebenfalls hätte öffnen können und wurde auf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes Linz verwiesen, wonach der Einsatz eines Brecheisens unverhältnismäßig sei (05.04.2017, RM 5100003/2016). Gegen diesen Spruchpunkt des zitierten Erkenntnisses sei keine außerordentliche Revision erhoben worden.
Weitere Ausführungen betreffen die Mitnahme des nichtamtlichen Sachverständigen Q R. Hiezu wird angeführt, dass § 50 Abs 4 GSpG als lex specialis zu § 52 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) anzusehen sei. Die Ausnahmetat-bestände des § 52 Abs 3 AVG seien nicht anzuwenden.
Im Übrigen sei das Anbringen von Amtssiegeln zwar rechtswidrig. Der Umstand, dass die Behörde am 23. März 2018 die Entfernung der Siegel erlaubt habe, sei ohne Relevanz.
Als Beilagen wurde ein Konvolut an Fotos von der „gegenständlichen Türe“ vorgelegt (Türe zum Nebenraum, beschädigtes Schloss).
II. Sachverhalt:
1. Am 18. Jänner 2018 fand eine glücksspielrechtliche Kontrolle im „K“ in J, L, statt. Als leitendes Organ war Mag. Dr. P von der Bezirkshauptmannschaft Liezen tätig sowie zwei Polizeibeamte und zwei Beamte der Finanzpolizei sowie der nichtamtliche Sachverständige für das Glücksspielwesen Q R.
Das dortige Lokal besteht aus einem großen Gastraum, einem Büro, einem kleineren Raum („Turnierraum“) sowie einem Verbau mit Rigipsplatten (Verschlag) im Gastraum.
Das Lokal wurde vorerst von RI N und RI O betreten, die im Rahmen des Zu- bzw. Abganges von anderen Gästen in das Lokal gelangten. Als die beiden Polizisten im Lokal waren, verständigte RI O die Finanzpolizei und wurde ihnen mitgeteilt, dass diese ca. in einer Stunde kommen würden. Die Finanzpolizei war mit dem Vertreter der belangten Behörde vorerst bei einer anderen Kontrolle tätig.
Als die glücksspielrechtliche Kontrolle unter Leitung von Mag. Dr. P sodann stattfand, war der kleinere Raum, wo sich bereits beschlagnahmte Glücksspielgeräte von früheren Kontrollen befanden, verschlossen. Die anwesende Kellnerin gab hierüber keine Auskunft. Bei der Tür zu dem kleineren Raum waren die Siegel an der Türe beschädigt. Die beschädigten Amtssiegel bei der Türe stammten von der Kontrolle vom 09. November 2017 und wurde jedoch bei dieser Betriebsschließung kein Bescheid von der belangten Behörde erlassen. Mag. Dr. P ordnete an, dass die Türe gewaltsam geöffnet werde und hat der Finanzpolizist S T die Tür mit einem Brecheisen geöffnet (18.46 Uhr). Die Türe ist hiebei im Schlossbereich beschädigt worden. Im Raum befanden sich die beschlagnahmten Geräte vom 09. November 2017 und weitere Glücksspielgeräte von einer vorhergehenden Kontrolle. Die Siegel waren bei den Geräten angebracht und nicht beschädigt. In weiterer Folge wurde die Türe danach geschlossen und mit neuen Amtssiegeln versehen.
Der im Gastraum verbindliche Verschlag war durch Rigipswände geschlossen, jedoch nach oben hin offen. Der Finanzpolizist S T konnte, nachdem er über die Wände geschaut hatte, feststellen, dass sich im Verschlag zwei Glücksspielgeräte befinden. Daraufhin wurde die Kellnerin gefragt, ob sie einen Schlüssel zu dem Raum hätte und verneinte sie dies. Das leitende Organ der Amtshandlung gab daraufhin Finanzpolizist S T den Auftrag, die Türe zu öffnen und wurde diese unter Zuhilfenahme mit einem Brecheisen geöffnet. Hiebei wurde die Türe nicht beschädigt und konnte die Türe nach Öffnung wieder ganz normal geschlossen werden. Nachdem die zwei Glücksspielgeräte beschlagnahmt wurden, wurde die Tür geschlossen und dort Amtssiegel angebracht.
Bei der Öffnung der Türe wurde kein Schlosser beauftragt, da dies laut Mag. Dr. P zu einer zeitlichen Verzögerung geführt hätte. Das sich im Lokal befindliche Büro wurde nicht besichtigt. Auch Türen zum Heizraum bzw. zu privaten Räumlichkeiten wurden nicht geöffnet. Ein Betriebsschließungsbescheid wurde weder vor Ort noch danach erlassen.
Vom Finanzpolizisten S T – der die Räumlichkeiten von vorhergehenden Kontrollen kannte – wurde auch hinter der Theke Nachschau gehalten, jedoch keine Lade bzw. kein Behältnis geöffnet. Ausschließlich der Schaltkasten, der sich hinter der Theke befand, wurde vom Finanzpolizisten S T geöffnet und hineingeschaut.
Der beigezogene nichtamtliche Sachverständige Q R hat bei den Glücksspielgeräten im Verschlag eine Wärmemessung durchgeführt und konnte feststellen, dass die dort befindlichen Geräte betriebsbereit waren. Unter betriebsbereit verstand Q R eine Zeit von zwei bis drei Stunden vor der Kontrolle. Dies konnte er deshalb feststellen, da ein deutlicher Temperaturunterschied zwischen Bildschirmen und Gehäuse bzw. Raumwand wahrzunehmen war. Die Feststellung wurde mit einer Wärmebildkamera durchgeführt. Q R begründete seine Anwesenheit neben der Feststellung der Betriebsbereitschaft der Geräte auch als Ansprechperson für technische Fragen für die belangte Behörde bzw. als Berater dabei zu sein.
Im Bereich der Theke wurde – auch mit Taschenlampe – von den Finanzpolizisten Nachschau gehalten, ob irgendwelche Unterlagen betreffend Codes bzw. Arbeits-aufzeichnungen, Abrechnungen für Automaten vorhanden wären. Im Rahmen der Kontrolle führte Finanzpolizist S T auch eine Kontrolle nach der BAO durch, in dem er die dort anwesende Kellnerin aufforderte, sich die Kassenausdrücke geben zu lassen. Diese Aufforderung hat er von sich aus getätigt und nicht auf Anordnung von Mag. Dr. P.
Die zwei Polizisten der Polizeiinspektion J kamen um 17.45 Uhr in das Lokal und wurde die glücksspielrechtliche Kontrolle um 18.35 Uhr begonnen. Die Kontrolle endete um ca. 20.45 Uhr.
2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die Beschwerde und der vorgelegten Stellungnahme der belangten Behörde als auch dem Inhalt der Zeugenaussagen in den Verhandlungen vom 04. April 2018 und 20. April 2018, nämlich von Mag. Dr. P, Finanzpolizist S T, Finanzpolizist V W, Q R, RI N und RI O. Zur Wahrheitsfindung wurden auch die in der Verhandlung abgespielten Videoclips herangezogen.
Wenn die belangte Behörde behauptet, dass durch die Öffnung der Türe beim kleinen Raum („Turnierzimmer“) keine Schäden entstanden seien, so steht dem die bildliche Dokumentation als auch die Aussagen des Mag. Dr. P, des Finanzpolizisten S T und Finanzpolizisten V W entgegen. Es ist somit davon auszugehen, dass bei der gewaltsamen Öffnung der Türe mittels Brecheisen vom Finanzpolizisten S T das Schloss beschädigt wurde. Die Beschädigung des anderen aufgebrochenen Schlosses beim Verschlag, konnte nicht nachgewiesen werden und wurde auch nur pauschal behauptet. Vielmehr wird hier der Aussage des Zeugen S T gefolgt, der angab, dass die Türe beim Verschlag nicht versperrt, sondern nur geschlossen war. Die Türe hatte – wie auch die andere Türe – einen Knauf und wurde bei der Öffnung nicht beschädigt. Die Türe ging danach wieder einwandfrei zum Auf- und Zumachen.
Dass keine Behältnisse während der Kontrolle geöffnet wurden, wird von Mag. Dr. P, den Finanzpolizisten S T und Finanzpolizisten V W, Q R, RI N und RI O in glaubhafter Weise geschildert. Allein der Umstand, dass der elektrische Schaltkasten geöffnet wurde, die Theke im Gastraum von den Beamten in Augenschein genommen wurde, lässt noch nicht den Schluss auf eine Hausdurchsuchung zu. Die Beschwerdeführerin selbst hat nicht einmal behauptet, dass Behältnisse geöffnet wurden bzw. ist auch aus den vorgelegten Videoclips derartiges auch nicht ersichtlich.
Dass der Finanzpolizist S T nach vorherigem Hinweis auf eine BAO-Kontrolle sich die Kassenausdrücke ausdrucken ließ und im Gegensatz zu seiner Zeugenaussage in die Kellnerbrieftasche schaute, wird das Bundesfinanzgericht (siehe Abtretungsbeschluss) zu beurteilen haben. Aus den Videoclips ist eindeutig erkennbar, dass die Kellnerbrieftasche auf Verlangen geöffnet wurde.
Von der Einvernahme der Kellnerin X wurde von Seiten der Parteien Abstand genommen und geht das Gericht davon aus, dass von der Zeugin X keine neuen Wahrnehmungen zu erwarten sind.
III. Rechtliche Beurteilung:
§ 50 Abs 2, Abs 3 und Abs 4 GSpG lautet:
STRAF- UND VERFAHRENSBESTIMMUNGEN
Behörden und Verfahren
…
(2) Diese Behörden können sich der Mitwirkung der Organe der öffentlichen Aufsicht bedienen und zur Klärung von Sachverhaltsfragen in Zusammenhang mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Amtssachverständigen des § 1 Abs. 3 hinzuziehen. Zu den Organen der öffentlichen Aufsicht zählen jedenfalls die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden.
(3) Zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind die Organe der öffentlichen Aufsicht auch aus eigenem Antrieb berechtigt. Die Organe der Abgabenbehörden können zur Sicherung der Ausübung ihrer Überwachungsbefugnisse die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinzuziehen.
(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung ist dem Betroffenen anzudrohen. Die Organe haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig.
…
1. Aufbrechen der Türe zum Nebenraum („Turnierzimmer“) und der Türe beim Verschlag:
Im Nebenraum waren Glücksspielgeräte von vorhergehenden Kontrollen (die letzte Kontrolle war am 09. November 2017) gelagert. Die Türe zu dem Raum wurde mit Amtssiegeln verklebt. Ein Betriebsschließungsbescheid ist nicht ergangen. Der Beschwerdeführerin war es daher gestattet nach einem Monat den Raum zu betreten, da die Schließung des Nebenraums ex lege gemäß § 56a Abs 3 als aufgehoben galt. Die Beschädigung der Amtssiegel bei der Türe zum Nebenraum waren daher von keiner Relevanz. Die angebrachten Versiegelungsetiketten an den Glücksspielgeräten waren unversehrt.
Die Öffnung der Türe zum Nebenraum auf Anordnung Mag. Dr. P an den Finanzpolizisten (mittels Brecheisen) stellt sicherlich die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt dar. Das Betreten des Nebenraumes zwecks glücksspielrechtlicher Kontrolle war notwendig und es bestand auch der Verdacht, dass illegales Glücksspiel in dem Raum durchgeführt werde. Eine Öffnung der Türe – wenn auch unter Einsatz von Gewalt – war somit vorerst gerechtfertigt. Die Kellnerin hat trotz Aufforderung die Türe nicht geöffnet.
Das Gericht vertritt jedoch die Auffassung, dass die gewählte Vorgangsweise „außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriffs steht“ (§ 50 Abs 4 vierter Satz GSpG), zumal die Zuziehung eines Schlossers innerhalb noch einer tolerierbaren Frist möglich gewesen wäre. Dies auch in Anbetracht, dass es normalerweise zu keiner freiwilligen Öffnung der Türe bei derartigen Lokalitäten kommt. Bei Zuziehung eines Schlossers in J wäre es durchaus noch zu einer effizienten Kontrolle gekommen. Hiezu wird ausdrücklich auf die Aussage des hinzugezogenen nichtamtlichen Sachverständigen Q R verwiesen, der angab, dass man normalerweise mindestens zwei Stunden benötigt, um ein Gerät zur Raumtemperatur herab zu kühlen. Innerhalb einer derartigen Zeitspanne wäre es jedenfalls möglich gewesen, einen Schlosser beizuziehen. Derartige Überlegungen wurden vom leitenden Amtsorgan nicht angestellt, sondern sofort die Türe mittels Brecheisen geöffnet.
Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist in § 50 Abs 4 vierter Satz GSpG ausdrücklich normiert und spricht auch der Verfassungsgerichtshof von dem „allgemein in der Rechtsordnung verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit jeden staatlichen Handelns“ (VfSlg. 15.046/1997). Stellt die – wenn auch grundsätzlich zu Recht – eingesetzte physische Gewalt außer Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck, so ist die betreffende Amtshandlung in dem Punkt rechtswidrig (Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde, Verlag Österreich, 2. Auflage, S. 90 ff). Es steht jedenfalls für das Gericht fest, dass der Einsatz von Brecheisen bei Öffnung der Türe, welches auch zu einem Schaden beim Schloss der Türe führte, unverhältnismäßig war. Ein Schlüsseldienst wäre jedenfalls unter Zugrundelegung der nachvollziehbaren sachverständlichen Äußerung von Q R möglich gewesen. Der Grund für die Nichtbeiziehung eines Schlüsseldienstes ist somit für das Gericht nicht plausibel und stellt das Aufbrechen einer Türe ohne zu prüfen, ob eine gewaltfreie oder schonende Öffnung möglich wäre, eine rechtswidrige behördliche Zwangsgewalt dar (VwGH 06.07.1999, 96/01/0061).
Dass eine längere Zeitspanne, den im Lokal tätigen Personen die Möglichkeit gegeben hätte, Beweisgegenstände verschwinden zu lassen, kommt im konkreten Fall nicht zum Tragen, da in dem Zimmer ohnedies nur Glücksspielgeräte gelagert waren und es keinen Anhaltspunkt gab, dass irgendwelche Personen sich im Raum aufhalten würden. Für die Behörde wäre es als Aufgabe im organisatorischen Bereich gelegen, für einen schnelleren Zugriff insofern zu sorgen, dass ein Schlüsseldienst bereitsteht, umso mehr damit normalerweise gerechnet werden muss, dass Türen von derartigen Lokalen nicht freiwillig geöffnet werden.
Die Türöffnung mittels Brecheisen beim kleinen Raum durch Finanzpolizisten stellt sicherlich nicht das noch gelindeste zum Ziel führende Mittel zur Öffnung der Türe im konkreten Fall dar und war durch das rechtswidrige exzessive Vorgehen die Amtshandlung rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin ist in ihrem Recht auf Nichtbeschädigung des Schlosses der Türe bei gewaltsamer Öffnung verletzt worden, da bei fachgemäßer Öffnung durch einen Schlüsseldienst eine Beschädigung der Türe vermieden worden wäre.
Keinesfalls war die Öffnung der Türe beim Verschlag im Thekenraum rechtswidrig, da es hiebei zu keiner Beschädigung der Türe gekommen ist. Die Beschwerdeführerin ist damit in keinem Recht verletzt worden. Allein der Umstand, dass die Türe mit einem Brecheisen von einem Finanzpolizisten geöffnet wird und die Türe voll funktionstüchtig ohne Beschädigung blieb, lässt noch keine Rechtswidrigkeit der gewaltsamen Öffnung der Türe nach sich ziehen.
2. Hausdurchsuchung:
Obwohl die Amtshandlung bereits mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, wenn ein Teil der Amtshandlung rechtswidrig ist, sieht sich das Gericht veranlasst zur behaupteten Hausdurchsuchung Stellung zu nehmen. Für das Gericht hat keine Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten stattgefunden, umso mehr keine Behältnisse geöffnet wurden und auch keine systematische Durchsuchung des Lokales stattfand. Es wurde so z.B. die Büroräumlichkeit nicht besichtigt. Dass die einschreitenden Organe mit der Taschenlampe den Thekenbereich als auch hinter den Glücksspielgeräten ausleuchteten, um eventuell dort liegende Chipkarten, Schlüssel bzw. Arbeitsaufzeichnungen zu finden, lässt noch nicht den Schluss auf eine Hausdurchsuchung zu. Das Öffnen von Behältnissen wird selbst von der Beschwerdeführerin nicht behauptet.
3. Beiziehung des nichtamtlichen Sachverständigen Q R:
Bei der Kontrolle wurde der nichtamtliche Sachverständige Q R von der Behörde beigezogen.
Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.11.2017, Ro 2016/17/0003) sind zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG die Organe der öffentlichen Aufsicht auch aus eigenem Antrieb berechtigt, wobei gemäß § 50 Abs 2 GSpG zu den Organen der öffentlichen Aufsicht ebenfalls die Organe der Abgabenbehörde – mithin die Finanzpolizei – gehören. Die Befugnisse dieser Organe sind in § 50 Abs 4 GSpG geregelt, wobei die Durchsetzung der Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in den letzten Sätzen des § 50 Abs 4 GSpG erst mit der Novelle BGBl. I Nr. 118/2015 hinzugeführt wurde. Diese gesetzlichen Bestimmungen gehen daher davon aus, dass die Organe der Finanzpolizei als gemäß § 9 Abs 3 AVOG 2010 iVm § 10b AVOG 2010-DV eingerichtete Organisationseinheit in Erfüllung der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG gemäß § 50 Abs 2 und 3 GSpG als Organe der Abgabenbehörde tätig werden und daher, soweit sie nicht selbst im Auftrag der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde gemäß § 50 Abs 1 GSpG tätig werden, dieser zurechenbar sind.
Im konkreten Fall wurden die beigezogenen Finanzpolizisten im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Liezen tätig, die für deren Handlungen die Verantwortung als belangte Behörde übernimmt. Der Sachverständige Q R ist jedenfalls nicht zu den Organen der öffentlichen Aufsicht hinzuzuzählen, sondern wurde zur Klärung von Sachverhaltsfragen im Zusammenhang mit dem Glücksspielgesetz beigezogen. Das Glücksspielgesetz sieht zwar grundsätzlich vor, dass Amtssachverständige beigezogen werden, wenn jedoch der Bundesminister für Finanzen keine Amtssachverständige bestellt (§ 1 Abs 3 GSpG), so kann sich die Behörde geeigneter Sachverständiger bedienen (§ 52 Abs 2 AVG). Dass bei der Kontrolle die belangte Behörde hiebei einen gerichtlich beeideten Sachverständigen beigezogen hat, ist sicherlich im Rahmen ihrer Anordnungsbefugnis bei der glücksspielrechtlichen Kontrolle. Zudem besteht zwischen dem gerichtlich beeideten Sachverständigen und dem Amt der Landesregierung eine finanzielle Vereinbarung (Werkvertrag) sowie Umschreibung des Leistungsumfanges, der eine „Teilnahme an Einsätzen der Bezirkshauptmannschaften im Verfahren nach dem Glücksspielgesetz, insbesondere Verfahren nach §§ 50 ff GSpG“ vorsieht. Dass der beigezogene Sachverständige Handlungen gesetzt hat, die über seinen Kompetenzbereich hinausgehen, wird selbst von der Beschwerdeführerin nicht behauptet und stellt daher die Anwesenheit bzw. Teilnahme des Sachverständigen bei der Kontrolle keinesfalls eine Verletzung des Hausrechtes der Beschwerdeführerin dar.
Die Beschwerde wegen der behaupteten rechtswidrigen „Mitnahme eines nichtamtlichen Sachverständigen zur Kontrolle“ war daher abzuweisen.
4. Anbringen von Amtssiegel auf Türen:
§ 56a Abs 3 GSpG lautet:
Betriebsschließung
…
(3) Über eine Verfügung nach Abs. 1 ist binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
…
Sowohl beim Nebenraum als auch beim Verschlag im Thekenraum wurden nach Schließen der Türen Amtssiegel angebracht. Ein Bescheid im Sinne des § 56a Abs 3 GSpG (Betriebsschließung) wurde nicht erlassen. Das hat zur Folge, dass die Verfügung der Betriebsschließung nach einem Monat, somit am 18. Februar 2018, ex lege aufgehoben war.
Der Beschwerdeführerin kommt daher auf Grundlage der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 03.05.2011, Zl.: 2008/05/0253; 13.04.2018, Ra 2018/02/0038 zum Wiener Wettengesetz 2016) als Betreiberin des Lokals zum jetzigen Zeitpunkt keine Beschwerdelegitimation mehr zu. In dem Punkt ist die Maßnahmenbeschwerde wegen des nachträglichen Wegfalls des Beschwerdegegenstandes nicht mehr als zielführend anzusehen und war daher das Beschwerdeverfahren einzustellen. Es steht natürlich der Beschwerdeführerin frei, sich diesbezüglich am Zivilrechtsweg schadlos zu halten.
IV. Als Kosten wurden im Sinne des § 35 VwGVG iVm § 1 VwG-AufwErsV der Beschwerdeführerin ein Betrag von € 1.659,60 zugesprochen. Der Betrag setzt sich zusammen aus dem Schriftsatzaufwand in der Höhe von € 737,60 und dem Verhandlungsaufwand in der Höhe von € 922,00. Der Antrag auf Zuerkennung der Eingabegebühr in der Höhe von € 45,00 wurde abgewiesen, da es sich bei den in § 35 VwGVG genannten Beträgen um Pauschalbeträge handelt und die Zuerkennung der Eingabegebühr nicht vorgesehen ist.
V. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Aufbrechen der Türe zum Nebenraum („Turnierraum“) mittels Brecheisen und Beschädigung des Schlosses stellt eine exzessive Gewaltanwendung von Seiten der Behörde dar und ist nicht das gelindeste Mittel angewandt worden, um die Türe zu öffnen, obwohl die Beiziehung eines Schlüsseldienstes möglich gewesen wäre. Die Beiziehung eines Schlüsseldienstes hätte auch bei Inanspruchnahme eines Zeitraumes von ein bis zwei Stunden den Zweck der Amtshandlung nicht vereitelt.
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