UFS RV/0309-G/12

UFSRV/0309-G/1218.6.2012

Papierantrag im elektronischen Vorsteuererstattungsverfahren (ab 1.1.2010) wirkt nicht fristwahrend

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Steuerberatung, vom 10. Dezember 2011 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 2. Dezember 2011 betreffend Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer 1-12/2010 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Bei der Berufungswerberin (Bw.) handelt es sich um eine Gesellschaft, die mit Sitz in Deutschland ein Unternehmen betreibt. Am 28.11.2011 wurde ein Antrag auf Vorsteuererstattung für 1-12/2010 über das Ansässigkeitsportal in Deutschland elektronisch eingebracht, welcher am 29.11.2011 an das zuständige Finanzamt Graz-Stadt in Österreich weitergeleitet wurde.

Mit Bescheid vom 02.12.2011 wurde der Erstattungsantrag gemäß Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. II Nr. 222/2009 als verspätet zurückgewiesen.

Dagegen wurde mit 10.12.2011 Berufung eingelegt mit der Begründung, dass der Antrag bereits am 26.05.2011 schriftlich mit allen notwendigen Angaben und Unterlagen beim Finanzamt Graz-Stadt gestellt worden sei (Eingangsstempel vom 30.05.2011). Danach habe die Bw. die Aufforderung erhalten, den Antrag elektronisch zu erledigen. Die elektronische Einreichung vom 28.11.2011 erledige somit den "Formmangel" des am 26.05.2011 zugestellten Antrages. Somit sei der Antrag fristgerecht, d.h. vor dem 30.09.2011 eingereicht worden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 23.11.2011 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen: Gemäß § 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. II Nr. 222/2009 habe der Antragsteller den Erstattungsantrag ausnahmslos auf elektronischem Wege einzureichen. Diese Bestimmung basiere auf Art. 7 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12.02.2008. Zudem gelte ein Antrag nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 dieser Richtlinie festgelegten Angaben enthalte. Werde also ein Erstattungsantrag entgegen dieser Bestimmungen schriftlich eingereicht, so gelte dieser Antrag als nicht vorgelegt. Mit der schriftlichen Einreichung des Erstattungsantrages liege daher rechtlich gar kein Antrag und daher auch kein formal mangelhafter Antrag vor. Ein Formalfehler könne also nicht geheilt werden. Maßgeblich für die rechtzeitige Einreichung sei einzig und allein das Datum der elektronischen Übermittlung im Ansässigkeitsstaat.

Dagegen wurde mit 19.01.2012 ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz eingebracht. In der nachgereichten Begründung vom 24.01.2012 wurde ausgeführt: Gemäß § 85 BAO berechtigten Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Vielmehr habe die Behörde dem Einschreiter die Behebung von Mängeln mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist als zurückgenommen gelte. Würden die Mängel innerhalb der im Mängelbehebungsauftrag gesetzten Frist behoben, so gelte die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht. Der Antrag auf Vorsteuerrückerstattung für 2010 sei am 26.05.2011 schriftlich eingebracht worden. Die gesetzliche Frist dafür reiche bis zum 30.09.2011. Da der Antrag elektronisch einzureichen gewesen wäre, sei durch die schriftliche Einbringung ein Formalmangel gegeben. Auf diesen sei die Bw. von der Behörde hingewiesen worden. In diesem Hinweis könne man, auch wenn nicht als solcher bezeichnet, einen Mängelbehebungsauftrag erblicken. Die Behörde weise den Bw. darin klar an, wie der Auftrag einzubringen sei und retourniere diesen mit dem Kommentar, dass die österreichische Finanzverwaltung den Antrag in der vorliegenden Form nicht behandeln könne. Allerdings habe es die Behörde darin verabsäumt, eine Nachfrist zur Mängelbehebung gem. § 85 Abs. 2 BAO zu setzen. Daher könne die mittels elektronischer Einreichung erbrachte Mängelbehebung jedenfalls nicht als nicht fristgerecht gelten. Im Ergebnis sei in der elektronischen Einreichung vom 28.11.2011 damit eine Behebung des Formmangels vom 26.05.2011 zu erblicken und die zu diesem Datum gemachte Eingabe gem. § 85 Abs. 2 BAO als ursprünglich richtig zu werten.

Über die Berufung wurde erwogen:

Sachverhalt: Die Bw. brachte mit 26.05.2011 einen Papierantrag auf Vorsteuererstattung für das Jahr 2010 ein. Dieser Antrag wurde seitens des Finanzamtes Graz-Stadt an die Bw. retourniert mit einem Begleitschreiben, das standardisiert folgenden Inhalt hat:

"Betreff: VORSTEUERERSTATTUNGSVERFAHREN AB 1.1.2010 Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer für den Zeitraum x-y

Sehr geehrte Damen und Herren! Ab 1.1.2010 kommt es in Umsetzung der EU-Richtlinie 2008/9/EG zu einer Umstellung des Vorsteuererstattungsverfahrens für nicht in Österreich ansässige Unternehmer, die jedoch aus dem übrigen EU-Gemeinschaftsgebiet stammen. Dadurch ergibt sich für Sie folgende, wesentliche Änderung für die Einreichung von Anträgen auf Vergütung der Umsatzsteuer: Mit 1.1.2010 müssen Sie Ihre Anträge ausnahmslos elektronisch einreichen, auch dann, wenn es sich um Anträge für das Jahr 2009 handelt! Die Einreichung hat über das in Ihrem Ansässigkeitsstaat eingerichtete Portal zu erfolgen! Im Sinne der oben angeführten Änderungen wird der von Ihnen in Papierform eingereichte Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer rückübermittelt, da dieser wie oben ausgeführt, in Ihrem Ansässigkeitsstaat elektronisch einzureichen ist. Mit freundlichen Grüßen Finanzamt Graz-Stadt"

Mit 28.11.2011 brachte die Bw. einen elektronischen Antrag ein, der als verspätet zurückgewiesen wurde. Strittig ist, ob der Papierantrag als mangelhafter, aber fristwahrender Erstattungsantrag zu werten ist und der elektronische Antrag lediglich die Mängelbehebung zum Papierantrag darstellt.

§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 222/2009, ab 1.1.2010, lautet: Erstattungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer: Abs. 1: Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (Abl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Anforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.

§ 3 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 222/2009, ist erstmals auf Vorsteuererstattungsanträge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2009 gestellt werden.

Die Neuregelung des § 3 der Verordnung erfolgte in richtlinienkonformer Umsetzung des Art. 7 der Richtlinie 2008/9/EG , der lautet: Um die Erstattung von Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat der Erstattung zu erhalten, muss der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige einen elektronischen Erstattungsantrag an diesen Mitgliedstaat richten und diesen in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über das von letzterem Mitgliedstaat eingerichtete elektronische Portal einreichen.

§ 85 Abs. 1 BAO lautet: Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben). Abs. 2: Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Für den gegenständlichen Fall heißt das aufgrund der Rechtslage Folgendes: Der Papierantrag vom 26.05.2011 ist keinesfalls als fristwahrender (lediglich an einem Formmangel leidender) Erstattungsantrag sondern als ein "Nichtantrag" zu werten, da nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht vorgesehen. Ab 1.1.2010 können Vorsteuererstattungsanträge eines deutschen Unternehmens bei einem österreichischen Finanzamt in Papierform nicht wirksam eingebracht werden. Die einzig zulässige Art ist ein elektronischer Antrag über das elektronische Portal des jeweiligen Ansässigkeitsstaates, im gegenständlichen Fall über das Bundeszentralamt für Steuern in Deutschland. Diese Behörde ist in Umsetzung der zwingenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen für die Entgegennahme eines elektronischen Antrages und allfällige elektronische Weiterleitung (nach Prüfung der Unternehmereigenschaft etc.) an das Finanzamt Graz-Stadt in Österreich zuständig. Für die Einreichung des Antrages über das elektronische Portal und die elektronische Übermittlung an den Erstattungsstaat sind für in Deutschland ansässige Unternehmer die in Deutschland geltenden Vorschriften zu beachten (vgl. Claus / Ewen, Neues Vergütungsverfahren für Vorsteuerbeträge, UR 16/2010, 615).

Es liegt daher bei einem Papierantrag auf Vorsteuererstattung (ab 1.1.2010) nicht ein bloßer, behebbarer Formfehler iSd § 85 BAO vor, sondern ein nicht vor den österreichischen Finanzbehörden behebbarer materiellrechtlicher Mangel hinsichtlich der Antragstellung.

Der dritte Satz des § 3 Abs. 1 der Erstattungsverordnung ist im Kontext der Bestimmung nur dahingehend auslegbar, dass ein Antrag nur dann als vorgelegt gilt, wenn er sämtliche festgelegten Angaben enthält und weiters - als Grundvoraussetzung gewissermaßen - elektronisch über das Ansässigkeitsportal eingereicht wird. Denn wenn selbst ein elektronischer Antrag, der nicht alle Pflichtangaben enthält, als nicht vorgelegt gilt (vgl. dazu Melhardt, ÖStZ 2009/331, S. 151), um wie viel mehr muss dann ein Antrag, der in einer völlig unzulässigen Form zunächst bei einer dafür unzuständigen Behörde einlangt, als nicht eingebracht gelten.

Nur ein als vorgelegt zu wertender Antrag kann einer allfälligen Mängelbehebung nach § 85 BAO dem Grunde nach aber überhaupt zugänglich sein.

Die Bewertung des Antrages in Papierform als bloßen Formmangel würde zwingend eine Mängelbehebung nach § 85 BAO nach sich zu ziehen haben. Damit würde man der Antragstellerin die Behebung eines Mangels auftragen, die diese nur im Ansässigkeitsstaat beheben könnte. Abgesehen von der Unmöglichkeit der Überprüfung der tatsächlichen Behebung des Mangels in einem anderen Mitgliedstaat aus praktischen Gründen bzw. mangels Eingriffskompetenz in die Vollziehungshoheit anderer Mitgliedstaaten würde selbst ein Bescheid, der ausspricht, dass der Antrag bei nicht rechtzeitiger Mängelbehebung als zurückgenommen gilt, letztlich keine Rechtswirkungen zu entfalten vermögen, wenn der zuständige Mitgliedstaat dann doch einen elektronisch eingereichten Antrag (innerhalb der in der Verordnung festgelegten Frist) nach Österreich weiterleitete.

Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass aufgrund der eindeutigen (den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechenden) Bestimmung in § 3 der Verordnung (BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 222/2009) seitens der Bw. mit 26.05.2011 kein rechtswirksamer Erstattungsantrag für das Jahr 2010 eingebracht worden ist. Dieser "Papierantrag" ist als solcher auch nicht einer (in Österreich und von österreichischen Finanzbehörden bescheidmäßig aufzutragenden) Mängelbehebung zugänglich. Der Papierantrag ist hinsichtlich der rechtlichen Qualität einem Urgenzschreiben vergleichbar; dieses ist ebenso kein Anbringen iSd § 85 Abs. 1 BAO und löst weder eine Entscheidungspflicht noch eine Mängelbehebungspflicht aus (vgl. VwGH vom 29.4.2003, 2002/14/0038: Wird auf ein solches gesetzlich nicht vorgesehenes Anbringen doch mit Abweisung oder Zurückweisung seitens der Abgabenbehörde reagiert, wird der Antragsteller aber nicht in seinen Rechten verletzt).

Dass das Finanzamt daher auf den Papierantrag nicht mit einem formellen Mängelbehebungsverfahren sondern mit einer Rücksendung unter Anschluss eines Informationsschreibens über die geänderten gesetzlichen Antragsmodalitäten reagiert hat, entspricht der österreichischen Gesetzeslage. Auch aus einem weiteren Aspekt ergibt sich, dass ein in Österreich eingebrachter Papierantrag auf Vorsteuererstattung nicht als rechtswirksamer, aber mängelbehebbarer Erstattungsantrag zu werten sein kann: Nach § 3 Abs. 4 der Verordnung BGBl. 279/1995 idF BGBl. II 389/2010 ist für den zu erstattenden Betrag bei Fristversäumnis nach Maßgabe der Abs. 5 bis 11 eine Säumnisabgeltung festzusetzen. Würde dem Antragsteller eines Papierantrages die Behebung des Mangels (Einbringung in elektronischer Form) aufgetragen bzw. zugestanden und der Mängelbehebung fristgerecht nachgekommen (tatsächliche elektronische Einbringung über das Ansässigkeitsportal und Weiterleitung an das Finanzamt Graz-Stadt), so müsste die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht gelten (§ 85 Abs. 2 letzter Satz BAO), was in der Regel zur Festsetzung einer Säumnisabgeltung führen müsste, weil durch die Dauer des Mängelbehebungsverfahrens eine verspätete Auszahlung folgen wird.

Gerade solche Fälle von Säumnisabgeltungen (welche aufgrund von Fehlern bewirkt werden, die in die Sphäre des Antragstellenden fallen) sollen durch § 3 der Erstattungsverordnung aber hintangehalten werden, indem nur vollständige, elektronische Anträge, die alle benötigten Angaben zur Bearbeitung enthalten, als vorgelegt gelten. Ein Mängelbehebungsverfahren würde dieser Intention zuwiderlaufen.

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass die gegenständlichen, elektronisch eingebrachten Anträge vom 28. bzw. 29.11.2011 losgelöst vom Papierantrag vom 26.05.2011 zu sehen sind, also nicht die "Mängelbehebung" zum Papierantrag darstellen und letzterer nicht als fristwahrender, rechtzeitiger Antrag gewertet werden kann.

Im berufungsgegenständlichen Fall endete die Frist zur elektronischen Einbringung der Vorsteuererstattungsanträge für den Erstattungszeitraum 2010 gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung am 30. September 2011. Nach der Aktenlage und unbestritten sind die elektronischen Anträge auf Vorsteuererstattung verspätet, nämlich mit 28.11.2011 gestellt worden.

Die objektive Tatsache der verspäteten elektronischen Antragstellung steht im vorliegenden Fall außer Streit und musste zu einer Zurückweisung an die Antragstellerin führen. Nach dem Verordnungstext wird keinerlei Fristüberschreitung toleriert und enthält die Verordnung hinsichtlich dieser Frist keinen Ermessensspielraum. Es liegt hier eine gesetzlich normierte Fallfrist vor. Selbst die Überschreitung der Frist um auch nur einen Tag würde die Zurückweisung bedingen.

Gemäß § 110 Abs. 1 BAO können gesetzlich festgelegte Fristen - wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist - nicht geändert werden. Gesetzlich festgelegte Fristen sind solche, deren Dauer in Gesetzen oder in Verordnungen festgelegt ist. Die Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 (auch idF BGBl. II 222/2009) sieht keine Möglichkeit zur Verlängerung der in ihrem § 3 Abs. 1 genannten Frist vor (vgl. dazu VwGH vom 25.4.2002, 2000/15/0032).

Der von der Bw. angesprochene Umstand, dass aufgrund der Einreichung in Papierform mit 26.05.2011 von einer rechtzeitigen Antragstellung ausgegangen wurde, zielt offenbar auf ein ihr (bzw. der tatsächlichen Antragstellerin) (nach Ansicht der Bw.) nicht zurechenbares Verschulden an der Versäumnis hin. Dies kann im Vorsteuererstattungsverfahren jedoch keine Berücksichtigung finden, da § 3 der Verordnung ausschließlich auf die objektive Tatsache der Fristversäumnis abstellt, welche - allein für sich - den Verlust des Anspruches auf Erstattung der Vorsteuern bedingt [vgl. Haunold / Widhalm, Vorsteuererstattungsverfahren für ausländische Unternehmer, ÖStZ 1995, 235 (236), noch zur alten Rechtslage, welche sich aber hinsichtlich der Fallfrist im Zusammenhang mit der elektronischen Antragseinbringung nicht geändert hat].

Auch die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise. Der österreichische Verordnungsgeber hat durch die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Änderung der Verordnung, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. II 222/2009, ausgegeben am 13. Juli 2009, die Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008, ABl. L 44/23, zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige, umgesetzt. Artikel 7 der Richtlinie 2008/9/EG lautet: Um eine Erstattung von Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat der Erstattung zu erhalten, muss der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige einen elektronischen Erstattungsantrag an diesen Mitgliedstaat richten und diesen in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über das von letzterem Mitgliedstaat eingerichtete elektronische Portal einreichen. Nach Artikel 15 der Richtlinie 2008/9/EG muss der Erstattungsantrag dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen.

Diese Bestimmungen sind für die Mitgliedstaaten verbindlich. Mit ihnen wäre es nicht vereinbar, wenn die Frist des § 3 Abs. 1 der Verordnung individuell verlängert werden könnte (vgl. VwGH 25.04.2002, 2000/15/0032 zur insoweit vergleichbaren alten Rechtslage), bzw. ein verspätet eingereichter Antrag als rechtzeitig gewertet werden würde (in diesem Sinne auch die Judikatur des BFH vom 21.10.1999, V R 76/98 noch zur alten, hinsichtlich des Vorliegens von Fallfristen vergleichbaren Rechtslage).

Wie schon angesprochen, lässt die diesbezügliche, richtlinienkonform umgesetzte innerstaatliche Verordnungsbestimmung den Finanzbehörden für die Ausübung von billigem Ermessen keinerlei Spielraum und enthält die Verordnung selbst für die Berücksichtigung von (fehlenden) Verschuldensmomenten keine geeignete Grundlage. Auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung wird ergänzend verwiesen.

Aufgrund der eindeutigen Rechtslage war spruchgemäß zu entscheiden.

Beilagen: Originalrechnungen für 2010

Graz, am 18. Juni 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

Art. 7 RL 2008/9/EG , ABl. Nr. L 44 vom 20.02.2008 S. 23
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
§ 110 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Vorsteuererstattungsverfahren, elektronisches Erstattungsverfahren, Papierantrag, Mängelbehebungsauftrag, Formmangel, rechtsunwirksamer Antrag, behebbarer Mangel, Anbringen

Verweise:

VwGH 29.04.2003, 2002/14/0038
VwGH 25.04.2002, 2000/15/0032
BFH 21.10.1999, V R 76/98
UFS 06.06.2012, RV/0311-G/12

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