LVwG Niederösterreich LVwG-AV-1287/004-2018

LVwG NiederösterreichLVwG-AV-1287/004-20184.5.2022

BauO NÖ 2014 §54 Abs1
ROG NÖ 2014 §31

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1287.004.2018

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter über die Beschwerde 1. der A und 2. des C, beide in *** und beide vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 6. November 2018, Zl. ***, betreffend Erteilung einer Baubewilligung an den Mitbeteiligten D in ***, vertreten durch die E Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12. April 2019, zu Recht:

 

1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG iVm§ 25a Abs. 1 VwGG eine Revision zulässig.

Entscheidungsgründe:

 

I. Sachverhalt und wesentlicher Verfahrensgang

 

1. Der Mitbeteiligte ist Eigentümer des Grundstücks Nr. ***, KG *** (in der Folge: Baugrundstück), das in nordwestlicher Richtung an die *** und in südöstlicher Richtung an einen unbenannten Güterweg (in der Folge: Hintausweg) angrenzt. Für dieses Grundstück gilt kein Bebauungsplan.

Der Mitbeteiligte war auch Eigentümer des früheren Grundstücks Nr. ***, KG ***, das am 20. August 2018 grundbücherlich mit dem Grundstück Nr. *** vereinigt und deshalb gelöscht wurde. Zuvor grenzte das Grundstück Nr. *** im Nordwesten an das Grundstück Nr. *** und im Südosten an den Hintausweg.

2. Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer des in nordöstlicher Richtung an das Baugrundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücks Nr. ***, KG *** (in der Folge: Nachbargrundstück). Bei diesem handelt es sich (von der *** gesehen) um ein Fahnengrundstück, wobei die „Fahne“ eine Breite von ca. 3,25 m aufweist und nach einer Länge von ca. 24,6 m den Hauptteil des Grundstücks erschließt.

 

3. Auf dem Baugrundstück befindet sich ein bewilligtes L-förmiges Wohngebäude. Von der *** aus gesehen ist dieses an das auf dem in südwestlicher Richtung angrenzenden Grundstück Nr. *** bestehende Gebäude unmittelbar angebaut. Die Grenze zur „Fahne“ des Grundstücks Nr. *** erreicht das Gebäude jedoch nicht, vielmehr befindet sich dazwischen eine freie Fläche mit einer Breite von ca. 6 m, die zur Straße hin mit einem Bretterzaun abgegrenzt ist.

Außerdem waren im hinteren Bereich des Grundstücks Nr. *** zwei Schuppen bewilligt, von denen einer mit einer verbauten Grundfläche von ca. 120 m² noch besteht und über eine Breite von 6 m unmittelbar entlang der Grenze zum Grundstück Nr. *** verläuft. Der zweite, bereits im Sommer 2018 abgebrochene Schuppen mit einer Grundfläche von etwa 46 m² war über eine Breite von 1,75 m (im Grundstücksinneren) an den ersten Schuppen und über eine Breite von 4,75 m unmittelbar an die Grenze zum Grundstück Nr. *** (konkret einen dort befindlichen weiteren Schuppen) angebaut.

Sämtliche Gebäude befinden bzw. befanden sich nicht auf der Fläche des früheren Grundstücks Nr. *** (das bis zur Vereinigung mit dem Grundstück Nr. *** unbebaut blieb), sondern des „alten“ Grundstücks Nr. *** (vor der Vereinigung).

 

4. Auf dem Nachbargrundstück befindet sich unmittelbar an den noch bestehenden Schuppen auf dem Baugrundstück angebaut eine Garage, außerdem in einer Entfernung von zumindest 7 m von der Grenze zum Baugrundstück ein Einfamilienhaus.

5. Der Mitbeteiligte beantragte am 3. März 2018 (beim Gemeindeamt eingelangt am 26. April 2018) bei der Bürgermeisterin der Marktgemeinde *** die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Abbruch der beiden Schuppen, den Um- und Zubau des Wohnhauses und den Neubau eines Wirtschaftsgebäudes. Die dazu vorgelegten Einreichunterlagen enthielten insbesondere den in der Anlage dargestellten Lageplan.

Während sich demnach die erstgenannten Teile des Bauvorhabens auf der Fläche des „alten“ Grundstücks Nr. *** befinden, liegt das neue Wirtschaftsgebäude auf der Fläche beider früherer Grundstücke (*** und ***). Die Grenze zwischen diesen verlief zwischen dem im Plan eingetragenen Messpunkt *** und dem südwestlich gegenüberliegenden, im Plan nicht nummerierten Messpunkt (er trägt, wie sich anderen Teilen der Einreichunterlagen entnehmen lässt, die Nummer ***).

Die Pläne enthalten auch eine Erhebung, wonach sich in einer Entfernung von 100 m von den Grenzen des Baugrundstücks 13 Hauptgebäude in geschlossener, 3 in gekuppelter und 2 in offener Bebauungsweise fänden. Die Bebauung des Baugrundstücks selbst wurde demnach als geschlossen bebaut eingestuft.

 

6. Noch am Tag des Einlangens wurden die Nachbarn vom Bauvorhaben informiert und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, am Gemeindeamt in dieses Einsicht zu nehmen und innerhalb einer Frist von 14 Tagen dagegen Einwendungen zu erheben. Sie wurden darüber informiert, dass die Parteistellung erlösche, wenn keine Einwendungen erhoben werden. Diese Information wurde den Beschwerdeführern am 30. April 2018 zugestellt.

 

7. Mit Telefax vom 10. Mai 2018 erhoben sie Einwendungen, die sie ausdrücklich nur auf § 6 Abs. 1 Z 3 NÖ BO 2014 beschränkten. Sie wiesen zunächst darauf hin, dass es sich beim geplanten Wirtschaftsgebäude um ein Hauptgebäude handle, da dieses eine Fläche von mehr als 100 m² aufweise. Gemäß § 54 Abs. 3 NÖ BO 2014 würden für dieses dieselben Bestimmungen gelten wie für ein Gebäude im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes. Gemäß § 51 Abs. 3 NÖ BO 2014 sei bei der gekuppelten und der einseitig offenen Bebauungsweise von ihrer Kleingarage ein Bauwich von 3 m einzuhalten. Durch die beabsichtigte Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und den fehlenden Bauwich für den Neubau des Wirtschaftsgebäudes ergebe sich außerdem eine Beeinträchtigung der ausreichenden Belichtung unter 45° für zukünftig bewilligungsfähige Gebäude auf dem Nachbargrundstück (welches unrichtig bezeichnet war). Die Beschwerdeführer wiesen auch auf die Hangneigung von Süden nach Norden hin, die zu einem Höhenunterschied von ca. 2 m führe. Dieser sei bei der Ermittlung der erlaubten Gebäudehöhe zu berücksichtigen.

 

8. Der Mitbeteiligte legte am 20. Juni 2018 eine überarbeitete Darstellung der dem Nachbargrundstück zugewandten Gebäudefronten („Nordansicht“) vor. Daraus ergibt sich, dass das Wirtschaftsgebäudes, das ein Flachdach aufweisen soll, an dieser Front an keiner Stelle eine Höhe von 5,70 m (vom eigetragenen Bezugsniveau gemessen, das einen Anstieg des Geländes in nordwestlicher Richtung in diesem Bereich berücksichtigt) überschreitet.

 

9. Mit Bescheid vom 16. Juli 2018 erteilte die Bürgermeisterin dem Mitbeteiligten die beantragte Baubewilligung unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen und Kosten. In der Begründung teilte sie die Ansicht der Beschwerdeführer, dass es sich beim geplanten Wirtschaftsgebäude um ein Hauptgebäude handle. Allerdings herrsche, wie die vom Planer durchgeführte Erhebung zeige, in der Umgebung die geschlossene Bebauungsweise vor, sodass auf dem Baugrundstück ebenfalls geschlossen gebaut werden könne und ein seitlicher Bauwich nicht erforderlich sei. Betreffend den Einwand der ausreichenden Belichtung habe der Planer die Anrainergebäude in Höhe und Umfang aufgenommen und den Lichteinfallswinkel auf die bestehenden Fenster dargestellt. Aufgrund dessen könne davon ausgegangen werden, dass ein ausreichender Lichteinfall auf das bestehende Hauptfenster des Anrainergebäudes (gemeint offenbar das Einfamilienhaus) gegeben sei.

Auch sei festzuhalten, dass die beiden bestehenden Schuppen an der Grundgrenze eine beträchtliche Höhe aufweisen würden. Somit könne durch den geplanten Zu- und Umbau keine Beeinträchtigung der Nachbarn entstehen. Zur Gebäudehöhe hielt die Bürgermeisterin schließlich fest, dass nach der Berechnung in den Einreichunterlagen die Gebäudehöhe 8 m nicht überschreite.

 

10. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Darin brachten sie vor, ihr Einwand hinsichtlich der Belichtung von Hauptfenstern zukünftig bewilligungsfähiger Gebäude sei nicht berücksichtigt worden. Bei Ausnutzung der maximalen Gebäudehöhe von 8 m müssten die Beschwerdeführer zumindest 7 m von der Grundgrenze abrücken, laut geltendem Recht dürften sie jedoch bereits in einem Abstand von 3 m zur Grundgrenze ein Gebäude mit Hauptfenstern errichten. Dies stelle für sie einen massiven Nachteil hinsichtlich der zukünftigen Bebauung bzw. eine Wertminderung ihres Grundstücks dar.

 

11. Am 20. August 2018 gab der nunmehrige Rechtsanwalt der Beschwerdeführer bekannt, dass ihn diese mit ihrer Vertretung beauftragt hätten.

 

12. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung stellte sie nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens und der von ihr als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften zunächst klar, dass die Grundstücksnummer des Nachbargrundstücks *** laute. In weiterer Folge wiederholte sie im Wesentlichen die Ausführungen der Bürgermeisterin zur Zulässigkeit einer geschlossenen Bebauung des Baugrundstücks (bezeichnet als Grundstück Nr. ***, welches damals jedoch schon mit dem Grundstück Nr. *** vereinigt war).

Das Nachbargrundstück sei nach § 54 NÖ BO 2014 zulässigerweise offen bebaut worden. Das dort befindliche Wohnhaus weise einen Abstand von 8,5 m von der Grundgrenze auf, dadurch sei der Lichteinfall unter 45° auf bestehende Hauptfenster der Beschwerdeführer gesichert. Die von den Beschwerdeführern gewählte offene Bebauungsweise führe nicht dazu, dass die für die anderen Grundstücke nach § 54 NÖ BO 2014 ermittelte Bebauungsweise dadurch unmittelbar beeinträchtigt werde. Da das Nachbargrundstück auf Grund des § 54 NÖ BO 2014 (ungeachtet der verwirklichten offenen Bebauungsweise) ebenfalls in geschlossener Bebauungsweise bebaut werden dürfe, liege kein Eigentumseingriff vor.

Die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten zukünftigen Hauptfenster seien nur insoweit zu berücksichtigen, als diese einer Bewilligung zugänglich wären. Die Errichtung eines Gebäudes, bei welchem eine ausreichende Belichtung von Hauptfenstern nicht gegeben wäre, sei nicht bewilligungsfähig. Das Nachbargrundstück könne weiterhin in offener Bebauungsweise bebaut werden, wobei ein seitlicher Bauwich in der Breite der halben Gebäudehöhe, zumindest 3 m, einzuhalten wäre. Daher seien die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Gründe nicht geeignet, einen Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht darzulegen.

 

13. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführer begehren, den Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung einer Baubewilligung in Abänderung des angefochtenen Bescheides abzuweisen. In eventu beantragen sie, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

14. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ersuchte am 16. Jänner 2019 F vom Gebietsbauamt *** um Erstattung eines Gutachtens, das dieser am 4. Februar 2019 vorlegte. Darin gelangte der Sachverständige zusammengefasst (wenn auch mit einer deutlich höheren Anzahl von gekuppelten Hauptgebäuden) zu dem Ergebnis, dass die vom Mitbeteiligten ermittelte mathematische Mehrheit für die geschlossene Bebauungsweise in der Umgebung zutreffe. Allerdings habe der Planer des Mitbeteiligten (offenbar weil er davon ausging, ein Hauptgebäude in Bauklasse I/II sei jedenfalls zulässig) keine Bauklassen erhoben. Seine Erhebung habe neun Gebäude in Bauklasse I und zwölf in „Bauklasse I/II“ (gemeint wohl Bauklasse II, nachdem die Bauklasse I separat ausgewiesen ist) ergeben.

Das Baugrundstück selbst stufte der Sachverständige im Hinblick auf den abgebrochenen Schuppen bzw. eine „blickdichte Einfriedung“ (gemeint der Bretterzaun zwischen Wohngebäude und Fahne des Nachbargrundstücks) sowie die beiden Schuppen (sowohl den bereits abgebrochenen als auch den noch abzubrechenden) als geschlossen bebaut ein. Alle diese Gebäude würden Gebäudefronten mit einer Höhe von mehr als 5 m (jedoch weniger als 8 m) aufweisen bzw. hätten solche aufgewiesen.

Auch sei das Nachbargrundstück (ebenso wie das an dieses angrenzende Grundstück Nr. ***) nicht (wie vom Planer angenommen) offen, sondern gekuppelt bebaut, weil die Garage als Hauptgebäude einzustufen sei.

 

15. Mit Beschluss vom 20. März 2019 bestellte das Landesverwaltungsgericht F zum bautechnischen Amtssachverständigen. Gleichzeitig beraumte es eine öffentliche mündliche Verhandlung für den 12. April 2019 an und übermittelte den Parteien zur Vorbereitung das Gutachten.

 

16. Die Verhandlung fand zunächst in Form eines Lokalaugenscheins auf dem Bau- und dem Nachbargrundstück sowie den unmittelbar angrenzenden Straßenflächen stattfand und wurde sodann am Gebietsbauamt *** fortgesetzt. Anwesend waren der Amtssachverständige, der Zweitbeschwerdeführer mit dem Rechtsanwalt beider Beschwerdeführer, der Mitbeteiligte und als Vertreterin der belangten Behörde die Bürgermeisterin. Während des Lokalaugenscheins war als weiterer Vertreter der belangten Behörde außerdem der Vizebürgermeister der Marktgemeinde *** (gleichzeitig Ortsvorsteher für ***) anwesend.

In der Verhandlung stellte der Rechtsanwalt der Beschwerdeführer erneut klar, dass sich diese alleine durch den Bau des neuen Wirtschaftsgebäudes (nicht jedoch durch den Umbau des bestehenden Hauptgebäudes bzw. die Abbrüche) in ihrem Recht auf ausreichende Belichtung ihrer zukünftig zulässigen Hauptfenster verletzt erachten.

 

17. Am 15. April 2019 übermittelte die Bürgermeisterin Unterlagen zu der den Beschwerdeführern seinerzeit erteilten Baubewilligung. Aus diesen ergibt sich insbesondere, dass in der Garage der Beschwerdeführer weder Aufenthaltsräume noch Fenster bewilligt wurden.

 

18. Mit Erkenntnis vom 4. November 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde als unbegründet ab. Dies begründete es damit die Beschwerdeführer hätten eine zulässige Einwendung nur hinsichtlich der Garage erhoben. Diese sei jedoch unbegründet, weil einerseits § 6 Abs. 2 lit. a NÖ BO 2014 ein Recht auf Einhaltung eines Bauwichs nur mehr für zukünftig zulässige Gebäude einräume und andererseits die Garage weder über Fenster noch über Aufenthaltsräume verfüge. Die Einwendung, das geplante Wirtschaftsgebäude beeinträchtige auf Grund seiner Bebauungsweise und -höhe zukünftige bewilligungsfähige Gebäude auf ihrem Grundstück, sei hingegen nicht zulässig, weil sie sich ausdrücklich auf ein nicht im Eigentum der Beschwerdeführer stehendes Grundstück beziehe (was in der Berufung wiederholt worden sei).

Gleichzeitig wurden dem Mitbeteiligten für die Durchführung des Ortsaugenscheines Kommissionsgebühren vorgeschrieben.

 

19. Mit Erkenntnis vom 9. Juli 2021, *** und ***, hob der Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer Revision der Beschwerdeführer das Erkenntnis vom 4. November 2019 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Dies begründete er zusammengefasst damit, dass sich aus der Einwendung sowie dem Vorbringen der Beschwerdeführer insgesamt klar und eindeutig ergebe, dass diese trotz der unrichtigen Bezeichnung auf das Grundstück Nr. *** bezogen gewesen sei.

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 21. Juli 2021 zugestellt.

 

20. Dieser Sachverhalt bzw. Verfahrensgang ergibt sich in schlüssiger Weise aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, aus dem Gerichtsakt sowie den in der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweisen und ist insoweit unbestritten.

Schlüssig und unbestritten ist insbesondere auch die vom Sachverständigen ermittelte Mehrheit für die geschlossene Bebauungsweise sowie die Bauklasse II (als „Bauklasse I/II“ bezeichnet, vgl. schon oben 13.) auf den Grundstücken in einer Entfernung von 100 m vom Baugrundstück. Der Rechtsanwalt der Beschwerdeführer ist dem in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht entgegengetreten. Diese Ergebnisse des Sachverständigengutachtens werden daher als Feststellungen der Entscheidung zu Grunde gelegt.

II. Rechtsvorschriften

 

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetzes (VwGVG), BGBl. I 33/2013, idF BGBl. I 109/2021, lauten:

„[…]

Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

[…]

Prüfungsumfang

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

[…]“

 

2. Gemäß § 70 Abs. 16 der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014), LGBl. 1/2015 idF LGBl. 32/2021, sind die am Tage des im Inkrafttretens der NÖ BO 2014 idF LGBl. 32/2021 (das war gemäß § 70 Abs. 14 leg.cit. grundsätzlich der 01.07.2021) anhängigen Verfahren nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen.

 

3. Die maßgeblichen Bestimmungen der NÖ BO 2014 idF LGBl. 53/2018 lauteten:

„[…]

§ 4

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

[…]

2. Aufenthaltsraum: ein Raum, der zum längeren Aufenthalt von Personen bestimmt ist (z. B. Wohn- und Schlafraum, Wohnküche, Arbeitsraum, Unterrichtsraum); nicht dazu zählen jedenfalls Badezimmer und Toiletten;

3. ausreichende Belichtung: jene Belichtung auf Hauptfenster, die durch einen freien Lichteinfall unter 45° (gemessen von der Horizontalen) bei einer seitlichen Abweichung (Verschwenkung) um nicht mehr als 30° ausgehend vom Bezugsniveau (Z 11a) gegeben ist;

[…]

11. Bebauungsweise: Festlegung der Anordnung der Hauptgebäude auf dem Grundstück (§ 31 Abs. 1 NÖ Raumordnungsgesetz 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung);

[…]

15. Gebäude: ein oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und wenigstens 2 Wänden, welches von Menschen betreten werden kann und dazu bestimmt ist, Menschen, Tiere oder Sachen zu schützen, wobei alle statisch miteinander verbundenen Bauteile als ein Gebäude gelten;

Nebengebäude: ein Gebäude mit einer bebauten Fläche bis zu 100 m², das oberirdisch nur ein Geschoß aufweist, keinen Aufenthaltsraum enthält und seiner Art nach dem Verwendungszweck eines Hauptgebäudes untergeordnet ist, unabhängig davon, ob ein solches tatsächlich besteht (z. B. Kleingarage, Werkzeughütte); es kann auch unmittelbar neben dem Hauptgebäude stehen;

[…]

21. Hauptfenster: Fenster, die zumindest zum Teil über dem Bezugsniveau liegen und zur ausreichenden Belichtung von Aufenthaltsräumen erforderlich sind; alle anderen Fenster sind Nebenfenster. Ein Fenster gilt auch dann als Hauptfenster, wenn nur ein Teil, der jedenfalls über dem Bezugsniveau liegen muss, für die ausreichende Belichtung herangezogen wird;

Hauptfenster künftig zulässiger Gebäude: Hauptfenster der zukünftig im Sinn einer geordneten Bebauungsplanung bewilligungsfähigen Gebäude;

Hauptfenster zulässiger Gebäude: Hauptfenster der künftig zulässigen und darüber hinaus auch der bestehenden bewilligten Gebäude;

[…]

§ 6

Parteien und Nachbarn

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

1. der Bauwerber und der Eigentümer des Bauwerks

2. der Eigentümer des Baugrundstücks

3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z. B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und

[…]

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das fertiggestellte Bauvorhaben bzw. das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten oder als Inhaber eines Fahr- und Leitungsrechtes nach § 11 Abs. 3 beeinträchtigt werden können.

[…]

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung, der NÖ Aufzugsordnung 2016, LGBl. Nr. 9/2017 in der geltenden Fassung, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, […]

[…]

3. durch jene Bestimmungen über

a) die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung auf Hauptfenster (§ 4 Z 3 und 21) der künftig zulässigen Gebäude der Nachbarn dienen,

sowie

b) gesetzlich vorgesehene Abweichungen von den Festlegungen nach lit. a, soweit die ausreichende Belichtung

- auf Hauptfenster der zulässigen Gebäude der Nachbarn (§ 50 Abs. 2 und 4, § 51 Abs. 2 Z 3, Abs. 4 und 5, § 67 Abs. 1) oder

- auf bestehende bewilligte Hauptfenster (§ 52 Abs. 2 Z 4, § 53a Abs. 8) der Nachbarn

beeinträchtigt werden könnte.

[…]

§ 14

Bewilligungspflichtige Vorhaben

Nachstehende Vorhaben bedürfen einer Baubewilligung:

1. Neu- und Zubauten von Gebäuden;

[…]

3. die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz, die Belichtung oder Belüftung von Aufenthaltsräumen, die Trinkwasser-versorgung oder Abwasserbeseitigung beeinträchtigt oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen könnte;

[…]

§ 21

Verfahren mit Parteien und Nachbarn

(1) Führt die Vorprüfung (§ 20) zu keiner Abweisung des Antrages, hat die Baubehörde die Parteien und Nachbarn (§ 6 Abs. 1 und 3) nachweislich vom geplanten Vorhaben nach § 14 zu informieren und darauf hinzuweisen, dass bei der Baubehörde in die Antragsbeilagen und in allfällige Gutachten Einsicht genommen werden darf. Gleichzeitig sind die Parteien und Nachbarn – unter ausdrücklichem Hinweis auf den Verlust ihrer allfälligen Parteistellung – aufzufordern, eventuelle Einwendungen gegen das Vorhaben schriftlich binnen einer Frist von 2 Wochen ab der Zustellung der Verständigung bei der Baubehörde einzubringen. Werden innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben, erlischt die Parteistellung. Eine mündliche Verhandlung im Sinn der §§ 40 bis 44 des Allgemeinen Verwaltungsver-fahrensgesetzes 1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2013, findet nicht statt.

[…]

(3) Der Bescheid, mit dem über den Antrag nach § 14 entschieden wird, ist jenen Parteien und Nachbarn zuzustellen, die rechtzeitig Einwendungen erhoben haben. Die Zustellung dieses Bescheides begründet jedoch keine Parteistellung.

[…]

§ 49

Anordnung von Bauwerken auf einem Grundstück

[…]

(3a) Für die ausreichende Belichtung der Hauptfenster dürfen nur jene Bereiche der Nachbargrundstücke herangezogen werden, die gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht bebaut werden dürfen. Hiezu sind am Nachbargrundstück eine Baukubatur mit der zulässigen Bebauungshöhe und einem dazugehörigen Bauwich sowie im Bauwich jedenfalls zulässige Bauwerke (§ 51) anzunehmen.

[…]

§ 50

Bauwich

(1) Der seitliche und hintere Bauwich müssen, wenn sie nicht in den nachfolgenden Bestimmungen anders geregelt sind, der halben Gebäudehöhe (§ 53) der jeweiligen, der Grundstücksgrenze zugewandten Gebäudefronten der Hauptgebäude entsprechen.

Bei einer Gebäudehöhe von mehr als 8 m dürfen der seitliche und hintere Bauwich nur für Gebäudefronten mit einer Länge von insgesamt nicht mehr als 15 m je Bauwich der halben Gebäudehöhe entsprechen. Bei allen anderen Gebäudefronten muss der Bauwich der vollen Gebäudehöhe entsprechen.

Die seitlichen und hinteren Bauwiche müssen mindestens 3 m betragen, außer die Mindestbreite ist in einem Bebauungsplan durch Baufluchtlinien anders festgelegt.

Beispiele für Bauwiche bei offener Bebauungsweise:

bei einem Eckbauplatz bei einem rechteckigen Bauplatz

 

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

 

„…

 

…“

 

[…]

§ 53

Ermittlung der Höhen von Bauwerken

(1) Die Gebäudehöhe ist die mittlere Höhe einer Gebäudefront und errechnet sich aus der Fläche der Gebäudefront (A) dividiert durch deren größte Breite (b) (siehe § 53a Abb. 1 und 2).

 

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

 

„…

 

…“

 

 

[…]

§ 53a

Begrenzung der Höhe von Bauwerken und der Geschoßanzahl

(1) Die gemäß § 53 ermittelten Gebäudehöhen müssen der Bebauungshöhe h (Bauklasse oder der höchstzulässige Gebäudehöhe) entsprechen. In Teilbereichen sind Überschreitungen der Bebauungshöhe von bis zu 1 m zulässig.

[…]

 

§ 54

Bauwerke im Baulandbereich ohne Bebauungsplan

(1) Ein Neu- oder Zubau eines Hauptgebäudes ist auf einem als Bauland, ausgenommen Bauland-Industriegebiet, gewidmeten Grundstück, für das kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält, nur zulässig, wenn es in seiner Anordnung auf dem Grundstück (Bebauungsweise) oder in seiner Höhe (Bauklasse) von den in seiner Umgebung bewilligten Hauptgebäuden nicht abweicht.

Die Umgebung umfasst einschließlich des Baugrundstücks alle Grundstücke im Bauland, ausgenommen Bauland-Industriegebiet, die vom Baugrundstück aus innerhalb einer Entfernung von 100 m baubehördlich bewilligte Hauptgebäude oder -teile aufweisen.

Eine Abweichung hinsichtlich der Anordnung oder Höhe liegt dann vor, wenn das neue oder abgeänderte Hauptgebäude nicht der auf dem Baugrundstück bereits bewilligten Bebauungsweise und Bebauungshöhe (Bauklasse) oder nicht jener Bebauungsweise und Bebauungshöhe (Bauklasse) entspricht, die von der Anordnung und der Höhe der Hauptgebäude in der Umgebung abgeleitet wird und die mehrheitlich in der Umgebung vorhanden ist. Neben der abgeleiteten Bauklasse darf auch die nächst niedrigere gewählt werden. Entspricht das neue oder abgeänderte Hauptgebäude der offenen Bebauungsweise und den Bauklassen I und II und ist auf dem Baugrundstück noch keine andere Bebauungsweise bewilligt, liegt unbeschadet des Abs. 4 eine Abweichung hinsichtlich der Anordnung und der Höhe jedenfalls nicht vor. Erhebungen in der Umgebung hinsichtlich der Anordnung und Höhe sind diesfalls ebenso nicht erforderlich wie für den Fall, dass das neue oder abgeänderte Hauptgebäude der auf dem Baugrundstück bereits bewilligten Bebauungsweise und Bebauungshöhe entspricht.

[…]

(3) Für Hauptgebäude und andere Bauwerke gelten – nach der Feststellung der durch die bewilligten Hauptgebäude verwirklichten Bebauungsweise und Bauklasse gemäß Abs. 1 und 2 – dieselben Bestimmungen dieses Gesetzes wie für Hauptgebäude und Bauwerke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, sinngemäß.

[…]“

 

4. § 31 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014 (NÖ ROG 201), LGBl. 3/2015 idF LGBl. 97/2020, lautet auszugsweise:

„§ 31

Regelung der Bebauung

(1) Die Bebauungsweise regelt die Anordnung der Hauptgebäude auf dem Grundstück. Sind auf dem Grundstück mehrere Baulandflächen abgegrenzt, dürfen dafür unterschiedliche Bebauungsweisen festgelegt werden. Die Bebauungsweise kann auf eine der folgenden Arten festgelegt werden:

1. geschlossene Bebauungsweise

Die Bebauung ist überwiegend durch Hauptgebäude straßenseitig in einer geschlossenen Flucht von seitlicher zu seitlicher Grundstücksgrenze vorzunehmen. Weiters kann die Bebauung bis zu einer Baufluchtlinie (z. B. Eckbauplätze) oder einer Abgrenzung im Sinn des § 4 Z 3 der Verordnung über die Ausführung des Bebauungsplanes, LGBl. 8200/1-3, erfolgen.

Grundstücke, die vor Inkrafttreten der NÖ Bauordnung 1996 mit einer Reiche (max. 1,20 m Gebäudeabstand) errichtet wurden, gelten als geschlossen bebaut.

2. gekuppelte Bebauungsweise

Die Hauptgebäude auf zwei Bauplätzen sind an der gemeinsamen seitlichen Grundstücksgrenze überwiegend aneinander anzubauen und an den anderen seitlichen Grundstücksgrenzen ist ein Bauwich einzuhalten.

3. einseitig offene Bebauungsweise

Alle Hauptgebäude sind an eine für alle Bauplätze gleich festgelegte seitliche Grundstücksgrenze überwiegend anzubauen, wobei dies auch für einen einzelnen Bauplatz festgelegt werden kann. An der anderen seitlichen Grundstücksgrenze ist ein Bauwich einzuhalten.

4. offene Bebauungsweise

An beiden Seiten ist ein Bauwich einzuhalten.

Die Bebauungsweise darf wahlweise als offene oder gekuppelte festgelegt werden. Der Bauwerber darf ein Wahlrecht zwischen offener und gekuppelter Bebauungsweise nur unter Bedachtnahme auf die bereits bestehenden und bewilligten Gebäude ausüben, sofern das Wahlrecht nicht schon durch frühere Bauvorhaben verbraucht ist.

(2) Die Bebauungshöhe ist die im Geltungsbereich der Bebauungsweisen nach Abs. 1 Z 1 - 4 in Bauklassen festgelegte Höhe der Hauptgebäude.

Die Bauklassen werden unterteilt in

Bauklasse I bis 5 m

Bauklasse II über 5 m bis 8 m

Bauklasse III über 8 m bis 11 m

[…]

Die Bebauungshöhe darf mit zwei aufeinanderfolgenden Bauklassen festgelegt werden. […]

[…]“

III. Rechtliche Beurteilung

 

1. Nach § 70 Abs. 16 NÖ BO 2014, der den Übergang zur Novelle LGBl. 32/2021 regelt, ist im vorliegenden Fall, welcher im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle (am 01.07.2021) bereits anhängig war, die NÖ BO 2014 in der Fassung dieser Novelle noch nicht anzuwenden.

Für die zuvor geltende Fassung der Novelle LGBl. 53/2018 besteht keine vergleichbare Übergangsbestimmun. Daher ist entsprechend dem Grundsatz, dass das Verwaltungsgericht die im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Sach- und Rechtslage anzuwenden hat, die NÖ BO 2014 in der Fassung dieser Novelle anzuwenden, auch wenn das Bauansuchen vor deren Inkrafttreten eingebracht wurde (vgl. VwGH 03.10.2019, 2019/05/0238, mwN; weiters 22.01.2019, Ra 2018/05/0272, wo es ebenfalls um eine Einreichung vor Inkrafttreten der Novelle ging).

 

2. Es ist unbestritten, dass das Bauvorhaben des Mitbeteiligten nach § 14 Z 1 und 3 NÖ BO 2014 bewilligungspflichtig ist und den Beschwerdeführern als Nachbarn gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 leg.cit. im Bewilligungsverfahren Parteistellung zukommt.

 

3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde und der Verwaltungsgerichte wie auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Falle von Rechtsmitteln der Nachbarn auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer einerseits den Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits rechtzeitig im Verfahren entsprechende Einwendungen erhoben wurden (vgl. VwGH 29.03.2017, Ra 2015/05/0051, mwN).

Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer ihre am 10. Mai 2018 und somit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 21 Abs. 1 NÖ BO 2014 erhobenen Einwendungen ausdrücklich auf § 6 Abs. 2 Z 3 NÖ BO 2014 sowie das geplante Wirtschaftsgebäude beschränkt. Sie haben einerseits geltend gemacht, dass von ihrer Kleingarage ein seitlicher Bauwich von 3 m einzuhalten sei. Andererseits ergebe sich durch die beabsichtigte Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und den fehlenden Bauwich beim Wirtschaftsgebäude auf dem (damals noch existierenden) Grundstück Nr. *** eine Beeinträchtigung der ausreichenden Belichtung unter 45° für zukünftig bewilligungsfähige Gebäude auf ihrem Grundstück.

Beide Einwendungen sind im Lichte des § 6 Abs. 2 Z 3 NÖ BO 2014 zulässig. Im Hinblick auf die zweite Einwendung ergibt sich dies schon aus der Bindungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juli 2021 gemäß § 63 Abs. 1 VwGG. Ebenso ist durch das Erkenntnis klargestellt, dass diese Einwendung auf das Nachbargrundstück (und nicht das irrtümlich angeführte, nicht im Eigentum der Beschwerdeführer stehende Grundstück) zu beziehen ist.

Darüber hinausgehende Nachbarrechte machen die Beschwerdeführer, wie sie auch in der mündlichen Verhandlung klargestellt haben, nicht geltend. Ein Eingehen auf die im aufgehobenen Vorerkenntnis thematisierte Frage, ob § 21 Abs. 1 NÖ BO 2014 nunmehr (anders als jene Rechtslage, die der vorzitierten Rechtsprechung zu Grunde liegt) über die Einwendungen, die im dort geregelten Verfahren erhoben wurden, hinaus später noch die Geltendmachung weiterer Nachbarrechte ermöglicht, erübrigt sich somit.

 

4. Da für das Baugrundstück kein Bebauungsplan besteht, ist für seine Bebauung § 54 NÖ BO 2014 maßgeblich. Nach dessen Abs. 1 erster Unterabsatz darf hinsichtlich der Bebauungsweise und der Bauklasse keine Abweichung zur Umgebung vorliegen. Dies definiert der dritte Unterabsatz näher dahingehend, dass eine Abweichung hinsichtlich der Anordnung (= Bebauungsweise) oder Höhe dann vorliegt, wenn das neue oder abgeänderte Hauptgebäude nicht der auf dem Baugrundstück bereits bewilligten Bebauungsweise und Bebauungshöhe (Bauklasse) oder nicht jener Bebauungsweise und Bebauungshöhe (Bauklasse) entspricht, die von der Anordnung und der Höhe der Hauptgebäude in der Umgebung abgeleitet wird und die mehrheitlich in der Umgebung vorhanden ist. Zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 54 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996; seit der Fassung LGBl. 8200-19) hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht, dass diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen (vgl. VwGH 19.05.2015, 2012/05/0097, mwN).

 

5. Was die Bebauungsweise anlangt, so muss der Annahme des Mitbeteiligten und des Amtssachverständigen, das Baugrundstück sei bereits geschlossen bebaut, entgegengetreten werden. Schon das bestehende Wohngebäude entspricht im Hinblick auf den bei diesem (noch) fehlenden Schluss zum Nachbargrundstück nicht den Anforderungen des § 31 Abs. 1 Z 1 NÖ ROG 2014. Dieses Gebäudes ist vielmehr als einseitig offen iSd § 31 Abs. 1 Z 3 NÖ ROG 2014 zu qualifizieren, wobei zum Nachbargrundstück hin ein Bauwich eingehalten wird. Wie nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Motivenbericht zu § 31 Abs. 1 Z 1 NÖ RO 2014 (Ltg.-507/R-3-2014) zeigen, wollte der Gesetzgeber mit der Neuformulierung gegenüber dem früheren § 70 Abs. 1 Z 1 NÖ BauO 1996 gerade zum Ausdruck bringen, dass die geschlossene Bebauungsweise grundsätzlich durch Hauptgebäude (und nicht durch bloße Gebäudeteile oder Bauwerke, somit insbesondere nicht durch Einfriedungen) zu verwirklichen ist.

Ebenso war durch die beiden Schuppen eine geschlossene Bebauungsweise schon deshalb nicht verwirklicht, weil diese keine geschlossene straßenseitige Flucht aufwiesen (also ihre straßenseitigen Begrenzungen im Grundriss nicht auf einer Geraden lagen). Mangels vollständiger Einhaltung eines seitlichen Bauwichs (ein solcher wurde durch das jeweils andere Gebäude verhindert) konnten diese beiden jeweils an eine seitliche Grundstücksgrenze angebauten Gebäude, jedenfalls solange auch der zweite (kleinere, an die südwestliche Grenze angebaute) Schuppen bestand, auch keiner anderen Bebauungsweise des § 31 Abs. 1 NÖ ROG 2014 zugeordnet werden. Nach Abbruch des zweiten Schuppens entsprach der verbleibende einer einseitig offenen Bebauungsweise gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 NÖ ROG 2014, bei der zum Nachbargrundstück hin kein Bauwich eingehalten wurde.

Bestehen aber auf einem Grundstück mehrere Hauptgebäude und können diese nicht einheitlich einer der Bebauungsweisen des § 31 Abs. 1 NÖ ROG 2014 zugeordnet werden, so bewirkt dies, dass eine „auf dem Baugrundstück bereits bewilligte[n] Bebauungsweise“ iSd § 54 Abs. 1 dritter Unterabsatz NÖ BO 2014 nicht besteht. Für dieses Ergebnis spricht zunächst der Motivenbericht zu § 54 Abs.1 NÖ BO 2014 (Ltg.-477/B-23/2-2014), der in seinem letzten Satz davon spricht, dass auf einem Grundstück nur eine Bebauungsweise verwirklicht sein kann. Dieselbe Intention zeigt der bereits zitierte Motivenbericht zu § 31 Abs. 1 NÖ ROG 2014, wo davon die Rede ist, dass sich die Bebauungsweise jeweils nur auf das Hauptgebäude bezieht und nur mehr eine Bebauungsweise festgelegt werden kann.

Durch eine bereits bewilligte Bebauungsweise wird die Bebauung des Baugrundstücks somit nicht begrenzt.

Somit verbleibt nur die Begrenzung durch die in der Umgebung mehrheitlich bestehende Bebauungsweise. Das ist die geschlossene Bebauungsweise, der das von den Beschwerdeführern bekämpfte Wirtschaftsgebäude entspricht. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass im Fall der Festlegung dieser Bebauungsweise – der die Feststellung nach § 54 Abs. 1 NÖ BO 2014 gemäß Abs. 3 gleichgestellt ist – ein seitlicher Bauwich nicht einzuhalten ist und die Bauführer auf der Liegenschaft bis an die Grenze heranbauen dürfen (VwGH 30.04.2013, 2013/05/0036). § 50 Abs. 1 NÖ BO 2014 ist also nicht anzuwenden.

Ergänzt sei noch, dass die Streichung der Hauptgebäude auf dem Baugrundstück aus der Anzahl der geschlossenen Gebäude in der Umgebung zu keiner Änderung der Mehrheit für die geschlossene Bebauungsweise führen kann. Ebensowenig ist es dafür von Relevanz, wenn man mit den Beschwerdeführern entgegen der Ansicht des Amtssachverständigen das Nachbargrundstück als offen (und nicht als gekuppelt) bebaut ansieht.

 

6. Was die Gebäudehöhe bzw. Bauklasse anlangt, so ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen, dass einerseits sämtliche auf dem Baugrundstück (noch) bestehenden Gebäude in die Bauklasse II fallen und andererseits die künftig geplanten Gebäude ebenfalls dieser Bauklasse entsprechen. Dies gilt insbesondere für das Wirtschaftsgebäude, das jedenfalls an der dem Nachbargrundstück zugewandten Front an keiner Stelle eine Höhe von 5,70 m überschreitet (sodass die Berechnung nach § 53 Abs. 1 NÖ BO 2014 jedenfalls unter dieser Höhe bleiben muss). Die Bauklasse II ist auch die in der Umgebung als überwiegend ermittelte, sodass die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 NÖ BO 2014 insoweit ebenfalls erfüllt sind.

 

7. Damit erweist sich die Errichtung des Wirtschaftsgebäudes nach § 54 Abs. 1 NÖ BO 2014 als zulässig. Daraus folgt im Wege des § 49 Abs. 3a NÖ BO 2014 gleichzeitig, dass die Belichtung zulässiger Hauptfenster auf dem Nachbargrundstück durch dieses nicht beeinträchtigt sein kann, weil dafür nur jene Bereiche des Baugrundstücks heranzuziehen sind, die nicht bebaut werden dürfen.

Dieses Ergebnis bleibt unverändert, wenn man entsprechend dem Vorbringen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom Fortbestehen des Grundstücks Nr. *** ausgeht. Dieses war nämlich bisher unbebaut, sodass für die zulässige Bebauung sowohl hinsichtlich der Bebauungsweise als auch hinsichtlich der Bebauungshöhe die mehrheitliche Bebauung der Umgebung nach § 54 Abs. 1 NÖ BO 2014 alleine ausschlaggebend wäre.

Ebensowenig würde es für die Beschwerdeführer etwas ändern, wenn man den ersten Satz des § 54 Abs. 1 dritter Unterabsatz NÖ BO 2014 so verstünde, dass ein Bauvorhaben sowohl der mehrheitlichen Bebauungsweise in der Umgebung als auch einer von mehreren auf dem Grundstück bereits verwirklichten Bebauungsweisen entsprechen muss. Diesfalls bestünde zwar im vorliegenden Fall ein Widerspruch, weil sich auf dem Baugrundstück kein geschlossenes Gebäude befindet, die mehrheitliche Bebauung in der Umgebung aber geschlossen ist, sodass nach diesem Satz die Errichtung eines Hauptgebäudes in geschlossener Bebauungsweise nicht zulässig wäre. Ein solcher Widerspruch wird jedoch seit dem Inkrafttreten der NÖ BO 2014 durch den letzten Satz dieses Unterabsatzes dahingehend aufgelöst, dass jedenfalls ein Hauptgebäude zulässig ist, das der auf dem Grundstück bereits bewilligten Bebauungsweise und Bebauungshöhe entspricht. Dieser Satz müsste bei entsprechender Auslegung des ersten Satzes so verstanden werden, dass eine (von mehreren) auf dem Baugrundstück bewilligten Bebauungsweisen zulässig ist.

Da auf dem Baugrundstück mit dem noch nicht abgebrochenen Schuppen im Bewilligungszeitpunkt ein Hauptgebäude in einseitig offener Bebauungsweise verwirklicht ist, wobei zum Nachbargrundstück hin kein Bauwich eingehalten wird, dürfte dann jedenfalls ein neues Hauptgebäude in dieser Bebauungsweise errichtet werden. Dass das Wirtschaftsgebäude zwar nicht wieder einseitig offen, sondern (auch zum Grundstück Nr. *** hin) geschlossen ist, kann für die Belichtung der Hauptfenster auf dem Nachbargrundstück im Vergleich zu einem einseitig offenen Gebäude, das zu diesem Grundstück keinen Bauwich einhält, keinen Unterschied machen.

 

8. Hinsichtlich der Belichtung der Garage auf dem Nachbargrundstück ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass einerseits § 6 Abs. 1 Z 3 lit. a NÖ BO 2014 das Recht auf Einhaltung eines Bauwichs grundsätzlich nur mehr für zukünftig zulässige Gebäude auf dem Nachbargrundstück einräumt (eine der Ausnahmen der lit. b liegt nicht vor) und andererseits die Garage, wie die von der Bürgermeisterin am 15. April 2019 vorgelegten Einreichunterlagen zeigen, weder über Fenster noch über Aufenthaltsräume iSd § 4 Z 2 NÖ BO 2014 verfügt, somit auch keinesfalls über Hauptfenster iSd § 4 Z 3 leg.cit.

 

9. Die Beschwerdeführer werden somit durch die mit dem angefochtenen Bescheid bewilligte Errichtung des Wirtschaftsgebäudes in den von ihnen geltend gemachten subjektiven Nachbarrechten nicht verletzt, sodass ihre Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.

 

10. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich die seinerzeitige Revision der Beschwerdeführer nur gegen die Abweisung ihrer Beschwerde (Spruchpunkt 1. des Erkenntnisses vom 04.11.2019) richtete, nicht aber gegen die Vorschreibung von Kommissionsgebühren an den Mitbeteiligten (Spruchpunkt 3.). Dementsprechend umfasste die Aufhebung des Erkenntnisses die – vom Mitbeteiligten am 26.11.2019 auch bereits einbezahlten – Kommissionsgebühren nicht. Daher hat keine neuerliche Vorschreibung zu erfolgen.

IV. Zur Zulässigkeit der Revision

 

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, was als bereits bewilligte Bebauungsweise iSd § 54 Abs. 1 dritter Unterabsatz NÖ BO 2014 anzusehen ist, wenn auf einem Grundstück mehrere Hauptgebäude bestehen, die nicht alle einer der Bebauungsweisen des § 31 Abs. 1 NÖ ROG 2014 zugeordnet werden können. Insoweit scheint nach dem Gesetzeswortlaut auch ein anderes als das vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erzielte Auslegungsergebnis vorstellbar.

 

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