VfGH G340/2015

VfGHG340/201522.9.2015

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des ABGB mangels Legitimation; Unzulässigkeit der Stellung eines Parteiantrags nach Ablauf der Rechtsmittelfrist

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1
ABGB §173, §213
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1
ABGB §173, §213

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Der Antragsteller beantragte, dass das Bezirksgericht Mödling entscheiden möge, ob seine minderjährige Tochter gegen die gängigen Infektionskrankheiten und FSME zu impfen sei. Weiters beantragte er, der Mutter möge der Auftrag erteilt werden, einen Titer-Test bei der Tochter durchführen zu lassen, um Immunitäten gegen bestimmte Infektionskrankheiten festzustellen. Für den Fall, dass die Mutter dem nicht nachkomme, wurde beantragt, die Jugendwohlfahrtsbehörde oder den Antragsteller zur Veranlassung dieses Tests zu ermächtigen, wobei das Sorgerecht der Mutter im Hinblick auf die Impfvorsoge des Kindes zu beschränken sei und dieses Teilsorgerecht auf die Jugendwohlfahrtsbehörde oder auf den Vater zu übertragen sei. Weiters wurde beantragt, nach Vorliegen der Ergebnisse des Titer-Tests die Zustimmung zu bestimmten Nachholimpfungen durch Beschluss des Gerichtes zu ersetzen, wobei entweder die Jugendwohlfahrtsbehörde oder der Antragsteller beauftragt würden, auf Kosten der Mutter sämtliche auf Grund des Tests sich ergebenden Impfungen vornehmen zu lassen und dem Gericht hierüber durch Vorlage des Impfpasses zu berichten.

2. Das Bezirksgericht Mödling wies diese Anträge mit Beschluss vom 29. Mai 2015 ab. Dagegen erhob der Antragsteller am 10. Juni 2015 Rekurs.

3. Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2015 brachte der Antragsteller beim Verfassungsgerichtshof einen auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG iVm§62 und §62a VfGG gestützten Antrag ein. Er begehrt darin, der Verfassungsgerichtshof möge:

"im Rahmen des §62a VfGG iVm Art140 Abs2 litd B‑VG folgende Bestimmungen des ABGB, und zwar

§173 Abs1 Satz 2, die lautet: 'Mangelt es an der notwendigen Einsichts- und Urteilsfähigkeit, so ist die Zustimmung der Person erforderlich, die mit der gesetzlichen Vertretung bei Pflege und Erziehung betraut ist'

§173 Abs2 letzter Halbsatz ….'…. so darf die Behandlung nur vorgenommen werden, wenn auch die Person zustimmt, die mit der gesetzlichen Vertretung bei Pflege und Erziehung betraut ist'

§213 Abs2 letzter Satz 'Erteilt die mit der Obsorge betraute Person die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung nicht und wird dadurch das Wohl des Kindes gefährdet, so kann das Gericht die Zustimmung ersetzen oder die Obsorge an eine andere Person übertragen'

als verfassungswidrig aufheben."

4. Gemäß dem durch BGBl I 114/2013 in das B‑VG eingefügten, mit 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen Art140 Abs1 Z1 litd erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels". Auch §62a Abs1 erster Satz VfGG idF BGBl I 92/2014 verlangt als Voraussetzung einer derartigen Antragstellung u.a. die Einbringung eines (zulässigen) Rechtsmittels gegen eine "von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedene Rechtssache".

5. Der Antragsteller hat den vorliegenden Antrag am 8. Juli 2015 beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, den Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling jedoch laut Sendeprotokoll schon am 10. Juni 2015 — und damit innerhalb der vierzehntägigen Rechtsmittelfrist — erhoben. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes entspricht der in §62a Abs1 erster Satz VfGG im Hinblick auf die Einbringung eines (zulässigen) Rechtsmittels verwendete Begriff "gleichzeitig" der in Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gewählten Formulierung "aus Anlass" insofern, als er so zu verstehen ist, dass die Stellung eines Parteiantrages gegen die erstinstanzliche Entscheidung eines ordentlichen Gerichtes während des (gesamten) Zeitraumes der konkreten Rechtsmittelfrist — unabhängig davon, ob das Rechtsmittel bereits vorher eingebracht wurde — zulässig ist (VfGH 2.7.2015, G257/2015; RV 263 BlgNR 25. GP , 2; Grabenwarter/Musger, Praxisfragen der Gesetzesbeschwerde im Zivilverfahren, ÖJZ2015, 551 [555]). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen mit Blick auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG nicht.

6. Da der vorliegende Antrag nicht innerhalb des Zeitraumes der Rechtsmittelfrist gegen die Entscheidung des Bezirksgerichtes Mödling eingebracht wurde, mangelt es dem Einschreiter an der Legitimation zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG.

7. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

8. Von einer Verständigung des Bezirksgerichtes Mödling gemäß §62a Abs5 VfGG konnte auf Grund der offenkundigen Unzulässigkeit des Antrages abgesehen werden.

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