Ausschluss nichtansässiger Kleinunternehmer von der Steuerbefreiung
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch Vertreter, vom 16. April 2007 gegen die Bescheide des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom 27. März 2007 betreffend Umsatzsteuer 2004 und 2005 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland ist in Österreich beschränkt steuerpflichtig, weil sie seit Anfang Dezember 2004 eine in Österreich gelegene Wohnung vermietet und daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Die Umsätze betragen jährlich rund 3.000 €.
Das Finanzamt forderte die Berufungswerberin zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2004 auf und erließ nach Einlangen der Abgabenerklärungen mit Ausfertigungsdatum 27. März 2007 erklärungsgemäße Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2004 und 2005.
Die Abgabepflichtige erhob mit Eingabe vom 13. April 2007 gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer Berufung. Die Bescheide wurden wegen Nichtanwendung der Kleinunternehmerregelung (§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994) angefochten und begründend dazu ausgeführt, dass nach der gesetzlichen Regelung die Befreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 nur für Kleinunternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Inland gelte, weshalb die Berufungswerberin die österreichische Kleinunternehmerregelung nicht in Anspruch nehmen könne, da sie in Österreich über keinen Wohnsitz verfüge. Damit liege aber einerseits eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes nach Artikel 24 des Doppelbesteuerungsabkommens vor und verstoße andererseits diese Regelung "gegen EU-Recht, insbesondere gegen die vom EuGH manifestierte Niederlassungsfreiheit".
Das Finanzamt erließ mit Ausfertigungsdatum14. Juni 2007 eine abweisende Berufungsvorentscheidung und die Berufungswerberin stellte durch ihren Vertreter mit Schreiben vom 4. Juli 2007 den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Soweit die Berufungswerberin unter Hinweis auf Artikel 24 des Doppelbesteuerungsabkommens eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes geltend macht, wird auf Artikel 2 dieses Abkommens verwiesen. Diese Bestimmung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen lautet wie folgt:
"Artikel 2
Unter das Abkommen fallende Steuern
(1) Dieses Abkommen gilt, ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung, für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden.
(2) Als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gelten alle Steuern, die vom Gesamteinkommen, vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Vermögens, der Lohnsummensteuern sowie der Steuern vom Vermögenszuwachs.
(3) Zu den bestehenden Steuern, für die das Abkommen gilt, gehören insbesondere
a) in der Bundesrepublik Deutschland:
1. die Einkommensteuer,
2. die Körperschaftsteuer,
3. die Gewerbesteuer und
4. die Grundsteuer,
einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge (im Folgenden als "deutsche Steuer" bezeichnet);
b) in der Republik Österreich:
1. die Einkommensteuer,
2. die Körperschaftsteuer,
3. die Grundsteuer,
4. die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und
5. die Abgabe vom Bodenwert bei unbebauten Grundstücken,
einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge (im Folgenden als "österreichische Steuer"
bezeichnet).
(4) Das Abkommen gilt auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden. Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten teilen einander, soweit für die Abkommensanwendung erforderlich, am Ende eines jeden Jahres die in ihren Steuergesetzen eingetretenen Änderungen mit."
Daraus ergibt sich, dass die Umsatzsteuer, eine nicht unter dieses Abkommen fallende Steuer ist, weshalb dieser Einwand der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag.
2. Hinsichtlich des Einwandes, wonach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 sich wegen des Verstoßes gegen die in Art. 43 EG verankerte Niederlassungsfreiheit als gemeinschaftswidrig erweise, wird darauf hingewiesen, dass Art 24 Abs 3 und Art 28i 6. der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2006/18/EG des Rates vom 14. Februar 2006 (ABl. L 51, S. 12) geänderten Fassung (im Folgenden Sechste Richtlinie) sowie des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnen, den in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Kleinunternehmen eine Mehrwertsteuerbefreiung mit Verlust des Vorsteuerabzugs zu gewähren, schließen diese Möglichkeit aber hinsichtlich der in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Kleinunternehmen aus.
Nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 in der für den Berufungszeitraum maßgeblichen Fassung sind die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 22.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich. Nicht unter die Steuerbefreiung fallen die Umsätze, die nach § 20 Abs. 4 und 5 besteuert werden;
Da sich somit die Ansässigkeit des Unternehmens im Inland als Anwendungsvoraussetzung für die Kleinunternehmerregelung unmittelbar aus der sechsten Richtlinie ergibt, liegt die eingewendete Verletzung von Gemeinschaftsrecht nicht vor.
Ergänzend wird auf das Urteil des EuGH 26.10.2010, C-97/09 , Schmelz, verwiesen. Darin wird die Auffassung vertreten, dass beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung der Mehrwertsteuerregelung das Ziel, die Wirksamkeit der Steueraufsicht im Hinblick auf die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen zu gewährleisten, und das Ziel der Kleinunternehmerregelung, mit der die Wettbewerbsfähigkeit der Kleinunternehmen gestärkt werden soll, es rechtfertigen, dass die Anwendbarkeit der Mehrwertsteuerbefreiung auf die Tätigkeiten der Kleinunternehmen beschränkt wird, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, ansässig sind (RN 71).
Weiters wird darin zum Ausdruck gebracht, dass in einer Sachverhaltskonstellation wie der Gegenständlichen (keine dauernde Präsenz der Berufungswerberin in Österreich) die Bestimmungen über das Niederlassungsrecht keine Anwendung finden (vgl. Rz 38).
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am 7. Dezember 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte: | Kleinunternehmerregelung, Dienstleistungsfreiheit |
Verweise: |