Buchführungsmängel - Sicherheitszuschlag (3 % des erklärten Umsatzes)
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/15/0123 eingebracht. Mit Erk. v. 2.10.2014 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zl. RV/2101747/2014 erledigt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. KEG, Stutenmilchverwertung, A., vertreten durch Artner WP/Stb GmbH, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei, 8200 Gleisdorf, Ludersdorf 201, vom 3. April 2009 gegen die Bescheide des Finanzamtes Oststeiermark vom 2. März 2009 betreffend Umsatzsteuer sowie einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2004 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Die im Kalenderjahr 2004 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb werden gemäß § 188 BAO in Höhe von € 52.865,51 festgestellt.
Davon entfallen auf
1) Franz Q. (30 %) € 15.859,65
2) Thomas Q.-Z. (40 %) € 21.146,21
3) Maria-Anna Q. (30 %) € 15.859,65
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt hat im Rahmen einer Außenprüfung ua. nachstehende Feststellungen getroffen:
1) Aufzeichnungs- und Buchhaltungsmängel
Für die mit 31. März 2004 verbuchte Milchlieferung der Landwirtschaft an die Bw. KEG (Berufungswerberin - Bw.) hätte weder eine Rechnung beigebracht werden können noch seien Grundaufzeichnungen wie Lieferscheine usw. vorgelegt worden. Im Zuge einer Mengenverprobung sei festgestellt worden, dass an die Fa. Ö. 1.785 Liter Stutenmilch zur Trocknung geliefert worden seien. Da auf Grund einer Milchrechnung aus dem Jahr 2005 und des verrechneten Preises eine Mengendifferenz wahrscheinlich erschienen sei, sei in Beantwortung dieses Vorhaltes eine Nachverrechnung von 285 Litern für das Jahr 2004 am 26. November 2008 durchgeführt worden, was nicht den fremdüblichen Usancen entspreche. Weiters seien 468 Liter Milch an die Bw. geliefert und an die Fa. X. Naturkosmetik zusammen mit Stutenmilchpulver zur Verarbeitung gegeben worden, was in den Aufzeichnungen bzw. Geschäftsbüchern nicht zum Ausdruck komme. Die Verprobung des Handels mit Stutenmilchpulver mit der Fa. Y. habe eine Mengendifferenz von 123 kg ergeben, die wahrscheinlich auf eine bisher nicht erfasste Einkaufsrechnung vom 1. September 2005 (Rest der Lieferung vom 31. Juli 2004) zurückzuführen sei.
Auf Grund dieser und der unter der Tz 2 aufgezeigten gravierenden Mängel (fehlende Grundaufzeichnungen und Rechnungen, Nichterfassung von Wareneinkäufen und mangelhafte Inventuren) werde ein Sicherheitszuschlag in Höhe von € 12.000,00 zu Umsatz und Gewinn (= 3 % des gerundeten Umsatzes, wovon 70 % mit dem Normalsteuersatz in Höhe von 20 % und 30 % mit dem ermäßigten Steuersatz in Höhe von 10 % umsatzversteuert würden) hinzugerechnet (vgl. Bericht vom 27. Februar 2009 über das Ergebnis der Außenprüfung, Tz 1 und Tz 1 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 3. Februar 2009).
2) Inventur Stutenmilchpulver
In der Inventur per 31. Dezember 2004 sei das zur Bearbeitung bei der Fa. Ö. lagernde Stutenmilchpulver nicht erfasst worden. Weiters sei festgestellt worden, dass der in der Inventur angesetzte Preis für Stutenmilchpulver (Trinkkur) nicht mit dem tatsächlichen Wert korrespondiere. Unter Zugrundelegung eines Milchpreises von € 5,50/Liter ergebe sich bezüglich des Bestandes an Milchpulver für das Streitjahr eine gewinnmindernde Bestandsminderung in Höhe von € 16.986,00 (vgl. Bericht vom 27. Februar 2009 über das Ergebnis der Außenprüfung, Tz 2 und Tz 2 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 3. Februar 2009).
3) Verrechnungspreis Stutenmilch
Die zur Erzeugung von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten benötigte Stutenmilch werde ausschließlich von der Landwirtschaft (Thomas Q.-Z. und Andrea Z.) zugekauft. Die Trocknung der Stutenmilch erfolge ausschließlich durch den gewerblichen Betrieb. Als Verrechnungspreis für 1 Liter Bio-Stutenmilch seien € 15,76 inklusive 12 % Umsatzsteuer zum Ansatz gebracht worden, was einem Nettowert von € 14,07 entspreche. Anhand von Erhebungen bei den übrigen steirischen Stutenmilchproduzenten sei festgestellt worden, dass für Verkäufe an weiterverarbeitende Betriebe Erlöse in Höhe von € 3,46 bzw. € 4,50 (Bio-Milch) erzielt würden bzw. Bio-Stutenmilchpulver zu einem Einkaufspreis von € 45,00 in den Betrieb eingebracht würde, was einem Milchpreis von ca. € 3,90 entspreche. Für das als Handelsware zugekaufte Pulver ergebe sich ein von der Bw. bezahlter Milchpreis nach Abzug der Trocknung von € 1,20 (Nicht-Bio). Erhebungen bei weiterverarbeitenden Betrieben hätten ergeben, dass Bio-Stutenmilch um maximal € 5,50 zugekauft werde. Weiters sei festzuhalten, dass die Verkaufspreise der Endprodukte (Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetikprodukte) der verglichenen Betriebe ähnlich seien.
Der Verrechnungspreis für die von der Landwirtschaft an die Bw. gelieferte Stutenmilch (1.968,5 Liter) werde daher mit € 5,50 zuzüglich 12 % Umsatzsteuer zum Ansatz gebracht, was einschließlich der noch nicht abgerechneten Milchlieferung im Ausmaß von 285 Litern zu einer Gewinnerhöhung in Höhe von € 15.302,55 führe (vgl. Bericht vom 27. Februar 2009 über das Ergebnis der Außenprüfung, Tz 3 und Tz 3 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 3. Februar 2009).
4) Vorsteuerkorrektur Milch
Da teilweise für Milchlieferungen aus der Landwirtschaft keine Rechnungen vorgelegt werden hätten können, könne kein Vorsteuerabzug gewährt werden. Weiters sei die Vorsteuer dem zugrunde gelegten Verrechnungspreis (€ 5,50 netto) anzupassen. Daraus ergebe sich insgesamt eine Vorsteuerkürzung in Höhe von € 2.510,66 und eine Aufwandserhöhung in Höhe von € 1.178,10 (vgl. Bericht vom 27. Februar 2009 über das Ergebnis der Außenprüfung, Tz 5 und Tz 5 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 3. Februar 2009).
Gegen den unter Zugrundelegung dieser Prüfungsfeststellungen im Wege der Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO ergangenen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2004 und gemäß § 188 BAO erlassenen Gewinnfeststellungsbescheid für das Jahr 2004 hat die Bw. mit nachstehender Begründung das Rechtsmittel der Berufung erhoben:
1) Verrechnungspreis für Stutenmilcheinkauf von der Landwirtschaft Z.
Für Stutenmilch und Stutenmilchprodukte gebe es keinen Großhandels- bzw. Wiederverkäufermarkt; im Jahr 2006 habe es in Österreich lediglich 15 Stutenmilch erzeugende Betriebe (159 melkbare Stuten) gegeben; davon seien 13 Familienbetriebe ohne familienfremdes Personal gewesen; nur etwa ein Drittel der Bauern sei im Vollerwerb tätig; von diesem Drittel (fünf Betriebe) sei im Prüfungszeitraum außer der Bw. nur ein Betrieb (S.) der Stutenmilchproduktion im Haupterwerb nachgegangen.
Eine für die Bw. relevante Teilmenge an Stutenmilch könne am Markt nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit hinsichtlich Liefermenge, Lieferzeitpunkt und Produktqualität (Bio zertifizierte Ware) beschafft werden. Zum Beweis dafür werde auf die Antworten auf konkrete Anfragen bei Stutenmilchproduzenten, aus welchen hervorgehe, dass - wenn überhaupt - dann nur minimale, für die Bw. nicht relevante Mengen angeboten werden könnten, hingewiesen.
Für die Feststellung, dass Stutenmilch zu einem Höchstpreis von € 5,50 (€ 6,16 inklusive 12 % Umsatzsteuer) angekauft werde, sei vom Finanzamt als einziger weiterverarbeitender Betrieb die Ö., später als V. GmbH firmierend, angeführt worden. Da dieser Betrieb in einem Jahr lediglich 2300 Liter Stutenmilch zu etwa 230 kg Pulver und ausschließlich für eigene Produkte für einen einzigen Kunden verarbeitet habe, verfüge er offensichtlich nicht über ausreichende Mengen an Stutenmilch, um eine für die Bw. relevante Menge an Pulver anbieten zu können. Auch ein ausreichender Kundenkreis fehle offensichtlich. Da die von diesem Betrieb unter eigenem Namen "V." vertriebenen Stutenmilchprodukte weitestgehend vom Markt verschwunden seien, sei der einzige Kunde weggebrochen. Die Verarbeitung von 230 kg Stutenmilchpulver für eigene Zwecke und für den Verkauf an einen einzigen Kunden sei wohl nicht als ernstzunehmende Marktbeteiligung zu klassifizieren und könne daher niemals eine Grundlage für einen Fremdvergleich bilden.
Das Evaporations-Trocknungsverfahren sei das einzige Verfahren, mit dem die von der Bw. geforderte Qualität erzielt werden könne. Dieses Verfahren sei ua. von Ö. mitentwickelt worden; mangels wirtschaftlichen Erfolgs habe Ö. diese Technologie samt Patent verkauft und sei nur mehr Lizenznehmer.
Der Preisdruck innerhalb der Branche sei enorm hoch. Nebenerwerbsbetriebe würden die Verkaufspreise nicht kalkulieren und daher Stutenmilch vielfach zu nicht kostendeckenden Preisen anbieten. Das ergebe sich auch aus der dem Finanzamt vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit von Anja Puchta, Universität für Bodenkultur, Wien 2007. Darin werde auch dokumentiert, dass für manche Betriebe ideelle Gründe für die Produktion und den Vertrieb von Stutenmilch im Vordergrund stünden, sodass der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg keine Rolle spiele.
Es würde für einen ausschließlich Stutenmilch produzierenden Betrieb den wirtschaftlichen Ruin bedeuten, wenn er sich an den Preisen jener Betriebe orientieren würde, die das Produkt zu nicht kostendeckenden Preisen verkauften.
Aus der Niederschrift des Finanzamtes mit dem Landwirt Johann G. vom 22. Oktober 2008 gehe hervor, dass der einmalige Verkauf an die Bw. nur deshalb zu dem sehr günstigen Preis von € 3,46 netto erfolgt sei, weil das auf Lager befindliche Produkt vom Verfall bedroht gewesen sei und kein anderer Kunde gefunden werden hätte können. Damit sei dieser Verkauf für den vom Finanzamt vorgenommenen Fremdvergleich völlig ungeeignet. Herr G. habe zwischenzeitlich die Stutenmilchproduktion mangels wirtschaftlichen Erfolgs drastisch reduziert oder eingestellt, da er erhebliche Mengen, etwa 2000 Liter Stutenmilch und darüber hinaus etwa 200 kg Stutenmilchpulver wegen Überschreitung des Ablaufdatums vernichten habe müssen.
Als weiterer Vergleichsbetrieb werde vom Finanzamt der Landwirt Bernhard L. angeführt. Aus der Niederschrift vom 22. Oktober 2008 sei ein Verrechnungspreis an seinen Gewerbebetrieb in Höhe von € 4,50 (€ 5,04 inklusive 12 % Umsatzsteuer) ersichtlich. Beim Direktverkauf der Stutenmilch ab Hof werde ein Preis von € 10,40 inklusive 12 % Umsatzsteuer je Liter in Rechnung gestellt.
In der Stutenmilchproduktion könne auf Grund von langjährigen Erfahrungssätzen von 320 Litern Milchproduktion pro Pferd und Jahr ausgegangen werden.
Unter Berücksichtigung eines Durchschnittspreises von € 7,72 brutto bei einem Anteil von 50 % Verkauf an Letztverbraucher würde Herr L. einen Monatsumsatz von brutto € 206,00 pro melkbarer Stute erzielen können.
Die durchschnittlichen Vollkosten der Landwirtschaft Z. würden aber pro Monat bei rd. € 500,00 je melkbarer Stute liegen.
Weiters sei der von Herrn L. angegebene Verkaufspreis für Stutenmilchpulver in Höhe von € 45,00/kg undenkbar, weil allein die Kosten für die Evaporationstrocknung bei rd. € 40,00 liegen würden. Die katastrophale Fehlkalkulation des Betriebes Bernhard L. sei somit unmittelbar erkennbar und spiegle sich auch auf dem C-Blatt des Grundbuchsauszuges recht anschaulich wider.
Würde man für 50 % der Produktionsmenge des landwirtschaftlichen Betriebes Z., in dem vier familienzugehörige Personen tätig seien, den von der Außenprüfung festgestellten Verrechnungspreis in Höhe von € 5,50 netto (€ 6,16 inklusive 12 % Umsatzsteuer) ansetzen, würde sich ein Verlust in Höhe von rd. € 32.000,00 ergeben.
Wenn man den nach einer fiktiven Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelten Jahresgewinn von jeweils € 6.000,00 der pauschalierten Landwirtschaft den Bilanzgewinnen der Bw. in den Jahren 1999 bis 2004 gegenüberstelle, sei ein Missverhältnis zu Lasten des Gewerbebetriebes nicht ableitbar. Vielmehr ergebe sich vor allem unter Einbeziehung des Umstandes, dass in den gewerblichen Einkünften Unternehmerlöhne zumindest teilweise gewinnmindernd angesetzt seien, in der Landwirtschaft jedoch nicht, dass ein maßgeblich höherer Verrechnungspreis für die Stutenmilch gerechtfertigt sei.
Auf Grund der vorhin dargestellten Tatsachen sei der Verrechnungspreis zwischen der Landwirtschaft und dem Gewerbebetrieb mit netto € 14,07 nicht nur gerechtfertigt, sondern er stelle vielmehr die Untergrenze dar, um einen Verlust in der Landwirtschaft zu vermeiden. Ein nennenswerter Unternehmerlohn für die vier mitarbeitenden Familienmitglieder sei mit diesen Verrechnungspreisen ohnehin nicht mehr erzielbar. Der innere Betriebsvergleich im Sinne der Gewinnbetrachtung beider Betriebe erlaube aus der Sicht der Landwirtschaft keinen niedrigeren Verrechnungspreis und mache einen solchen aus der Sicht des Gewerbebetriebes keinesfalls erforderlich. Die vom Finanzamt vorgebrachten Fremdvergleiche seien nicht repräsentativ und daher nicht anwendbar.
2) Inventur Stutenmilchpulver
Hinsichtlich der Inventur des Vorrats an Stutenmilchpulver blieben die Mengenfeststellungen der Außenprüfung unbestritten. Für die Erzeugung von 1 kg Stutenmilchpulver würden durchschnittlich 10 Liter Stutenmilch benötigt. Ausgehend von einem Literpreis von € 14,07 und Kosten für die Trocknung im Evaporationsverfahren in Höhe von € 40,67 netto je kg Stutenmilchpulver errechne sich eine gewinnmindernde Bestandsverminderung in Höhe von € 39.066,38.
3) Vorsteuerkorrektur Milch
Unter Zugrundelegung eines Verrechnungspreises in Höhe von € 14,07 sei keine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen.
Hinsichtlich des fehlenden Beleges vom 31. März 2004 mit der Belegnummer 6 sei eine Vorsteuerkürzung in Höhe von € 2.149,09 und in derselben Höhe eine Aufwandserhöhung vorzunehmen.
Die Vorsteuer der noch nicht abgerechneten Milchlieferungen (Tz 8 des Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung) werde erst bei Rechnungslegung (November 2008) geltend gemacht.
4) Noch nicht abgerechnete Milchlieferungen
Der Aufwand für die von der Betriebsprüfung festgestellten, zwei irrtümlich von der Landwirtschaft nicht verrechneten Milchlieferungen an die Bw. in Höhe von insgesamt € 7.738,16 sei in der Gewinnermittlung der Bw. im Jahr 2004 gewinnmindernd zu berücksichtigen, während die Vorsteuer erst im Zeitpunkt der Rechnungslegung (November 2008) geltend gemacht werden könne.
5) Rechnungskorrektur - Milcheinkauf von der Landwirtschaft
Im Zuge der Arbeiten für die Betriebsprüfung habe man festgestellt, dass bei der Verrechnung der Stutenmilchlieferungen von der Landwirtschaft an den Gewerbebetrieb der Bw. irrtümlich lediglich 10 % anstatt richtig 12 % Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden seien. Im Jahr 2009 seien die diesbezüglichen Rechnungen korrigiert worden. Da die Rechnungsberichtigung auf Basis der Nettorechnungsbeträge erfolgt sei, ergebe sich beim Betriebsaufwand keine Änderung.
6) Aufzeichnungs- und Buchhaltungsmängel
Das Finanzamt stütze den beabsichtigten Sicherheitszuschlag in Höhe von € 12.000,00 ua. auf die Feststellung, dass für eine Milchlieferung am 31. März 2004 von der Landwirtschaft an den Gewerbebetrieb der Bw. keine Rechnung vorhanden sei. Diesbezüglich sei festzuhalten, dass dieser Geschäftsfall buchhalterisch korrekt erfasst worden sei, jedoch lediglich der Rechnungsbeleg (Belegnummer 6, 31.03.2004, € 23.640,-- inkl. USt) zum Prüfungszeitpunkt nicht auffindbar gewesen sei. Das Fehlen eines Beleges stelle lediglich einen geringen Mangel dar, welcher keinen Sicherheitszuschlag rechtfertige (RME, ÖStZ 1990, S 98).
Das Finanzamt habe weiters festgestellt, dass bei einer Verbringung von 1785 Liter Stutenmilch zur Trocknung an die Fa. Ö. auf Rechnung des Gewerbebetriebes im Jahr 2004 eine Teilmenge nicht an den Gewerbebetrieb verrechnet worden sei. Auf Grund einer Mengenverprobung durch die Betriebsprüfung sei seitens der Bw. eine Nachverrechnung (285 Liter) durchgeführt worden. Der Umstand, dass dieser Geschäftsfall buchhalterisch nicht erfasst worden sei, habe zu einer überhöhten Besteuerungsgrundlage geführt, wodurch keine Abgabenverkürzung eingetreten sei. Dadurch sei ein Sicherheitszuschlag ausgeschlossen.
Die Lieferung von 468 Liter Stutenmilch zur Verarbeitung an die Fa. X. Naturkosmetik habe keine steuerliche Auswirkung, weil die Ware im Eigentum des Gewerbebetriebes geblieben sei. Die Lieferung von 123 kg Stutenmilchpulver an die Fa. Y. sei auch direkt aus der Landwirtschaft im Rahmen der Be- und Verarbeitung (Stutenmilchtrocknung) zulässig. Ein Sicherheitszuschlag sei in diesem Zusammenhang undenkbar, da zu keinem Zeitpunkt eine Abgabenverkürzung vorgelegen sei.
Die mangelnde Erfassung der unter Tz 2 des Betriebsprüfungsberichtes dargestellten Inventurerfassung von Stutenmilchpulver führe nur zu einer Verschiebung der Besteuerungsgrundlagen und somit zu keiner Abgabenverkürzung.
Ein Sicherheitszuschlag sei eine eigenständige Schätzungsmethode, die der korrigierenden Ergänzung der Besteuerungsgrundlagen diene, wenn anzunehmen sei, dass diese zu niedrig ausgewiesen worden sind. So wie bei jeder anderen Schätzungsmethode sei auch beim Sicherheitszuschlag das Ziel zu verfolgen, möglichst genau die tatsächlichen Gegebenheiten widerzuspiegeln. Ein Sicherheitszuschlag dürfe aber nicht willkürlich angesetzt werden und dürfe auch keinen Strafcharakter haben.
Da die oa. Geschäftsfälle, auf die das Finanzamt den Sicherheitszuschlag stütze, durchwegs zu einer Verminderung der Bemessungsgrundlagen führten, sei eine Abgabenverkürzung, welche einen Sicherheitszuschlag rechtfertigen würde, denkunmöglich.
Die abweisenden Berufungsvorentscheidungen hat das Finanzamt im Wesentlichen folgendermaßen begründet:
1) Verrechnungspreis für Stutenmilcheinkauf von der Landwirtschaft Z.
Ergänzend sei zu erwähnen, dass die Stutenmilch an Anni J. in E., Tirol (neben der Bw. der größte Einzelkunde der Landwirtschaft) um € 10,90/Liter verkauft worden sei. Überdies sei zu erwähnen, dass in der von der Bw. zitierten wissenschaftlichen Arbeit der durchschnittliche Verkaufspreis im Jahr 2006 € 10,83 (2/3 Bio-Milch, Letztverbraucherpreise) betragen habe.
Im Zusammenhang mit der Rechnung Y. werde in der Berufung behauptet, dass zum Lieferzeitpunkt ein Überbestand an Stutenmilchpulver bestanden habe und dieses zu einem Sonderpreis (€ 70,00/kg, was einem Milchpreis von € 5,48 entspreche) verkauft hätte werden müssen, da das Pulver kurz vor dem Verderb gestanden sei. Da der Bestand an Stutenmilchpulver per 31. Dezember 2004 mit 89,40 kg festgestellt worden sei, sei angesichts der am 11. Jänner 2005 durchgeführten Lieferung das Vorliegen eines Überbestandes in Zweifel zu ziehen.
In der Tz 3 der Niederschrift über die Schlussbesprechung sei ausgeführt worden, dass für Verkäufe an weiterverarbeitende Betriebe Erlöse in Höhe von € 3,46 bzw. € 4,50 (Bio-Milch) erzielt worden seien bzw. Bio-Stutenmilchpulver zu einem Einkaufspreis von € 45,00 in den Betrieb eingebracht worden sei, was einem Milchpreis von rd. € 3,90 entspreche. Als maximaler Einkaufspreis für Bio-Milch sei € 5,50 (Fa. Ö.) festgestellt worden.
In der Niederschrift vom 22. Oktober 2008 sei festgehalten worden, dass Herr G. von der Fa. Ö. € 3,46 für einen Liter Stutenmilch bekomme. Die Bw. habe von G. nur Stutenmilchpulver um € 40,00 gekauft. Da mit Ausnahme eines Falles die aufwändige Trocknung durchgeführt worden sei, habe die Bw. für einen Liter Stutenmilch rd. € 1,20 für 90 % und rd. € 3,33 für den Rest bezahlt.
In der fiktiven Einnahmen-Ausgaben-Rechnung der Landwirtschaft seien die AMA-Zuschüsse (2005: € 14.435,74 und 2006: € 25.442,00) offensichtlich nicht erfasst.
Somit sei davon auszugehen, dass die Argumentation der Bw. einige wesentliche Ungereimtheiten aufweise. Jedenfalls bleibe aber festzuhalten, dass der angesetzte Preis von € 5,50 je Liter Stutenmilch der höchste festgestellte zwischen Fremden auf Weiterverarbeitungs- bzw. Wiederverkaufsbasis erzielte Preis sei, weshalb die Finanzbehörde die für die Bw. unter dem Gesichtspunkt eines Fremdvergleichs günstigste, mögliche Variante gewählt habe und daher die Berufung in diesem Punkt völlig unbegründet erscheine.
2) Inventur Stutenmilchpulver
Hinsichtlich des zugrunde zu legenden Einstandspreises sei auf Grund der Ausführungen unter Punkt 1) von einem Literpreis in Höhe von € 5,50 auszugehen.
Hinsichtlich der Trocknungskosten ziehe die Bw. jene des Jahres 2008 heran, während der Betriebsprüfer richtigerweise jene des Jahres 2004 herangezogen habe.
3) Sicherheitszuschlag - Aufzeichnungsmängel
Der Betriebsprüfer habe festgestellt, dass für eine verbuchte Milchlieferung der Landwirtschaft Z. an die Bw. weder eine Rechnung noch ein Lieferschein vorliegen würden. Weiters hätten sich verschiedene Mengendifferenzen (Hinweis auf Tz 1 des Berichtes vom 27. Februar 2009) ergeben. Auf Grund dieser groben Aufzeichnungsmängel sei ein Sicherheitszuschlag in Höhe von € 12.000,00 zu Umsatz und Gewinn hinzugerechnet worden.
Hinsichtlich der Fa. Y. erweise sich das Berufungsvorbringen, die Lieferung sei direkt aus der Landwirtschaft erfolgt als unzulässig, da in den Jahren 2005 bis 2008 nur die GmbH trocknen habe lassen.
Auch die Trocknungsfirma U. habe die Rechnung auf die GmbH ausgestellt; im Übrigen sei die Ausgangsrechnung als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt worden, was bei einem pauschalierten Landwirt nicht zulässig sei.
Im Übrigen zeige das Vorbringen nach Ansicht des Finanzamtes keineswegs, dass nur zu wenig Aufwand verbucht worden sei, sondern vielmehr, dass das Rechnungswesen teilweise unvollständig sei, woraus sich die Verpflichtung zur Verhängung eines Sicherheitszuschlages ergebe.
Somit stelle in Anbetracht aller vorliegenden Umstände des Einzelfalles ein Sicherheitszuschlag in Höhe von rd. 3 % des Umsatzes ohnedies die Untergrenze dar.
4) Anerkennung noch nicht abgerechneter Milchlieferungen in Höhe von € 7.738,16
Da der Sicherheitszuschlag implizit auch die Aufwendungen mitabdecke, komme der beantragte gesonderte Aufwandsansatz nicht in Frage.
5) Vorsteuerkorrektur - Milchlieferungen
Auf Grund der Ausführungen unter Punkt 1) sei die Berufung in diesem Punkt ebenfalls abzuweisen.
Dagegen hat die Bw. mit nachstehender Begründung den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt:
1) Verrechnungspreis für Stutenmilcheinkauf von der Landwirtschaft Z.
Die Geschäftsbeziehung mit Anni J. in E. müsse im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Die Lieferung von Stutenmilchkuren spiele gemessen am Gesamtumfang der Geschäftsbeziehung nur eine untergeordnete Rolle. Der zu billige Verkaufspreis bei den Kuren für eine relativ kleine Liefermenge werde bewusst in Kauf genommen, weil Frau J. ein wertmäßig wesentliches Sortiment an Kosmetika beziehe und weiterverkaufe. Für diesen Erfolg werde der Abnehmerin die Gelegenheit eingeräumt, die Stutenmilchkuren in der geringen Menge zur Abrundung des Angebots anbieten zu können. Die Lieferung größerer Mengen Stutenmilch zu diesem Preis würde unweigerlich zu einem Dauerverlust führen, der zur Einstellung des landwirtschaftlichen Betriebes führen müsste.
Zu dem von Frau Anja Puchta in ihrer wissenschaftlichen Arbeit angeführten Durchschnittspreis von € 10,83 für einen Liter Stutenmilch sei Folgendes auszuführen:
Diese Information sei nicht neu; allerdings sei dagegen einzuwenden, dass dieser Durchschnittspreis unter Einbeziehung konventioneller Ware zustande gekommen sei. Weiters habe die Verfasserin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von den 15 zum Zeitpunkt der Untersuchung bestehenden Betrieben einige Stutenmilch nur als Nebenprodukt hergestellt hätten, der Erlös daraus also für den Betrieb von untergeordneter oder überhaupt ohne Bedeutung sei. Sie weise auch darauf hin, dass manche Betriebe die Stutenmilch eher aus Liebhaberei bzw. aus esoterischen oder aus Gründen einer bestimmten Lebenseinstellung produzierten. Dieser Durchschnittspreis spiegle daher keinesfalls die ökonomischen Notwendigkeiten eines Vollerwerbsbetriebes mit angestelltem Personal wider, der ausschließlich von der Stutenmilchproduktion bei biologischer Bewirtschaftung lebe. Dies treffe ausschließlich auf die Bw. zu, es gebe keinen vergleichbaren Betrieb. In dem Vergleich bleibe weiters unberücksichtigt, dass die Bw. im Gegensatz zu allen anderen Stutenmilchbetrieben die Stuten erst im dritten Monat nach der Geburt des Fohlens - und nicht schon nach der ersten Woche, wie dies andere Betriebe machten - zu melken beginnen würde, damit das Fohlen keinen Schaden erleide. Sowohl der landwirtschaftliche, als auch der Betrieb der Bw. lebten vor allem von den Besuchern des Gestütes, die sehen würden, dass die Pferde artgerecht gehalten werden. Der Vergleich sei daher unsachlich und ungeeignet.
Die Bemerkung des Finanzamtes zur Rechnung an die Fa. Y. dürfte sich wohl auf das Rechtsmittelverfahren zur GmbH beziehen.
Da die Bw. damit werbe, dass sie Produkte aus Stutenmilch ausschließlich aus der Produktion aus der familieneigenen Landwirtschaft anbiete, wäre ein umfangreicher Zukauf gar nicht möglich, ohne diese Marketingstrategie aufzugeben. Stutenmilch Bw. sei eine geschützte Marke; sie aufzugeben wäre ein nicht wieder gut zu machender strategischer Fehler, die Kosten und der Imageverlust wären enorm.
Aus den Ausführungen im Zusammenhang mit der Einvernahme des Herrn G. sei erkennbar, dass sich das Finanzamt mit den Berufungsausführungen überhaupt nicht auseinandergesetzt habe. Wie sonst sei es zu erklären, dass sich das Finanzamt auf einen Vergleichsbetrieb stütze, der wegen Misserfolges die Stutenmilchproduktion eingestellt habe.
Auch unter Einbeziehung der AMA-Zuschüsse und moderater Unternehmerlöhne führe die fiktive Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für die Landwirtschaft zu einem Verlust in Höhe von € 15.600,00.
Der Einwand, dass der Preis von € 5,50 pro Liter Stutenmilch bei zwei Betrieben festgestellt worden sei, die zwischenzeitlich den Betrieb eingestellt hätten oder in wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien, bleibe ebenso ungewürdigt, wie die Tatsache, dass V. ausschließlich für die Bw. Stutenmilch trockne und nur Minimalmengen für den eigenen Gebrauch produziere. Die Finanzbehörde habe also keinen einzigen Referenzbetrieb nennen können, der bei wirtschaftlichem Erfolg die Preisfindung der Finanzbehörde untermauern könnte.
2) Inventur Stutenmilchpulver
Hinsichtlich des Preises sei auf die Ausführungen unter Punkt 1) zu verweisen. Der Preis für die Trocknung habe im Prüfungszeitraum € 39,86 anstatt derzeit € 40,67 betragen. Der Berufungsansatz verändere sich also um 215,4 kg x (40,67-39,86) auf € 174,47. Wie die Betriebsprüfung auf Trocknungskosten von € 23,86 komme (5,5 x 10 + 23,86 = 78,86) sei nicht nachvollziehbar.
3) Sicherheitszuschlag - Aufzeichnungsmängel
Ergänzend sei noch einmal besonders hervorzuheben, dass per Saldo der zu gering verbuchte Aufwand den nicht verbuchten Ertrag bei weitem übersteige, sodass höchstens eine Teilschätzung zu Gunsten der Bw. denkbar wäre. Fest stehe, dass die Betriebsprüfung dazu verpflichtet sei, auch Änderungen zu Gunsten des Steuerpflichtigen von sich aus aufzugreifen und zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu entscheiden. Für die Verhängung eines Sicherheitszuschlages fehle jedenfalls die Rechtsgrundlage.
4) Anerkennung noch nicht abgerechneter Milchlieferungen in Höhe von € 7.738,16
Diese Feststellung werde nicht bestritten.
5) Vorsteuerkorrektur - Milchlieferungen
Die umsatzsteuerlichen Auswirkungen würden sich erst im Zeitpunkt der Rechnungslegung ergeben; in diesem Punkt sei dem Finanzamt vollinhaltlich zuzustimmen. Dieser Rechtsmeinung folgend werde nunmehr auch die Gewinnminderung in Höhe von € 2.149,09 erst zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung angesetzt.
6) Aufwandskürzung Büromaterial (Tz 6 des Bp-Berichtes)
Diese Feststellung werde nicht bestritten.
7) Vorsteuer Mietaufwand (Tz 7 des Bp-Berichtes)
Diese Feststellung werde nicht bestritten.
8) Noch nicht abgerechnete Milchlieferungen (Punkt 8 der Berufungsschrift)
Schon in der Berufung habe sie darauf hingewiesen, dass eine (Teil-)Schätzung nicht willkürlich sein und keinen Strafcharakter haben dürfe. Die Schätzung müsse den tatsächlichen Verhältnissen so nahe kommen, wie möglich. Bestandteil einer Schätzung werde daher regelmäßig sein müssen, dass jene Beträge, die im Rahmen der Betriebsprüfung durch den Prüfer zweifelsfrei festgestellt hätten werden können, auch wirklich zum Ansatz kommen müssten. Schon der Umstand, dass die Betriebsprüfung diesen während der Prüfung festgestellten und dokumentierten Umstand nicht in die Niederschrift und in den Betriebsprüfungsbericht aufzunehmen bereit gewesen sei, lasse den Rückschluss auf mangelnde Objektivität zu.
9) Rechnungskorrektur Milcheinkauf Landwirtschaft (Punkt 9 der Berufungsschrift)
Diese Feststellung werde vom Finanzamt nicht bestritten, wirke sich aber erst im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung (12 % anstatt 10 % Umsatzsteuer) aus.
Im Zuge des am 24. April 2012 gemäß § 279 Abs. 3 BAO durchgeführten Erörterungsgesprächs wurde vom Vertreter der Amtspartei bezüglich des strittigen Verrechnungspreises weiterhin die Auffassung vertreten, dass sich dieser an den Vergleichsbetrieben zu orientieren habe, aber um der besonderen Situation des gegenständlichen Falles (Biomilch als eigene Marke und große jährliche Mengen) gerecht zu werden, ein Verrechnungspreis für das Jahr 2004 in Höhe von € 11,00 netto als sachgerecht zu werten sei. Der bevollmächtigte Vertreter der Bw. hat sich mit diesem Preis ausdrücklich einverstanden erklärt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig sind im Verfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat ausschließlich die Berechtigung zur Verhängung des Sicherheitszuschlages und die Ermittlung der Trocknungskosten durch die Betriebsprüfung.
1) Sicherheitszuschlag
Gemäß § 184 Abs. 3 BAO hat die Abgabenbehörde die Besteuerungsgrundlagen insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
Auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmung ergibt sich, dass schon bloß formelle Buchführungsmängel, die einen solchen Zweifel in die sachliche Richtigkeit der Bücher nach sich zu ziehen vermögen, die Schätzungsbefugnis der Behörde begründen, wobei es eines Nachweises der Behörde, dass die Aufzeichnungen tatsächlich sachlich unrichtig sind, nicht bedarf (vgl. VwGH 15.9.1982, 81/13/0202).
Gemäß § 131 Abs. 1 BAO gelten für alle auf Grund von Abgabenvorschriften zu führenden Bücher und Aufzeichnungen sowie für die ohne gesetzliche Verpflichtung geführten Bücher insbesondere die folgenden Vorschriften:
1. ...
2. Die Eintragungen sollen der Zeitfolge nach geordnet, vollständig, richtig und zeitgerecht vorgenommen werden.
3. ...
4. ...
5. Die zu Büchern oder Aufzeichnungen gehörigen Belege sollen derart geordnet aufbewahrt werden, dass die Überprüfung der Eintragungen jederzeit möglich ist.
Gemäß § 132 Abs. 1 BAO sind Bücher und Aufzeichnungen sowie die zu den Büchern und Aufzeichnungen gehörigen Belege sieben Jahre aufzubewahren.
"Eine unvollständige oder unrichtige Erfassung der Bestände ist bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich aber als sachliche Unrichtigkeit im Sinne des § 184 BAO zu werten" (VwGH 11.12.1990, 89/14/0177). In diesem Zusammenhang ist auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1982, 81/13/0202, zu verweisen, wonach die Nichterfassung sämtlicher Materialien, die sich zum Stichtag auf den Baustellen befunden hatten, in der Inventur sich durchaus als Umstände darstellen, die geeignet erscheinen, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
Unter Bedachtnahme auf die vorhin dargestellte Rechtslage konnte dem Berufungsbegehren, das sich ausschließlich gegen die Schätzungsberechtigung wendet, aus nachstehenden Erwägungen kein Erfolg beschieden sein:
Eingangs ist festzustellen, dass die im Rahmen der Außenprüfung festgestellten Buchhaltungsmängel von der Bw. nicht bestritten werden. Sie vermeint - allerdings in Verkennung des Regelungsgehaltes des § 184 Abs. 3 BAO - vielmehr, dass diese Geschäftsfälle durchwegs zu einer Verminderung der Besteuerungsgrundlagen führten und damit eine Abgabenverkürzung, welche einen Sicherheitszuschlag rechtfertigen würde, denkunmöglich sei.
Dadurch, dass die Bw. für die mit 31. März 2004 verbuchte Milchlieferung vom landwirtschaftlichen Betrieb C. an die Bw. weder eine Rechnung noch einen Lieferschein vorlegen konnte, hat sie gegen die in den §§ 131 Abs. 1 Z 5 und 132 Abs. 1 BAO normierte Belegaufbewahrungspflicht verstoßen, was als schwerwiegender formeller Mangel im Sinne des § 184 Abs. 3 BAO zu werten ist. Dadurch, dass diese Belege als Nachweis für den Einkauf von Rohstoffen dienen, sind in ihnen zu den Büchern oder Aufzeichnungen gehörige Belege im Sinne des § 131 Abs. 1 Z 5 und des § 132 Abs. 1 BAO zu erblicken, die schon auf Grund beider Bestimmungen - ohne dass es noch besonderer gesetzlicher Anordnungen bedurfte - aufzubewahren gewesen wären. Schon die unterbliebene Aufbewahrung begründet die Schätzungsberechtigung der Abgabenbehörde (vgl. auch VwGH 23.5.1990, 89/13/0281).
Auch die erst am 26. November 2008 durchgeführte Nachverrechnung einer im Jahr 2004 durchgeführten Milchlieferung im Ausmaß von 285 Litern und die nicht erfasste Lieferung von 486 Liter Milch stellen schwerwiegende sachliche Unrichtigkeiten der Bücher dar, die insbesondere zusammen mit dem vorhin aufgezeigten formellen Mangel und dem nachstehend angeführten Inventurmangel jedenfalls eine Schätzungsberechtigung nach § 184 Abs. 3 BAO begründen.
Da das bei der Fa. Ö. zur Bearbeitung lagernde Stutenmilchpulver in der Inventur per 31. Dezember 2004 nicht erfasst worden ist, liegt eine unvollständige Erfassung der Bestände vor, die bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich aber jedenfalls als sachliche Unrichtigkeit im Sinne des § 184 BAO zu werten ist (vgl. VwGH 11.12.1990, 89/14/0177 und VwGH 15.9.1982, 81/13/0202).
Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Wien 2011, § 184, Tz 12 und die dort zitierte Judikatur).
Die Methode der Anwendung eines Sicherheitszuschlages geht davon aus, dass es bei mangelhaften Aufzeichnungen wahrscheinlich ist, dass nicht nur nachgewiesenermaßen nicht verbuchte Vorgänge, sondern auch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Wien 2011, § 184, Tz 18 und die dort zitierte Judikatur).
In Fällen, in denen nähere Anhaltspunkte für eine gebotene Schätzung nicht zu gewinnen sind, kann die griffweise Zuschätzung von Sicherheitszuschlägen in Betracht kommen. Solche Sicherheitszuschläge können sich beispielsweise an den Gesamteinnahmen oder auch an den Umsätzen orientieren (vgl. VwGH 18.2.1999, 96/15/0050).
Da auf Grund der vorhin aufgezeigten schwerwiegenden Buchführungsmängel die in § 184 Abs. 3 BAO normierte Verpflichtung der Abgabenbehörde zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen jedenfalls gegeben ist, erweist sich die Verhängung eines Sicherheitszuschlages als rechtmäßig. Die Argumentation der Bw., die festgestellten Buchführungsmängel führten nicht zu einer Abgabenverkürzung, sondern vielmehr durchwegs zu einer Verminderung der Bemessungsgrundlagen, weshalb die Verhängung eines Sicherheitszuschlages mangels Abgabenverkürzung denkunmöglich sei, verkennt den Regelungsgehalt des § 184 Abs. 3 BAO. Denn auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmung ergibt sich, dass schon formelle Buchführungsmängel, die einen Zweifel in die sachliche Richtigkeit der Bücher nach sich zu ziehen vermögen, die Schätzungsbefugnis der Behörde begründen, wobei es eines Nachweises der Behörde, dass die Aufzeichnungen tatsächlich unrichtig sind, nicht bedarf (VwGH 30.11.1999, 94/14/0173). Da im vorliegenden Fall neben einem schwerwiegenden formellen Mangel auch drei sachliche Unrichtigkeiten festgestellt worden sind, kann nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates wohl kein berechtigter Zweifel an der Schätzungsberechtigung bestehen.
Mangels eines substantiierten Vorbringens in der Berufung und im Vorlageantrag zur Höhe des griffweise zugeschätzten Sicherheitszuschlages - 3 % des erklärten (auf volle Hunderttausend gerundeten - 400.000,00) Umsatzes - vermag der Unabhängige Finanzsenat im vorliegenden Fall angesichts der festgestellten Buchführungsmängel keine Unsachlichkeit zu erkennen. Im Übrigen ist festzustellen, dass sich eine griffweise Schätzung einer detaillierten Begründung entzieht (vgl. VwGH 18.2.1999, 96/15/0050 und VwGH 9.12.1992, 91/13/0094).
2) Ermittlung der Trocknungskosten
Diesbezüglich hat das Finanzamt bereits in der Berufungsvorentscheidung darauf hingewiesen, dass die Bw. die Trocknungskosten des Jahres 2008 heranziehe, während das Finanzamt richtigerweise jene des Streitjahres 2004 herangezogen habe. Die Rüge der Bw., dass die Ermittlung der Trocknungskosten nicht nachvollziehbar sei, erweist sich aus folgenden Erwägungen als unberechtigt:
Die tatsächlich im Jahr 2004 angefallenen Trocknungskosten betragen lt. Rechnungen der Fa. V. GmbH vom 8. und 22. April 2004, Rechnungsnummern 4040016 und 4040034 insgesamt € 4.970,76 netto. Unter Zugrundelegung eines unbestrittenen Ausbeutesatzes in Höhe von 10,52 % ergibt sich aus der im Jahr 2004 getrockneten Milchmenge von 1.785,00 Litern eine Trockenpulvermenge von gerundet 187,50 kg (rechnerisch 187,78), woraus sich Trocknungskosten in Höhe von € 26,51/kg Trockenpulver ermitteln.
Unter Zugrundelegung des im Zuge des Erörterungstermins von beiden Parteien außer Streit gestellten Verrechnungspreises in Höhe von € 11,00 netto ändern sich die abzugsfähigen Vorsteuern und der Gewinn aus Gewerbebetrieb wie folgt:
Inventur Stutenmilchpulver (Tz 2 des Bp-Berichtes)
Der für die Inventurbewertung maßgebliche Wert des Trockenpulvers ermittelt sich, ausgehend von dem lt. Berufungsentscheidung maßgeblichen Milchpreis in Höhe von € 11,00/Liter wie folgt:
Die zur Trocknung gelangte Milchmenge von 1.785 Liter ist mit € 19.635,00 (1.785 x 11,00) zu bewerten. Zuzüglich der Trocknungskosten in Höhe von € 4.970,76 ergibt sich ein Wert von € 24.605,76. Daraus ermittelt sich für die gewonnene Trockenpulvermenge von 187,50 kg ein für die Inventurbewertung maßgeblicher Wert/kg von € 131,23.
Somit ermittelt sich die gewinnwirksame Bestandsminderung wie folgt:
kg | EP Pulver/Milchpreis lt. BE 11,00 | ||
AB Pulver per 1.1.2004 lt. Bp | 304,80 | 131,23 | 39.998,90 |
EB Pulver per 31.12.2004 lt. Bp | 89,40 | 131,23 | 11.731,96 |
Bestandsminderung lt. BE | 28.266,94 |
Demgemäß erhöht sich die lt. Gewinnermittlung der Betriebsprüfung zum Ansatz gelangte, gewinnmindernde Bestandsminderung von € 16.986,00 um € 11.280,94.
Verrechnungspreis Stutenmilch (Tz 3 des Bp-Berichtes)
Milchmenge (Liter) | Preis/Liter | Milchzukauf | |
Milchzukauf | 1.968,50 | 11,00 | 21.653,50 |
Noch nicht abgerechnet | 285,00 | 11,00 | 3.135,00 |
Milchzukauf lt. BE | 24.788,50 |
Milchzukauf lt. Bw. | 27.696,80 |
Milchzukauf lt. BE | 24.788,50 |
Gewinnerhöhung lt. BE | 2.908,30 |
Demgemäß ist der Gewinn lt. Bp-Bericht in Höhe von € 77.718,80 (einschließlich der Gewinnerhöhung aus dem Titel "Verrechnungspreis Stutenmilch" in Höhe von € 15.302,55) um den Betrag von € 12.394,25 (15.302,55 abzüglich 2.908,30) zu vermindern.
Vorsteuerkorrektur - Milch (Tz 5 des Bp-Berichtes)
Vorsteuerkürzung lt. Bp | 2.510,66 |
Abzüglich Verminderung durch Verrechnungspreis lt. BE (11,00 - 5,50 = 5,50; 468,5x5,50x12% = 309,21) | -309,21 |
Vorsteuerkürzung lt. BE | 2.201,45 |
Somit erhöhen sich die abzugsfähigen Vorsteuern lt. angefochtenem Bescheid in Höhe von € 44.926,44 um € 309,21 auf € 45.235,65.
Durch den Ansatz des Verrechnungspreises in Höhe von € 11,00/Liter (gegenüber € 5,50/Liter lt. Bp) erhöht sich die gewinnmindernde Position "Aufwandserhöhung" in Höhe von € 1.178,10 um den weiteren Betrag von € 1.178,10.
Unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen ändert sich der Gewinn lt. angefochtenem Gewinnfeststellungsbescheid wie folgt:
Gewinn lt. Bp | 77.718,80 |
Abzüglich zusätzliche Bestandsminderung lt. BE (Tz 2 Bp-Bericht) | -11.280,94 |
Abzüglich Gewinnminderung lt. BE (Tz 3 Bp-Bericht) | -12.394,25 |
Abzüglich zusätzliche Aufwandserhöhung lt. BE (Tz 5 Bp-Bericht) | -1.178,10 |
Gewinn lt. Berufungsentscheidung | 52.865,51 |
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Graz, am 26. April 2012
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 184 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Buchführungsmängel, griffweise Schätzung, Sicherheitszuschlag |
Verweise: | VwGH 15.09.1982, 81/13/0202 |