VfGH G15/2015

VfGHG15/201512.6.2015

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung im FortpflanzungsmedizinG betreffend die Unzulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik bei befruchteten Eizellen infolge Außerkrafttretens der Norm

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
FortpflanzungsmedizinG §9 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
FortpflanzungsmedizinG §9 Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Die antragstellenden Parteien sind beide gesunde Träger der spinalen Muskelatrophie Typ 1. Dieser erblich übertragbare Gendefekt wurde bei den antragstellenden Parteien erstmals im September 2013 diagnostiziert, nachdem das erstgeborene Kind der antragstellenden Parteien im Alter von dreieinhalb Monaten an dieser Krankheit verstorben war. Die Wahrscheinlichkeit, dass jedes weitere durch die antragstellenden Parteien gezeugte Kind an dieser Krankheit leidet beträgt jeweils 25%. Wollten Sie die Geburt eines erkrankten Kindes vermeiden, bliebe ihnen nach der geltenden Rechtslage nur die Möglichkeit die DNA des Fötus unter Einsatz von pränataldiagnostischen Verfahren zu untersuchen und die Schwangerschaft allenfalls abzubrechen. Die Möglichkeit einer Untersuchung der befruchteten Eizelle mittels präimplantationsdiagnostischer Verfahren im Zuge einer in vitro Fertilisation sei nach geltendem Recht nicht zulässig.

1.1. Die antragstellenden Parteien seien dadurch in ihrem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt, weshalb sie, gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG, die Aufhebung der Wortfolge "zur Herbeiführung einer Schwangerschaft" in §9 Abs1 Satz 2 Bundesgesetz, mit dem Regelungen über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung getroffen werden (Fortpflanzungsmedizingesetz – FMedG), BGBl 1992/275 idF BGBl I 2014/4, in eventu §9 Abs1 […] zweiter und dritter Satz FMedG idF BGBl I 2014/4 begehren.

2. Der Antrag ist nicht zulässig.

2.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2.2. Nur wenige Wochen nach der Einbringung des Individualantrages wurde das Bundesgesetz, mit dem Regelungen über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung getroffen werden (Fortpflanzungsmedizingesetz – FMedG), mit dem BGBl I 35/2015 umfassend novelliert. Insbesondere wurde §9 leg.cit., dessen teilweise Aufhebung in der bis dahin geltenden Fassung beantragt ist, neu gefasst und in §2a leg.cit. eine Bestimmung über die Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik aufgenommen.

2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen hat, entfaltet eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getretene Norm für die Rechtssphäre des Antragstellers in der Regel nicht mehr eine die Antragstellung rechtfertigende Wirkung. Das Ziel eines Verfahrens nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG, die rechtwidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, ist mit ihrem Außerkrafttreten schon erreicht (VfSlg 17.474/2005, 17.653/2005, 18.284/2007, 18.837/2009).

2.4. Dies ist auch hier der Fall. Das FMedG in seiner nun geltenden Fassung enthält – anders als jene Fassung, gegen die sich die Antragsteller wenden – kein generelles Verbot der Präimplantationsdiagnostik mehr. Die angefochtene Fassung der Bestimmung wirkt mangels darauf zielender Übergangsbestimmungen auch nicht in einer Art fort, die dazu führen könnte, dass die Antragsteller durch die angefochtene Norm aktuell noch in ihren Rechten verletzt sein könnten.

2.5. Der Antrag ist daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

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