LVwG Niederoesterreich LVwG-MD-13-1321

LVwG NiederoesterreichLVwG-MD-13-132116.9.2014

KFG 1967, §103 Abs2
KFG 1967, §103 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2014:LVwG.MD.13.1321

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Dr. Zakovsek als Einzelrichterin über die Berufung des ***, ***, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom ***, *** , zu Recht erkannt:

1. Der Berufung wird gemäß § 50 VwGVG keine Folge gegeben und das Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

2. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Rechtsmittelwerber 36 Euro als Kostenbeitrag zum Revisionsverfahren zu entrichten.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Gemäß § 54b VStG sind der Strafbetrag und der Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren und zum Beschwerdeverfahren binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses fällig.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft X bestrafte *** mit Straferkenntnis vom ***, ***, wegen einer Übertretung gemäß § 103 Abs. 2 i.V.m. § 134 Abs. 1 KFG mit einer Geldstrafe in Höhe von 180 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) zuzüglich 18 Euro als Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren.

Dem Rechtsmittelwerber wurde angelastet, als Zulassungsbesitzer des PKW *** der Bezirkshauptmannschaft X über deren schriftliche Anfrage vom *** nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung am *** darüber Auskunft erteilt zu haben, wer dieses KFZ am *** um 09:39 Uhr, im Gemeindegebiet ***, auf der *** nächst Strkm ***, Fahrtrichtung ***, gelenkt habe. Er habe auch keine andere Person benannt, die die Auskunft hätte erteilen können.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob *** fristgerecht Berufung, beantragte die Aufhebung des Bescheides mit der Begründung, dass der Gummiparagraph 103 Abs. 2 KFG mit Sippenhaftkomponente in seiner Anwendung der deutschen Rechtsauffassung (Auskunftsverweigerungsrecht) widersprechen würde. Er habe seinerseits alles getan, um fristgerecht eine richtige Lenkerauskunft abgeben zu können, was aber bis zum heutigen Zeitpunkt anhand der zugesandten Fotos und den genannten Umständen absolut unmöglich sei. Der geforderte Entlastungsbeweis könne daher nicht erbracht werden.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Aus dem Verwaltungsstrafakt ist zu entnehmen, dass der Rechtsmittelwerber mit Strafverfügung vom ***, ***, wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung am *** um 09:39 Uhr, auf der ***, Strkm ***, bestraft wurde. Im Einspruch vom *** brachte er vor, dass es ihm nicht möglich sei, eine korrekte Auskunft zu erteilen und er vorsorglich, was seine Angehörigen betreffe, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache. Als Konsequenz daraus werde er künftig sein Fahrzeug grundsätzlich nicht mehr Dritten zur Nutzung überlassen.

Mit Schreiben vom ***, ***, wurde der Rechtsmittelwerber als Zulassungsbesitzer des PKW *** aufgefordert, die Lenkerauskunft hinsichtlich des Zeitpunkts ***, 09:39 Uhr, zu erteilen.

Im Antwortschreiben vom *** gab der Rechtsmittelwerber an, dass auf dem Radarfoto der verantwortliche Fahrzeuglenker nicht zu erkennen sei. Von seiner Seite als Fahrzeughalter sei bereits von Anfang an alles unternommen und somit mitgewirkt worden, dass ein Verursacher festgestellt und genannt werden könne. Er bitte seine Ausführungen zu berücksichtigen, von einer weiteren Strafverfolgung abzusehen und die Zahlungsaufforderung aufzuheben. Es wäre sehr erfreulich, wenn im Zweifel für den Angeklagten entschieden würde.

In der Rechtfertigung im eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren vom *** brachte der Rechtsmittelwerber vor, dass er aufgrund der langen Fahrt von *** in seine Heimatstadt in *** er während der Reise abwechselnd das Fahrzeug seiner Ehefrau sowie weitere Familienangehörigen überlassen habe, um selbst auch einmal auszuspannen.

Es ist daher offensichtlich, dass vom Rechtsmittelwerber eine Lenkerauskunft nicht erteilt wurde.

§ 103 Abs. 2 KFG bestimmt:

Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Vom Rechtsmittelwerber wurde eine Lenkerauskunft nicht erteilt.

Da sich das Kraftfahrzeug unzweifelhaft, wie aus dem Foto zu entnehmen ist, zum angefragten Zeitpunkt in Österreich befand, war der Rechtsmittelwerber verpflichtet, die Anfrage der Bezirkshauptmannschaft X zu beantworten.

In der Rechtsbelehrung der Anfrage betreffend Lenkerauskunft wird auf die Pflicht zur Erteilung der Auskunft und auch auf die Folgen der Nichterteilung ausdrücklich hingewiesen. Es war daher für ihn die Verpflichtung zur Bekanntgabe des verantwortlichen Lenkers zum angefragten Zeitpunkt zu erkennen. Daher hat er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Tatort hinsichtlich der Nichterteilung der Lenkerauskunft im Sprengel der anfragenden Behörde, sodass in diesem Fall das österreichische Recht anzuwenden ist. Auch als nicht im österreichischen Bundesgebiet Ansässiger war er verpflichtet, sich über die hier geltenden gesetzlichen Regelungen zu informieren und dementsprechend zu verhalten.

Hinsichtlich der Verletzung des Selbstbezichtigungsverbots im Sinne des Art. 6 EMRK ist auf das Urteil des EGMR vom 24.03.2005, Rieg gegen Österreich, Appl. 63207/00, zu verweisen, worin der EGMR auf sein Urteil vom 08.04.2004, Weh gegen Österreich, Appl. 38544/97, zurückgriff und die Frage der Konventionskonformität dieser Bestimmung bejahte. Das Privileg sich nicht selbst zu bezichtigen zu müssen, verbiete nicht per se die Anwendung von Zwangsmitteln, um Informationen außerhalb des Kontexts eines Strafverfahrens gegen die betroffene Person zu erlangen.

§ 103 Abs. 2 KFG enthält keine Vermutung, dass der Zulassungsbesitzer der Lenker gewesen sei. Er ermächtigt auch nicht zur Verfolgung des Zulassungsbesitzers wegen des zu Grunde liegenden Verkehrsdelikts, es sei denn, dieser gestehe zu, das Kraftfahrzeug gelenkt zu haben.

Weiters hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 15.01.1992, 91/03/0349, ausgesprochen, dass eine Aufforderung nach § 103 Abs. 2 KFG auch nach Erlassung einer Strafverfügung ergehen darf.

Mit der Frage, ob sich Österreich durch die Verfassungsbestimmung des § 103

Abs. 2 letzter Satz KFG konventionswidrig verhalte, setzte sich der VwGH im Erkenntnis vom 26.05.2000, 2000/02/0115, auseinander und verwies auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 29.05.1997, in der Rechtsache C-299/95 (Friedrich Kremzow gegen Republik Österreich u.a. ).

Der Strafrahmen des § 134 Abs. 1 KFG reicht bis € 5.000,--. In Anbetracht dieser Strafdrohung liegt die von der Erstinstanz verhängte Strafe im untersten Bereich, sodass eine Herabsetzung nicht in Betracht kommt. Zudem ist es ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Nichterteilung der Lenkerauskunft mit einem nicht geringen Unrechtsgehalt behaftet ist und durch dieses Verhalten dem Zweck der Gesetzesbestimmung, nämlich der raschen Feststellung eines verantwortlichen Lenkers durch die Behörde, zuwidergehandelt wird.

Es fehlen zwar Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers, aber selbst wenn er über kein Einkommen verfügte, käme eine Herabsetzung der Strafe aus general- und spezialpräventiven Überlegungen nicht in Betracht.

Gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG konnte die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Im Falle der Abweisung der Beschwerde ist ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren in Höhe von 20 % des verhängten Strafbetrages gemäß § 52 VwGVG zu entrichten.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die dazu vorliegende und oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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