Antrag, die stillen Reserven des Grund und Bodens gemäß § 4 Abs 10 Z 3 lit b EStG 1988 idF vor StabG einer steuerfreien Rücklage zuzuführen
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2013/15/0299 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 10.3.2016 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zl. RV/7101679/2016 erledigt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Christian Lenneis und die weiteren Mitglieder Dr. Wolfgang Pavlik, Erwin Agneter und Christian Schuckert über die Berufung des Bw., vertreten durch Stb., vom 21. April 2012 gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom 22. März 2012 betreffend Einkommensteuer 2008 nach der am 7. November 2013 in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Im gegenständlichen Fall ist strittig, wann der Antrag, die stillen Reserven des Grund und Bodens einer steuerfreien Rücklage zuzuführen, zu stellen ist.
Die Jahressteuererklärungen 2008 wurden am 1. September 2010 elektronisch eingereicht. Dabei wurden irrtümlicherweise die Zahlen des Jahres 2007 an das Finanzamt (FA) übermittelt.
Da das mit 15. Dezember 2010 seitens der Abgabenbehörde versandte Ergänzungsersuchen nicht beantwortet wurde, erfolgte die Veranlagung am 17. März 2011 auf Grund der Aktenlage. Dabei wurde die Gewinnermittlung von § 5 auf § 4 Abs 1 EStG 1988 umgestellt, weil die maßgebliche Grenze des § 189 UGB unterschritten und kein Antrag nach § 5 Abs 2 EStG 1988 auf Weiterführung der § 5 Gewinnermittlung gestellt worden war. Daher wurde auch ein Übergangsgewinn ermittelt. (Ein solcher war in der Steuererklärung nicht ausgewiesen).
Am 24. Oktober 2011 stellte der Berufungswerber (Bw) einen Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 gemäß § 299 Abs 1 BAO, weil sich der Spruch unter anderem deshalb als inhaltlich nicht richtig erweise, dass wesentliche Besteuerungszeiträume nicht erfasst und stille Reserven des Privatvermögens einer Einkommensbesteuerung unterzogen würden.
Im Zuge dieses Antrages auf Aufhebung wurde in einer Beilage zur eingereichten (berichtigten) Einkommensteuererklärung 2008 beantragt, die stillen Reserven des Grund und Bodens, die sich aus dem Wechsel der Gewinnermittlungsart ergaben, einer Rücklage zuzuführen.
Am 22. März 2012 wurde im Rahmen der Aufhebung gemäß § 299 BAO der Einkommensteuerbescheid neu erlassen. Das Finanzamt (FA) gab dabei dem Antrag auf Bildung einer steuerfreien Rücklage gemäß § 4 Abs 10 Z 3b EStG 1988 nicht statt, mit der Begründung, dass seit dem Abgabensicherungsgesetz 2007 der Antrag in der Steuererklärung zu stellen sei. Es verwies auf die RZ 709 der Einkommensteuerrichtlinien, wonach ein Antrag auf Bildung einer solchen steuerfreien Rücklage in einer nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides eingereichten Steuererklärung nicht nachgeholt werden könne.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bw am 24. April 2012 fristgerecht Berufung und führte darin aus, dass die Auffassung gemäß RZ 709 EStR 2000 aus dem EStR 2000-Wartungserlass 2008 im Gesetzeswortlaut keine Deckung finde.
Weiters wurde die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt.
Das Finanzamt legte die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Folgender unbestrittene Sachverhalt steht fest:
Der Bw hat gewerbliche Einkünfte. Er ermittelte den Gewinn für seinen Installationsbetrieb vor 2008 gemäß § 5 EStG 1988 und hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr. Im Jahr 2008 erfolgte der Übergang auf die Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs 1 EStG 1988 (siehe oben).
Im Zuge des Antrages auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom 24. Oktober 2011 wurde ein Übergangsgewinn aus der Umstellung der Gewinnermittlung von § 5 EStG 1988 auf § 4 Abs 1 EStG 1988 in Höhe von € 77.237,66 ermittelt. Dieser Betrag wurde in eine Rücklage gemäß § 4 Abs 10 Z 3 lit b EStG 1988 im Jahresabschluss eingestellt und die Zuführung zur Grund und Boden-Rücklage in einer Beilage zur eingereichten Einkommensteuererklärung 2008 beantragt.
Rechtlich ist auszuführen wie folgt:
§ 4 Abs 10 Z 3lit b EStG 1988 in der anzuwendenden Fassung lautet:
"Beim Übergang von der Gewinnermittlungsart gemäß § 5 auf eine andere Gewinnermittlungsart sind die stillen Reserven des Grund und Bodens und des gewillkürten Betriebsvermögens aufzudecken und zu versteuern. Auf Grund eines in der Steuererklärung (Feststellungserklärung) gestellten Antrages sind die stillen Reserven des zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Grund und Bodens aber einer Rücklage (bei Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 einem steuerfreien Betrag) zuzuführen, die (der) erst im Zeitpunkt des Ausscheidens des Grund und Bodens aus dem Betriebsvermögen oder im Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes insoweit zu versteuern ist, als die stillen Reserven in diesem Zeitpunkt noch vorhanden sind." |
Der Antrag, die stillen Reserven einer Rücklage bzw. einem steuerfreien Betrag zuzuführen, ist seit dem Abgabensicherungsgesetz 2007 in der Steuererklärung (Feststellungserklärung) zu stellen.
Laut Einkommensteuerrichtlinie kann der Antrag nur in der Steuererklärung (Feststellungserklärung) gestellt werden, die vor Ergehen des betreffenden Einkommensteuerbescheides eingebracht wurde. Wurde in dieser Steuererklärung kein Antrag gestellt, kann ein solcher in einer nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides (zB in einem Berufungsverfahren oder einem wieder aufgenommenen Verfahren) eingereichten Steuererklärung (Feststellungserklärung) nicht nachgeholt werden.
Laut Doralt kann der Antrag grundsätzlich bis zur Rechtskraft des Verfahrens gestellt werden (Doralt, Kommentar zum EStG, § 4 Tz 420/1) und auch Renner/Steinmaurer (ÖStZ 08/699) kritisieren die Auffassung gemäß RZ 709 EStR 2000 aus dem EStR 2000-Wartungserlass 2008:
"Die Auffassung, dass Anträge nur in der Steuererklärung, die vor Ergehen des ersten Bescheids eingereicht wird, gestellt werden können, findet im Gesetzeswortlaut keine Deckung. Im abgabenrechtlichen Berufungsverfahren gibt es kein Neuerungsverbot. Eine ursprünglich unterlassene Antragstellung müsste daher bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens zulässig sein. Es muss auch ein Nachholen des Antrags im Rahmen einer Wiederaufnahme des Verfahrens möglich sein, weil der frühere Bescheid zur Gänze beseitigt wird, und daher auch alle Verfahrensschritte wieder möglich sind."
Da sich aus dem Gesetzeswortlaut keine Einschränkung des Antragsrechtes auf die erste für das jeweilige Veranlagungsjahr abgegebene Steuererklärung ergibt, kann ein solcher Antrag sowohl im Rahmen einer Wiederaufnahme, im Zuge eines Berufungsverfahrens oder auch im Rahmen einer Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO gestellt werden.
Der Berufung ist daher stattzugeben.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Wien, am 7. November 2013
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 4 Abs. 10 Z 3 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |