VfGH G480/2015

VfGHG480/20158.3.2016

Zurückweisung eines Antrags des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg auf Aufhebung einer Regelung über die Zuständigkeit des Personal- und Disziplinarausschusses zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide der Präsidentin oder des Präsidenten in Dienstrechtsangelegenheiten mangels Präjudizialität; angefochtene Bestimmung infolge Änderung der Rechtslage vom Landesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht mehr anzuwenden

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
Sbg LandesverwaltungsgerichtsG §22 Abs4
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
Sbg LandesverwaltungsgerichtsG §22 Abs4

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Salzburg, §22 Abs4 letzter Satz Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz, LGBl 16/2013 idF LGBl 78/2014, als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die §§10 und 22 Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz (im Folgenden: S.LVwGG) in der angefochtenen Fassung des LGBl 78/2014 lauten wie folgt (die angefochtene Gesetzesbestimmung ist hervorgehoben):

"Personal- und Disziplinarausschuss

§10

(1) Der Personal- und Disziplinarausschuss besteht aus der Präsidentin oder dem Präsidenten oder in Disziplinarangelegenheiten der Richterinnen und Richter aus der Vizepräsidentin oder dem Vizepräsidenten als Vorsitzender bzw Vorsitzendem sowie zwei weiteren Mitgliedern, die von der Vollversammlung aus ihrer Mitte auf die Dauer von drei Jahren gewählt werden. Ebenso sind für die weiteren Mitglieder zwei Ersatzmitglieder (1. und 2. Ersatzmitglied) zu wählen. Wiederwahl ist zulässig. Die weiteren Mitglieder und die Ersatzmitglieder bleiben auch nach Ablauf der Funktionsperiode bis zur Wahl neuer Mitglieder bzw Ersatzmitglieder im Amt.

(2) Die Präsidentin oder der Präsident hat Wahlvorschläge für alle offenen Mitglieder- und Ersatzmitgliederstellen zu erstatten. Jedes andere Mitglied der Vollversammlung hat das Recht, bis zum Beginn der Vollversammlung weitere Wahlvorschläge für alle oder einzelne Mitglieder- und Ersatzmitgliederstellen (1. und 2. Ersatzmitglied) zu erstatten. Wenn die Vollversammlung keinen anderslautenden Beschluss fasst, ist die Wahl für jedes Mitglied und Ersatzmitglied getrennt sowie schriftlich und geheim durchzuführen. Die Wahl der Ersatzmitglieder ist nach der Wahl der Mitglieder durchzuführen. Als gewählt gelten jeweils jene Richterinnen und Richter, auf die die meisten Stimmen entfallen sind. Wird über Beschluss der Vollversammlung nicht getrennt nach Personen abgestimmt, gilt ein Wahlvorschlag als angenommen, wenn ihm mehr als die Hälfte der anwesenden Richterinnen und Richter zustimmen.

(3) Scheidet ein weiteres Mitglied oder Ersatzmitglied vorzeitig aus dem Personal- und Disziplinarausschuss aus, ist für die restliche Funktionsdauer unverzüglich ein neues Mitglied bzw Ersatzmitglied zu wählen.

(4) Die Vertretungsregelung des §8 Abs1 zweiter Satz gilt auch bei Verhinderung der Vizepräsidentin oder des Vizepräsidenten als Vorsitzende bzw Vorsitzender des Personal- und Disziplinarausschusses.

(5) Dem Personal- und Disziplinarausschuss obliegen folgende Justizverwaltungsangelegenheiten:

1. die Entscheidung über das Vorliegen einer Unvereinbarkeit (§4 Abs3),

2. die Amtsenthebung von fachkundigen Laienrichterinnen und -richtern sowie Ersatzrichterinnen und -richtern (§7 Abs6),

3. die Aufgaben der Dienstbehörde bei der Entscheidung über die Bewilligung, Untersagung oder Kenntnisnahme von Nebenbeschäftigungen (§11b Abs3 L-BG) sowie im Leistungsfeststellungsverfahren (§21 L-BG) und

4. die Aufgaben der Disziplinarbehörde (§38 Abs1 L-BG).

(6) Der Personal- und Disziplinarausschuss ist nur bei Anwesenheit aller Mitglieder beschlussfähig. Die weiteren Mitglieder des Personal- und Disziplinarausschusses werden in der gemäß Abs1 und 2 bestimmten Reihenfolge von den Ersatzmitgliedern vertreten. Die Beschlussfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit, Stimmenthaltung ist nicht zulässig. Die oder der Vorsitzende gibt ihre bzw seine Stimme zuletzt ab. §9 Abs5 gilt auch für den Personal- und Disziplinarausschuss; die Einberufung zu den Sitzungen obliegt jedoch der oder dem jeweiligen Vorsitzenden.

Dienstverhältnis, Anwendung des Salzburger Landes-Beamtengesetzes 1987

§22

(1) Auf das Dienstverhältnis findet nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen das Salzburger Landes-Beamtengesetz 1987 (L-BG) sinngemäß Anwendung.

(2) Die Richterinnen und Richter sind mit Wirksamkeit ihrer Ernennung in ein definitives öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis gemäß §3b L-BG zum Land aufzunehmen, wenn ein solches mit ihnen noch nicht besteht. Mit der Wirksamkeit der Ernennung zur Richterin oder zum Richter sind Landesbedienstete von ihrer bisherigen Verwendung abberufen (§8 Abs1 L-BG).

(3) Die von §2 Abs3 Z3 lita erfassten Prüfungen oder das Vorliegen einer Lehrbefugnis gemäß §2 Abs3 Z3 litb ersetzen den erfolgreichen Abschluss der Grundausbildung sowohl als Ernennungs- und Definitivstellungserfordernis als auch als Voraussetzung für weitere dienstrechtliche Maßnahmen.

(4) Abweichend von §128 Abs1 L-BG ist die Präsidentin oder der Präsident Dienstbehörde für alle Richterinnen und Richter und für alle sonst in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land stehenden Bediensteten, die im Landesverwaltungsgericht verwendet werden. Die Präsidentin oder der Präsident ist auch mit der Vertretung des Landes Salzburg als Dienstgeber gegenüber allen sonstigen Landesbediensteten, die im Landesverwaltungsgericht verwendet werden, betraut. Ausgenommen von den Zuständigkeiten der Präsidentin oder des Präsidenten sind:

1. die Erlassung von Verordnungen auf Grund der Dienstrechtsgesetze des Landes;

2. die Begründung oder Beendigung von Dienstverhältnissen;

3. die Verfügung von Verwendungsänderungen, Dienstzuteilungen oder Versetzungen sowie die Übertragung von Nebentätigkeiten, die über den Bereich des Landesverwaltungsgerichtes hinausgehen.

Über Beschwerden gegen die auf Grund dieser Bestimmung erlassenen Bescheide der Präsidentin oder des Präsidenten entscheidet der Personal- und Disziplinarausschuss in der für Disziplinarangelegenheiten der Richterinnen und Richter vorgesehenen Zusammensetzung (§10 Abs1).

(5) Die Präsidentin oder der Präsident kann das Amt der Landesregierung beauftragen, die ihr bzw ihm gemäß Abs4 obliegenden Angelegenheiten in ihrem bzw seinem Namen und nach ihren bzw seinen Weisungen zu besorgen."

2. Die mit LGBl 18/2016 – kundgemacht am 18. Februar 2016 und in Kraft getreten am 1. März 2016 – geänderten §10 Abs5 und 6 und §22 Abs4 S.LVwGG sowie §32 Abs3 S.LVwGG lauten wie folgt:

"Personal- und Disziplinarausschuss

§10

[(1) – (4) …]

(5) Dem Personal- und Disziplinarausschuss obliegen folgende Justizverwaltungsangelegenheiten:

1. die Entscheidung über das Vorliegen einer Unvereinbarkeit (§4 Abs3);

2. die Amtsenthebung von Richterinnen und Richtern (§6 Abs2), von fachkundigen Laienrichterinnen und -richtern sowie Ersatzrichterinnen und -richtern (§7 Abs6);

3. die Bewilligung, Untersagung und Kenntnisnahme von Nebenbeschäftigungen (§11a L-BG);

4. die Handhabung des Disziplinarrechts (§26).

(6) Der Personal- und Disziplinarausschuss entscheidet durch Erkenntnis oder Beschluss. Er ist nur bei Anwesenheit aller Mitglieder beschlussfähig. Die weiteren Mitglieder des Personal- und Disziplinarauschusses werden in der gemäß Abs1 und 2 bestimmten Reihenfolge von den Ersatzmitgliedern vertreten. Die Beschlussfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit, Stimmenthaltung ist nicht zulässig. Die oder der Vorsitzende gibt ihre bzw seine Stimme zuletzt ab. §9 Abs4 gilt auch für den Personal- und Disziplinarausschuss; die Einberufung zu den Sitzungen obliegt jedoch der oder dem jeweiligen Vorsitzenden.

Dienstverhältnis, Anwendung des Salzburger Landes-Beamtengesetzes 1987

§22

[(1) – (3) …]

(4) Abweichend von §128 Abs1 L-BG ist die Präsidentin oder der Präsident Dienstbehörde für alle Richterinnen und Richter und für alle sonst in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land stehenden Bediensteten, die im Landesverwaltungsgericht verwendet werden. Die Präsidentin oder der Präsident ist auch mit der Vertretung des Landes Salzburg als Dienstgeber gegenüber allen sonstigen Landesbediensteten, die im Landesverwaltungsgericht verwendet werden, betraut. Ausgenommen von den Zuständigkeiten der Präsidentin oder des Präsidenten sind:

1. die Erlassung von Verordnungen auf Grund der Dienstrechtsgesetze des Landes;

2. die Begründung oder Beendigung von Dienstverhältnissen;

3. die Verfügung von Verwendungsänderungen, Dienstzuteilungen oder Versetzungen sowie die Übertragung von Nebentätigkeiten, die über den Bereich des Landesverwaltungsgerichtes hinausgehen.

Über Beschwerden gegen die auf Grund dieser Bestimmung erlassenen Bescheide der Präsidentin oder des Präsidenten sowie über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in diesen Angelegenheiten entscheidet für das Landesverwaltungsgericht der Personal- und Disziplinarausschuss als Senat in der für Disziplinarangelegenheiten der Richterinnen und Richter vorgesehenen Zusammensetzung (§10 Abs1).

(5) […]

Inkrafttreten novellierter Bestimmungen und

Übergangsbestimmungen dazu

§32

[(1) – (2) …]

(3) Die §§6 Abs2, 9 Abs3 und 4, 10 Abs5 und 6, 12 Abs2, 18 Abs1 und 2, 20 Abs1, 22 Abs4, 23a, 25 Abs1, 1a und 2, 26 und 27 in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 18/2016 treten mit Beginn des auf dessen Kundmachung folgenden Monats in Kraft. Die im §25 Abs2 festgelegten Beträge können erstmals mit Wirkung ab dem 1. Jänner 2016 erhöht werden.

(4) […]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1. Beim Personal- und Disziplinarausschuss des Landesverwaltungsgerichtes Salz-burg ist das Verfahren eines Richters des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg gegen einen Bescheid der Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg in einer Dienstrechtsangelegenheit (Anrechnung von Vordienstzeiten, Festlegung des Vorrückungs- und des Einstufungsstichtages, Zuordnung in die Gehaltsstufe, Zuerkennung der Verwaltungsgerichtszulage) anhängig.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg begründet in seinem – auf Grund des Beschlusses des Personal- und Disziplinarausschusses vom 18. September 2015 gestellten – Antrag die Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge und legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, dar.

2. Die Salzburger Landesregierung und die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (als Beteiligte im verfassungsgerichtlichen Normprüfungsverfahren) haben jeweils eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg entgegentreten.

IV. Erwägungen

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

2. Während des Gesetzesprüfungsverfahrens wurde durch das Gesetz vom 3. Februar 2016, mit dem das Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz geändert wird, LGBl 18/2016, unter anderem die vom antragstellenden Landesverwaltungsgericht als verfassungswidrig erachtete Bestimmung des §22 Abs4 letzter Satz S.LVwGG, nach der dem Personal- und Disziplinarausschuss die Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden gegen die auf Grund des §22 Abs4 S.LVwGG erlassenen Bescheide der Präsidentin oder des Präsidenten zukommt, zur Gänze neu gefasst (s. II.2.). Gemäß §32 Abs3 S.LVwGG ist diese Änderung mit 1. März 2016 in Kraft getreten.

3. Das Landesverwaltungsgericht hat – insbesondere die Zuständigkeit des Entscheidungsorgans betreffende (vgl. zB VfSlg 12.825/1991, 16.907/2003, 19.755/2013) – Änderungen der Rechtslage nach Erlassung des bei ihm angefochtenen Bescheides zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 17.790/2006, 18.593/2008). Diese Gesetzesänderung bewirkt, dass das antragstellende Landesverwaltungsgericht – mangels anderes anordnender Übergangsvorschriften – §22 Abs4 letzter Satz S.LVwGG idF LGBl 78/2014, auf den sich seine Bedenken ob der Verfassungskonformität beziehen, bei seiner Entscheidung über die anhängige Beschwerde im Anlassverfahren nicht mehr anzuwenden hat.

4. Es ist somit – was der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung als Voraussetzung für die Zurückweisung eines gerichtlichen Antrages auf Gesetzesprüfung ansieht (vgl. zB VfSlg 8524/1979, 9167/1981, 16.136/2001, 17.790/2006, 18.487/2008, 18.593/2008) – offenbar ausgeschlossen, dass die angefochtene Bestimmung als eine Voraussetzung für die Entscheidung des antragstellenden Landesverwaltungsgerichtes nunmehr in Betracht kommen kann.

Der Antrag ist daher mangels der auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes noch erforderlichen Präjudizialität der zur Aufhebung beantragten Norm als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg 16.136/2001, 18.487/2008).

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist aus den dargelegten Gründen als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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