Verfahrenseinstellung, wenn GmbH gemäß § 40 FBG gelöscht wurde
Entscheidungstext
Beschluss
Der Unabhängige Finanzsenat hat im Berufungsverfahren des Dr. C D als Masseverwalter im Konkurs der Fa., vom 20. Juli 2009 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, vertreten durch Martin König, vom 3. Juli 2009 betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (Sektion A) und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2003 bis 2005 beschlossen:
Das Berufungsverfahren wird eingestellt.
Begründung
Das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg schrieb mit Haftungs- und Abgabenbescheiden vom 3.7.2009 Dr. C D als Masseverwalter im Konkurs der Fa., Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2003 bis 2005 vor, da der Dienstgeberbeitrag (und der Zuschlag) gemäß § 41 FLAG 1967 unter anderem auch für an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen i.S.d. § 22 Z 2 EStG 1988 zu entrichten sei, weswegen Honorarzahlungen an den in diesen Jahren wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer Ing. A B dem DB und DZ zu unterziehen seien.
Gegen diese Bescheide erhob der Masseverwalter mit Schreiben vom 20.7.2009 Berufung mit dem Antrag von einer Vorschreibung Abstand zu nehmen, da die Zahlungen an Ing. A B nicht in seiner Eigenschaft als Vorstand bzw. Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, "sondern für im Rahmen dessen Einzelunternehmens erbrachte Dienst- bzw. Werkleistungen" erfolgt seien.
Die Berufung wurde dem Unabhängigen Finanzsenat vom Finanzamt Wien 9/17/18 Klosterneuburg mit Bericht vom 24.7.2009 vorgelegt.
Dem Firmenbuch lässt sich zur Firmenbuchnummer 1xxxxx d entnehmen, dass über die Fa. mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 14.12.2006, 2 S 1xx/06 z, das Konkursverfahren eröffnet wurde und die Gesellschaft infolge des Konkurses aufgelöst ist.
Masseverwalter war seit 15.12.2006 Dr. C D.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 24.11.2009, 2 S 1xx/06 z, wurde der Konkurs aufgehoben.
Der Masseverwalter Dr. C D vertritt die GmbH somit nicht mehr (Löschung eingetragen 15.12.2009).
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 12.3.2010, Geschäftsfall 71 Fr 2xxx/10 k, erfolgte eine amtswegige Löschung gemäß § 40 FBG.
Als letzter handelsrechtlicher Geschäftsführer scheint Ing. A B auf.
Rechtlich folgt hieraus:
Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklaratorischen Charakter (vgl. VwGH 17.5.2004, 2003/17/0134) und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist (vgl. OGH 19.6.2006, 8 ObA 46/06g) und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt - also zB Abgaben noch festzusetzen - sind (vgl. Ritz, BAO³, § 79, Tz 10, 11; VwGH 21.9.2005, 2001/13/0059; VwGH 11.11.2008, 2006/13/0187).
Die Rechts- und Parteifähigkeit einer GmbH bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher grundsätzlich rechtswirksam (vgl. VwGH 28.6.2007, 2006/16/0220).
Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft - so wie bisher - einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter.
In der Zeit zwischen Auflösung und Vollbeendigung (vollständige Abwicklung aller Rechtsverhältnisse) fungiert grundsätzlich der vormalige Geschäftsführer als "geborener Liquidator"(vgl. VwGH 23.6.1993, 91/15/0157; VwGH 17.12.1993, 92/15/0121; UFS 17.12.2008, RV/0527-K/06; UFS 12.3.2009, RV/0292-K/07). An ihn können an die Gesellschaft adressierte Erledigungen bis zur Bestellung eines Liquidators noch zugestellt werden.
Der Auflösung folgt i.d.R. die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG). Während dieser Zeit wird eine Kapitalgesellschaft durch die im Firmenbuch eingetragenen Liquidatoren oder Abwickler (§ 93 GmbHG) vertreten.
Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch (§ 157 UGB, § 93 GmbHG). Mit ihr endet auch das Liquidatorenamt. Sollten in weiterer Folge noch Bescheide an die im Firmenbuch gelöschte Gesellschaft erlassen werden, regelt § 80 Abs. 3 BAO, dass Zustellungsvertreter einer gelöschten GmbH nach Beendigung der Liquidation ist, wer gemäß § 93 Abs. 3 GmbHG auf die Dauer von sieben Jahren zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war. Bei diesem "Verwahrer", der in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrages oder eines Gesellschafterbeschlusses durch das Gericht bestimmt wird, kann es sich um einen Gesellschafter oder um eine dritte Person handeln.
Keine Liquidation findet im Falle des Konkurses einer Gesellschaft statt (vgl. Haberer/Zehetner in Straube (Hrsg), GmbHG § 89 Rz 11).
Die Vertretungsregelung des § 80 Abs. 3 BAO erfasst allerdings nur jene Fälle, in denen eine Liquidation (§ 89 GmbHG) stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird oder eine Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 1 FBG bei Konkursabweisung mangels eines zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichenden Vermögens (§ 71b IO) als aufgelöst gilt und daher mangels Vermögens von Amts wegen zu löschen ist.
Der Löschung im Firmenbuch kann durch das für die Abgabenerhebung zuständige Finanzamt gemäß § 160 Abs. 3 BAO die Zustimmung versagt werden (Löschungssperre). Das Finanzamt kann sich auch gegen eine vom Firmenbuchgericht beabsichtigte amtswegige Löschung aussprechen (§ 40 Abs. 2 FBG).
Die Löschung gemäß § 40 Abs. 1 FBG sowie die im Firmenbuch gemäß § 39 Abs. 2 FBG einzutragende Auflösung gelten zwar nur als deklarativ und führen grundsätzlich nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft (vgl. dazu auch OGH 12.7.2005, 5 Ob 58/05y). Jedoch ist mit der nur deklarativ wirkenden Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch nach der Rechtsprechung des OGH konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (vgl. OGH 20.5.1999, 6 Ob 330/98t; OGH 28.6.2007, 3 Ob 113/07z), sodass in diesem Fall an eine im Firmenbuch gelöschte juristische Person mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden können. Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre unwirksam (vgl. OGH 28.6.2007, 3 Ob 113/07z).
Eine Berufungserledigung kann durch die Berufungsbehörde im gegenständlichen Verfahren daher nicht mehr zugestellt werden.
Der Masseverwalter, der die Berufung erhoben hat, vertritt die gelöschte GmbH nach Beendigung des Konkursverfahrens nicht mehr.
Eine andere Person, der ein Bescheid in diesem Berufungsverfahren zugestellt werden kann, besteht auf Grund der vorstehenden Ausführungen nicht.
Eine Veranlassung zur Bestellung eines Kurators gemäß § 82 Abs. 1 BAO liegt nicht vor.
Weder ist die Sache "wichtig" .i.S.d. Bestimmung, noch kann die gelöschte GmbH die Kosten eines Kurators tragen. Streitgegenständlich sind Abgabennachforderungen von insgesamt etwas über € 2.000,00. Da diese Abgabenforderungen bislang nicht entrichtet wurden, kann im Fall der Stattgabe der Berufung die gelöschte GmbH (bzw. in weiterer Folge deren Gläubiger) kein Abgabenguthaben lukrieren. Andererseits kann im Fall der Abweisung der Berufung das Finanzamt die dann rechtskräftige Forderung gegenüber der gelöschten GmbH mangels Vermögens auch nicht durchsetzen.
In der Sache selbst ist darauf hinzuweisen, dass zwar Tätigkeiten im Rahmen von einzelnen Werkverträgen oder anderen, nicht dem Charakter eines Dienstverhältnisses entsprechenden Rechtsbeziehungen (zB Rechtsvertretung der Gesellschaft durch einen an der Kapitalgesellschaft beteiligten Rechtsanwalt oder eigenständige wirtschaftstreuhänderische Leistung für die Gesellschaft durch einen beteiligten Wirtschaftstreuhänder) nicht unter § 22 Z 2 EStG 1988 fallen, dies aber nicht bei einer - auf dauernde Leistungserbringung abzielenden und nicht der Abwicklung eines konkreten Projektes dienenden - Geschäftsführertätigkeit der Fall ist (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke [Hrsg], MSA EStG 11. EL § 22 Anm. 138 unter Hinweis auf VwGH 26. 4. 2000, 99/14/0339; siehe auch VwGH 23.9.2010, 2010/15/0121, zu Programmiertätigkeiten von Gesellschafter-Geschäftsführern, die jeweils auch über Einzelunternehmen verfügten). Wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer Ing. A B anstelle eines Geschäftsführerentgelts Honorarnoten für "Beratung" ausstellt, ist damit allein nicht dargetan, dass keine Einkünfte i.S.d. § 22 Z 2 EStG 1988 vorliegen.
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1 BAO) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.
Die Bekanntgabe des Abgabenanspruchs an den Haftungspflichtigen hat anlässlich der Geltendmachung der Haftung durch Zusendung einer Ausfertigung des maßgeblichen Bescheides zu erfolgen (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 248 Anm. 1).
Da Gegenstand dieses Berufungsverfahren nicht eine Berufung eines zur Haftung Herangezogenen ist, kommt eine auch eine Zustellung an den Haftungspflichtigen nicht in Betracht.
Bemerkt wird, dass nach der Aktenlage Ing. A B mit Haftungsbescheid vom 16.6.2008 zur Haftung betreffend DB und DZ herangezogen wurde (Berufungsvorentscheidung vom 25.11.2008), allerdings die Bescheide, auf denen dieser Haftungsbescheid beruhte, zufolge der Berufungsvorentscheidung vom 12.2.2009 nicht mehr dem Rechtsbestand angehören.
Eine Inanspruchnahme des ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführers auf Grund der hier berufungsgegenständlichen Haftungs- und Abgabenbescheide vom 3.7.2009 lässt sich dem vorgelegten Akt nicht entnehmen.
Gemäß § 206 lit. b BAO kann die Abgabenbehörde von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen, soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar sein wird.
Bei Prüfung der Voraussetzungen des § 206 lit. b BAO ist auch auf die allenfalls mögliche Einbringlichkeit bei etwaigen Haftungspflichtigen Bedacht zu nehmen (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 206 Anm. 11).
Ist eine erfolgreiche Inanspruchnahme des Geschäftsführers als potenziell Haftungspflichtiger nicht zu erwarten, ist gemäß § 206 lit. b BAO vorzugehen (vgl. UFS 30.11.2010, RV/0556-S/07).
Im vorstehenden Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Abgabenanspruch im Wege der Haftung durchsetzbar ist, sodass von der Abgabenfestsetzung nicht Abstand zu nehmen ist.
Da allerdings eine Berufungsentscheidung der Partei (§ 78 BAO) nicht mehr zugestellt werden kann, kann eine solche durch die Berufungsbehörde auch nicht erlassen werden.
Das Berufungsverfahren war daher einzustellen; der Beschluss ergeht nur an die Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO).
Wien, am 23. Mai 2011