VfGH G47/2019

VfGHG47/201926.6.2019

Zurückweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung mehrerer Bestimmungen des ÄrzteG 1998 mangels Vorliegens eines tauglichen Prüfungsgegenstands und Präjudizialität sowie wegen entschiedener Sache

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
ÄrzteG 1998 §59 Abs2, §59 Abs3, §117c Abs2, §195f Abs1
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2019:G47.2019

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien, in §59 Abs3 Z1 und in §117c Abs1 Z6 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I 169, idF BGBl I 56/2015 die Wort- und Zeichenfolge "1 und", in §59 Abs2 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 61/2010 zweimal die Wortfolge "gesundheitlichen Eignung oder" sowie §195f Abs1 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 144/2009 als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. §59 Abs2 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I 169, idF BGBl I 61/2010 lautet wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Erlöschen und Ruhen der Berechtigung zur Berufsausübung,

Streichung aus der Ärzteliste

 

§59. (1) Die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes erlischt:

1. – 6. […]

 

(2) Die Gründe für das Erlöschen der Berechtigung nach Abs1 sind auch von Amts wegen wahrzunehmen. Die Mitwirkungspflicht der Partei in Verfahren betreffend das Erlöschen der Berufsberechtigung bezieht sich insbesondere auf die Befolgung von Anordnungen hinsichtlich fachlicher Begutachtungen der gesundheitlichen Eignung. Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer kann bei einer Beeinträchtigung der gesundheitlichen Eignung oder Vertrauenswürdigkeit zum Zweck der Sicherstellung der Erfüllung der Berufspflichten mit Bescheid Auflagen, Bedingungen oder Befristungen vorschreiben. Werden die vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen ungerechtfertigt nicht erfüllt, so führt dies zum Wegfall der gesundheitlichen Eignung oder Vertrauenswürdigkeit.

 

(3) – (7) […]"

 

2. §195f des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I 169, idF BGBl I 144/2009 lautet wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Weisungsrecht gegenüber der Österreichischen Ärztekammer

 

§195f. (1) Die Österreichische Ärztekammer sowie Dritte, derer sich die Österreichische Ärztekammer zur Aufgabenerfüllung bedient, sind im übertragenen Wirkungsbereich bei der Vollziehung der Angelegenheiten einschließlich der Erlassung von Verordnungen an die Weisungen des Bundesministers für Gesundheit gebunden.

 

(2) […]"

 

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I 169, idF BGBl I 56/2015 lauten wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Erlöschen und Ruhen der Berechtigung zur Berufsausübung,

Streichung aus der Ärzteliste

 

§59. (1) Die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes erlischt:

1. durch den Wegfall einer für die ärztliche Berufsausübung erforderlichen Voraussetzung,

2. wenn hervorkommt, daß eine für die Eintragung in die Ärzteliste erforderliche Voraussetzung schon ursprünglich nicht bestanden hat,

3. auf Grund einer länger als sechs Monate dauernden Einstellung der Berufsausübung, wobei eine krankheitsbedingte Nichtausübung keine Einstellung der Berufsausübung darstellt,

4. auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses, mit dem die Berufsausübung befristet untersagt worden ist,

5. auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses, mit dem die Streichung aus der Ärzteliste ausgesprochen worden ist, oder

6. auf Grund eines Verzichtes auf die Berufsausübung.

 

(2) Die Gründe für das Erlöschen der Berechtigung nach Abs1 sind auch von Amts wegen wahrzunehmen. Die Mitwirkungspflicht der Partei in Verfahren betreffend das Erlöschen der Berufsberechtigung bezieht sich insbesondere auf die Befolgung von Anordnungen hinsichtlich fachlicher Begutachtungen der gesundheitlichen Eignung. Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer kann bei einer Beeinträchtigung der gesundheitlichen Eignung oder Vertrauenswürdigkeit zum Zweck der Sicherstellung der Erfüllung der Berufspflichten mit Bescheid Auflagen, Bedingungen oder Befristungen vorschreiben. Werden die vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen ungerechtfertigt nicht erfüllt, so führt dies zum Wegfall der gesundheitlichen Eignung oder Vertrauenswürdigkeit.

 

(3) Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer hat im Rahmen eines Verfahrens gemäß §117b Abs1 oder §117c Abs1

1. in den Fällen des Abs1 Z1 und 5 mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen;

2. im Fall des Abs1 Z2 mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht bestanden hat und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen;

3. in den Fällen des Abs1 Z3 und 6 die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen und den Arzt von der Streichung zu verständigen;

4. im Fall des Abs1 Z4, sofern die Berufsausübung für eine Frist von mehr als drei Monaten untersagt worden ist, mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen.

 

(4) – (7) […]

 

[…]

 

Übertragener Wirkungsbereich

§117c. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat im übertragenen Wirkungsbereich folgende Aufgaben wahrzunehmen:

1. Durchführung von Verfahren betreffend ärztliche Ausbildungsstätten und Lehrambulatorien gemäß §§6a Abs3 Z2, 9, 10, 13 und 13a,

2. Durchführung von Verfahren gemäß §35 einschließlich der Verfahren zur Eintragung in die und Austragung aus der Ärzteliste, der diesbezüglichen Führung der Ärzteliste und der sonstigen damit im Zusammenhang stehenden Besorgung von Verwaltungsangelegenheiten,

3. Besorgung von Verwaltungsangelegenheiten im Zusammenhang mit der Erbringung ärztlicher Dienstleistungen gemäß §37 samt Eintragung in die Ärzteliste und Austragung aus der Ärzteliste gemäß §37 Abs9,

4. Qualitätssicherung der ärztlichen Berufsausübung ausgenommen im Bereich der Fortbildung, im Hinblick auf überwiegende Interessen der Allgemeinheit durch

a) Erarbeitung und Durchführung qualitätssichernder Maßnahmen zur Hebung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität, insbesondere zur Wahrnehmung der Ergebnisqualitätsmessung und -sicherung im niedergelassenen Bereich gemäß §7 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz (G-ZG), BGBl I Nr 81/2013,

b) Qualitätsevaluierung mit Ausnahme der Selbstevaluierung gemäß §49 Abs2a,

c) Qualitätskontrolle sowie

d) Führung eines Qualitätsregisters.

 

Bei der Aufgabenerfüllung kann sich die Österreichische Ärztekammer hilfsweise der ÖQMed bedienen;

5. Durchführung von Verfahren gemäß §4 Abs3 Z3 ÄsthOpG,

6. Durchführung von Verfahren zur Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Erfordernisse gemäß §4 Abs2 oder §59 Abs1 Z1 und 2 für die damit verbundene Eintragung in die oder Austragung aus der Ärzteliste,

7. Organisation und Durchführung der Deutschprüfung gemäß §4 Abs3a.

 

(2) Im übertragenen Wirkungsbereich obliegt der Österreichischen Ärztekammer die Erlassung nachfolgender Verordnungen:

[…]"

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Bescheid vom 11. Oktober 2018 verfügte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer – unter einem aussprechend, dass die vor dem Verwaltungsgericht Wien beschwerdeführende Partei nicht über die gemäß §4 Abs2 Z3 ÄrzteG 1998 zur Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge und die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß §59 Abs1 Z1 ÄrzteG 1998 erloschen sei – die Streichung aus der Ärzteliste. In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Möglichkeit einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hingewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. Dezember 2018 wegen Unzuständigkeit zurück, erklärte aber eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig. Der von der vor dem Verwaltungsgericht Wien beschwerdeführenden Partei eingebrachten ordentlichen Revision erkannte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Jänner 2019 die aufschiebende Wirkung nicht zu. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 brachte die vor dem Verwaltungsgericht Wien beschwerdeführende Partei beim Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (wegen Versäumung der Beschwerdefrist) ein, führte die Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien gegen den Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 11. Oktober 2018 aus und beantragte, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Mit Note vom 8. Februar 2019 trat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren an das Verwaltungsgericht Wien ab und übermittelte die bezughabenden Akten. Aus Anlass der Behandlung des Antrages auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist (und nachfolgend der Beschwerde) sind beim Verwaltungsgericht Wien (unter Verweis auf das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu G242/2018 ua) Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen des ÄrzteG 1998 entstanden.

2. Das antragstellende Gericht hegt im Wesentlichen das Bedenken, der Präsident der Österreichischen Ärztekammer vollziehe als Bundesbehörde eine Angelegenheit, die nicht in Art102 Abs2 B‑VG genannt sei, ohne Weisungsbefugnis des Landeshauptmannes, weshalb eine Zustimmung der beteiligten Länder gemäß Art102 Abs1 bzw Abs4 B‑VG erfolgen hätte müssen.

3. Die Österreichische Ärztekammer und die Bundesregierung haben jeweils eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Antrages in Zweifel ziehen und beantragen, den Antrag zurück- bzw abzuweisen.

IV. Zulässigkeit

1. Mit seinem Antrag begehrt das antragstellende Gericht, in §59 Abs3 Z1 und in §117c Abs1 Z6 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 56/2015 die Wort- und Zeichenfolge "1 und", in §59 Abs2 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 61/2010 zweimal die Wortfolge "gesundheitlichen Eignung oder" sowie §195f Abs1 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 144/2009 als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der Antrag auf Aufhebung der Wort- und Zeichenfolge "1 und" in §59 Abs3 Z1 und in §117c Abs1 Z6 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 56/2015 und des §195f Abs1 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 144/2009 als verfassungswidrig ist schon aus folgendem Grund unzulässig:

2.1. Mit Erkenntnis vom 13. März 2019, G242/2018 ua, hob der Verfassungsgerichtshof §27 Abs10, die Wort- und Zeichenfolge "1 und" in §59 Abs3 Z1, §59 Abs3 Z2, die Wort- und Zeichenfolgen "1 und" und "2", "§4 Abs2 oder" und "Eintragung in die oder" in §117c Abs1 Z6 und die Wort- und Zeichenfolge "10 und" in §125 Abs4 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, jeweils idF BGBl I 56/2015 als verfassungswidrig auf und sprach gleichzeitig aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. August 2020 in Kraft tritt.

2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl zB VfSlg 12.633/1991) kann ein bereits aufgehobenes Gesetz nicht neuerlich Gegenstand eines entsprechenden Aufhebungsbegehrens sein. Auf Grund des oben zitierten Erkenntnisses ist die Wort- und Zeichenfolge "1 und" in §59 Abs3 Z1 und in §117c Abs1 Z6 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 56/2015 bis zum Ablauf der gesetzten Frist für das Wirksamwerden der Aufhebung verfassungsrechtlich unangreifbar.

Der Antrag war daher diesbezüglich mangels eines tauglichen Prüfungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen.

2.3. Da im Übrigen die vom antragstellenden Gericht vorgetragenen Bedenken (§62 Abs1 VfGG) hinsichtlich §195f Abs1 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 144/2009, im Wesentlichen auch mit jenen übereinstimmen, die dem Antrag im oben (Pkt. 2.1.) zitierten Erkenntnis zugrunde lagen, und da der Verfassungsgerichtshof diesbezüglich keine Verfassungswidrigkeit erkannt und jenen Antrag daher abgewiesen hat, ist der vorliegende Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung als verfassungswidrig wegen rechtskräftig entschiedener Sache als unzulässig zurückzuweisen.

3. Hinsichtlich des Antrages auf Aufhebung der zweimaligen Wortfolge "gesundheitlichen Eignung oder" in §59 Abs2 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 61/2010 bringt das antragstellende Gericht vor, dass die Bestimmung im Beschwerdefall zwar nicht anzuwenden war, jedoch bei einer allfälligen Aufhebung der Zuständigkeit des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer zur Streichung aus der Ärzteliste die in §59 Abs2 ÄrzteG 1998 normierte Möglichkeit des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer zur Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen und Befristungen als ein weitgehend jedes normativen Inhaltes entkleideter und sohin unanwendbarer Torso verbliebe. Damit ist das antragstellende Gericht nicht im Recht:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

3.2. Es ist offenkundig unrichtig (denkunmöglich), dass der angefochtene §59 Abs2 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 61/2010 eine Voraussetzung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Anlassfall bildet, da in dem zugrunde liegenden Verfahren dem Arzt keinerlei Auflagen erteilt wurden. Der Antrag ist deshalb, soweit er sich gegen §59 Abs2 ÄrzteG 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 61/2010 richtet, schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

4. Der Antrag ist daher zur Gänze unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher insgesamt zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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