Normen
B-VG Art139 Abs1 Z2
Tir RaumOG 2016 §27, §53, §54, §56, §58, §59
Tir BauO 2018 §2, §5
Tir StraßenG §1, §2, §37, §74b
StVO 1960 §1
Bebauungsplan und ergänzender Bebauungsplan Schulgasse des Gemeinderats der Gemeinde Westendorf vom 22.10.2019
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Westendorf
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2023:V72.2023
Spruch:
I. Der Bebauungsplan und ergänzende Bebauungsplan Schulgasse, Z 031‑3/9/2019, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Westendorf am 22. Oktober 2019, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Westendorf vom 23. Dezember 2019 bis 8. Jänner 2020, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E77/2022 eine auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien sind Allein- bzw Miteigentümer der Grundstücke Nr 46/10, 46/17, 46/9 und 42/3, alle KG Westendorf, und Nachbarn des zu bebauenden Grundstückes Nr 46/20, KG Westendorf, in 6363 Westendorf.
1.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Westendorf vom 23. August 2021 wurde der im Anlassverfahren beteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage auf dem Grundstück Nr 46/20, KG Westendorf, erteilt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 30. November 2021 als unbegründet ab. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass mit dem Vorhaben keine unzumutbaren Emissionsbeeinträchtigungen einhergehen würden. Der Bebauungsplan enthalte sowohl eine Straßen- als auch eine Baufluchtlinie und entspreche daher den Mindestanforderungen des §56 Abs1 TROG 2016. Die gegen den Flächenwidmungsplan geäußerten Bedenken seien nicht nachvollziehbar.
2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes und ergänzenden Bebauungsplanes Schulgasse, Z 031‑3/9/2019, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Westendorf am 22. Oktober 2019, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Westendorf vom 23. Dezember 2019 bis 8. Jänner 2020, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 13. Juni 2023 beschlossen, diese Verordnung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"3. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig von folgender Rechtslage aus:
3.1. Gemäß §56 Abs1 TROG 2016 sind im Bebauungsplan hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien und hinsichtlich der Bebauung die Baufluchtlinien, die Bauweisen, die Mindestbaudichten und die Bauhöhen von Gebäuden festzulegen. Die in Abs1 leg cit genannten Festlegungen über Straßenfluchtlinien und Baufluchtlinien sind in einem Bebauungsplan zwingend zu treffen, sie zählen demnach zu den gesetzlichen Mindestinhalten eines Bebauungsplanes.
3.2. Nach §58 Abs1 TROG 2016 grenzen die Straßenfluchtlinien die unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen von Straßen und die der Gestaltung des Straßenraumes dienenden Flächen von den übrigen Grundflächen ab. Die Straßenfluchtlinien sind unter Bedachtnahme auf die allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 des Tiroler Straßengesetzes festzulegen (§58 Abs2 TROG 2016).
3.3. Baufluchtlinien sind gemäß §59 Abs1 TROG 2016 straßenseitig gelegene Linien, durch die der Abstand baulicher Anlagen von den Straßen bestimmt wird. Abs2 leg cit bestimmt, dass Baufluchtlinien so festzulegen sind, dass das Orts‑ und Straßenbild und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt werden und eine ausreichende Belichtung und Belüftung der straßenseitig gelegenen Räume gewährleistet ist.
3.4. Gemäß §2 Abs21 TBO 2018 sind Verkehrsflächen ua die den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegenden Straßen. Nach den straßenrechtlichen Vorschriften des Tiroler Straßengesetzes sind Straßen bauliche Anlagen, die dazu bestimmt sind, dem Verkehr von Fußgängern, von Fahrzeugen einschließlich Kraftfahrzeugen und von Tieren zu dienen (§2 Abs1 Tiroler Straßengesetz). Vom Begriff der Straße sind sowohl öffentliche als auch private Straßen umfasst (§1 Abs1 iVm §2 Abs1, 3 und 4 Tiroler Straßengesetz).
4. Der Verfassungsgerichtshof hegt vor diesem Hintergrund gegen die in Prüfung gezogene Verordnung folgende Bedenken:
4.1. Im Bebauungsplan und ergänzenden Bebauungsplan Schulgasse, Z 031‑3/9/2019, ist eine als 'Servitut bestehender Weg' sowie als 'Servitut neu schematisch' (im Folgenden: 'Servitutsweg') bezeichnete Verkehrsfläche auf dem Grundstück Nr 46/2, KG Westendorf, ausgewiesen. Dieses Grundstück ist im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Westendorf, Z 2‑420/10069, als Freiland im Sinne des §41 TROG 2016 gewidmet. Der Servitutsweg scheint als Aufschließungsstraße für die Wohnsiedlung, in der auch das – aus der Teilung des Grundstückes Nr 46/2 hervorgegangene – Grundstück Nr 46/20 gelegen ist, zu dienen. Die verkehrsmäßige Aufschließung von Gebäuden auf dem Grundstück Nr 46/20 dürfte auch über den noch zu errichtenden Teil des Servitutsweges erfolgen.
4.2. Bei dem Servitutsweg dürfte es sich demnach um eine – als Weg bezeichnete – teils bereits bestehende, teils noch zu errichtende Straße im Sinne des §2 Abs1 Tiroler Straßengesetz und damit um eine Verkehrsfläche im Sinne des §58 Abs1 TROG 2016 iVm §2 Abs21 TBO 2018 sowie um eine Straße im Sinne des §59 Abs1 TROG 2016 handeln.
4.3. Im Bebauungsplan sind Straßenflucht- und Baufluchtlinien (ausschließlich) im Bereich der Grundstücksgrenze zwischen Grundstück Nr 46/2 und Grundstück Nr 4106/2, jeweils KG Westendorf, festgelegt. Gegenüber dem Servitutsweg scheinen im Bebauungsplan und ergänzenden Bebauungsplan hingegen weder Straßenflucht- noch Baufluchtlinien festgelegt zu sein. Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass der Bebauungsplan und ergänzende Bebauungsplan Schulgasse entgegen §56 Abs1 iVm §58 Abs1 und §59 Abs1 TROG 2016 nicht gegenüber allen Straßen im Sinne dieser Bestimmungen Straßenflucht‑ und Baufluchtlinien festlegen dürfte. Die Verordnung dürfte damit insoweit die Mindestinhalte gemäß §56 Abs1 TROG 2016 nicht aufweisen (vgl VfGH 24.1.2021, V85/2019).
4.4. Im Verordnungsprüfungsverfahren wird gleichwohl zu prüfen sein, ob der Servitutsweg alle Kriterien einer Straße im Sinne des §2 Abs1 Tiroler Straßengesetz erfüllt und ob 'Straßen' im Sinne des §58 Abs1 und des §59 Abs1 TROG 2016, denen gegenüber in einem Bebauungsplan gemäß §56 Abs1 TROG 2016 zwingend Straßenflucht- und Baufluchtlinien festzulegen sind, (nicht bloß öffentliche, sondern) auch private Straßen, die dem öffentlichen Verkehr dienen (§1 Abs1 StVO 1960), im Sinne des Tiroler Straßengesetzes sind.
5. Vor diesem Hintergrund hegt der Verfassungsgerichtshof das vorläufige Bedenken, dass der in Prüfung gezogene Bebauungsplan und ergänzende Bebauungsplan Schulgasse, Z 031‑3/9/2019, die in §56 Abs1 TROG 2016 festgelegten Mindesterfordernisse nicht aufweist."
3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der in Prüfung gezogenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird:
Der Bebauungsplan und ergänzende Bebauungsplan Schulgasse, Z 031‑3/9/2019 sei gesetzmäßig. Er weise sämtliche Mindestinhalte gemäß §56 Abs1 TROG 2016 auf. Da es sich bei dem Servitutsweg um einen im Privateigentum stehenden Weg handle, seien ihm gegenüber keine Straßen‑ und Baufluchtlinien festzulegen. Der Servitutsweg stelle keine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des §1 Abs1 StVO 1960 dar.
4. Die Tiroler Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der dem Prüfungsbeschluss Folgendes entgegengehalten wird (ohne die Hervorhebungen im Original):
"2.b. Zum Nichtvorliegen einer den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegenden Straße:
[…]
Vorliegend geht es nun um einen Servitutsweg. Bei einer Wegservitut handelt es sich um eine Dienstbarkeit (Servitut) nach §472 ff ABGB, somit um ein dingliches, auf einem Privatrechtstitel beruhendes und in der Regel durch Verbücherung erworbenes Nutzungsrecht an einer fremden unbeweglichen Sache. Nach dieser zivilrechtlichen Definition sind Servitutswege jedenfalls keine Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können, sondern Wege, die ausschließlich den dazu Berechtigten (aufgrund eines in der Regel verbücherten Rechts) zur Nutzung vorbehalten sind. Somit ist hier das für die Subsumtion unter den Begriff 'öffentliche Straße' im Sinn des Tiroler Straßengesetzes wesentliche Kriterium des Gemeingebrauches nicht verwirklicht. Daneben sind aber auch weitere der angeführten gesetzlichen Kriterien, etwa jenes einer straßenverwaltungsrechtlichen Widmung, nicht erfüllt.
Im konkreten Fall sind für das Gst 46/2, KG Westendorf, im Lastenblatt (C‑Blatt) 11 Dienstbarkeiten des Gehens und Fahrens als die Liegenschaft belastende dingliche Rechte (entweder aufgrund von Kaufvertrag, Kaufabrede oder Kauf- und/oder Dienstbarkeitsvertrag) verbüchert. Daraus ist eindeutig ersichtlich, dass das Recht des Gehens und Fahrens für das Gst 46/2 ausdrücklich nur einem eingeschränkten Personenkreis auf privatrechtlicher Grundlage zusteht – und damit nicht jedermann unter den gleichen Bedingungen.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass im Einklang mit den vorstehenden Ausführungen auch die örtliche Raumplanerin der Gemeinde Westendorf in ihrer Stellungnahme zum Bebauungsplan ausgeführt hat, dass die Festlegung der Straßenfluchtlinie (gemeint: nur) im Bereich der Anbindung an die Gemeindestraße im Abstand von 0,50 m zur Grundgrenze des Gst 4106/2 (Schulgasse) erfolgen solle, da die bestehende Weganlage weiterhin als Servitutsweg im Privateigentum gelegen sei.
2.c. Zum Erfordernis, in einem Bebauungsplan Straßen- und Baufluchtlinien festzulegen:
[…]
Straßenfluchtlinien sind somit insbesondere für jene Straßen festzulegen, die für den örtlichen Verkehr der Gemeinde oder größerer Teile der Gemeinde, für die Herstellung der Verbindung zwischen benachbarten Gemeinden oder zwischen größeren Teilen der Gemeinde oder für die im örtlichen Raumordnungsinteresse der Gemeinde gelegenen Erschließungen, insbesondere die Haupterschließung des Baulandes, noch erforderlich sind (siehe §53 Abs1 [TROG 2016]). Hierfür kommen in erster Linie Straßen im Sinn der straßenrechtlichen Bestimmungen in Betracht. Das Gesetz schließt zwar nicht aus, auch für sonstige Flächen (etwa auch für Servitutswege) Straßenfluchtlinien festzulegen, doch kann daraus nicht geschlossen werden, dass dies für Servitutswege zweckmäßig oder gar verpflichtend wäre. Vielmehr liegt diese Entscheidung im Planungsermessen der Gemeinde. Vorliegend handelt es sich nun um eine verkehrsmäßige Binnenerschließung (aufgrund der angrenzenden Schipiste und des im Süden steil ansteigenden Geländes kommt im gegebenen Fall nämlich eine für den innerörtlichen oder gar überörtlichen Verkehr bedeutsame Erschließung, etwa in Form einer hier potentiell in Betracht kommenden Ringerschließung, nicht in Betracht).
Mit anderen Worten: Die Gemeinde hat im Rahmen des mit der Festlegung von Straßenfluchtlinien verbundenen Planungsaktes zwar die Möglichkeit, auch für Servitutswege Straßenfluchtlinien festzulegen. Sie ist dazu jedoch nicht verpflichtet und wird dies in der Praxis nur dann tun, wenn es durch die oben näher ausgeführte Verkehrsbedeutung der jeweiligen Flächen (welche im gegebenen Fall nicht vorliegt) indiziert scheint. Käme dagegen – anders als im vorliegenden, eine Binnenerschließung darstellenden Fall – eine Verkehrserschließung im Sinn des §53 leg cit in Betracht, so wäre ein straßenrechtliches Verfahren mit Einlösungsverpflichtung die Folge, sodass der betreffende Servitutsweg nach Abwicklung des straßenrechtlichen Verfahrens zur öffentlichen Verkehrsfläche werden würde.
Dass die verkehrsmäßige Erschließung von Bauplätzen nicht jedenfalls durch öffentliche Verkehrsflächen erfolgen muss, ergibt sich indes schon aus §3 der Tiroler Bauordnung 2022 über die Bauplatzeignung, wonach bauliche Anlagen nur auf Grundstücken errichtet werden dürfen, die insbesondere auch eine rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche haben müssen; dies erfordert schon vom Wortlaut her nicht die unmittelbare Erschließung durch eine öffentliche Verkehrsfläche, sondern lediglich die rechtlich gesicherte Verbindung – etwa durch einen Servitutsweg – zu einer solchen (vgl hierzu Müller in Weber/Rath-Kathrein, Kommentar zur Tiroler Bauordnung 2018, 2. Aufl. [2019], Rz 6 zu §3 TBO).
Eine Auslegung des §56 Abs1 leg cit, wonach für alle Servitutswege die Ausweisung von Straßen- und Baufluchtlinien zwingend wäre, entspricht nicht dem aus dem Systemzusammenhang erkennbaren Zweck der Regelung und stünde auch im Widerspruch zum Planungsermessen der Gemeinde, welches ihr – im gesetzlich vorgegebenen Rahmen – im eigenen Wirkungsbereich zukommt.
Auch §58 Abs1 TROG 2016 (nunmehr §58 Abs1 TROG 2022) fügt sich in das dargestellte System ein: Nach dieser Bestimmung dienen Straßenfluchtlinien einerseits zur Abgrenzung von unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen von Straßen sowie andererseits zur Abgrenzung von zur Gestaltung des Straßenraumes dienenden Flächen von den übrigen Grundflächen. Auch §58 leg cit knüpft in seinen Abs2 und 3 an die den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegenden Straßen (siehe die taxative Aufzählung im §6 des Tiroler Straßengesetzes) an und regelt etwa auch allfällige Einlösungsansprüche. Wenn schließlich im §59 Abs1 leg cit im Zusammenhang mit Baufluchtlinien von 'Straßen' gesprochen wird, gelten ebenfalls die dargestellten Überlegungen."
5. Die im Anlassfall beteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet, in der Folgendes vorgebracht wird (ohne die Hervorhebungen im Original):
"Der zu beurteilende 'Servitutsweg' wurde weder mit der gemäß §34 Abs3 Tiroler Straßengesetz geforderten schriftlichen Erklärung seitens des Grundeigentümers der Behörde gegenüber dem Gemeingebrauch gewidmet noch diente der Servitutsweg für einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren der Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses.
Der 'Servitutsweg' dient aktuell lediglich der Erschließung von wenigen privaten Gebäuden. Alle durch den 'Servitutsweg' erschlossenen Gebäude sind weniger als 30 Jahre alt und ist schon aus diesem Grunde die geforderte Nutzungsdauer von 30 Jahren zu verneinen.
Darüberhinausgehend ist ein 'Servitutsweg', welcher ausschließlich Privatgebäude erschließt, keinesfalls von öffentlichem Interesse, sodass auch diese Voraussetzung gemäß §34 Abs1 litb [Tiroler Straßengesetz] zu verneinen ist.
Zusammenfassend ist somit davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des §34 Tiroler Straßengesetz konkret nicht vorliegen, sodass der zu beurteilende 'Servitutsweg' – wie bereits dargelegt wurde – nicht als öffentliche Privatstraße im Sinne des §34 Tiroler Straßengesetz qualifiziert werden kann.
[…]
Der konkret zu qualifizierende 'Servitutsweg' stellt eine reine Privatstraße ohne öffentlichen Verkehr dar, sodass er die Kriterien des §2 Abs1 Tiroler Straßengesetz nicht erfüllt.
Bei reinen Privatstraßen ohne öffentlichen Verkehr [sind] die Bestimmungen der §§56 ff TROG 2016 nicht anzuwenden, sodass im gegenständlichen Fall die Gemeinde Westendorf auch nicht dazu gehalten war, im Bebauungsplan und ergänzenden Bebauungsplan Schulgasse Z 031‑3/9/2019 eine Straßenfluchtlinie bzw Baufluchtlinie festzulegen."
6. Die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien haben eine Replik erstattet.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 – TROG 2016, LGBl 101/2016 idF LGBl 116/2020, lauteten auszugsweise und ohne die Hervorhebungen im Original wie folgt:
"§27
Aufgaben und Ziele der örtlichen Raumordnung
(1) […]
(2) Ziele der örtlichen Raumordnung sind insbesondere:
a) die Erhaltung und Entwicklung des Siedlungsraumes und die Verhinderung der Zersiedelung durch die bestmögliche Anordnung und Gliederung der Bebauung, insbesondere des Baulandes im Hinblick auf die Erfordernisse des Schutzes des Landschaftsbildes, der Sicherung vor Naturgefahren, der verkehrsmäßigen Erschließung, insbesondere auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, der Erschließung mit Einrichtungen zur Wasser-, Löschwasser- und Energieversorgung, zur Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung sowie der Schaffung sonstiger infrastruktureller Einrichtungen, wie Kindergärten, Schulen und dergleichen,
b)–d) […]
e) die Vorsorge für eine zweckmäßige und Boden sparende, auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und die Erfordernisse des Schutzes des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes abgestimmte Bebauung unter Berücksichtigung der Möglichkeiten verdichteter Bauformen einschließlich der nachträglichen Verdichtung bestehender Bauformen,
f) die Vorsorge für eine zweckmäßige und Boden sparende verkehrsmäßige Erschließung der bebauten und zu bebauenden Gebiete unter Berücksichtigung auch der Erfordernisse des öffentlichen Verkehrs sowie des Fußgänger- und Radverkehrs,
g) […]
h) die Erhaltung zusammenhängender landwirtschaftlich nutzbarer Gebiete, insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Bodenbonität,
i) die Erhaltung zusammenhängender Waldgebiete unter Berücksichtigung ihrer Eignung im Hinblick auf die Wirkungen des Waldes,
j) die Erhaltung ökologisch besonders wertvoller Flächen und die Bewahrung erhaltenswerter natürlicher oder naturnaher Landschaftselemente und Landschaftsteile,
k) die Erhaltung zusammenhängender Erholungsräume,
l)–m) […]
n) die Bewahrung erhaltenswerter Orts- und Straßenbilder sowie erhaltenswerter Gebäudegruppen,
o) […]"
"§53
Verkehrsflächen
(1) Im Flächenwidmungsplan ist der Verlauf jener Straßen festzulegen, die
a) für den örtlichen Verkehr der Gemeinde oder größerer Teile der Gemeinde,
b) für die Herstellung der Verbindung zwischen benachbarten Gemeinden oder zwischen größeren Teilen der Gemeinde oder
c) für die in einem örtlichen Raumordnungsinteresse der Gemeinde gelegenen Erschließungen, insbesondere für die Haupterschließung des Baulandes,
noch erforderlich sind.
(2) Unbeschadet der jeweiligen Planungskompetenz können im Flächenwidmungsplan Grundflächen unabhängig von ihrer Widmung auch für die Errichtung überörtlicher Verkehrswege vorbehalten werden. Für Bauvorhaben auf den von einem solchen Vorbehalt umfassten Grundflächen darf die Baubewilligung nicht erteilt werden. Kommt innerhalb von zehn Jahren nach dem Inkrafttreten des Vorbehaltes eine rechtsverbindliche Planung nicht zustande, so erlischt der Vorbehalt. Die Gemeinde hat das Eintreten dieser Voraussetzung der Landesregierung schriftlich mitzuteilen. Die Landesregierung hat in der elektronischen Kundmachung des Flächenwidmungsplanes das Erlöschen des Vorbehaltes ersichtlich zu machen. Der Vorbehalt erlischt mit dem Ablauf des Tages, an dem diese Daten zur Abfrage freigegeben werden.
(3) Eine Festlegung über den Straßenverlauf nach Abs1 bzw ein allfälliger Vorbehalt nach Abs2 erlischt mit dem Zeitpunkt der Fertigstellung der betreffenden Verkehrsflächen. Die Landesregierung hat in der elektronischen Kundmachung des Flächenwidmungsplanes das Erlöschen der Festlegung bzw des Vorbehaltes ersichtlich zu machen. Die Festlegung bzw der Vorbehalt erlischt mit dem Ablauf des Tages, an dem diese Daten zur Abfrage freigegeben werden.
§54
Bebauungspläne
(1) In den Bebauungsplänen sind unter Berücksichtigung der Ziele der örtlichen Raumordnung, des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Ergebnisse der Bestandsaufnahme die verkehrsmäßige Erschließung und die Art der Bebauung des Baulandes, von Sonderflächen und von Vorbehaltsflächen festzulegen. Die Bebauungspläne mit Ausnahme der ergänzenden Bebauungspläne (Abs9) sind möglichst für größere funktional zusammenhängende Gebiete zu erlassen.
(2) Bebauungspläne sind für die nach §31b Abs1 erster Satz im örtlichen Raumordnungskonzept festgelegten Gebiete und Grundflächen zu erlassen, sobald
a) diese Gebiete bzw Grundflächen als Bauland, als Sonderflächen oder als Vorbehaltsflächen gewidmet sind und
b) die Gemeinde finanziell in der Lage ist, die verkehrsmäßige Erschließung und die Erschließung dieser Gebiete bzw Grundflächen mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung vorzunehmen.
(3) Für die im örtlichen Raumordnungskonzept nach §31b Abs1 festgelegten Gebiete können Bebauungspläne auch dann erlassen werden, wenn diese noch nicht als Bauland, als Sonderflächen oder als Vorbehaltsflächen gewidmet sind.
(4)–(8) […]
(9) Im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise (§60 Abs4) ist zusätzlich zum Bebauungsplan ein ergänzender Bebauungsplan zu erlassen."
"§56
Inhalte
(1) Im Bebauungsplan sind hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien (§58) und hinsichtlich der Bebauung die Baufluchtlinien (§59 Abs1 und 2), die Bauweisen (§60), die Mindestbaudichten (§61) und die Bauhöhen von Gebäuden (§62 Abs1) festzulegen.
(2) Ist im Bebauungsplan eine besondere Bauweise festgelegt, so sind in einem ergänzenden Bebauungsplan die Festlegungen nach §60 Abs4 dritter und vierter Satz zu treffen. Weiters können ergänzende Festlegungen über Bauhöhen getroffen werden.
(3) Im Bebauungsplan können weiters die Höchstgröße der Bauplätze, die Mindest- und die Höchstnutzfläche (§61 Abs5 zweiter und dritter Satz), die Firstrichtungen und Dachneigungen, die Baugrenzlinien (§59 Abs3) und die Höhenlage (§62 Abs7) festgelegt sowie ergänzende Festlegungen über die Baudichten (§61) und die Bauhöhen (§62 Abs1 bis 5) getroffen werden. Weiters kann das zulässige Ausmaß der Veränderung des Geländeniveaus im Verhältnis zum Geländeniveau vor der Bauführung festgelegt werden. Ferner kann festgelegt werden, dass statt der Mindestabstände nach §6 Abs1 litb der Tiroler Bauordnung 2018 jene nach §6 Abs1 lita der Tiroler Bauordnung 2018 einzuhalten sind. Gegenüber den Grenzen zu Grundstücken, für die diese Festlegung nicht gilt, sind jedoch stets die Mindestabstände nach §6 Abs1 litb der Tiroler Bauordnung 2018 einzuhalten. Schließlich können textliche Festlegungen über die Fassadengestaltung, die Gestaltung der Dachlandschaften, das zulässige Ausmaß von Geländeveränderungen und dergleichen getroffen werden."
"§58
Straßenfluchtlinien
(1) Die Straßenfluchtlinien grenzen die unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen von Straßen und die der Gestaltung des Straßenraumes dienenden Flächen von den übrigen Grundflächen ab.
(2) Die Straßenfluchtlinien sind unter Bedachtnahme auf die allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 des Tiroler Straßengesetzes festzulegen.
(3) Wird innerhalb von zehn Jahren nach dem Inkrafttreten der Festlegung der Straßenfluchtlinien für die betreffende Straße eine Straßenbaubewilligung nach §44 des Tiroler Straßengesetzes nicht erteilt, so kann der Grundeigentümer die Einlösung der von den Straßenfluchtlinien umfassten Grundflächen durch die Gemeinde verlangen. Der Antrag auf Einlösung ist bei der Gemeinde schriftlich einzubringen. Kommt innerhalb eines Jahres nach der Einbringung des Einlösungsantrages eine Vereinbarung über die Einlösung der Grundflächen oder über die Bereitstellung eines Ersatzgrundstückes durch die Gemeinde nicht zustande und legt die Gemeinde innerhalb dieser Frist die Straßenfluchtlinien nicht so fest, dass die Grundflächen des Antragstellers davon nicht mehr umfasst sind, so gilt die Zustimmung der Gemeinde zur Einlösung der Grundflächen als gegeben. Im Übrigen gilt §52 Abs5 vierter und fünfter Satz sinngemäß.
§59
Baufluchtlinien, Baugrenzlinien
(1) Die Baufluchtlinien sind straßenseitig gelegene Linien, durch die der Abstand baulicher Anlagen von den Straßen bestimmt wird. Gebäudeteile und bauliche Anlagen dürfen nur in den in der Tiroler Bauordnung 2018 besonders geregelten Fällen vor die Baufluchtlinie vorragen oder vor dieser errichtet werden.
(2) Die Baufluchtlinien sind so festzulegen, dass das Orts- und Straßenbild und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt werden und eine ausreichende Belichtung und Belüftung der straßenseitig gelegenen Räume gewährleistet ist. Für verschiedene Höhenabschnitte können verschiedene Baufluchtlinien festgelegt werden (gestaffelte Baufluchtlinien). Weiters kann insbesondere im Interesse des Schutzes des Orts- und Straßenbildes festgelegt werden, dass an die Baufluchtlinien heranzubauen ist (zwingende Baufluchtlinien). Im Fall einer Gefährdung durch Naturgefahren (§37 Abs3) sind die Baufluchtlinien weiters so festzulegen, dass eine solche Gefährdung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen vermieden wird; im Fall einer Gefährdung durch Hochwasser sind die Baufluchtlinien erforderlichenfalls weiters so festzulegen, dass wesentliche Hochwasserabflussbereiche und –rückhalteräume nicht beeinträchtigt werden. In diesen Fällen ist erforderlichenfalls durch eine zusätzliche Festlegung zu bestimmen, dass §5 Abs2 und 3 der Tiroler Bauordnung 2018 nicht zur Anwendung gelangt.
(3) Die Baugrenzlinien sind nicht straßenseitig gelegene Linien, durch die der Mindestabstand baulicher Anlagen gegenüber anderen Grundstücken als Straßen bestimmt wird. Dabei dürfen gegenüber bebaubaren Grundstücken nur größere Abstände als die Mindestabstände von 3 bzw 4 m (§6 Abs1 der Tiroler Bauordnung 2018) und gegenüber nicht bebaubaren Grundstücken größere oder kleinere Abstände als diese Mindestabstände festgelegt werden. Im Übrigen sind die Baugrenzlinien so festzulegen, dass das Orts- und Straßenbild nicht beeinträchtigt wird und den Erfordernissen des Brandschutzes entsprochen wird. Abs2 zweiter und dritter Satz gilt sinngemäß. Im Fall einer Gefährdung durch Naturgefahren (§37 Abs3) sind die Baugrenzlinien weiters so festzulegen, dass eine solche Gefährdung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen vermieden wird; im Fall einer Gefährdung durch Hochwasser sind die Baugrenzlinien erforderlichenfalls weiters so festzulegen, dass wesentliche Hochwasserabflussbereiche und –rückhalteräume nicht beeinträchtigt werden. Wenn dies zur Erhaltung ökologisch besonders wertvoller Flächen erforderlich ist, sind die Baugrenzlinien so festzulegen, dass diese Flächen in ihrer ökologischen Funktion erhalten bleiben. In diesen Fällen ist durch eine zusätzliche Festlegung zu bestimmen, dass §6 Abs5 der Tiroler Bauordnung 2018 nicht zur Anwendung gelangt."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2018 – TBO 2018, LGBl 28/2018 idF LGBl 134/2020, lauteten auszugsweise und ohne die Hervorhebungen im Original wie folgt:
"§2
Begriffsbestimmungen
(1)–(20) […]
(21) Verkehrsflächen sind die den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegenden Straßen, die in einem Zusammenlegungsverfahren als gemeinsame Anlagen errichteten Wege, die Güterwege und die Forststraßen, die den güter- und seilwegerechtlichen bzw den forstrechtlichen Vorschriften unterliegen, sowie jene Grundflächen, die von den in einem Bebauungsplan festgelegten Straßenfluchtlinien umfasst sind.
(22)–(34) […]"
"§5
Abstände baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen
(1) Der Abstand baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen wird durch die in einem Bebauungsplan festgelegten Baufluchtlinien bestimmt, soweit in den Abs2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.
(2) Oberirdische bauliche Anlagen, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienen, deren mittlere Wandhöhe bzw Höhe auf der der Verkehrsfläche zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, untergeordnete Bauteile, frei stehende Werbeeinrichtungen, Einfriedungen einschließlich Schutzdächer bei den Eingängen, Freitreppen, Stützmauern, Geländer, Brüstungen und dergleichen, überdachte Terrassen, Schankgärten, Bühnenaufbauten sowie erforderliche bauliche Anlagen zur Aufstellung von Wärmepumpen und Klimaanlagen dürfen vor die Baufluchtlinie ragen oder vor dieser errichtet werden, wenn dadurch weder das Orts- und Straßenbild noch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden. Jedenfalls dürfen vor die Baufluchtlinie ragen bzw vor dieser errichtet werden:
a) Vordächer bis zu 2 m und erdgeschoßige Windfänge bis zu 1,50 m;
b) offene Balkone und dergleichen bis zu 1,50 m;
c) fassadengestaltende Bauteile wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen bis zu 0,50 m;
d) unmittelbar über dem Erdgeschoß angebrachte Schutzdächer und an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen bis zu 2,50 m;
e) Erker bis zu 1,50 m;
f) Terrassen und dergleichen;
g) unterirdische bauliche Anlagen wie Keller, Tiefgaragen, Verbindungsgänge und dergleichen.
§59 Abs2 vierter und fünfter Satz des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 bleibt unberührt.
(3)–(7) […]"
3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 16. November 1988 über die öffentlichen Straßen und Wege (Tiroler Straßengesetz), LGBl 13/1989 idF LGBl 138/2019, lauten auszugsweise und ohne die Hervorhebungen im Original wie folgt:
"§1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt
a) für öffentliche Straßen und Wege, soweit im Abs3 nichts anderes bestimmt ist, und
b) für private Straßen, die dem öffentlichen Verkehr im Sinn der straßenpolizeilichen Vorschriften dienen, mit Ausnahme von Parkplätzen, nach Maßgabe des 13. und des 15. Abschnittes.
(2)–(3) […]
§2
Begriffsbestimmungen
(1) Eine Straße ist eine bauliche Anlage, die dazu bestimmt ist, dem Verkehr von Fußgängern, von Fahrzeugen einschließlich Kraftfahrzeugen und von Tieren zu dienen.
(2) Ein Weg ist eine Anlage, die dazu bestimmt ist, dem Verkehr von Fußgängern, von Fahrzeugen mit Ausnahme von Kraftfahrzeugen und von Tieren zu dienen.
(3) Öffentliche Straßen und Wege sind dem Gemeingebrauch gewidmete Straßen und Wege.
(4) Private Straßen und Wege sind nicht dem Gemeingebrauch gewidmete Straßen und Wege.
(5) Der Gemeingebrauch ist die jedermann unter den gleichen Bedingungen ohne besondere Ermächtigung zustehende Benützung einer Straße zu Verkehrszwecken im Rahmen der Widmung.
(6)–(23) […]"
"§37
Allgemeine Erfordernisse
(1) Straßen müssen nach den Erfahrungen der Praxis und den Erkenntnissen der Wissenschaft so geplant und gebaut werden, daß
a) sie für den Verkehr, dem sie gewidmet sind, bei Beachtung der straßenpolizeilichen und der kraftfahrrechtlichen Vorschriften sowie bei Bedachtnahme auf die durch die Witterung oder durch Elementarereignisse hervorgerufenen Verhältnisse ohne besondere Gefahr benützt werden können,
b) sie im Hinblick auf die bestehenden und die abschätzbaren künftigen Verkehrsbedürfnisse den Erfordernissen der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs entsprechen,
c) Beeinträchtigungen der angrenzenden Grundstücke durch den Bestand der Straße sowie Gefährdungen oder Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den Verkehr auf der Straße oder durch Erhaltungsarbeiten an der Straße, soweit solche Beeinträchtigungen nicht nach den örtlichen Verhältnissen und der Widmung des betreffenden Grundstückes zumutbar sind, so weit herabgesetzt werden, wie dies mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand möglich ist und
d) sie mit den Zielen der überörtlichen und der örtlichen Raumordnung im Einklang stehen.
(2) Durch Abs1 litc werden subjektive Rechte der Nachbarn nicht begründet.
(3) Bei der Planung von Straßen im Gefährdungsbereich eines Seveso‑Betriebes ist darauf Bedacht zu nehmen, dass durch das betreffende Vorhaben weder schwere Seveso‑Unfälle bewirkt noch das Risiko oder die Folgen solcher Unfälle vergrößert bzw verschlimmert werden können.
(4) Die Inhaber von Seveso‑Betrieben und die Projektwerber bezüglich solcher Betriebe sind verpflichtet, ausreichende Informationen zu den vom Betrieb ausgehenden Risiken zur Verfügung zu stellen. Bei Betrieben der unteren Klasse im Sinn des Art3 Z2 der Richtlinie 2012/18/EU müssen diese Informationen nur auf Verlangen der Behörde zur Verfügung gestellt werden.
(5) Bei der Planung, dem Bau und der Erhaltung der Bestandteile einer Straße nach §3 Abs1 litd, die nicht der Tiroler Bauordnung 2018 unterliegen, ist auf die allgemeinen bautechnischen Erfordernisse im Sinn der baurechtlichen Vorschriften Bedacht zu nehmen."
"13. Abschnitt
Bau und Erhalt von privaten Straßen
[…]
§74b
Bewilligung
(1) Die Behörde hat über ein Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung nach §74a mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.
(2) Die Bewilligung ist, erforderlichenfalls unter Bedingungen oder mit Auflagen, zu erteilen, wenn die Straße
a) für den Verkehr, für den sie bestimmt ist, bei Beachtung der straßenpolizeilichen und der kraftfahrrechtlichen Vorschriften sowie bei Bedachtnahme auf die durch die Witterung oder durch Elementarereignisse hervorgerufenen Verhältnisse ohne besondere Gefahr benützt werden kann,
b) im Hinblick auf die bestehenden und die abschätzbaren künftigen Verkehrsbedürfnisse den Erfordernissen der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs entspricht und
c) so geplant oder ausgeführt ist, daß unzumutbare Gefährdungen oder Beeinträchtigungen der Nachbarn oder unzumutbare Beeinträchtigungen der angrenzenden Grundstücke vermieden werden.
(3) Die Bewilligung erlischt, wenn mit der Ausführung des Vorhabens nicht binnen drei Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft der Bewilligung begonnen wurde. Diese Frist ist auf Antrag des über die Straße Verfügungsberechtigten um höchstens ein Jahr zu verlängern, wenn der Baubeginn ohne sein Verschulden verzögert wurde.
(4) Ergibt sich nach der Erteilung der Bewilligung, daß trotz Einhaltung der darin enthaltenen Auflagen das Leben oder die Gesundheit von Nachbarn durch den Verkehr auf der Straße oder durch Erhaltungsarbeiten an der Straße gefährdet ist, so hat die Behörde andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben."
4. §1 des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960), BGBl 159/1960, lautet auszugsweise und ohne die Hervorhebungen im Original wie folgt:
"§1. Geltungsbereich.
(1) Dieses Bundesgesetz gilt für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
(2) […]"
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
Der Verfassungsgerichtshof hegte in seinem Prüfungsbeschluss das Bedenken, dass der in Prüfung gezogene Bebauungsplan und ergänzende Bebauungsplan Schulgasse, Z 031‑3/9/2019, die in §56 Abs1 TROG 2016 festgelegten Mindesterfordernisse nicht aufweise, weil darin zwar Straßen- und Baufluchtlinien (ausschließlich) im Bereich der Grundstücksgrenze zwischen Grundstück Nr 46/2 und Grundstück Nr 4106/2, jeweils KG Westendorf, nicht aber gegenüber einer im Bebauungsplan und ergänzenden Bebauungsplan als "Servitut bestehender Weg" sowie als "Servitut neu schematisch" bezeichneten Verkehrsfläche auf dem Grundstück Nr 46/2, KG Westendorf, festgelegt seien. Dieses Bedenken konnte im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:
2.1. Zu den Zielen der örtlichen Raumordnung zählen gemäß §27 Abs2 TROG 2016 ua die "bestmögliche Anordnung und Gliederung der Bebauung, insbesondere des Baulandes im Hinblick auf die Erfordernisse […] der verkehrsmäßigen Erschließung" (lita), die "Vorsorge für eine zweckmäßige und Boden sparende, auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und die Erfordernisse des Schutzes des Orts‑, Straßen- und Landschaftsbildes abgestimmte Bebauung" (lite) sowie "eine zweckmäßige und Boden sparende verkehrsmäßige Erschließung der bebauten und zu bebauenden Gebiete" (litf). Ganz allgemein zielt die Raumordnung auf die Erhaltung oder Sicherung unterschiedlicher bestehender örtlicher Gegebenheiten ab (vgl §27 Abs2 lith bis k und n TROG 2016).
2.2. Vor diesem Hintergrund sind im Bebauungsplan gemäß §54 Abs1 TROG 2016 die verkehrsmäßige Erschließung und die Art der Bebauung (ua) des Baulandes festzulegen. Dazu sind hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien und hinsichtlich der Bebauung die Baufluchtlinien, die Bauweisen, die Mindestbaudichten und die Bauhöhen von Gebäuden zu bestimmen (§56 Abs1 TROG 2016). Die Festlegungen über Straßen‑ und Baufluchtlinien sind in einem Bebauungsplan zwingend zu treffen, sie zählen demnach zu den gesetzlichen Mindestinhalten eines Bebauungsplanes.
2.3. Nach §58 Abs1 TROG 2016 grenzen die Straßenfluchtlinien die unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen von Straßen und die der Gestaltung des Straßen-raumes dienenden Flächen von den übrigen Grundflächen ab. Die Straßenfluchtlinien sind unter Bedachtnahme auf die allgemeinen straßenbaulichen Erfordernisse nach §37 Abs1 des Tiroler Straßengesetzes festzulegen (§58 Abs2 TROG 2016).
2.4. Baufluchtlinien sind gemäß §59 Abs1 TROG 2016 straßenseitig gelegene Linien, durch die der Abstand baulicher Anlagen von den Straßen bestimmt wird. Abs2 leg cit bestimmt, dass Baufluchtlinien so festzulegen sind, dass das Orts‑ und Straßenbild und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt werden und eine ausreichende Belichtung und Belüftung der straßenseitig gelegenen Räume gewährleistet ist. Gemäß §5 Abs1 TBO 2018 wird der Abstand baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen grundsätzlich durch die in einem Bebauungsplan festgelegten Baufluchtlinien bestimmt.
2.5. Gemäß §2 Abs21 TBO 2018 sind Verkehrsflächen ua die den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegenden Straßen. Nach den straßenrechtlichen Vorschriften des Tiroler Straßengesetzes sind Straßen bauliche Anlagen, die dazu bestimmt sind, dem Verkehr von Fußgängern, von Fahrzeugen einschließlich Kraftfahrzeugen und von Tieren zu dienen (§2 Abs1 Tiroler Straßengesetz). Vom Begriff der Straße sind sowohl öffentliche als auch private Straßen umfasst (§1 Abs1 iVm §2 Abs1, 3 und 4 Tiroler Straßengesetz). Gemäß §1 Abs1 litb Tiroler Straßengesetz gilt das Tiroler Straßengesetz für private Straßen dann, wenn diese dem öffentlichen Verkehr im Sinn der straßenpolizeilichen Vorschriften dienen (vgl dazu die EB zur RV 388 BlgLT [Tirol] 12. GP, aus denen hervorgeht, dass "[i]m Tiroler Straßengesetz […] aber nur jene privaten Straßen erfaßt werden [sollen], die dem öffentlichen Verkehr im Sinne des §1 Abs1 der Straßenverkehrsordnung 1960 dienen"). Die StVO 1960 gilt gemäß ihrem §1 Abs1 für Straßen mit öffentlichem Verkehr, sohin für Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
2.6. Der Teil des Grundstückes Nr 46/2, KG Westendorf, auf dem im Bebauungsplan und ergänzenden Bebauungsplan Schulgasse, Z 031‑3/9/2019, der Servitutsweg ausgewiesen ist, ist im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Westendorf, Z 2‑420/10069, als Freiland im Sinne des §41 TROG 2016 gewidmet. Aus dem Erläuterungsbericht und der raumordnungsfachlichen Begründung zur Erlassung des Bebauungsplanes Schulgasse, Z 031‑3/9/2019, vom 26. Juni 2019, sowie aus einem verkehrstechnischen Gutachten vom November 2018 zur "Erschliessung Wohnanlage Schulgasse, GP 46/2 KG 82006 Westendorf" ergibt sich, dass der Servitutsweg als Aufschließungsstraße für die Wohnsiedlung, in der auch das – aus der Teilung des Grundstückes Nr 46/2 hervorgegangene – Grundstück Nr 46/20 gelegen ist, dient. Ferner folgt aus diesen Unterlagen, dass der Servitutsweg in seiner derzeitigen Ausführung als "befahrbarer Wohnweg" für alle zu erwartenden Verkehrsbelastungen, inklusive der durch das geplante Bauvorhaben entstehenden, ausreichend dimensioniert ist und die erforderlichen Anforderungen hinsichtlich einer leistungsfähigen und verkehrssicherheitstechnisch ausreichenden Abwicklung des künftigen Verkehrs erfüllt.
2.7. Bei "dem Verkehr dienenden Flächen von Straßen" im Sinne des §58 Abs1 TROG 2016 sowie bei "Straßen" im Sinne des §59 Abs1 leg cit handelt es sich – wie auch die Legaldefinition des §2 Abs21 TBO 2018 erweist – um Straßen, die den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegen, und sohin insbesondere (auch) um Straßen im Geltungsbereich des Tiroler Straßengesetzes. Da der Geltungsbereich des Tiroler Straßengesetzes nicht bloß öffentliche, sondern auch private Straßen erfasst, wenn diese dem öffentlichen Verkehr im Sinne des §1 Abs1 StVO 1960 dienen, unterliegt der Servitutsweg, der der Aufschließung ua des Wohngebäudes auf dem Grundstück Nr 46/20, KG Westendorf, mit 21 Wohneinheiten dient, den straßenrechtlichen Vorschriften dieses Gesetzes. Er ist demnach eine Straße im Sinne der §§58 und 59 TROG 2016.
2.8. Anders als die Tiroler Landesregierung meint, kann diesen Bestimmungen schon ihrem Wortlaut nach, aber auch im Hinblick auf ihren – im Zusammenhang mit den raumordnungsrechtlichen Zielen insbesondere gemäß §27 Abs2 lita, e und f TROG 2016 stehenden – Zweck keine Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Straßen bzw zwischen solchen Straßen, für die eine Widmung als Verkehrsfläche gemäß §53 Abs1 TROG 2016 erforderlich ist, und sonstigen Straßen entnommen werden.
2.9. Die von der Tiroler Landesregierung und der im Anlassfall beteiligten Partei in ihren Äußerungen ins Treffen geführte servitutsrechtliche Grundlage für die Benützung des Weges ist für diese Beurteilung ohne Relevanz. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Benützung einer Straße von jedermann unter den gleichen Bedingungen im Sinne des §1 Abs1 StVO 1960 nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an (VwGH 19.12.2006, 2006/02/0015; 28.11.2008, 2008/02/0228). Es reicht vielmehr bereits, dass eine Straße nicht abgeschrankt und daher frei zugänglich und befahrbar ist, woran selbst eine Beschilderung als "Privatstraße" nichts ändert (vgl VwGH 12.9.2017, Ra 2017/02/0166; 29.11.2022, Ra 2022/02/0041). Entgegen der Äußerung der Tiroler Landesregierung sowie der Äußerung der im Anlassfall beteiligten Partei, sind für die Qualifikation als Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des §1 Abs1 StVO 1960 auch weder ein Widmungsakt noch ein langer Gemeingebrauch entscheidend (VwGH 20.11.2013, 2011/02/0270); entscheidend ist vielmehr, dass die Straße nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht (VwGH 19.12.2006, 2006/02/0015). Dass dies nicht der Fall sei, wurde im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht vorgebracht.
2.10. Entgegen der Ansicht der im Anlassverfahren beteiligten Partei ist es für das Vorliegen einer privaten Straße im Sinne des Tiroler Straßengesetzes auch nicht erforderlich, dass diese dem Gemeingebrauch gewidmet ist (vgl §2 Abs4 Tiroler Straßengesetz).
2.11. Der Bebauungsplan und ergänzende Bebauungsplan Schulgasse, Z 031‑3/9/2019, weist sohin die in §56 Abs1 TROG 2016 festgelegten Mindesterfordernisse nicht auf, weil darin gegenüber einer im Bebauungsplan und ergänzenden Bebauungsplan als "Servitut bestehender Weg" sowie als "Servitut neu schematisch" bezeichneten Verkehrsfläche auf dem Grundstück Nr 46/2, KG Westendorf, keine Straßen- und Baufluchtlinien festgelegt sind.
IV. Ergebnis
1. Der Bebauungsplan und ergänzende Bebauungsplan Schulgasse, Z 031‑3/9/2019, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Westendorf am 22. Oktober 2019, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Westendorf vom 23. Dezember 2019 bis 8. Jänner 2020, ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litj Tiroler Landes-VerlautbarungsG 2021.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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