UFS RV/2502-W/12

UFSRV/2502-W/1220.11.2012

Zweckmäßigste Strecke zwischen Neunkirchen und Gloggnitz

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des A***** B*****, ***Adresse***, gegen die Bescheide des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt, vertreten durch Hofrätin Mag. Dagmar Ehrenböck, betreffend 1. Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2010, 2. Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2006 bis 2011 entschieden:

1.

Die Berufungen gegen die Wiederaufnahmebescheide für die Jahre 2006 bis 2010 werden als unbegründet abgewiesen.

Diese Bescheide bleiben unverändert.

2.

Die Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2010 werden als unbegründet abgewiesen.

Diese Bescheide bleiben unverändert.

3.

Der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 wird teilweise Folge gegeben.

Dieser Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind der Berufungsvorentscheidung vom 26. Juni 2012 zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt erließ mit Datum 14. 3. 2012 erklärungsgemäß einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011, wobei es das "große" Pendlerpauschale für eine Strecke zwischen 2 km und 20 km (373,00 €) berücksichtigte.

Gegen diesen Bescheid erhob der Berufungswerber (Bw), A***** B*****, mit Schreiben vom 16. 4. 2012 Berufung:

"Ich berufe gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 v. 14.3.2012 mit folgender Begründung:

Versehentlich habe ich heuer beim Ausfüllen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2011 beim Pendlerpauschale irrtümlich den Betrag v. € 372,-- (ab 2 km), anstatt richtigerweise den Betrag v. € 1.476,-- (ab 20 km - wie in den Vorjahren bei gleichen Verhältnissen) ausgefüllt. Weiters ersuche ich laut beiliegender L1k den Kinderfreibetrag für meinen Sohn C***** B***** zu gewähren, da ich das Formular irrtümlich nicht dem Finanzamt übermittelt habe.

Ich ersuche höflichst um stattgebende Erledigung meiner Berufung.

Das genannte Formular betreffend Kinderfreibetrag war ausgefüllt beigeschlossen.

Das Finanzamt hielt hierauf dem Bw am 30. 4. 2012 vor, dass die zumutbare Wegstrecke von der Wohnung in ***Adresse*** zur Arbeitsstätte in ***Adresse_Arbeitsstätte_neu*** (vormals ***Adresse_Arbeitsstätte_alt***) über die B17 13,6 km und über die S6 18,9 km betrage. Beide Wegstrecken lägen somit unter 20 km.

Mit Schreiben vom 14. 5. 2012 beantwortete der Bw diesen Vorhalt dahingehend, dass er im Schichtdienst arbeite. Er benütze die S6 mit dem Auto "wegen der Verkehrsflüssigkeit und um Lärm, Abgase und Verkehrsstaus im Wohngebiet zu vermeiden." Laut seinem Tachometer betrage die von ihm gefahrene Wegstrecke 20,3 km. Dies sei auch die von Google Maps ermittelte Streckenlänge. Der Bw benütze die Einfahrt ***Adresse_Arbeitsstätte_neu***, da sich die "Arbeitsstelle" bei dieser Einfahrt befinde.

Beigeschlossen war ein Ausdruck aus maps.google.at , auf welchen in weiterer Folge (im Vorhalt der Berufungsbehörde) noch näher eingegangen werden wird.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 26. 6. 2011 wurde der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 teilweise Folge gegeben und der Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind gemäß § 106a Abs. 1 EStG 1988 in Höhe von 220,00 € gewährt. Hinsichtlich des Pendlerpauschales führt der Bescheid aus:

"Unter "Fahrstrecke" beim Großen Pendlerpauschale nach § 16/1/6c EStG/88 ist jene zu verstehen, deren Benützung mit dem Kfz nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen für die täglichen Fahrten eines Pendlers sinnvoll ist. Es ist dies die kürzeste zumutbare Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die ein Arbeitnehmer vernünftigerweise wählt. Dies muss nicht immer die Autobahn oder Schnellstraße sein. Auch die Bundesstraße, wie in Ihrem Fall die B17, ist als zumutbar anzusehen noch dazu, wenn parallel zu dieser die Schnellstraße (S6) verläuft, welche den Verkehr der B17 entlastet.

Auch wird bemerkt, dass sowohl die Fahrstrecke über die B17 als auch über die S6 unter 20km liegt und daher nur das Pendlerpauschale zwischen 2km und 20km gewährt werden kann."

Mit Datum 26. 6. 2012 erließ das Finanzamt auch Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2010 sowie Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2011.

Die Wiederaufnahmebescheide wurden wie folgt begründet:

"Anlässlich einer nachträglichen Prüfung Ihrer Erklärungsangaben sind die in der Begründung zum beiliegenden Einkommensteuerbescheid angeführten Tatsachen und/oder Beweismittel neu hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen ( § 20 BAO ) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und die steuerlichen Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden."

Die unter einem ergangenen Einkommensteuerbescheide wurden wie die Berufungsvorentscheidung für das Jahr 2011 begründet.

Mit Schreiben vom 24. 7. 2012 beantragte der Bw die Vorlage seiner Berufung betreffend Einkommensteuer 2011 an die Abgabenbehörde zweiter Instanz:

"Betreffend der Berufungsvorentscheidung bezüglich des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2011 vom 26.06.2012 wird um eine zweite Berufungsvorentscheidung ersucht.

Sollte jedoch das Finanzamt noch immer der gleichen Ansicht sein, wie in der Erstberufungsvorentscheidung, wird ersucht mein Begehren der Abgabenbehörde II. Instanz vorzulegen.

Es wird nun neuerlich hingewiesen, daß meine Wegstrecke von Wohnanschrift Neunkirchen nach Firmenanschrift Gloggnitz It. Google Maps und It. meinem Autotachometer 20,3 km beträgt.

Auch wird bemerkt, daß manche Routenplaner die Einbahnen nicht erkennen.

Die S 6 benutze ich aus umweltschonenden Gründen.

Das Finanzamt schreibt mir vor die Bundesstraße zu benützen.

Wenn ich die Bundestraße fahre habe ich 13 Ampeln und 7 Ortschaften (Neunkirchen, Ternitz, Wimpassing, Grafenbach, Kötlach, Wörth, Gloggnitz) zu durchfahren.

Bei den Ampeln sind bei einer Fahrtstrecke mindestens ein Viertel auf rot geschaltet.

Die neuerliche Anfahrt belastet meinen Benzinverbrauch sowie die Umwelt erheblich.

In der Berufungsvorentscheidung ist man aber auf die Lärm- und Abgasbelastung für die Wohnbevölkerung der sieben Ortschaften nicht eingegangen.

Ich benütze die Schnellstraße S 6

a) wegen geringer Unfallhäufigkeit (7 Ortschaften, 13 Ampeln).

b) wegen größerer Flüssigkeit des Verkehrs.

c) wegen Vermeidung von Lärm und Abgasen in den Wohngebieten.

d) aufgrund des öffentlichen Interesses, da man sich ansonsten viel Geld für den Straßenbau ersparen hätte können.

Ich ersuche höflichst um stattgebende Erledigung meiner Berufung."

Am selben Tag wurde auch Berufung gegen die Bescheide betreffend die Jahre 2006 bis 2010 erhoben:

"Ich berufe gegen die Wiederaufnahmebescheide datiert mit 26. Juni 2012 betreffend der Einkommensteuer für die Jahre 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010.

Weiters beantrage ich die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO bis zur Erledigung der Berufungen für

die Einkommensteuer 2006 in Höhe von 189,10 Euro

die Einkommensteuer 2007 in Höhe von 263,92 Euro

die Einkommensteuer 2008 in Höhe von 363,40 Euro

die Einkommensteuer 2009 in Höhe von 370,11 Euro

die Einkommensteuer 2010 in Höhe von 370,00 Euro

Als Begründung führe ich meine Berufungsbegründung beziehungsweise meinen Vorlageantrag an die Abgabenbehörde zweiter Instanz betreffend des Einkommensteuerbescheides 2011 an."

Die Berufungen wurden vom Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde II. Instanz am 4. 9. 2012 vorgelegt. Die Berufungsbehörde möge der Berufung betreffend das Jahr 2011 wie durch die Berufungsvorentscheidung geschehen teilweise stattgegeben, im Übrigen die Berufungen aber als unbegründet abweisen, da die kürzest zumutbare Straßenverbindung heranzuziehen sei.

Seitens der Berufungsbehörde erging hierauf am 11. 9. 2012 folgender Vorhalt an den Bw:

"1. In Ihrer Berufung vom 24. Juli 2012 schreiben Sie, dass Sie gegen "die Wiederaufnahmebescheide datiert mit 26. Juni 2012 betreffend der Einkommensteuer für die Jahre 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010" berufen.

Mit Datum 26. Juni 2012 hat das Finanzamt für jedes Veranlagungsjahr jeweils zwei Bescheide erlassen, und zwar einen Wiederaufnahmebescheid ("Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer...") und einen Einkommensteuerbescheid ("Einkommensteuerbescheid...").

Die Begründung des Vorlageantrages betreffend Einkommensteuer 2011 bezieht sich auf den Einkommensteuerbescheid 2011.

Bezieht sich Ihre Berufung vom 24. Juli 2012

a) nur auf die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 2006 bis 2010,

b) nur auf die Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2010 oder

c) sowohl auf die Wiederaufnahme- als auch auf die Einkommensteuerbescheide?

2. Strittig ist - abgesehen vom Kinderfreibetrag für das Jahr 2011, der Ihnen auch nach Ansicht des Finanzamtes zusteht - ob das "große" Pendlerpauschale für eine Wegstrecke von 2 km bis 20 km oder für eine Wegstrecke von 20 km bis 40 km zu gewähren ist.

Unter der maßgebenden Fahrtstrecke ist bei Benützung eines Kfz jene kürzeste Strecke zu verstehen, die ein Arbeitnehmer für tägliche Fahrten vernünftigerweise wählt, um die auf Grund bestehender Geschwindigkeitsbeschränkungen zeitaufwändige Befahrung von Ortsdurchfahrten (verkehrsberuhigte Zonen) oder Lärm und Abgase in Wohngebieten zu vermeiden (VwGH 16. 7. 1996, 96/14/0002 ).

Der Unabhängige Finanzsenat teilt vorerst Ihre Ansicht, dass ein vernünftiger Arbeitnehmer den Weg über die S6 wählen würde.

Allerdings ergibt sich aus keinem einzigen der beigefügten Ausdrucke von Routenplanern, dass die Strecke zwischen Ihrer Wohnung über die S6 zu Ihrem Arbeitgeber mehr als 20 km beträgt:

Der von Ihnen dem Finanzamt vorgelegte Ausdruck aus maps.google.at ist von Ihrer Wohnung bis zur Ausfahrt Gloggnitz nachvollziehbar. Dann allerdings führt die Route statt am Umspannwerk vorbei [kürzeste_Route], wie jeder vernünftige Autofahrer fahren würde und wie dies alle Routenplaner einschließlich Google, wenn nicht der Weg über E***** gewählt wird, vorsehen, auf Ihrem Ausdruck auf der Umfahrungsstraße (B17) weiter bis zum anderen Ortsende Gloggnitz (!), von dort zurück über die Hauptstraße, durch ganz Gloggnitz durch, [längere_Route] (bei Routenpunkt 11 auf Ihrem Ausdruck wurde offenbar ein entsprechendes Zwischenziel - Kreis - markiert). Eine derartige Fahrtroute ist für den Unabhängigen Finanzsenat nicht erklärbar.

Zu Ihrem Hinweis auf den Zählerstand des Tachometers im Auto ist zu sagen, dass der Unabhängige Finanzsenat bereits mehrfach entschieden hat, dass Tachometer zu ungenau sind, um in Grenzfällen eine verlässliche Aussage treffen zu können (vgl. etwa UFS 3. 5. 2011, RV/2733-W/10 ).

Sie werden daher gebeten, innerhalb von vier Wochen den Nachweis zu erbringen, dass die von einem vernünftigen Autofahrer gewählte Wegstrecke tatsächlich mehr als 20 km beträgt.

3. Sie haben für das Jahr 2011 den Kinderfreibetrag für C***** in Höhe von 220 € beantragt. Wurde von Ihrer Ehegattin ebenfalls ein Kinderfreibetrag für M geltend gemacht oder wird dieser Freibetrag für 2011 nur von Ihnen beantragt?"

Der Vorhalt wurde mit Schreiben vom 3. 10. 2012 wie folgt beantwortet:

"1. Meine Berufung bezieht sich sowohl auf die Wiederaufnahme als auch auf die Einkommensteuerbescheide von 2006 bis 2010.

2. Der Kinderabsatzbetrag für das Jahr 2011 wurde nur von mir beantragt.

3. Bezüglich der großen Pendlerpauschale möchte ich anmerken, dass die Einbahnregelung beim Wohnort nicht korrekt ist! Daher verlängert sich der Weg laut Autotacho um 200 Meter. Von der Werkseinfahrt fahre ich noch 100 Meter bis zum Parkplatz. Nachdem Autotacho und Ausdruck aus GoogleMaps.at nicht anerkannt werden, muss ich den Bescheid akzeptieren. Ich als unvernünftiger Arbeitnehmer fahre meinen Arbeitsweg wie gewohnt weiter."

Über die Berufung wurde erwogen:

Vorweg ist zu bemerken, dass die Eingabe vom 27. 4. 2012 betreffend die Jahre 2006 bis 2010 mehrdeutig ist und von ihrem Wortlaut her sowohl die Wiederaufnahmebescheide als auch die Einkommensteuerbescheide betreffen kann. Mit der Vorhaltsbeantwortung vom 3. 10. 2012 ist geklärt, dass der Bw sowohl die Wiederaufnahmebescheide als auch die Einkommensteuerbescheide anfechten wollte.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 steht dem Arbeitnehmer ein ("großes") Pendlerpauschale bei einer einfachen Fahrtstrecke von 2 km bis 20 km von in den Jahren 2006 bis 2011 zwischen 270,00 € und 372,00 € sowie bei einer einfachen Fahrtstrecke von 20 km bis 40 km von in den Jahren 2006 bis 2011 zwischen 1.071,00 € und 1.476,00 € zu, wenn dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar ist.

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 106a Abs. 1 EStG 1988 steht für ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 ein Kinderfreibetrag zu. Dieser beträgt 220 € jährlich, wenn er von einem Steuerpflichtigen geltend gemacht wird; 132 € Euro jährlich pro Steuerpflichtigem, wenn er für dasselbe Kind von zwei (Ehe-)Partnern, die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einem gemeinsamen Haushalt leben, geltend gemacht wird, oder wenn einem anderen nicht im selben Haushalt lebenden Steuerpflichtigen für dasselbe Kind ein Kinderfreibetrag nach § 106 Abs. 2 EStG 1988 zusteht. Der Kinderfreibetrag wird im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigt.

Der UFS stellt folgenden Sachverhalt fest:

Der Bw machte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2006 bis 2010 jeweils das "große" Pendlerpauschale für eine Wegstrecke von 20 km bis 40 km geltend. Nähere Angaben hierzu wurden nicht getätigt; insbesondere war dem Finanzamt die genaue Länge des Arbeitsweges nicht bekannt.

Der Bw wurde hinsichtlich des Pendlerpauschales für die Jahre 2006 bis 2010 vom Finanzamt zunächst erklärungsgemäß veranlagt.

Erst im Zuge der Veranlagung für das Jahr 2011 - nach Ergehen der Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2010 - stellte das Finanzamt fest, dass der Arbeitsweg 20 km nicht überschreite.

Die Wohnung des Bw befindet sich in ***Adresse***. Die Arbeitsstätte des Bw befindet sich in ***Adresse_Arbeitsstätte_neu***, eine weitere Anschrift des Arbeitgebers ist - am anderen Ende des Firmengeländes - ***Adresse_Arbeitsstätte_alt***. Die Zufahrt zum Firmengelände erfolgt durch den Bw über die Einfahrt ***Adresse_Arbeitsstätte_neu***.

Wohnort des Bw ist somit Neunkirchen, Arbeitsort Gloggnitz.

Der Bw verwendet für seinen - an der Mehrzahl der Arbeitstage eines Monats zurückzulegenden - Arbeitsweg seinen PKW, da er infolge Schichtarbeit an der Mehrzahl der Arbeitstage öffentliche Verkehrsmittel auf dem überwiegenden Teil des Arbeitsweges nicht verwenden kann.

Zwischen Neunkirchen und Gloggnitz bestehen im Wesentlichen zwei üblicherweise verwendete Straßenverbindungen: Einerseits zwischen den beiden Städten zur Gänze über die B 17, andererseits teilweise über die B 17, teilweise über die S 6. Die Fahrdauer beträgt in beiden Fällen bei optimalen Verkehrsverhältnissen zwischen 15 und 20 Minuten.

Wird der Arbeitsweg über die B 17 zurückgelegt, beträgt die Weglänge 13,6 km. Die B 17 durchquert auf dieser Strecke sieben Ortsgebiete, wobei an vier Stellen in Neunkirchen und an neun Stellen in den angrenzenden Ortsgebieten, also an 13 Stellen Verkehrslichtsignalanlagen zur Abgabe von Lichtzeichen i. S. d. § 38 StVO (VLSA, "Ampeln") zu passieren sind und zu den Hauptverkehrszeiten im Nahverkehr meist eine starke Verkehrsdichte gegeben ist; hinzu kommen landwirtschaftlicher Verkehr und "Mopedautos" (vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge gemäß § 2 Abs. 1 Z 4b StVO). Auf der Strecke bestehen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - Geschwindigkeitsbeschränkungen auch im Freiland.

Wird der Arbeitsweg teilweise über die B 17 und teilweise über die S 6 zurückgelegt, beträgt -selbst dann, wenn die Strecke zwischen Werkstor und Parkplatz von 100 m hinzugerechnet wird - die Weglänge weniger als 20 km. Zwischen Wohnung und Werkstor wird die Wegstrecke etwa 19,3 km bis 19,4 km betragen. Die Strecke führt nur zum Teil (in Neunkirchen und Gloggnitz) über Ortsgebiet, wobei in Neunkirchen auf dieser Strecke der Verkehr mit vier VLSA - sowie einer VLSA bei der Abfahrt von der S 6 bei Gloggnitz - geregelt wird. Bei schlechten Witterungsverhältnissen besteht auf Teilen der S 6 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h. Die Wegstrecke über die S 6 ist um einige Kilometer länger. Ein wesentlicher Unterschied hinsichtlich der Fahrtdauer besteht nicht. Bei Verwendung der S 6 vermindern sich etwa Unfallgefahren beim Überholen oder im Ortsverkehr, andererseits ist die Unfallhäufigkeit auf diesem Straßenstück bei unangepasster Fahrweise relativ hoch. Im Winter wird von der Straßenmeisterei im Winterdienst (Schneeräumung, Salzstreuung) zunächst das höherrangige Straßennetz, also die S 6, betreut. Gegenüber der Zeit vor Inbetriebnahme der S 6 ist zwar durch die S 6 - wie das Finanzamt ausführt - eine deutliche Entlastung der B 17 eingetreten, dies ändert aber nichts daran, dass im Nahverkehr weiterhin die B 17 stark befahren wird.

Der Bw verwendet den Weg über die S 6. Ein vernünftiger Arbeitnehmer in der Situation des Bw würde für das regelmäßige Pendeln entweder die Fahrt über diese Strecke oder jene nur über die B 17 wählen.

Für M. haben seine Eltern im Jahr 2011 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bezogen, die Gattin des Bw hat für M. im Jahr 2011 keinen Kinderfreibetrag beantragt.

Diese Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf das Vorbringen der Parteien des zweitinstanzlichen Abgabenverfahrens und auf die Ermittlungsergebnisse des Unabhängigen Finanzsenats.

Zur Beweiswürdigung:

Die Feststellungen des Finanzamtes zur Länge des Arbeitsweges bei Verwendung der B 17 wurden vom Bw nicht bestritten; diese decken sich auch mit Auswertungen von Routenplanern im Internet.

Zur Unfallhäufigkeit auf der S 6 siehe etwa http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXI/AB/AB_01565/fnameorig_000000.html .

Zur Feststellung, ein vernünftiger Arbeitnehmer würde für seinen Arbeitsweg entweder die S 6 oder nur die B 17 verwenden, ist auf die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zu den einzelnen Verbindungen zu verweisen.

Zur Länge des Arbeitsweges bei teilweiser Verwendung der B 17 und S 6 ist auf die im Vorhalt vom 11. 9. 2012 dargestellten Entfernungsangaben der verschiedenen Routenplaner zu verweisen, die Weglängen zwischen 18,9 km und 19,7 km nennen; der Mittelwert hieraus beträgt 19,2. Der Routenplaner www.anachb.at geht von einer Streckenlänge bei Verwendung der B 17 von 14,43 km und bei Verwendung von B 17 und S 6 von 19,24 km aus, wobei nach diesem Routenplaner in Gloggnitz das gesamte Werksgelände durchfahren wird (von ***Adresse_Arbeitsstätte_neu*** nach ***Adresse_Arbeitsstätte_alt***).Diesen Angaben der Routenplaner ist grundsätzlich zu folgen, allerdings ist den diesbezüglichen Einwendungen des Bw. in der Vorhaltsbeantwortung vom 3. 10. 2012 Rechnung tragend, die Weglänge in eine Richtung um 200 m zu erhöhen:

Die G****-Gasse (Wohnung) grenzt an die H****-Straße an. Die H****-Straße ist in diesem Bereich eine Einbahn Richtung I*****-Straße, die G****-Gasse wiederum eine Einbahn Richtung J*****-Gasse.

Die Route zur Wiener Neustädter-Straße bzw. Semmeringstraße (B 17) soll nach sämtlichen Routenplanern von der Wohnung weg die G****-Gasse zur J*****-Gasse führen, dann weiter über die K*****-Gasse zur sogenannten L*****-Kreuzung. Diese Route folgt den Einbahnregelungen, wie sie auf Google Maps sowie auf dem Stadtplan von Neunkirchen (auf der Website der Stadtgemeinde unter www.neunkirchen.gv.at - Stadtplan) dargestellt sind (Einbahnpfeile). Sämtliche im Vorhalt genannten Routenplaner, einschließlich der vom Bw selbst vorgelegten Route von Google Maps, berücksichtigen - wie auf den dem Bw zur Verfügung gestellten Ausdrucken ersichtlich - diese Einbahnführung. Der Bw ist allerdings im Recht, dass diese Verkehrsführung nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt.

Nach der persönlichen Kenntnis des Referenten über die Ortsverhältnisse ist der zutreffende Arbeitsweg nämlich folgender, da die J*****-Gasse eine Einbahn zur G****-Gasse hin ist: Die richtige Route zur Wiener Neustädter-Straße bzw. Semmeringstraße (B 17) führt von der Wohnung am Beginn der G****-Gasse weg die G****-Gasse zur J*****-Gasse, dann eine Querstraße weiter zur P*****-Gasse, die P*****-Gasse weiter über die K*****-Gasse bis zur sogenannten L*****-Kreuzung (und von dort weiter wie in den Routenplanern angegeben). Der sich hieraus ergebende Mehrweg gegenüber den Routenplanern dürfte die vom Bw geschätzten 200 m betragen.

Am Heimweg kann der Bw von der L*****-Kreuzung über die H****-Straße in die G****-Gasse fahren, der Rückweg ist somit kürzer als der Hinweg (in Gloggnitz ist bei der Fahrt zur und von der D*****-Straße keine Einbahnführung zu beachten, wenn man in Gloggnitz den zweckmäßigten Weg wählt).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Referent zusätzlich den Arbeitsweg des Bw unter Berücksichtigung der Einbahnführung am Wohnort mit seinem PKW abgefahren ist. Der Anfangskilometerstand des Fahrzeugs des Referenten, des in der Berufungsentscheidung UFS 3. 5. 2011, RV/2733-W/10, erwähnten Madza6 Sport Combi, Konfiguration wie dort, Winterreifen mit 6 - 7 mm Profil, wies unmittelbar vor dem Haus des Bw in der G****-Gasse einen Kilometerstand von 348.196 und unmittelbar vor dem Werkstor am Ende der D*****-Straße einen Kilometerstand von 348.215 sowie eine laut Tageskilometerzähler zurückgelegte Strecke von 19,5 km auf. Der Tachometer dieses Fahrzeuges zeigt, auch hier ist auf die Entscheidung UFS 3. 5. 2011, RV/2733-W/10, zu verweisen, eine um rund 1% längere Wegstrecke als dies den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, an. Tatsächlich wird daher die Weglänge- wie nach dem Mittelwert der Routenplaner bei Erhöhung um 200 m - bei 19,3 km bis 19,4 km liegen.

Es ist durchaus glaubwürdig, dass der Tageskilometeranzeiger des Fahrzeugs des Bw eine 20 km knapp übersteigenden Wegstrecke anzeigt. Aus den in der Entscheidung UFS 3. 5. 2011, RV/2733-W/10, angeführten Gründen kommt aber einer Tageskilometeranzeige eines gewöhnlichen Tachometers eines PKW in Bezug auf die Nachweisführung einer exakten, auf 100 m genauen Weglänge kein Beweiswert zu, da ein Autokilometerzähler aus verschiedenen technischen Gründen nicht immer die tatsächlich gefahrenen Kilometer eines Autos angibt (in diesem Zusammenhang wird auch auf das in dieser Entscheidung dargestellte Experiment mit drei verschiedenen Autos und drei verschiedenen Kilometerangaben für ein- und dieselbe Strecke verwiesen):

"Ein Autokilometerzähler misst nicht die tatsächlich gefahrenen Kilometer eines Autos. Er übernimmt von der Ausgangswelle des Getriebes einen Drehzahlimpuls, der mechanisch oder elektronisch mit Hilfe des Abrollumfanges des Reifens umgewandelt wird. Das Ergebnis wird im Kilometerzähler als zurück gelegte Strecke angezeigt. Der Abrollumfang ist die Strecke, die ein Rad bei einer Umdrehung schlupffrei zurücklegt; für Kraftfahrzeuge ist dabei nach DIN 70020 die Geschwindigkeit 60 km/h zu Grunde zu legen. Aus dem Abrollumfang berechnet sich ein fiktiver (nicht geometrisch messbarer) dynamischer Rollradius. Da die Geschwindigkeit anhand einer Drehzahlmessung der Fahrzeugräder bestimmt wird, treten Messfehler auf. Fehlerquellen sind der Reifendurchmesser und die durch Abrieb schwindende Profiltiefe. Fehler sind oft nicht proportional zur gefahrenen Geschwindigkeit, weil der Abrollumfang durch Fliehkräfte mit steigender Geschwindigkeit etwas zunimmt. So ergeben sich für verschiedene Geschwindigkeiten unterschiedliche Messfehler. Hinzu kommt, dass Tachometer so zu justieren sind, dass sie jedenfalls keine niedrigere als die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit anzeigen, was in der Praxis zu einer höheren Geschwindigkeitsanzeige führt (vgl. www.wikipedia.org , "Abrollumfang" und "Tachometer").

So zeigt etwa der Tachometer des PKW des Referenten (Mazda6 Sport Combi, Bereifung 195/65R15-87H, 6JJx15ET50, Profitiefe der Reifen 7 - 8 mm; kraftfahrrechtlich zulässig wäre auch die Verwendung von 16 Zoll- und 17 Zoll-Felgen mit entsprechender Bereifung) eine durchschnittlich rund 5 % höhere Geschwindigkeit an als - verglichen mit den GPS-basierten (auf cirka 10 m genauen) Daten des Navigationssystems - tatsächlich gefahren wird. Der Tageskilometerzähler des PKW des Referenten weist auf 10 km durchschnittlich eine um 100 m längere zurückgelegte Strecke aus (Autobahnfahrt mit durchschnittlich 100 km/h und nahezu ohne Spurwechsel) als - verglichen mit den i. d. R. alle 200 m (Bundesstraßen) bis 500 m (Autobahnen, Schnellstraßen) auf Bundesstraßen und teilweise auf Landesstraßen zur Kilometrierung aufgestellten Straßenkilometeranzeigepflöcken - tatsächlich gefahren wurde, was einer Abweichung um etwa 1 % entspricht...

... Hier zeigte sich, dass die Bandbreite der Tageskilometeranzeige der PKW zwischen 19,5 km und 20,4 km lag, während die Routenplaner für die tatsächlich gefahrene Wegstrecke eine Länge zwischen 19,5 km und 19,7 km auswiesen. Unter Berücksichtigung der Abweichung von rund 1 % der Entfernungsmessung beim PKW des Referenten ergäbe sich demzufolge eine tatsächliche Weglänge von etwa 19,7 km.

Auf einer Strecke von +/- 20 km kann somit die Kilometeranzeige dreier unterschiedlicher Autos zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der zurückgelegten Strecke führen..."

In einer weiteren Entscheidung UFS 7. 12. 2011, RV/0190-I/11, hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu der Frage der Weglängenmessung ergänzend ausgeführt:

""Den Internet-Routenplanern liegt eine GPS basierte Erfassungstechnik und der Rückgriff auf digitale amtlich vermessene Kartendaten zugrunde und liefert derzeit, soweit dem UFS das bekannt ist, die genauesten Daten zur Bestimmung einer Weglänge. So wird bei auf Standard Positioning Services beruhenden GPS-Systemen bereits eine Genauigkeit von 7,8 Metern in 95% der Messungen bzw. 4 Meter RMS garantiert...

Der UFS hält die Angaben des Berufungswerbers, dass der Tageskilometerzähler seines Autos eine Arbeitswegstrecke von 60,1 km ausweist bzw. sich bei Heranziehung eines LKW-Tachometers Abweichungen zu Kilometerangaben von Routenplanern für dieselbe Wegstrecke ergeben, für durchaus glaubwürdig. Allerdings beweist der Tageskilometerzähler noch nicht die tatsächliche Weglänge. Tageskilometerzähler von Autos, aber auch von LKW, geben auf Grund verschiedener Faktoren nicht immer exakt die gefahrene Strecke an..."

Andere Beweismittel als die Tageskilometeranzeige seines PKW und eine Routenführung, die an das andere Ende des eigentlichen Stadtgebietes von Gloggnitz führt, hat der Bw nicht ins Treffen geführt.

Von der amtswegigen Einholung eines Sachverständigengutachtens wird aus den in der Entscheidung UFS 3. 5. 2011, RV/2733-W/10 genannten Gründen Abstand genommen.

Rechtlich folgt hieraus:

Zur Wiederaufnahme der Verfahren:

Die Berufung wendet sich, so die Vorhaltsbeantwortung vom 3. 10. 2012, auch gegen die verfügten Verfahrenswiederaufnahmen.

Das Hervorkommen neuer Tatsachen für das Finanzamt wird vom Bw nicht bestritten.

Wie im Folgenden ausgeführt, sind diese neuen Tatsachen auch geeignet, im Spruch anders lautende Einkommensteuerbescheide nach sich zu ziehen.

Gegen die Ermessensübung des Finanzamtes bestehen seitens der Berufungsbehörde keine Bedenken.

Die Berufung war daher, soweit sie sich gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2006 bis 2010 richtet, als unbegründet abzuweisen.

Zum Pendlerpauschale:

Das Vorliegen der Voraussetzungen für das "große" Pendlerpauschale ist unstrittig.

Die für das Pendlerpauschale maßgebende Fahrtstrecke bemisst sich nach jener kürzesten Straßenverbindung, die ein Arbeitnehmer für tägliche Fahrten vernünftigerweise wählt, um die auf Grund bestehender Geschwindigkeitsbeschränkungen zeitaufwändige Befahrung von Ortsdurchfahrten (verkehrsberuhigte Zonen) oder Lärm und Abgase in Wohngebieten zu vermeiden (vgl. Atzmüller/Lattner in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 12. GL § 16 Anm. 63 unter Hinweis auf VwGH 16. 7. 1996, 96/14/0002).

Dem Bw ist beizupflichten, dass aus den von ihm angeführten Gründen die Wahl der Fahrtroute über die S 6 und nicht nur über die B 17 mit zahlreichen Ortsdurchfahrten und - von wenigen kurzen Ausnahmen abgesehen - Geschwindigkeitsbeschränkungen auch im Freilandgebiet als nicht unvernünftig angesehen werden kann.

Sind zwei Streckenvarianten bei Abwägung aller Vor und Nachteile jeweils im Wesentlichen für den Arbeitnehmer vernünftigerweise gleichwertig (nicht bloß zumutbar, vgl. VwGH 16. 7. 1996, 96/14/0002), ist in der Regel die kürzere Straßenverbindung für das Pendlerpauschale heranzuziehen.

Im gegenständlichen Fall ist allerdings, selbst wenn von einer relativen Gleichwertigkeit der beiden Verbindungen ausgegangen wird, wie dies das Finanzamt tut, letztlich - und hier ist nochmals auf das Erkenntnis VwGH 16. 7. 1996, 96/14/0002 zu verweisen - entscheidend, dass es, worauf auch der Bw zutreffend hinweist, im öffentlichen Interesse liegt, wenn er die Durchfahrt durch die einzelnen Orte mit der hieraus resultierenden Belastung der Wohnbevölkerung vermeidet und die nicht zuletzt wegen dieser Belastung gebaute Schnellstraße für seinen Arbeitsweg verwendet. Hierbei handelt es sich weder um einen überflüssigen Umweg noch um eine bloß aus persönlicher Vorliebe gewählte Streckenvariante.

Daher ist diese längere Wegstrecke dem Pendlerpauschale zugrunde zu legen.

Nicht gefolgt werden kann dem Bw jedoch aus den im Vorhalt der Berufungsbehörde angeführten Gründen, dass ein vernünftiger Arbeitnehmer im Raum Gloggnitz nicht die kürzeste Strecke zwischen der Abfahrt von der S 6 und der D*****-Straße (N****-Straße > M****-Straße > O*****-Straße > P*****-Straße) fährt, sondern von der S 6 auf die B 17 - in der der Arbeitsstätte entgegengesetzten Richtung - bis zur Einmündung der Wiener Straße und von dort wiederum durch ganz Gloggnitz zurück die Wienerstraße über die O*****-Straße bis zur P*****-Straße. Nur wenn dieser Umweg gefahren wird, gelangt man zu einer Wegstrecke von über 20 km; dieser überflüssige Umweg ist jedoch unbeachtlich. Der Bw hat auch keinen Grund dafür angegeben, warum er im Raum Gloggnitz diese untypische Streckenführung wählt.

Es ist daher die festgestellte Strecke über B 17 und S 6 zugrunde zu legen. Diese Strecke ist mit etwa 19,3 km oder 19,4 km jedenfalls kürzer als 20 km.

Zu den Ausführungen von Rombold, Unklarheiten beim Pendlerpauschale, SWK 2011, 603, ist zunächst zu bemerken, dass sich dem Gesetz eine Aufrundung von Streckenlängen nicht entnehmen lässt. Ist eine exakte Wegstrecke ermittelbar, ist diese dem Pendlerpauschale zugrunde zu legen. Die von der Verwaltungspraxis nach den Angaben im Formular L 34 vorgesehene Rundung der Länge des Arbeitsweges bzw. jeweils der einzelnen Teile des Arbeitsweges ist zwar verwaltungsökonomisch und als Grundlage für eine Schätzung im Allgemeinen durchaus brauchbar. Wird jedoch von einer der Parteien des zweitinstanzlichen Abgabenverfahrens eine genauere Weglänge behauptet und damit eine detailliertere Schätzung vorgenommen, hat sich der UFS mit dieser genaueren Weglänge auseinanderzusetzen und kann daher im gegenständlichen Fall nicht von einem Arbeitsweg von 20 km ausgehen.

Rombold ist beizupflichten, dass die Betragsstaffeln in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und lit. c EStG 1988 unklar erscheinen können, da das Gesetz die Kilometerangaben 20, 40, 60 jeweils mehrfach verwendet ("... bis 20 km...", "...20 km bis ...").

Da für eine Weglänge von exakt 20 km (40 km, 60 km) nicht zwei Pendlerpauschalen gleichzeitig in Betracht kommen können, ist die Staffelung des Pendlerpauschales so zu verstehen, dass bis einschließlich 20,00 km (40,00 km, 60,00 km) jeweils das niedrigere und ab 20,01 km (40,01 km, 60,01 km) jeweils das höhere Pendlerpauschale zusteht (vgl. auch die letzte Staffelung "über 60 km", UFS 3. 5. 2011, RV/2733-W/10).

Selbst wenn die Angaben der Routenplaner zugunsten des Bw. auf 20,00 km aufgerundet werden (vgl. das Formular L 34, Seite 1: "Die Wegstrecke berechnet sich wie folgt (bitte stets auf ganze Kilometer aufrunden)" zum "kleinen" Pendlerpauschale), wird damit die Staffel 2 km bis 20 km noch nicht überschritten.

Eine Auslegung, die Staffelung würde bereits bei 20,0 km, 40,0 km bzw. 60,0 km den jeweils nächsthöheren Betrag gewähren, ist mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen. Dies würde bedeuten, die Grenze für den jeweils niedrigeren Betrag wäre nicht, wie im Gesetz ausdrücklich angegeben, bei 20 km, 40 km bzw. 60 km, sondern bei 19,9 km, 39,9 km bzw. 59,9 km zu ziehen.

Das Gesetz spricht von Fahrten "zwischen Wohnung und Arbeitsstätte". Arbeitsstätte (Dienstort) ist jener Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber regelmäßig tätig wird. Auf eine beabsichtigte oder tatsächliche zeitliche Dauer dieser Tätigkeit kommt es nicht an. Dazu zählt vor allem ein Büro, eine Betriebsstätte, ein Werksgelände, ein Lager oder eine Baustelle (vgl. Atzmüller/Lattner in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 12. GL § 16 Anm. 69).

Die Berufungsbehörde kann es in diesem Verfahren dahingestellt lassen, ob als "Arbeitsstätte" das gesamte Werksgelände, jener Teil des Werksgeländes, auf welchem der Mitarbeiterparkplatz gelegen ist oder das Werksgebäude, in welchem sich der Arbeitsplatz des Steuerpflichtigen befindet, anzusehen ist. Auch unter Zugrundelegung der nach Angaben des Bw innerhalb des Werksgeländes noch zurückzulegenden weiteren Strecke von 100 m beträgt die Gesamtwegstrecke nach keinem Routenplaner (auch unter Einschluss der Mehrstrecke von 200 m am Wohnort des Bw bei der Fahrt Richtung Arbeitsstätte) mehr als 20 km.

Die Berufung ist daher in Bezug auf die Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2010 als unbegründet abzuweisen.

Zum Kinderfreibetrag:

Nach dem Vorbringen des Bw sind die Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags nach § 106a EStG 1988 gegeben. Dies hat auch das Finanzamt bestätigt.

Der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid ist daher teilweise Folge zu geben und der Kinderfreibetrag von 220 € zu berücksichtigen. Diesbezüglich wird auf die Berufungsvorentscheidung verwiesen.

Wien, am 20. November 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 106a Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Pendlerpauschale, Wegstrecke, Rundung, Schnellstraße, Bundesstraße, Ortsgebiet, Ortsdurchfahrten, Wohnbevölkerung, Routenplaner, Tageskilometerzähler, Tachometer

Verweise:

VwGH, 96/14/0002
UFS, RV/2733-W/10
UFS, RV/0190-I/11
Rombold, Unklarheiten beim Pendlerpauschale, SWK 2011, 603
Atzmüller/Lattner in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 12. GL § 16 Anm. 63

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