Wohnsitz im Inland als Voraussetzung für unbeschränkte Steuerpflicht
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw, AdrBw, Land, vertreten durch Dr. StberBw, AdrStberBw, vom 22. August 2008 (für 2006), vom 15. Mai 2009 (für 2007) und vom 10. Juni 2010 (für 2008) gegen die Bescheide des Finanzamtes Y, vertreten durch Mag. VertFA, vom 9. September 2008 betreffend Einkommensteuer 2006 (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderter Bescheid zu Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 17. Juli 2008), vom 7. Mai 2009 betreffend Einkommensteuer 2007 und vom 6. Mai 2010 betreffend Einkommensteuer 2008
entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Darstellung des Verwaltungsgeschehens:
Die Berufungswerberin (in der Folge mit Bw. abgekürzt) bezog in den Jahren 2006 bis 2008 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Beteiligung Erbengemeinschaft Name1).
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 17. Juli 2008 wurde die Bw. als beschränkt steuerpflichtig mit nach § 184 BAO geschätzten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (eine Steuererklärung ist für dieses Jahr nicht abgegeben worden) in Höhe von 16.000,00 € veranlagt. Das Einkommen wurde durch den Hinzurechnungsbetrag nach § 102 Abs. 3 EStG 1988 um 8.000,00 € erhöht.
Gegen den Einkommensteuerbescheid wurde mit Eingangsdatum vom 22. August 2008 Berufung erhoben mit der Begründung, dass sich aufgrund der Erklärung der Erbengemeinschaft Änderungen ergeben würden. In der Folge wurde eine Einkommensteuererklärung für 2006 bei beschränkter Steuerpflicht abgegeben und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 15.516,48 erklärt.
Am 9. September 2008 erließ das Finanzamt einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2006 (zu Bescheid vom 17. Juli 2008). Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden in diesem Bescheid - entsprechend den bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes Y vom 4. September 2008 zur Steuernummer xxx - mit 15.516,47 € angesetzt.
Die Berufung vom 22. August wurde mit Berufungsvorentscheidung vom 10. September 2008 mit dem Hinweis darauf, dass dem Berufungsbegehren durch den Bescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO bereits Rechnung getragen worden ist, als unbegründet abgewiesen.
In der Folge wurde vom steuerlichen Vertreter der Bw. abermals Berufung (richtigerweise Antrag auf Entscheidung der Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz) erhoben, mit im Wesentlichen folgender Begründung:
In einer persönlichen Besprechung vom 3. September 2008 mit der Bw., die seit Jahrzehnten im Ausland lebe, habe sich herausgestellt, dass sie seit jeher einen Wohnsitz in Österreich, Adresse, habe. In der Beilage der sehr alte Meldezettel in Farbkopie sowie eine aktuelle Bestätigung der Gemeinde Ortsname, welche eindeutig belege, dass fortlaufend ein Wohnsitz in Österreich bestehe. Es werde um neuerliche Berechnung der Einkommensteuer unter Anwendung des Tarifes für unbeschränkte Steuerpflicht ersucht. Sollte die Berufung an den UFS vorgelegt werden, werde Senatszuständigkeit und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Ein Meldezettel und eine Meldebestätigung aus dem lokalen Melderegister (Ablichtungen) wurden dem Vorlageantrag als Beilagen angeschlossen.
Das Finanzamt richtete am 14. Oktober 2008 einen Vorhalt an die Bw. mit folgendem Inhalt:
Nach der bisherigen Aktenlage befindet sich der Mittelpunkt Ihrer Lebensinteressen in Land . Was den Wohnsitz in Adresse betrifft, den Sie laut Meldeamt seit Ihrer Geburt innehaben, ersuchen wir um Beantwortung folgender Fragen: 1. Steht Ihnen an der angeführten Adresse jederzeit eine voll eingerichtete Wohnung zur Verfügung? 2. Wenn ja, wie oft bzw. wie lange (insbesondere im Jahr 2006) wird bzw. wurde sie benützt? 3. Wenn nein, wie wird das Objekt derzeit bzw. im Jahr 2006 genutzt? 4. Wer wohnt noch an dieser Adresse? 5. Hat sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen geändert oder befindet er sich noch in Land ? Sie werden ersucht, obige Fragen genau zu beantworten und durch geeignete Unterlagen zu belegen.
Die Beantwortung des Vorhalts langte am 1. Dezember 2008 beim Finanzamt ein: Die Fragen wurden folgendermaßen beantwortet: Zu 1. Die Bw. kann seit ihrer Kindheit uneingeschränkt über ihr ehemaliges Jugendzimmer verfügen, welches über einen eigenen Gang direkt erreichbar ist. Sie besitzt hiefür einen Schlüssel, sodass sie dieses jederzeit benützen kann. Das WC befindet sich im Vorhaus und ist ebenfalls jederzeit benutzbar. Das Bad wird gemeinsam mit der Schwester benutzt, für welches der Zugang ebenfalls jederzeit gewährleistet ist. Zu 2. Im Jahr 2006 war ich nicht in Österreich, jedoch im Jahr 2007 bzw. im Jahr 2008. Zu 4. Der oben genannte Raum wird nur von mir benützt. An dieser Adresse hat noch meine Schwester, Name2 eine Wohnung, welche eine weitere Wohnung in Ort hat bzw. sich auch in Land1 aufhält. Zu 5. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen hat sich nicht geändert und befindet sich nach wie vor in Land .
Am 20. Jänner 2009 führte das Finanzamt unter der Adresse Adresse , eine Nachschau gemäß § 144 Abs. 1 BAO durch. Dabei wurde ein Aktenvermerk mit folgendem Inhalt erstellt: Am 20.1.2009 wurde vom Unterzeichner und der Kollegin Name3 die Liegenschaft Adresse , besichtigt. Laut diverser Schriftstücke befindet sich unter dieser Adresse für o.a. Stpfl ein Wohnsitz in Österreich. Aus diesem Wohnsitz wird die unbeschränkte Steuerpflicht vom Stpfl bzw. dessen Vertreter abgeleitet. Der Wohnsitz besteht aus einem Zimmer in einem einstöckigen Wohnhaus. In diesem Wohnhaus wohnt die Familie Name4 als Mieter. In diesem Haus befindet sich vor der genannten Mietwohnung ein WC, das von Frau Bw und Frau Name2 (Schwester der Stpfl) benutzt wird und mit einem eigenen Schlüssel versperrbar ist. Links davon befindet sich ein ca. 2 Meter mal 4,5 bis 5 Meter großes Zimmer. In diesem Zimmer stehen ein eingebautes Stockbett, ein Einbaukasten sowie ein Tisch mit Sessel sowie Teppichboden. Die Einrichtungsgegenstände sind bereits sehr abgewohnt (auf jeden Fall vor mind. 30 Jahren angeschafft). Im Kasten und auf dem oberen Stockbett sind diverse Kisten und Plastiksackerl gelagert. Der Gesamteindruck entspricht nicht den allgemeinen Vorstellungen eines Wohnsitzes sondern kann eher als absolutes Notquartier zum einmaligen Nächtigen verwendet werden. Die Dusche mit Waschbecken ist nur über ein weiteres Zimmer, das der Schwester der Stpfl als Lagerraum nutzt, erreicht werden. Laut Telefonat mit Frau Name2 besitzt Frau Bw für die Liegenschaft keinen eigenen Schlüssel. Da Frau Bw immer mit dem Flugzeug anreist, wird der Schlüssel von Frau Name2 verwahrt. Der letzte Aufenthalt von Frau Bw in Österreich ist laut Frau Name2 vor über einem Jahr gewesen. Die Mieterin, Frau Name4 , gab am 11.12.2008 an, Frau Bw noch nie gesehen zu haben.
Nach Ergehen der Einkommensteuerbescheide für 2007 und 2008 wurde aus dem gleichem Grund Berufung erhoben. Die Berufungen wurden vom Finanzamt ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Am 29. Februar 2012 fand beim Unabhängigen Finanzsenat mit dem steuerlichen Vertreter der Bw. eine Besprechung der Sach- und Rechtslage statt. Eine Ablichtung des vom Finanzamt anlässlich der Nachschau am 20. Jänner 2009 verfassten Aktenvermerks (vom 21. Jänner 2009) hat der steuerliche Vertreter bereits vom Finanzamt erhalten. Der steuerliche Vertreter beabsichtigte, noch weitere Nachweise zu erbringen.
Am 2. April nahm der steuerliche Vertreter der Bw. per Fax den Antrag auf Entscheidung durch den Senat und den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zurück. Außerdem teilte er in diesem Fax mit, dass es der Bw. aufgrund der lange zurückliegenden Zeiträume und ihres derzeitigen beruflichen Engagements nicht möglich sei, gegebenenfalls ergänzende Unterlagen im Sinne des Erörterungsgesprächs vom 29. Februar 2012 nachzubringen. Es werde daher um Entscheidung ersucht.
Über die Berufung wurde erwogen:
Sachverhalt:
Vom Unabhängigen Finanzsenat wird der Entscheidung der folgende Sachverhalt, der sich aus dem Veranlagungsakt, insbesondere aus den Ausführungen der Bw. (ihres steuerlichen Vertreters) und der unbestritten gebliebenen Feststellungen des Finanzamtes anlässlich der Nachschau am 20. Jänner 2009 (Aktenvermerk vom 21. Jänner 2009) ergibt, zugrunde gelegt:
Die Bw., die in den streitgegenständlichen Jahren in Österreich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte, hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Land . Laut Meldebestätigung aus dem lokalen Melderegister ist sie seit 20. Juni 1961 in Adresse , mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Unter der Adresse Adresse , einem einstöckigen Wohnhaus, in dem die Familie Name4 als Mieter wohnt, kann die Bw. seit ihrer Kindheit über ihr ehemaliges Jugendzimmer, welches über einen eigenen Gang erreichbar ist, verfügen. Das WC befindet sich im Vorhaus, die Dusche mit Waschbecken ist über ein weiteres Zimmer, das der Schwester der Bw. als Lagerraum dient, erreichbar. WC und Duschraum werden von der Bw. und ihrer Schwester benützt.
Wie sich anlässlich der Nachschau des Finanzamtes herausgestellt hat, hat das Zimmer ca. 10 Quadratmeter (2 m mal 4,5 bis 5 m). In dem Zimmer stehen ein eingebautes Stockbett, ein Einbaukasten und ein Tisch mit Sessel. Die Einrichtungsgegenstände sind bereits sehr abgewohnt. Im Kasten und auf dem oberen Stockbett sind diverse Kisten und Plastiksäcke gelagert.
Der Schlüssel für das Haus wird von der Schwester der Bw. verwahrt.
Im Jahr 2006 war die Bw. nicht in Österreich, aber im Jahr 2007 bzw. 2008. Zu den Fragen, wie lange dieser Aufenthalt in Österreich gedauert hat und wo die Bw. gewohnt hat, wurden von der Bw. nicht einmal Behauptungen aufgestellt, es konnte durch sie daher auch keine Glaubhaftmachung erfolgen und es wurden keine Nachweise erbracht. Die Mieterin, Frau Name4 , hat am 11.12.2008 angegeben, die Bw. noch nie gesehen zu haben.
Rechtliche Würdigung:
Für die Beurteilung der Frage, ob eine natürliche Person gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist, ist entscheidend, ob sie im Inland u.a. einen Wohnsitz hat.
Einzig strittige Frage in den Berufungsverfahren ist, ob die Bw. in den streitgegenständlichen Jahren in Österreich einen Wohnsitz hatte und somit unbeschränkt steuerpflichtig war.
Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass der diese Wohnung beibehalten und benutzen wird.
Eine Wohnung ist der Inbegriff von Räumlichkeiten und Einrichtungen, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind (VwGH 7.5.1969, 0125/68).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VwGH 3.11.2005, 2002/15/0102 ausgeführt hat, ist die tatsächliche Gestaltung der Dinge maßgebend. Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es daher nur der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderung jederzeit zum Wohnen benützt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein den persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa die Erkenntnisse VwGH 16.11.1991, 91/14/0041, VwGH 16.9.1992, 90/13/0299, VwGH 24.1.1996, 95/13/0150 und VwGH 3.7.2003, 99/15/0104).
Unter der Internetadresse http://de.wikipedia.org/wiki/Wohnung (8.8.2012) wird der Begriff Wohnung so definiert: Mit Wohnung (zu althochdeutsch wonên: "zufrieden sein", "wohnen", "sein", "bleiben") wird häufig ein einzelner Raum oder eine Anzahl von zusammengehörigen Räumen innerhalb eines (in der Regel festen) Gebäudes bezeichnet, der bzw. die zu Wohnzwecken dienen und die eine selbständige Lebensführung ermöglichen.
Damit Räumlichkeiten nach der Verkehrsauffassung zum Wohnung geeignet sind, müssen sie wohl so ausgestattet sein, dass sie es erlauben, sich nicht nur ganz kurzfristig dort aufzuhalten. Die Möglichkeit zum Schlafen, zur Körperpflege, zur Zubereitung von Essen und zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände muss gewährleistet sein.
Im vorliegenden Berufungsfall handelt es sich, wie die Bw. selbst ausgeführt hat, um ihr ehemaliges Jugendzimmer, dh., um einen Raum, der ihr im Familienverband als eigener Raum zugeordnet war, wobei in einer Familie üblicherweise darüber hinaus zum Wohnen bzw. zum Leben dienende Räume wie Bad, WC, Küche, Wohnzimmer usw. jedem Familienmitglied zugänglich sind.
Wenn auch glaubhaft gemacht wurde, dass WC und Dusche jederzeit für die Bw. zugänglich und benutzbar sind (der Duschraum kann allerdings nur über ein weiteres Zimmer, das die Schwester der Bw. als Lagerraum nutzt, erreicht werden), so erfüllt dennoch der Wohnraum nach Größe und Ausstattung nicht die an eine Wohnung gerichteten Anforderungen.
Der Raum hat nur etwa eine Größe von ca. 10 Quadratmetern. Er ist eingerichtet mit einem Stockbett, einem Einbaukasten, einem Tisch mit Sessel. Bei der Besichtigung des Raumes durch den abgabenrechtlichen Erhebungsdienst waren im Kasten und auf dem oberen Stockbett diverse Kisten und Plastiksäcke gelagert.
Einrichtungsgegenstände, die die Möglichkeit zur Zubereitung von Essen bieten, waren nicht zu sehen.
In der Beantwortung des Vorhaltes des Finanzamts vom 14. Oktober 2008 hat die Bw. lediglich mitgeteilt, dass sie im Jahr 2006 nicht in Österreich war, jedoch im Jahr 2007 bzw. im Jahr 2008. Dass sie bei diesem Aufenthalt unter dieser Adresse gewohnt hat, hat sie nicht behauptet, daher auch weder glaubhaft gemacht noch dazu Nachweise erbracht.
In dem Schreiben des steuerlichen Vertreters der Bw. an den Unabhängigen Finanzsenat vom 2. April 2012) wird mitgeteilt, dass es der Bw. nicht möglich sei, ergänzende Unterlagen nachzubringen.
Aufgrund dieses Sachverhaltes ist der Unabhängige Finanzsenat im Hinblick auf die gesetzlichen Voraussetzungen und in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Überzeugung gelangt, dass die Bw. in den streitgegenständlichen Jahren keine Wohnung innehatte unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass der diese Wohnung beibehalten und benutzen wird. Sie hatte somit in diesem Zeitraum keinen Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO in Österreich und war daher nur beschränkt steuerpflichtig.
Die Berufungen waren somit abzuweisen.
Salzburg, am 8. August 2012
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 07.05.1969, 0125/68 |