UFS RV/0558-S/08

UFSRV/0558-S/0815.6.2012

Keine Gesellschaftsteuerpflicht bei einzelvertraglicher Verlustabdeckung

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/16/0133 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 13.12.2012 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0024-S/13 erledigt.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch Stb. vom 7. August 2008 gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land vom 9. Juli 2008, StNr., betreffend Gesellschaftsteuer entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Schriftsatz vom 22.04.2008 erstattete die Bw (in der Folge: Bw) vorsorglich eine Gesellschaftsteueranzeige unter StNr., wonach zwei ihrer Gesellschafter sich bereits mit Patronatserklärung vom 11./23.05.2006 verpflichtet hätten, der Bw im Falle der Optionsausübung durch die Genussscheininhaber, einen Zuschuss zur Abdeckung der daraus entstehenden Verluste in Höhe von jeweils € 9,311.207,- zu leisten.

Die Bw hatte sich gegenüber den die Genussscheine zeichnenden Banken verpflichten müssen, auf Verlangen am 14.04.2008 die Genussscheine zu einem fix festgelegten Betrag abzulösen.

Die beiden Gesellschafter hatten sich zur Leistung verpflichtet, da der durch den Erwerb der wertlosen Genussrechte entstandene Aufwand der Bw zu einem Wertverlust bei der Bw geführt hätte. Dem Anspruch der Bw auf die Leistung der beiden Gesellschafterzuschüsse steht der sie treffende Aufwand gegenüber, sodass der Wert der Gesellschaftsrechte durch die zuvor eingegangene Verpflichtung der Gesellschafter im Zeitpunkt der Leistung des Zuschusses nicht erhöht worden sei.

Mit Bescheid vom 09.07.2008, StNr., hat die Abgabenbehörde I. Instanz Gesellschaftsteuer in Höhe von € 186.224,14 festgesetzt. Die Berufung vom 07.08.2008 wurde mit BVE vom 09.09.2008 abgewiesen. Im Vorlageantrag vom 06.10.2008 wurde der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung durch den gesamten Berufungssenat gestellt. Dieser Antrag wurde mit Schreiben vom 22.05.2012 zurückgezogen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Art. 3 Buchstabe h der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital lautet:

"Für Zwecke dieser Richtlinie und vorbehaltlich von Artikel 4 gelten die nachstehenden Vorgänge als "Kapitalzuführungen"...

h) die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen; ..."

§ 2 Z 2 und 4 des Kapitalverkehrsteuergesetzes lauten:

"Der Gesellschaftsteuer unterliegen 2. Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden (Beispiele: weitere Einzahlungen, Nachschüsse). Der Leistung eines Gesellschafters steht es gleich, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt; ... 4. folgende freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen: a) Zuschüsse, ..."

Im Vorabentscheidungsersuchen vom 6. Oktober 2010, RV/0372-L/08 bezweifelte der UFS, dass für das Vorliegen der Erhöhung des Gesellschaftsvermögens im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335 (entspricht: Art. 3 Buchstabe h der Richtlinie 2008/7/EG ) entscheidend sei, in welcher rechtlichen Form der Gesellschafter verpflichtet worden sei, künftige Verluste der Gesellschaft abzudecken. Zum einen gingen die österreichische Finanzverwaltung und die nationalen Gerichte nämlich davon aus, dass die Verlustübernahme nur dann zu keiner Erhöhung des Gesellschaftsvermögens führe, wenn sie aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrags erfolge. Zum anderen habe der EuGH im Urteil vom 28. März 1990, Siegen (C38/88, Slg. 1990, I-1447), bei der Prüfung, ob eine Erhöhung des Gesellschaftsvermögens vorliege, lediglich auf das vorherige Bestehen einer Verpflichtung des Gesellschafters zur Verlustübernahme abgestellt, was bedeute, dass sich künftige Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Gesellschaftsvermögens auswirkten.

Der Gerichtshof der Europäischen Union führt in seinem Urteil vom 1.12.2011, C 492/10 aus:

"Zur Vorlagefrage

17 Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter nur dann einen Vorgang darstellt, der das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335 nicht erhöht, wenn sie in Erfüllung eines vor dem Eintritt der Verluste geschlossenen Ergebnisabführungsvertrags erfolgt, oder ob dies auch der Fall ist, wenn sie in Erfüllung einer im Vorhinein eingegangenen Verpflichtung des Gesellschafters erfolgt, mit der nur die Abdeckung der zukünftigen Verluste der Gesellschaft sichergestellt werden soll.

18 Vorab ist daran zu erinnern, dass nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335 Leistungen eines Gesellschafters der Gesellschaftsteuer unterworfen werden können, die es einer Kapitalgesellschaft ermöglichen, ihr Gesellschaftsvermögen zu erhöhen, ohne eine Erhöhung des Kapitals mit sich zu bringen, und die geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen.

19 Zur ersten, die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens betreffenden Voraussetzung ist festzustellen, dass, da unter dem Gesellschaftsvermögen die Gesamtheit der Wirtschaftsgüter, die die Gesellschafter zu einem gemeinsamen Ganzen vereinigt haben, einschließlich ihres Zuwachses zu verstehen ist, die Erhöhung dieses Vermögens daher grundsätzlich jede Form der Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft umfasst (Urteil vom 30. März 2006, Aro Tubi Trafilerie, C-46/04 , Slg. 2006, I-3009, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dementsprechend hat der Gerichtshof entschieden, dass die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen ihrer Gesellschafter eine Leistung darstellt, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht wird, da sie dieses wieder auf einen Stand bringt, den es vor Eintritt der Verluste erreicht hatte (Urteil Siegen, Randnr. 13).

20 Zur zweiten, die Erhöhung des Werts der Gesellschaftsanteile betreffenden Voraussetzung ist festzustellen, dass die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen ihrer Gesellschafter dadurch, dass sie das Gesellschaftsvermögen wieder auf einen Stand bringt, den es vor Eintritt der Verluste erreicht hatte, zur Verstärkung des Wirtschaftspotenzials dieser Gesellschaft beiträgt. Eine solche Übernahme ist demnach als im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335 geeignet anzusehen, den Wert der Gesellschaftsanteile der Gesellschaft zu erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Februar 1991, Deltakabel, C-15/89 , Slg. 1991, I-241, Randnr. 13, und Trave-Schiffahrtsgesellschaft, C-249/89 , Slg. 1991, I-257, Randnr. 13).

21 Durch die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen ihrer Gesellschafter wird folglich das Gesellschaftsvermögen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335 erhöht.

22 Der Gerichtshof hat in den Randnrn. 13 und 14 des Urteils Siegen jedoch festgestellt, dass die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter zwar als Leistung anzusehen ist, durch die sich das Vermögen der Gesellschaft erhöht, dass dies aber nicht gilt, wenn diese Übernahme auf einem vor Eintritt der Verluste geschlossenen Ergebnisabführungsvertrag beruht, da die damit eingegangene Verpflichtung bedeutet, dass sich künftige Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Vermögens auswirken werden.

23 Aus dem Urteil Siegen geht hervor, dass der Gerichtshof für den Fall eine Ausnahme gemacht hat, dass der Gesellschafter die Verluste aufgrund einer Verpflichtung übernimmt, die er vor dem Eintritt dieser Verluste eingegangen ist, da eine solche Verpflichtung bedeutet, dass sich künftige Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Vermögens auswirken werden. Diese Auslegung des Urteils Siegen wird bestätigt durch das Urteil vom 17. September 2002, Norddeutsche Gesellschaft zur Beratung und Durchführung von Entsorgungsaufgaben bei Kernkraftwerken (C-392/00 , Slg. 2002, I-7397, Randnr. 21).

24 Diese Ausnahme ist dadurch gerechtfertigt, dass die Gesellschaft aufgrund der im Vorhinein von ihrem Gesellschafter zu ihren Gunsten eingegangenen Verpflichtung unabhängig von den Ergebnissen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit keine Verluste mehr verzeichnen kann, weil diese automatisch auf ihren Gesellschafter übertragen werden. In dem besonderen Fall, dass - wie im Ausgangsverfahren - eine solche Verpflichtung vor der Feststellung der Verluste der Gesellschaft eingegangen worden ist, steht fest, dass die Ergebnisse der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft keinen Einfluss auf ihr wirtschaftliches Potenzial haben.

25 Unter diesen Umständen ist die Erhebung von Gesellschaftsteuer auf den Vorgang der Übernahme der Verluste dieser Gesellschaft durch einen Gesellschafter nicht gerechtfertigt, da das Gesellschaftsvermögen nicht erhöht wird."

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof der Europäischen Union für Recht erkannt:

"Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter in Erfüllung einer von ihm vor dem Eintritt dieser Verluste eingegangenen Verpflichtung, mit der nur die Abdeckung der Verluste sichergestellt werden soll, das Gesellschaftsvermögen nicht erhöht."

Zum Urteil des EuGH vom 1. Dezember 2011, C-492/10 , führt DDr. Thomas Kühbacher, in "Verlustübernahmezusagen und Gesellschaftsteuer", ÖStZ 2012, 168 wörtlich aus:

"Mit dem Urteil in der Rs Immobilien Linz GmbH & Co KG hat der EuGH seine bisherige Rechtsprechungslinie vollinhaltlich bestätigt:

Die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft erhöhe zwar das Gesellschaftsvermögen und trage zu einer Stärkung des Wirtschaftspotenzials dieser Gesellschaft bei, allerdings sei davon abgehend eine Ausnahme zu machen, wenn der Gesellschafter die Verluste aufgrund einer Verpflichtung übernehme, die er bereits vor dem Eintritt dieser Verluste eingegangen ist. Diese Ausnahme sei dadurch gerechtfertigt, "[...] dass die Gesellschaft aufgrund der im Vor-hinein von ihrem Gesellschafter zu ihren Gunsten eingegangenen Verpflichtung unabhängig von den Ergebnissen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit keine Verluste mehr verzeichnen kann, weil diese automatisch auf ihren Gesellschafter übertragen werden. In dem besonderen Fall, dass - wie im Ausgangsverfahren - eine solche Verpflichtung vor der Feststellung der Verluste der Gesellschaft eingegangen worden ist, steht fest, dass die Ergebnisse der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft keinen Einfluss auf ihr wirtschaftliches Potenzial haben."

Demnach ist die Abdeckung der Verluste der Immobilien Linz GmbH & Co KG durch die Ge-meinde als deren Gesellschafter nicht als freiwilliger Zuschuss iSd Art 4 Abs 2 Buchst B der RL 69/335/EWG bzw in weiterer Folge des § 2 Z 4 KVG der Gesellschaftsteuer zu unterwer-fen.

Nicht nur Verlustübernahmeverpflichtungen, welche auf einem Ergebnisabführungsvertrag be-ruhen, sondern auch alle anderen Zusagen eines Gesellschafters zur Verlustabdeckung, die im Rahmen eines Gesellschafterbeschlusses getroffen werden, führen zu keiner Erhöhung des Gesellschaftsvermögens iSd KVG und lösen somit keine Gesellschaftsteuerpflicht aus, soweit derartige Zusagen vor Eintritt der Verluste erfolgen."

Für den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies, dass die von der Bw ohnedies nur aus rechtlicher Vorsicht erstattete Meldung nach dem Kapitalverkehrssteuergesetz zu keiner Belastung mit Gesellschaftsteuer führt, da die Leistungen der beiden Gesellschafterinnen auf einer Patronatserklärung aus dem Jahre 2006 beruhen und nur die Abdeckung der Verluste aus dem von der Bw verpflichtend zugesagten Rückkauf der im Jahre 2000 von den Banken gezeichneten Genussrechte an der 1-GmbH zu einem festgelegten Preis am 14.04.2008 sichergestellt werden sollte, das Gesellschaftsvermögen der Bw. nicht erhöht hat.

Es liegt somit kein steuerbarer Vorgang im Sinne der Bestimmungen des § 2 Z 2 und 4 KVG vor. Der Berufung war daher im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 1.12.2011, C-492/10 , stattzugeben.

Salzburg, am 15. Juni 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

Art. 3 Buchstabe h RL 2008/7/EG , ABl. Nr. L 46 vom 21.02.2008 S. 11
§ 2 Z 2 und 4 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934

Verweise:

EuGH 01.12.2011, C-492/10
UFS 06.10.2010, RV/0372-L/08

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