VfGH G312/2015

VfGHG312/201525.9.2015

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des ASVG betreffend das Wochengeld als zu eng gefasst

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
ASVG §122 Abs3
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
ASVG §122 Abs3

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Die Antragstellerin war nach den Feststellungen im Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht zunächst auf Grund ihrer unselbständigen Beschäftigung als Angestellte pflichtversichert. Nach der Geburt ihres ersten Kindes am 17. Juli 2013 bezog sie von 30. Mai 2013 bis 17. Oktober 2013 Wochengeld sowie von 18. Oktober 2013 bis 23. April 2014 und – nach einer Unterbrechung infolge des Bezugs durch ihren Ehegatten – von 24. Juni bis 15. September 2014 einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld (§24 ff Kinderbetreuungsgeldgesetz). Gegenüber ihrem Arbeitgeber nahm die Antragstellerin Karenz bis zum Ablauf des 2. Lebensjahres des Kindes in Anspruch, sodass diese mit 16. Juli 2015 enden sollte. Nach Ende des Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes mit 15. September 2014 und damit der Teilversicherung in der Krankenversicherung nach §8 Abs1 litf ASVG begründete die Antragstellerin keine weitere Pflichtversicherung in der Krankenversicherung. Sie ist seither nach §123 ASVG anspruchsberechtigte Angehörige in der Krankenversicherung ihres Ehegatten.

2. Bei der Antragstellerin trat eine neuerliche Schwangerschaft ein. Der Beginn der 8. Woche vor der voraussichtlichen Entbindung (Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft nach §120 Z3 erster Satz ASVG) fiel auf den 20. Mai 2014 [richtig: 20. Mai 2015]. Der Beginn der 32. Woche vor Eintritt des Versicherungsfalles der Mutterschaft fiel auf den 8. Oktober 2014, also nicht in den Zeitraum der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung, sondern in jenen der Anspruchsberechtigung in der Krankenversicherung nach §123 ASVG.

3. Mit Bescheid vom 11. Februar 2015 lehnte die im Ausgangsverfahren beklagte Gebietskrankenkasse den Antrag der Einschreiterin auf Gewährung von Wochengeld ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Mai 2015 als unbegründet abgewiesen. Aus Anlass ihrer gegen dieses Urteil erhobenen Berufung stellt die Klägerin des Ausgangsverfahrens den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag.

4. §122 Abs3 ASVG, BGBl 189/1955 idF BGBl I 47/1997 lautet (die angefochtenen Teile sind hervorgehoben):

"(3) Über die Bestimmungen des Abs2 hinaus sind die Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft auch zu gewähren, wenn der Versicherungsfall nach dem Ende der Pflichtversicherung eintritt und der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalles in den Zeitraum des Bestandes der beendeten Pflichtversicherung, die mindestens 13 Wochen bzw. drei Kalendermonate ununterbrochen gedauert haben muß, fällt; fallen in diesen Zeitraum auch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Zeiten eines Leistungsbezuges aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft, so gelten solche Zeiten bei der Anwendung dieser Bestimmung als Zeiten der Pflichtversicherung. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Pflichtversicherung auf Grund einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses, einer Kündigung durch die Dienstnehmerin, eines unberechtigten vorzeitigen Austrittes oder einer verschuldeten Entlassung der Dienstnehmerin geendet hat oder wenn die Dienstnehmerin aus einem dieser Gründe unmittelbar im Anschluß an einen Zeitraum des Bezuges eines Karenzgeldes nach dem KGG ihre vorherige Beschäftigung nicht wieder aufgenommen hat. Die Voraussetzung von mindestens 13 Wochen bzw. drei Kalendermonaten entfällt, wenn die Versicherte in den letzten 36 Monaten vor dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung mindestens zwölf Monate in der Krankenversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz pflichtversichert war. Tritt in der Zeit zwischen dem Ende der Pflichtversicherung und dem Eintritt des Versicherungsfalles oder danach während der Zeit, für die Anspruch auf Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft besteht, der Versicherungsfall der Krankheit ein, gebühren die Leistungen aus diesem Versicherungsfall."

5. Die Antragstellerin beantragt, in §122 Abs3 erster Satz ASVG jeweils bei dem Wort "Pflichtversicherung" den Wortteil "Pflicht" und weiters in dieser Bestimmung das Wort "ununterbrochen" in der Wortfolge "mindestens 13 Wochen bzw. drei Kalendermonate ununterbrochen gedauert", als verfassungswidrig aufzuheben.

6. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, dass die angefochtene Wort- und Zeichenfolge nicht verfassungswidrig ist. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse hat ebenfalls eine Äußerung erstattet, in der sie dem Vorbringen der Antragstellerin entgegentritt und beantragt, dem Antrag keine Folge zu geben.

7. Der Antrag ist unzulässig:

7.1. Die Antragstellerin war zum Zeitpunkt des Beginns der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft unstrittig nicht pflichtversichert, sondern gemäß §123 ASVG in der Krankenversicherung anspruchsberechtigte Angehörige ihres Ehegatten. Die von ihr angestrebte Aufhebung der angefochtenen Teile des ersten Satzes des §122 Abs3 ASVG (insbesondere die mit einer Aufhebung bewirkte Abänderung des Begriffs "Pflichtversicherung" jeweils zu "Versicherung") würde dazu führen, dass das als Einkommensersatzleistung vorgesehene Wochengeld auch dann gebührte, wenn innerhalb von 32 Wochen vor dem Eintritt des Versicherungsfalls kein Einkommen (und zwar weder aus Beschäftigung noch in der Form des Kinderbetreuungsgeldes) bezogen wurde; überdies würde der geänderte Wortlaut den Anspruch auf Wochengeld auch für den Fall einer Selbst- oder Weiterversicherung begründen.

7.2. Es kann daher auf sich beruhen, ob mit einer solchen Aufhebung im beantragten Umfang die behauptete Verfassungswidrigkeit überhaupt beseitigt würde (zumal §123 ASVG u.a. dem pflichtversicherten Ehegatten der Beschwerdeführerin zwar eine Anspruchsberechtigung auf Leistungen der Krankenversicherung für die Ehefrau verschafft, die aber nach System und Sprachgebrauch des ASVG weder eine "Versicherung" ist noch eine "Versicherung der Ehefrau" darstellt [VwGH 17.11.1992, 91/08/0091 sowie VfSlg 8684/1979 und VfSlg 10.276/1984]): Denn eine allfällige Aufhebung der Norm im beantragten Umfang würde einen derart veränderten Norminhalt bewirken, der dem Gesetzgeber nicht zusinnbar ist (VfSlg 12.412/1990). Eine solche teilweise Aufhebung des §122 Abs3 ASVG käme vielmehr einem positiven Akt der Gesetzgebung gleich, der dem Verfassungsgerichtshof nicht zukommt (VfSlg 12.465/1990, 13.140/1992, in sozialversicherungsrechtlichem Zusammenhang VfSlg 13.915/1994, 15.283/1998).

7.3. Wenn die Norm aber im Falle ihrer bloß teilweisen Aufhebung einen Inhalt erhielte, der dem Normgeber nicht mehr zusinnbar ist, müsste sie für den Fall ihrer Verfassungswidrigkeit zur Gänze aufgehoben und daher – wegen der Bindung des Verfassungsgerichtshofes an den gestellten Antrag – auch zur Gänze angefochten werden.

8. Der nach dem Gesagten zu eng gefasste Antrag ist daher schon aus diesen Gründen als unzulässig zurückzuweisen.

9. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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