UFS RV/0322-S/13

UFSRV/0322-S/1312.9.2013

Keine Familienbeihilfe für subsidiär Schutzberechtigte während des Bezugs eines Urlaubsersatzanspruchs

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Herrn A, Anschrift, vertreten durch RA Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, 5020 Salzburg, Plainstraße 23, vom 16. März 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom 10. März 2010 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (im Folgenden kurz: Bw) und seine Familienmitglieder sind mazedonische Staatsbürger. Sie verfügen über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005. Laut Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung vom 10. März 2010 war Herr A von 1. Jänner 2009 bis 17. November 2009 als Arbeiter beschäftigt. Da das Dienstverhältnis vor dem Verbrauch des Urlaubes endete, erhielt der Bw dafür eine Ersatzleistung (Urlaubsentschädigung, Urlaubsabfindung).

Mit Bescheid vom 10. März 2010 forderte das zuständige Finanzamt von Herrn A die für seine vier Kinder nach Ansicht der Behörde zu Unrecht bezogenen Beträge an Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für den Monat Dezember 2009 zurück. Nach Darlegung der gesetzlichen Grundlagen begründete das Finanzamt diesen Schritt mit dem Umstand, dass das Dienstverhältnis des Bw bei seinem bisherigen Arbeitgeber mit 17. November 2009 beendet worden sei und er seit 19. Dezember 2009 Arbeitslosengeld beziehe. Da das Gesetz ausdrücklich eine tatsächliche Erwerbstätigkeit verlange, so die Behörde weiter, bestehe bei Bezug einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld) kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Dagegen brachte der anwaltlich vertretene Bw mit Schreiben vom 16. März 2010 form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein. Unter Bezugnahme auf die Erwägungsgründe der "RL 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes" werden vor allem verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorgangsweise der Behörde vorgebracht. Abschließend wird der Berufungsantrag gestellt, es möge der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert werden, dass die Verpflichtung des Bw auf Rückzahlung des Betrages von € 989,60 ersatzlos behoben wird.

Das zuständige Finanzamt hat die Berufung vom 16. März 2010 gemäß § 276 Abs 1 iVm Abs 6 BAO ohne Erlassen einer Berufungsvorentscheidung mit Vorlagebericht vom 30. März 2010 an den in zweiter Instanz zur Entscheidung befugten Unabhängigen Finanzsenat (UFS) vorgelegt. Mit Berufungsentscheidung vom 4. Juni 2010 hat der UFS der Berufung Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Dagegen erhob das Finanzamt X mit Schriftsatz vom 16. Juli 2010 eine Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Diese wurde beim VwGH unter Zl. 2010/16/0152 in Evidenz genommen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Mit Erkenntnis vom 29. Mai 2013 hob der VwGH den angefochtenen Bescheid, die Berufungsentscheidung des UFS vom 4. Juni 2010, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf. Im Wesentlichen begründete er die Entscheidung wie folgt:

"[...]

§ 3 Abs. 4 FLAG lautet:

'(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.'

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Mitbeteiligte im Zeitraum vom 17. November 2009 bis zum 18. Dezember 2009 unselbständig erwerbstätig war und damit die Tatbestandsvoraussetzung des § 3 Abs. 4 erster Satz FLAG erfüllte.

[...]

Beim Urlaubsersatzanspruch wie auch bei der Rückzahlung erhaltenen Urlaubsentgeltes handelt es sich somit um Geldleistungen, deren Entstehungsgrund seine Wurzel im aufrechten Dienstverhältnis hatte. Dass Ansprüche eines Dienstnehmers (wie beispielsweise Lohnnachzahlungen, Abrechnungen geleisteter Überstunden oder dergleichen oder etwa der Urlaubsersatzanspruch) erst nach dem Ende des Dienstverhältnisses erfüllt werden, bedeutet nicht, dass der Dienstnehmer nach der Beendigung des Dienstverhältnisses wegen noch offener Ansprüche unselbständig erwerbstätig wäre.

Gerade die von der belangten Behörde herangezogenen sozialrechtlichen Bestimmungen haben deshalb mit eigenen Regelungen den Zeitraum nach dem Ende des Dienstverhältnisses, wenn aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses ein Urlaubsersatzanspruch fällig geworden ist, einer besonderen Regelung unterworfen.

So regelt etwa § 11 Abs. 2 zweiter Satz des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), dass die Pflichtversicherung für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt weiterbesteht. Es bedurfte einer ausdrücklichen Regelung über die sonst mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses eintretende Beendigung der Pflichtversicherung.

[...]

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht gemäß § 16 Abs. 1 lit. l AlVG während des Zeitraumes, für den Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt nach dem Urlaubsgesetz gewährt wird.

Auch hier bedurfte es einer ausdrücklichen Regelung für das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld, obwohl der Tatbestand des Nichtvorliegens einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Voraussetzung für die Arbeitslosigkeit vorliegt.

Für den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 FLAG besteht keine diesbezügliche ausdehnende gesetzliche Anordnung.

Zeiten nach der rechtlichen Beendigung eines Dienstverhältnisses sind somit nicht mehr Zeiten, in denen eine Person unselbständig erwerbstätig im Sinn des § 3 Abs. 4 FLAG ist.

[...]

Die belangte Behörde hat somit den Tatbestand des § 3 Abs. 4 FLAG zu Unrecht als erfüllt angesehen."

Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen wurde der wesentliche Inhalt des VwGH-Erkenntnisses nur auszugsweise wiedergegeben. Darüber hinaus wird nicht nur auf dieses Erkenntnis, sondern auch auf die Berufungsentscheidung des UFS vom 4. Juni 2010 verwiesen.

Nach der Aufhebung der Berufungsentscheidung des UFS vom 4. Juni 2010, Zl. RV/0233-S/10, durch den VwGH ist die Berufung des Herrn A vom 16. März 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom 10. März 2010 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen wieder unerledigt. Aufgrund des VwGH-Erkenntnisses vom 29. Mai 2013, Zl. 2010/16/0152, in dem das Höchstgericht abschließend festgestellt hat, dass verfahrensgegenständlich der Tatbestand des § 3 Abs 4 FLAG nicht erfüllt ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am 12. September 2013

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 16 Abs. 1 lit. l AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977
§ 3 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967

Verweise:

VwGH 29.05.2013, 2010/16/0152
UFS 04.06.2010, RV/0233-S/10

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