Widerruf einer Löschung, weil die Haftung nach § 9a BAO normiert wurde
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Liquidator, vom 4. März 2013 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom 30. Jänner 2013 betreffend Widerruf der Löschung (§ 235 BAO iVm § 294 BAO) entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2011 wurde die am 19. Juli 2011 durchgeführte Löschung des in Höhe von € 40.980,12 aushaftenden Rückstandes widerrufen. Begründend wurde ausgeführt, dass ein Haftungsbescheid ausgestellt werde.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2011 wurde der Liquidator der Berufungswerberin (Bw.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm. § 80 BAO für Abgaben in der Höhe von € 40.541,12 zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.
In der am 10. Jänner 2012 gegen den Bescheid betreffend Widerruf der Löschung rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte die Bw. ein, dass für die Bezahlung der Umsatzsteuern 2007 und 2008, der Körperschaftsteuer 10-12/2008, des Barauslagenersatzes 2009 und der Säumniszuschläge 2008 und 2009 von zusammen € 40.980,12 zweifelsfrei nur der damalige handelsrechtliche Geschäftsführer A.W. hafte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse die Behörde nachvollziehbar einen Bescheid begründen, wie sie zur Überzeugung gelangt wäre, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliege. Die bloße Anführung, dass ein Haftungsbescheid ausgestellt werde, reiche zur Bescheidbegründung nicht aus.
Mit Berufungsentscheidung vom 24. April 2012, RV/0241-W/12, hob der Unabhängige Finanzsenat den Widerrufsbescheid auf, weil bereits im Zeitpunkt der Löschung des Rückstandes der ehemalige Geschäftsführer A.W. als auch der nunmehrige Liquidator A.K. als potenzielle Haftungspflichtige zur Verfügung gestanden wären und daher eine Änderung der Verhältnisse oder Unkenntnis auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben der Bw. nicht vorgelegen wären.
Daraufhin wurde mit Bescheid vom 24. Jänner 2013 die am 19. Juli 2011 durchgeführte Löschung von Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft in Höhe von € 40.980,12 erneut widerrufen. Begründend wurde vorgebracht, dass durch die Aufnahme des § 9a in die Bundesabgabenordnung per 1. Jänner 2013 nunmehr die Möglichkeit bestehe, auf den im Zivilprozess (Bezirksgericht Innere Stadt, GZ. XY) genannten faktischen Geschäftsführer zuzugreifen.
Dagegen brachte die Bw. am 4. März 2013 das Rechtsmittel der Berufung ein und führte aus, dass für die Bezahlung der Abgaben zweifelsfrei nur der damalige handelsrechtliche Geschäftsführer A.W. verpflichtet gewesen wäre.
Hinsichtlich des Bescheidadressaten wäre festzustellen, dass eine GmbH durch die Löschung im Firmenbuch ihre Rechtssubjektivität nicht verliere, solange noch ein Abwicklungsbedarf bestehe. Das wäre insbesondere der Fall, wenn noch Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen wären (VwGH 22.11.2012, 2010/15/0026). Da die bescheidmäßige Festsetzung von Abgaben und Nebengebühren bereits in den Jahren 2009 bis 2011 erfolgt wäre, bestehe 2013 kein Abwicklungsbedarf. Auch deshalb erscheine der angefochtene Bescheid seinem Inhalt nach rechtswidrig.
Insbesondere erscheine die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht nachvollziehbar. Bereits in vorangegangenen Verfahren wäre von der Finanzbehörde auf den genannten Zivilprozess verwiesen und trotzdem mit Bescheid vom 22. Mai 2012 die Löschung der Abgabenschuldigkeiten verfügt worden. Tatsächlich wäre Herr A.K. weder eingetragener noch faktischer Geschäftsführer gewesen.
Da dieser erst als Liquidator auf die Erfüllung der Pflichten der GmbH als Vertreter nach §§ 80 ff. BAO tatsächlich hätte Einfluss nehmen können, hätte er diesen Einfluss dahingehend auszuüben gehabt, dass diese Pflichten erfüllt werden würden. Eine Bezahlung der Abgaben wäre nicht möglich gewesen, weil die Gesellschaft über keine Mittel und kein Vermögen mehr verfügt hätte. So könne er auch als Person für Abgaben nicht haften, weil er auch mangels Mittel keine Einflussmöglichkeit auf die Einbringlichkeit gehabt hätte. Nach wiederholter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse die Behörde nachvollziehbar einen Bescheid begründen, wie sie zur Überzeugung gelangt wäre, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliege. Die bloße Anführung des § 9a BAO reiche zur Bescheidbegründung nicht aus.
Abschließend beantragte der Bw. die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.
Über die Berufung wurde erwogen:
Fällige Abgabenschuldigkeiten können gemäß § 235 Abs. 1 BAO von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden. Durch die verfügte Abschreibung erlischt gemäß Abs. 2 der Abgabenanspruch. Wird die Abschreibung einer Abgabe widerrufen ( § 294 BAO ), so lebt gemäß Abs. 3 der Abgabenanspruch wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen.
Eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, durch die Abgabenbehörde ist - soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten sind - gemäß § 294 Abs. 1 BAO nur zulässig,
a) wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind, oder
b) wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist.
Der angefochtene Widerrufsbescheid wurde damit begründet, dass durch die Aufnahme des § 9a in die Bundesabgabenordnung per 1. Jänner 2013 nunmehr die Möglichkeit bestehe, auf den im Zivilprozess (Bezirksgericht Innere Stadt, GZ. XY ) genannten faktischen Geschäftsführer zuzugreifen.
§ 294 BAO sieht jedoch nur dann eine Widerrufsmöglichkeit vor, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend waren, geändert haben, und nicht schon im Falle einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse wie gegenständlich durch die neue Bestimmung des § 9a BAO, wodurch die Möglichkeit einer Haftungsinanspruchnahme auch auf den faktischen Geschäftsführer erweitert wurde.
Im gegenständlichen Fall liegt daher die tatbestandsmäßige Voraussetzung des § 294 Abs. 1 lit. a BAO nicht vor, weshalb auch keine Ermessensentscheidung mehr zu treffen war.
Gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 BAO hat über die Berufung eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Berufung, im Vorlageantrag oder in der Beitrittserklärung beantragt wird.
Zum Antrag der Bw. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu bemerken, dass die Bw. durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 28.11.2001, 97/13/0138) zwar in ihrem aus § 284 Abs. 1 BAO erfließenden Verfahrensrecht verletzt wird. Auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz, ÖStZ 1996, 70) wurde jedoch in Hinblick darauf, dass nach den vorstehenden Ausführungen ausgeschlossen werden kann, dass der Unabhängige Finanzsenat bei Vermeidung dieses Mangels (Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 8. April 2013
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 235 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: |