Ist der Zuschuss der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft an ihre Beteiligungsgesellschaft gemäß § 2 Z 4 KVG gesellschaftsteuerpflichtig oder handelt es sich beim Zuschuss um nachträgliche Anschaffungskosten für die Beteiligungsgesellschaft, der nach Art. 27 § 2 Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 1993/818 befreit ist? (Stattgabe).
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat am 27. August 2012 durch die Vorsitzende Mag.Dr. Bavenek-Weber als Referentin und die weiteren Mitglieder Hofrätin Mag. Ilse Rauhofer als Mitglied gemäß § 270 Abs. 5 Z 2 BAO, Gerhard Holub und Dr. Otto Farny über die Berufung der Bw., vertreten durch KPMG NÖ GmbH WP und StB Gesellschaft, 2340 Mödling, Bahnhofplatz 1A/1/3, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 17. Mai 2006, ErfNr. xxx, StNr. yyy betreffend Gesellschaftsteuer nach der am 27. August 2012 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird abgeändert:
Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 KVG 395.720,00 x 1%= € 3.957,20
Entscheidungsgründe
Strittig ist, ob der Zuschuss der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft an ihre Beteiligungsgesellschaft, die Bw., von der Gesellschaftsteuer befreit ist?
Ist der Zuschuss eine Zuzahlung gemäß § 6 lit. b Abs. 2 Z 1 lit. f KStG 1988 und damit gemäß § 2 Z 4 KVG gesellschaftsteuerpflichtig oder handelt es sich beim Zuschuss um nachträgliche Anschaffungskosten von Geschäftsanteilen an einer GmbH gemäß § 6 lit. b Abs. 2 Z 1 lit. c KStG 1988, der nach Art. 27 § 2 Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 1993/818 befreit ist?
1. Verfahren
Mit Gesellschaftsteuererklärung gemäß § 10 Abs. 1 KVG vom 12.1.2006 erklärte die Bw., dass sie eine freiwillige Leistung in Höhe von 1,019.420,00 gemäß § 2 Z 4 KVG erhalten hat. Sie machte die Gesellschaftsteuerbefreiung - Mittelstandsfinanzierung geltend:
"Gemäß § 2 des BGBl. 1993/818 Sonderregelungen zur Mittelstandsfinanzierung auf dem Gebiet der Gebühren sowie der Verkehrsteuern sind Rechtsvorgänge über den Erwerb von Beteiligungen im Finanzierungsbereich von Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften (§ 5 Z 14 des Körperschaftsteuergesetzes) von den Stempel und Rechtgebühren sowie von der Kapitalverkehrsteuer befreit. Der von der MiFiG geleistete Zuschuss an die ...."Bw."....in Höhe von EUR 623.700 unterliegt daher nicht der Gesellschaftsteuer."
Das Finanzamt nahm Einsicht in http://www. bmf.gv.at/Steuern/Fachinformation/Körperschaftsteuer/Mittelstandsfinanz ..., Stand 30. Dezember 2005 - Korrigierte Liste aufgrund von Nachreichungen, Liste der im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung veröffentlichten Aktiengesellschaften, die die Voraussetzungen für Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften erfüllen. Die MiFiG (i.d.F. "Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft") hatte demnach eine Bescheinigung vom BMfF 27.5.2003, x1, dass sie eine Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft ist.
Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 17.5.2006 die Gesellschaftsteuer fest (1,019.420,00 x 1% = 10.194,20 Euro). Als Begründung führte es an, dass die Befreiung gemäß Art. 27 § 2 Steuerreformgesetz BGBl. 1993/818 zwar auf den Erwerb von Beteiligungen im Finanzierungsbereich von Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften, nicht aber auf Gesellschafterzuschüsse gemäß § 2 Z 4 KVG Anwendung finde.
Fristgerecht wurde dagegen Berufung erhoben. Eingewendet wurde, dass die Bw. der Meinung sei, dass sämtliche Zuschüsse durch die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft zu keiner Kapitalverkehrsteuer führen sollten. Die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft erfülle alle Voraussetzungen nach § 6 lit. b KStG 1988 und das Bundesministerium habe eine diesbezügliche Bescheinigung ausgestellt. Der Unabhängige Finanzsenat habe entschieden (UFS 28.5.2004, RV/2399-W/02), dass nach § 6 lit. b Abs. 2 Z 1 lit. f KStG 1988 ua. auch bestimmte Geldveranlagungen als Beteiligung gelten, wofür auch § 6 der VO- Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften BGBl. 554/1994 spräche. Demnach wären jene Leistungen von der Gesellschaftsteuer zu befreien, die Teil der Anschaffungskosten einer Beteiligung seien. Zu den Anschaffungskosten zählten auch nachträgliche Anschaffungskosten. Auch der Zuschuss in Höhe von 1,019.420,00 Euro sei Teil der in den Büchern der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft ausgewiesenen Abschaffungskosten für die Beteiligung an der Bw.
Das Finanzamt richtete diverse Ergänzungsersuchen an die Bw. (Durch welchen Rechtsvorgang die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft Gesellschafterin der Bw. wurde und ersuchte um Vorlage der entsprechenden Urkunde, welcher Betrag dafür aufgewendet wurde, ob diese Beteiligung im Finanzierungsbereich erfolgte, ob die Gesellschaftsteuerbefreiung auf den in der Gesellschaftsteuererklärung angegebenen Betrag von 623.700 Euro oder auf den in der Berufung angeführten Betrag von 1,019.420,00 Euro anzuwenden sei).
Die Bw. antwortete darauf, dass in der Berufung irrtümlicherweise von einem Zuschuss von 1,019.420,00 Euro ausgegangen worden sei, tatsächlich belaufe sich der Zuschuss auf 623.700 Euro. Der Restbetrag von 395.720,00 Euro resultiere aus dem gewährten Zuschuss des Mitgesellschafters. Die Bw. wiederholte, dass es sich bei dem Zuschuss um weitere Anschaffungskosten für die Beteiligung handle.
Die Bw. legte den Abtretungsvertrag vom 5.8.2004, mit welchem die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft 49% an der Bw. erworben hatte, vor.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 18. Dezember 2006 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Die Gesellschaftsteuerbefreiung für Rechtsvorgänge über den Erwerb von Beteiligungen im Finanzierungsbereich von Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften sei auch auf Zuzahlungen in wirtschaftlich begründeten Fällen gemäß § 6 lit. b Abs. 2 Z 1 lit. f KStG 1988 anzuwenden. Der Vorhaltsbeantwortung der Bw. sei aber zu entnehmen, dass der Zuschuss an die Bw. lediglich erfolgt sei, um dieser weitere Beteiligungskäufe zu ermöglichen. Expansion stelle jedoch keinen wirtschaftlich begründeten Fall gemäß § 6 der VO-Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften BGBl. 554/1994 dar. Die Einsicht in den Abtretungsvertrag hätte ergeben, dass die Anschaffungskosten für die Beteiligung 11.025 Euro betragen hätten und dass keine Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Anschaffungspreises in Form eines Zuschusses bestünde.
Die Bw. brachte fristgerecht den Vorlageantrag ein und wiederholte ihr bisheriges Vorbringen ohne die Anschaffungskosten für die Beteiligung zu belegen. Der Erwerb (des GmbH-Mantels) und die nachfolgende finanzielle Ausstattung der Bw. sei erfolgt, um Anteile an der eigentlichen Zielgesellschaft in Deutschland iSd § 3 Abs. 1 der VO-Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften BGBl. 554/1994 zu erwerben. Die Bw. beantragte eine mündliche Berufungsverhandlung gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 BAO und die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat gemäß § 282 Abs. 1 Z 1 BAO. Dem Erlassen einer zweiten Berufungsvorentscheidung gemäß § 276 Abs. 5 BAO stimmte die Bw. zu.
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Bemessungsakt des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel ErfNr. xxx , StNr. yyy , in die Kopie des Abtretungsvertrages vom 5.8.2004, in den Firmenbuchauszug der Bw. FN x2, in den Firmenbuchauszug mit historischen Daten der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft FN x3 und in die Urkunden, nämlich in den Jahresabschluss der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft zum 31.12.2005, Anhang zum Jahresabschluss 31.12.2005, Seite 2, Punkt 1.1.1., woraus hervorgeht, dass die Finanzanlagen zu den Anschaffungskosten bilanziert sind und in den Anlagenspiegel für das Geschäftsjahr 2005, Anlage 1, dass die Bw. als Beteiligung aufscheint und an Anschaffungskosten im Jahr 2005 623.700,00 Euro zugingen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Unabhängige Finanzsenat hat sich bereits in mehreren Fällen mit diesem Themenkreis auseinandergesetzt (UFS 28.5.2004, RV/2399-W/02; UFS 17.3.2004, RV/3537-W/02; UFS 17.1.2005, RV/0975-W/03; UFS 27.6.2006, RV/0859-W/03; ; UFS 2.6.2010, RV/2284-W/05).
2. Gesetzliche Grundlagen
Gemäß § 2 Z 4 KVG unterliegen der Gesellschaftsteuer folgende freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen: a) Zuschüsse.
Art. 27 Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 1993/818, Sonderregelungen zur Mittelstandsfinanzierung auf dem Gebiet der Gebühren sowie der Verkehrsteuern in der für den Fall maßgeblichen Fassung lautet:
§ 1 Die Ausgabe von Aktien und Genussrechten (§ 174 des Aktiengesetzes) durch Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften (§ 5 Z 14 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) sowie sonstige bei diesen als Steuerschuldner (§ 9 Abs.1 Kapitalverkehrsteuergesetz) verwirklichte Rechtsvorgänge gemäß § 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes sind von der Gesellschaftsteuer befreit.
§ 2 Rechtsvorgänge über den Erwerb von Beteiligungen im Finanzierungsbereich von Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften (§ 5 Z 14 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) sind von den Stempel- und Rechtsgebühren sowie von der Kapitalverkehrsteuer befreit.
3. Vorgänge zwischen der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft und ihren Beteiligungsunternehmen
Es ist nicht die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft selbst von der Gesellschaftsteuer befreit. In Art. 27 § 1 Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 1993/818 sind die gesellschaftsteuerlichen Vorgänge zwischen Gesellschaftern und Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft, in Art. 27 § 2 Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 1993/818 die gesellschaftsteuerlichen Vorgänge zwischen der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft und ihren Beteiligungsunternehmen befreit.
Im vorliegenden Fall erwarb die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft im Jahr 2004 eine Beteiligung von 49% um einen Abtretungspreis von 11.025 Euro an der Bw., ihr Beteiligungsunternehmen und gab ihr einen Gesellschafterzuschuss. Nun ist zu untersuchen, ob dieser Gesellschafterzuschuss unter die Wortfolge "Erwerb von Beteiligungen im Finanzierungsbereich von Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften" subsumiert werden kann. Der Finanzierungsbereich ist der Bereich, in welchem die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft ihr Kapital für ihren eigentlichen Tätigkeitsbereich zu verwenden hat, nämlich sich an bestimmten Betrieben unternehmerisch zu beteiligen und ihnen in diesem Wege Eigenkapital zuzuführen.
Die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft hat mindestens 70 % des zu veranlagenden Eigenkapitals in Form von nachhaltigen Beteiligungen an gewerblichen Betrieben zu halten.
Gemäß § 6 lit. b Abs. 1 Z 6 KStG 1988 hat im Finanzierungsbereich der Gesamtbetrag der Veranlagung in Beteiligungen zu mindestens zwei Drittel solche mit Beteiligung an den stillen Reserven und am Firmenwert zu umfassen (Substanzwertbeteiligungen: Aktien, GmbH-Anteile, Kommanditanteile, stille Beteiligungen und Genussrechte bei Beteiligung am Gewinn und Liquidationserlös). Maximal ein Drittel des im Finanzierungsbereich zu veranlagenden Eigenkapitals darf ohne Beteiligung an den stillen Reserven und am Firmenwert an die gewerblichen Betriebe hingegeben werden (Nicht-Substanzwertbeteiligung: Beteiligungen iS der lit. e und f, Darlehen, Schuldverschreibungen usw.).
§ 6 lit. b Abs. 2 Z 2 KStG 1988 besagt, dass die Beteiligung höchstens 20% des Eigenkapitals der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft ausmachen darf. Das Höchstbeteiligungsausmaß beträgt 49% des Betriebsvermögens oder Nennkapitals am Beteiligungsunternehmen und darf keine beherrschende Stellung vermitteln (§ 6 lit. b Abs. 2 Z 3 KStG 1988).
Im gegenständlichen hat die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft an der Bw. das Höchstbeteiligungsausmaß von 49% erworben.
Gemäß § 6 Abs. 1 der VO-Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften, übertitelt mit "Beteiligungen", erfüllt die Veranlagung des Eigenkapitals einer Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft im Finanzierungsbereich die Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 Z 6 KStG 1988 nur dann, wenn die neben einer Beteiligung iS des § 6b Abs. 2 Z 1 lit. a bis d des KStG 1988 iS des § 6b Abs. 2 Z 1 lit. f des KStG 1988 die Anschaffungskosten der jeweiligen Beteiligung nicht übersteigt.
4. Der Begriff der "Anschaffungskosten" kommt in der Gesellschaftsteuer nicht vor, eine Interpretation ist daher über andere Gesetze vorzunehmen.
Das EStG spricht in § 6 von Anschaffungskosten, enthält aber keine ausdrückliche Definition. Für Zwecke der Einkommensteuer wird auf die Definition des § 203 Abs. 2 HGB zurückgegriffen: Anschaffungskosten sind Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören daher Kosten, die dem Anschaffungsvorgang dienen. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen. Nachträgliche Anschaffungskosten sind solche Anschaffungskosten, die anfallen, nachdem das Wirtschaftsgut in die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Erwerbers gelangt ist und mit dem Erwerbsvorgang in kausalem oder zeitlichem Zusammenhang stehen (VwGH 28.11.2001, 99/13/0254, Hofstätter/Zorn in Hofstätter/Reichel, Kommentar zum EStG, zu § 6, TZ 8; Wiesner/Grabner/Wanke (Hrsg), MSA EStG § 6, Anm 25)).
Der Buchwert der Beteiligung ist jener Wert, der in der Steuerbilanz für die Beteiligung zu Buche steht. Dieser Buchwert geht von den Anschaffungskosten der Beteiligung einschließlich nachträglicher Anschaffungskosten in Form von Gesellschafterzuschüssen, verdeckten Einlagen uä. aus (Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, Kommentar zum KStG 1988, zu § 10 TZ 92).
Bewertet werden Beteiligungen, Anteile an Kapitalgesellschaften, mit den Anschaffungskosten zuzüglich der angefallenen Nebenkosten, wozu insbesondere die vom Gesellschafter übernommenen Gründungskosten, Gesellschaftsteuer, Provisionen, Kosten der Vertragserrichtung sowie eine allfällige Grunderwerbsteuer zu zählen sind. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten zählen bei Beteiligungen insbesondere: Auffüllungsverpflichtungen, Gesellschafterzuschüsse (zB Sanierungszuschüsse), Ordentliche Kapitalerhöhungen, verdeckte Einlagen (VwGH 24.1.1990, 86/13/0162), Verlustabdeckungen (VwGH 29.4.1992, 90/13/0228).
Bei den Kapitalverkehrsteuern werden Rechtsvorgänge des Gesellschafters an seine Gesellschaft im Rahmen der unternehmerischen Betätigung besteuert. Beteiligung iS des Art. 27 Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 1993/818 und Gesellschaftsrechte iSd § 5 KVG sind weitestgehend deckungsgleich. Zwischen den Anschaffungskosten und der kapitalverkehrsteuerlichen Gegenleistung ist jedoch eine Divergenz zu verorten: Der Begriffsradius der Anschaffungskosten ist weiter als der der Leistung und Gegenleistung. Sowohl Anschaffungskosten als auch Gegenleistung werden hingegeben, um in den Besitz der Beteiligung, des Gesellschaftsrechtes zu kommen. Darüber hinaus umfassen die Anschaffungskosten auch die Leistungen, die aufgewendet werden, um den erworbenen Vermögensgegenstand in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, sowie die nachträglichen Anschaffungskosten, zu welchen nach der Literatur und Judikatur auch die Gesellschafterzuschüsse und verdeckten Einlagen gehören.
Bei den Kapitalverkehrsteuern entsteht die Steuerschuld im Zeitpunkt der Erfüllung des Vorganges, wenn die Leistung oder Gegenleistung in die Verfügungsmacht der Gesellschaft übergegangen ist. All die Vorgänge, die bei den Ertragssteuern unter "Anschaffungskosten" fallen, sind wegen der verkehrsteuereigentümlichen Situation der "Momentaufnahme" in unterschiedlichen Tatbeständen untergebracht. Sämtliche Gesellschafterzuschüsse iS des § 2 KVG werden in aller Regel nachträgliche Anschaffungskosten sein und damit den "Wert der Beteiligung", die Anschaffungskosten der Beteiligung, erhöhen. Die Gesellschafterzuschüsse sind damit im ertragssteuerlichen Lichte der Befreiung keine "Geldveranlagung", sondern sind durch Subsumtion unter die "Anschaffungskosten" zu den "Substanzwertbeteiligungen" zu rechnen. Das entspricht grundsätzlich der Ordnungsstruktur des KVG, da diese Zuschüsse entweder aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden, wenn das Entgelt in der Gewährung erhöhter Gesellschaftsrechte besteht, oder wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte (=die Beteiligung) zu erhöhen. Bei Geldleistungen wird die Eignung, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, im Regelfall zu bejahen sein (Knörzer/Althuber, Gesellschaftsteuer2, zu § 2 Rz 28).
Im vorliegenden Fall ergab die Einsichtnahme in den Jahresabschluss der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft zum 31.12.2005, Anhang zum Jahresabschluss 31.12.2005, Seite 2, Punkt 1.1.1. dass die Finanzanlagen zu den Anschaffungskosten bilanziert sind und Anlagenspiegel für das Geschäftsjahr 2005, Anlage 1, dass die Bw. als Beteiligung aufscheint und an Anschaffungskosten im Jahr 2005 623.700,00 Euro zugingen.
Der Zuschuss der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft an ihre Beteiligungsgesellschaft, die Bw., ist daher keine Zuzahlung gemäß § 6 lit. b Abs. 2 Z 1 lit. f KStG 1988, sondern es handelt sich beim Zuschuss in Höhe von 623.700,00 Euro um nachträgliche Anschaffungskosten von Geschäftsanteilen an einer GmbH gemäß § 6 lit. b Abs. 2 Z 1 lit. c KStG 1988, der nach Art. 27 § 2 Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 1993/818 befreit ist.
5. Verfahrensrechtliches
Gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 BAO hat über die Berufung eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Berufung, im Vorlageantrag oder in der Beitrittserklärung beantragt wird. § 284 Abs. 3 BAO gestattet nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen das Unterbleiben beantragter mündlicher Verhandlungen. (Ritz, BAO-Handbuch, 214f.).
Das Unterbleiben der hier beantragten mündlichen Verhandlung verletzt weder das Parteiengehör der Bw,. da ihrem Berufungsbegehren gefolgt wurde, noch das Parteiengehör des Finanzamtes, denn diese Entscheidung konnte nur im Sinne der Gleichheit der Rechtsanwendung und insbesondere der formalen Rechtsrichtigkeit getroffen werden. (VwGH 29.7.2010, 2006/15/0215). Die Bw. hat sich im Vorlageantrag schriftlich mit einer 2. Berufungsvorentscheidung für den Fall der antragsgemäßen Stattgabe einverstanden erklärt und die Beurteilung, ob im gegenständlichen Fall eine Befreiung von der Gesellschaftsteuer für den Zuschuss einer Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft an ihr Beteiligungsunternehmen, die Bw., zum Tragen kommt, ist im gegenständlichen Fall keine noch aufzuklärende Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage. Der Sachverhalt wurde, wie er von der Bw. gegenüber dem Finanzamt bekannt gegeben wurde, der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt. Untermauert wurde der Sachverhalt lediglich durch die Einsichtnahme des Unabhängigen Finanzsenates in die Urkunden im elektronischen Firmenbuch, nämlich den Anlagenspiegel, aus welchem hervorgeht, dass der gegenständliche Zuschuss unter den Anschaffungskosten für die Beteiligung der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft an der Bw. aufscheint. Der Ausdruck aus dem Firmenbuch nämlich der Jahresabschluss zum 31.12.2005 wird dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel mit der vorliegenden Berufungsentscheidung mitgereicht.
Auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz, Verwaltungsökonomie als Ermessenskriterium, ÖStZ 1996, 70) wurde in Hinblick darauf, dass nach den vorstehenden Ausführungen ausgeschlossen werden kann, dass der Unabhängige Finanzsenat bei Vermeidung dieses Mangels (Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.
6. Schlussfolgerungen
Die Befreiung von der Gesellschaftsteuer für Mittelstandsfinanzierungen kommt für Rechtsvorgänge zwischen der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft und "ihrem" Beteiligungsunternehmen auch für "Geldveranlagungen" neben einer Beteiligung zum Tragen, wenn sie die Anschaffungskosten der jeweiligen Beteiligung nicht übersteigt. Ein Gesellschafterzuschuss ist allerdings nicht unter die in § 6 Abs. 2 Z 1 lit. e bis f KStG 1988 ("hybride Finanzierungsformen" (stille Gesellschaft, Genussrechte) und Darlehen, Schuldverschreibungen, wirtschaftliche Zuzahlungen) aufgezählte Geldveranlagung zu subsumieren, sondern unter die "Beteiligung" selbst. Ertragssteuerlich geht der Buchwert der Beteiligung von den Anschaffungskosten der Beteiligung einschließlich nachträglicher Anschaffungskosten, zu welchen auch Gesellschafterzuschüsse gehören, aus. Das entspricht auch der Ordnungsstruktur des KVG, wonach durch die Gesellschafterzuschüsse der Wert der Gesellschaftsrechte erhöht wird. Gesellschafterzuschüsse fallen unter diesen Voraussetzungen "als Beteiligung" und nicht als "Geldveranlagung" unter die Befreiung für Mittelstandsfinanzierung.
Gesellschafterzuschüsse sind gemäß Art. 27 § 2 Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 1993/818 als "Erwerb von Beteiligungen im Finanzierungsbereich von Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften" von der Gesellschaftsteuer befreit, wenn sie handelsrechtlich bzw. körperschaftsteuerlich Anschaffungskosten der Beteiligung sind, was in der Regel der Fall sein wird. Da der Gesellschafterzuschuss der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft im Jahresabschluss unter Zugänge Anschaffungskosten aufscheint, war der Berufung antragsgemäß stattzugeben, da nachträgliche Anschaffungskosten von Geschäftsanteilen an einer GmbH gemäß § 6 lit. b Abs. 2 Z 1 lit. c KStG 1988 vorliegen.
Berechnung daher wie folgt:
Gesellschafterzuschüsse gemäß § 2 Z 4 KVG | € 1,019.420,00 |
Gesellschafterzuschuss der MFG, frei gemäß Art. 27 § 2 StRefG iVm § 6 EStG | - € ,623.700,00 |
Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer (Zuschuss, Mitges.) | 395.720,00 x 1%= |
Steuer | € 3.957,20 |
Aus all diesen Gründen wurde der Berufung stattgegeben und der Bescheid abgeändert.
Bemerkt wird, dass der Ausdruck aus dem Firmenbuch, nämlich der Jahresabschluss zum 31.12.2005 der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft, dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel mitgereicht wird.
Wien, am 30. August 2012
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Z 4 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934 |
Schlagworte: | Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft, Gesellschafterzuschuss, Gesellschaftsteuerbefreiung, Finanzierungsbereich, Anschaffungskosten, nachträgliche Anschaffungskosten |
Verweise: | VwGH 28.11.2001, 99/13/0254 |