Umsatzsteuerfestsetzungbescheide für vorangehende Kalendermonate und anschließende Umsatzsteuerfestsetzung anlässlich der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/15/0011 eingebracht. Mit. Erk. vom 29.1.2015 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des L, vom 8. Juli 2011 gegen die Bescheide des Finanzamtes S, vertreten durch B, vom 16. Mai 2011 betreffend Umsatzsteuerfestsetzung für die Monate Oktober, November und Dezember 2010 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
An die Berufungswerberin ergingen im Mai 2011 Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide die Monate Oktober, November und Dezember 2010 betreffend in denen die Umsatzsteuer mit 0,00 festgesetzt und die geltend gemachten Vorsteuern in Höhe von € 23.727,75 (Oktober), € 32.758,06 (November) und € 67.177,74 (Dezember) nicht anerkannt wurden.
In der Begründung wurde unter anderem auf die Begründung das Berufungsvorentscheidung das Vorjahr betreffend verwiesen.
Gegen diesen Bescheid wurde vom Geschäftsführer der Schuldnerin eine Berufung eingebracht. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass die angefochtenen Bescheide unrichtig seien, weil die Gutschriften nicht gebucht worden seien. Auch wenn die Kündigungen der Leasinggesellschaften rechtens sein sollten, trage die Abgabenbehörde erster Instanz allein die Verantwortung dafür, weil durch ihre "kriminellen Umtriebe" die Berufungswerberin zahlungsunfähig geworden sei. Es werde daher beantragt die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die eingereichten Umsatzsteuerguthaben zu buchen.
Da mit Beschluss vom 17. Juni 2011 des Handelsgerichts Wien über das Vermögen der Berufungswerberin das Konkursverfahren eröffnet wurde, erging ein Mängelbehebungsauftrag an den bestellten Masseverwalter, den dieser erfüllte.
Die Berufung wurde durch Erlassung von Berufungsvorentscheidungen abgewiesen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass es steuerrechtlich ohne Belang sei, ob die Kündigungen der Leasinggesellschaften bekämpft worden seien oder nicht. Tatsache sei, dass die Leasingraten, wie im Rahmen der Prüfung (Zeitraum Jänner bis September 2010) festgestellt worden sei, bereits seit längerer Zeit nicht bezahlt worden seien. Es konnte trotz eines Vorhalteverfahrens kein einziger Zahlungsbeleg vorgelegt werden, der die beantragten Vorsteuerbeträge belegen könne.
Gegen diese Bescheide wurde vom Masseverwalter ein Vorlageantrag eingebracht. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass mit Berufungsvorentscheidung vom 4. Oktober 2011 betreffend den Umsatzsteuerbescheid für November 2011 - richtig ist Mai 2011 - auf Grund des Anmeldeverzeichnisses die Vorsteuerberichtigung mit € 166.322,61 festgesetzt worden sei. Da auf Grund des Ergebnisses der Betriebsprüfung festgestellt worden sei, dass die Schuldnerin bereits seit längerer Zeit keine Leasingraten mehr bezahlt habe und die von der Schuldnerin begehrte Vorsteuer nicht gebucht worden sei, könne nicht eine Vorsteuerkorrektur vorgenommen werden, weil dann eine doppelte Belastung bei der Schuldnerin vorliege.
Dem Masseverwalter würden die anlässlich der Betriebsprüfung geprüften Rechnungen der Leasinggesellschaften nicht vorliegen. Es sei jedoch davon auszugehen, wenn die Schuldnerin die Aufkündigung der Leasinggesellschaften im Zivilprozess bekämpfe und keine Leasingraten an die Leasinggeber bezahlt habe, die Forderungen der Leasinggeber im Insolvenzverfahren zur Anmeldung gebracht würden. Diese Forderungsanmeldungen der Leasinggeber seien bei der Vorsteuerberichtigung (Umsatzsteuerbescheid für Mai 2011) berücksichtigt bzw. zu Grunde gelegt worden.
Es könne somit nicht sein, dass einerseits die von der Schuldnerin begehrten Vorsteuerrückzahlungen wegen Nichtzahlung der Rechnungen nicht anerkannt würden, andererseits jedoch eine Vorsteuerberichtigung anhand nicht bezahlter Rechnung durchgeführt werde. Es sei davon auszugehen, dass es sich hiebei beide Male um dieselben Rechnungen handle. Hiedurch sei die Schuldnerin doppelt belastet, sodass letztlich nur ein Bescheid bestehen könne - entweder der Umsatzsteuerbescheid für Mai 2011 oder die Umsatzsteuerbescheide für Oktober, November und Dezember 2010.
Die Berufung wurde der Rechtsmittelbehörde (Unabhängiger Finanzsenat, Außenstelle Salzburg vorgelegt und der Masseverwalter von der Vorlage verständigt.
Über die Berufung wurde erwogen:
A) Festgestellter Sachverhalt
In denen vom Geschäftsführer der Schuldnerin übermittelten Umsatzsteuervoranmeldungen wurden Überschüsse gemeldet für die er weder Rechnungen (Dauerrechnungen) vorlegen konnte noch durch die Vorlage von Zahlungsbelegen den Nachweis erbringen konnte, dass die vereinbarten Leasingraten dieser Verträge, für die er den Vorsteuerabzug geltend machte, entrichtet wurden.
B) Beweisaufnahmen
Elektronisch übersandte Umsatzsteuervoranmeldungen für Oktober, November und Dezember 2010
Anmeldeverzeichnis zu 7
C) Beweiswürdigung
Aus dem vorliegenden Anmeldeverzeichnis geht, wie auch der Masseverwalter in seinem Vorlageantrag ausführt, hervor, dass die Schuldnerin offenbar keine Leasingraten an die Leasinggeber mehr entrichtet hat, denn anderenfalls wäre es nicht denkbar dass insgesamt Leasingforderungen von nahezu € 2,2 Mill angemeldet worden wären. Auch aus den Ausführungen des Geschäftsführers der Schuldnerin ist zweifelfrei zu entnehmen, dass die Leasingraten wegen Zahlungsunfähigkeit nicht mehr entrichtet worden sind, auch wenn er für die Zahlungsunfähigkeit unzutreffender Weise die Schuld bei Abgabenbehörde erster Instanz sucht.
In diesem Zusammenhang wird auf die Ausführungen in der zur Geschäftszahl RV/0075-S/11 ergangene Entscheidung des Unabhängiger Finanzsenates, Außenstelle Salzburg verwiesen.
D) Rechtliche Würdigung
Versagung des Vorsteuerabzuges
Der Unternehmer kann die folgenden von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UStG 1994)
Bei Leistungen auf Grund von Dauerverträgen - somit auch bei Mietverträgen - ist der Zahlungsbeleg in Verbindung mit dem Vertrag über die vereinbarte Leistung als Rechnung im Sinne des § 11 Abs. 1 UStG 1994 anzusehen, wenn im Vertrag alle vom Gesetz geforderten Elemente einer Rechnung enthalten sind (siehe VwGH vom 15. 05.1991, 88/14/0167, Ruppe, UStG3, § 12, Tz 56 iVm § 11 Tz 48, Kolacny/Caganek, UStG3, § 11 Anm. 18 unter Hinweis auf Kranich/Siegl/Waba, Umsatzsteuergesetz 1972, § 11 Tz 71). Danach ist der Mieter - im gegenständlichen Verfahren der Leasingnehmer - zum Abzug von Vorsteuerbeträgen aus Mietzinszahlungen - im gegenständlichen Verfahren aus den Zahlungen der vereinbarten Leasingrate - berechtigt, wenn
im Mietvertrag (Leasingvertrag) die auf das Entgelt für den bestimmten Zeitraum entfallende Umsatzsteuer betragsmäßig gesondert ausgewiesen ist und
die Zahlung des Mieters der Summe aus Entgelt und Umsatzsteuer entspricht.
Der Vorsteuerabzug durch den Mieter - im gegenständlichen Verfahren den Leasingnehmer - ist nicht zulässig, wenn
im Mietvertrag (Leasingvertrag) die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen ist oder wenn
die Zahlung des Mieters (Leasingnehmers) nicht mit dem im Mietvertrag (Leasingvertrag) festgelegten Betrag einschließlich Umsatzsteuer übereinstimmt (siehe Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, UStG 1994, § 12 Rz 171 f).
Für die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges aus einem Leasingvertrag ist daher der Vertrag, der alle vom Gesetz geforderten Elemente einer Rechnung enthalten muss, sowie der Zahlungsbeleg über die Zahlung der im Vertrag vereinbarten monatlichen Leasingrate die Voraussetzung für die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges. Fehlt auch nur eine der beiden Voraussetzungen so steht nach Rechtsprechung und Literatur der Vorsteuerabzug nicht zu.
Der Geschäftsführer der Schuldnerin hat in diesem Verfahren nicht einmal mehr behauptet, dass er die für die geltend gemachten Vorsteuern aus den Leasingverträgen maßgeblichen Unterlagen - Dauerrechnung und Zahlungsbeleg - vorgelegt habe, wodurch die für die Monate Oktober, November und Dezember 2010 geltend gemachten Vorsteuern in Höhe von insgesamt € 123.663,55 offenbar jeglicher Grundlage für den Abzug der Vorsteuer entbehren.
Die Tatsache, dass die Leasingraten nicht entrichtet wurden, geht sowohl aus den Anmeldeverzeichnis als auch den Ausführungen des Geschäftsführers der Schuldnerin (P) hervor, wenn er aus führt, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig gewesen sei.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der zur Geschäftszahl RV/0075-S/11 ergangene Entscheidung des Unabhängiger Finanzsenates, Außenstelle Salzburg verwiesen.
Die Versagung des Vorsteuerabzuges wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen für den Abzug der geltend gemachten Vorsteuerbeträge durch die Abgabenbehörde erster Instanz für die Monate Oktober, November und Dezember 2010 erfolgte daher zu Recht.
Ob die Geltendmachung der Vorsteuerbeträge für die Monate Oktober, November und Dezember 2010 trotz fehlender Grundlagen für dessen Geltendmachung durch den Geschäftsführer der Schuldnerin nach den Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes strafbar ist, obliegt der zuständigen Finanzstrafbehörde.
Mögliche Doppelbelastung durch die Bescheide für Oktober, November und Dezember 2010 sowie für Mai 2011
Der Unternehmer hat spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG 1994).
Die für den Voranmeldungszeitraum selbst berechnete Vorauszahlung ist eine Abgabe im Sinne der BAO. Ein bei der Steuerberechnung ermittelter Überschuss gilt ebenfalls als Abgabe im Sinne der BAO. Er ist prinzipiell gutzuschreiben. Im Fall bestehender Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des geltend gemachten Vorsteuerüberschusses hat die Abgabenbehörde in ein Ermittlungsverfahren zur Erlassung eines Bescheides im Sinne des § 21 Abs. 3 UStG 1994 einzutreten. Daraus resultiert eine Entscheidungspflicht für den Fall, dass die Behörde eine Verbuchung des angemeldeten Überschusses als Gutschrift verweigert (siehe Ruppe UStG3, § 21, Tz 24 und 34 und die darin angeführte Judikatur des VwGH vom 22.3.2000, 99/13/0098 und vom 12.9.2001, 2001,13/0178).
Die von der Abgabenbehörde erster Instanz für die Monate Oktober, November und Dezember 2010 in denen die gemeldeten Vorsteuerguthaben von insgesamt € 123.663,55 aus den vorhin angeführten Gründen - siehe Ausführungen zur Versagung des Vorsteuerabzuges - nicht anerkannt wurden, stehen daher im Einklang mit der Judikatur und der Literatur. Es ist daher zulässig sowohl für die Monate Oktober, November und Dezember 2010 als auch für Mai 2011 Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide zu erlassen.
Den Einwendungen des Masseverwalters, dass es zu einer Doppelbelastung komme, wenn als Grundlage für die Berichtigung der Vorsteuer von den angemeldeten Forderungen der Leasinggeber im Anmeldeverzeichnis ausgegangen werde, sind zutreffend.
Es darf mit der im Zuge des Insolvenzverfahrens vorgenommenen Korrektur der Vorsteuern durch die Erlassung des Bescheides für Mai 2011 nicht zu einer Doppelbelastung kommen. Als Grundlage dient das Anmeldeverzeichnis. Die in den Monaten Jänner bis September 2010 - in diesem Zusammenhang wird auf die zur Geschäftszahl RV/0075-S/11 ergangene Entscheidung des Unabhängiger Finanzsenates, Außenstelle Salzburg verwiesen - vorgenommene Korrektur der geltend gemachten Vorsteuer sowie die in diesem Verfahren für die Monate Oktober bis Dezember 2010 nicht anerkannte Vorsteuer, ist in dem zur Geschäftszahl RV/0703-S/11 beim Unabhängiger Finanzsenat, Außenstelle Salzburg anhängigen Berufungsverfahren hinsichtlich der Festsetzung der Umsatzsteuer für Mai 2011 zu berücksichtigen.
Die Berufung gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für Oktober, November und Dezember 2010 war daher als unbegründet abzuweisen.
Salzburg, am 1. Dezember 2011
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 12 Abs. 1 Satz 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte: | Festsetzung, Vorsteuer, Konkurs, Berichtigung |
Verweise: | VwGH 22.03.2000, 99/13/0098 |